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Archiv "Südfrankreich: Malerische Provence – 100. Todestag von Paul Cézanne" (16.06.2006)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 24⏐⏐16. Juni 2006 AA1695

D

er Vergleich hinkt ein bisschen. L’Estaque sehe aus wie eine Spielkarte, schrieb Cézanne im Jahr 1876 seinem älteren Freund Camil- le Pissaro: „Rote Dächer vor dem blauen Meer.“ Auch sei die Sonne hier so fürchterlich, dass ihm schiene, als ob alle Gegenstände sich als Silhouet- ten abhöben. Dennoch kam er oft nach L’Estaque, um zu ma- len. Die Blicke, die sich Cé- zanne boten – vor allem die Sicht auf die Bucht von Mar- seille –, existieren so natürlich nicht mehr. 1946 wurde der einst stille Fischerort einge- meindet. Seitdem ist L’Estaque der nördlichste Stadtteil von Marseille, und der Hafen der zweitgrößten Stadt Frankreichs rückt immer näher an das ein- stige Künstlerdorf heran.

Doch wer weiß: Vielleicht hätten Paul Cézanne die Ha- fenkräne und Kaianlagen im nunmehr 16. Arrondissement gefallen. Möglicherweise wä- ren sie ihm sogar besonders malerisch vorgekommen. Denn nicht etwa des Lichts wegen hielt sich der gebürtige Pro- venzale in Südfrankreich auf.

Im Gegensatz zu Vincent van Gogh war das gleißende Licht für Cézanne nichts Besonde- res. Vielmehr übte die Indu- striearchitektur von L’Estaque einen eigentümlichen Reiz auf ihn aus. Und so schmiede- te Cézanne aus den Schorn- steinen der Ziegeleien, den Häusern der Arbeiter, dem mächtigen Eisenbahnviadukt, den grünen Hügeln und dem tintenblauen Meer ganz eige- ne Kunstwerke.

Mit Vorliebe zerlegte er das Motiv und arrangierte die

Bestandteile neu. Mit der Er- kenntnis, dass die Natur sich aus geometrischen Figuren zusammensetzt, schuf er neue künstlerische Ausdrucksfor- men, die sowohl Expressioni- sten als auch Kubisten be- einflussten. Etwas plakativ geht er als „Vater der Moder- ne“ in die Kunstgeschichte ein.

Mit Anfang 20 schrieb er sich an der privaten Acadé- mie Suisse ein. Dort lernte er auch Pissaro kennen, der ihn zur Freilichtmalerei ermutigte.

Um nicht als Soldat eingezo- gen zu werden, flüchtete er 1870 nach L’Estaque – zusam- men mit seiner späteren Frau Hortens Fiquet, einer Buch- bindergehilfin, die ihm in der Kunstakademie nebenbei Modell saß. Ein Jahr später,

nach Beendigung des Deutsch- Französischen Krieges und Ausrufung der Pariser Kom- mune, kehrten die beiden nach Paris zurück.

In dem Jahr in L’Estaque entstand „Effet du soir“,

„Abendstimmung“, das heute im Louvre hängt. Schon die- ses Bild wies eine andere Technik auf als die meisten anderen impressionistischen Werke dieser Zeit, die mit hin- getüpfelten Farben die Illusi- on von flirrendem Licht er- zeugen. Cézanne indes erzielte die Kontraste, die Dichte und Dynamik mit breiten, überein- ander gelegten Pinselstrichen.

Wenn man in L’Estaque dem „Chemin des Peintres“

folgt, bekommt man eine Ah- nung, wie es hier ausgesehen haben mag, als Cézanne, Braque, Raoul Dufy und an- dere Künstler ihre Staffeleien aufstellten und Skizzenblök-

ke zückten. Auf diesem „Weg der Maler“ zeigen acht Info- tafeln die hier entstandenen Bilder, mit Erläuterungen auf Französisch und Englisch.

Vor manche Blickachsen ha- ben sich mittlerweile moder- ne Gebäude geschoben. An- dere Motive wiederum haben einen hohen Wiedererken- nungswert.

Neben der Kirche, im Haus Nr. 2, wohnte Cézanne wäh- rend seiner zahlreichen Auf- enthalte bis Mitte der 80er- Jahre des 19. Jahrhunderts.

Die Bäckereien verführen mit „chichis fregis“; die süßen Krapfen sind eine Spe- zialität von hier. In den Bars am Hafen riecht es nach Pa- stis und frischen Croissants.

Auf dem Wasser schaukeln neben schnittigen Jachten auch bunte Fischerboote.Am Himmel kreist ein Flugzeug zum Landeanflug auf den nahen Flughafen Marseille- Provence.

Cézanne pendelte jahre- lang hauptsächlich zwischen Paris, L’Estaque und Aix en Provence. Nachdem er keine öffentliche Anerkennung fand, zog er sich von der Pariser Kunstszene zurück und ging 1890 endgültig nach Aix, wo er 1839 geboren worden war.

Immer und immer wieder malte er, wie besessen, den nahen Montagne Sainte-Vic- toire. Von den 44 Ölgemälden und 43 Aquarellen des Berg- massivs ist jedoch nur eines in Frankreich geblieben. Am 23. Oktober 1906 stirbt Paul Cézanne im Alter von 67 Jah- ren an den Folgen einer Lun- genentzündung. Er war beim Malen in ein Unwetter ge- raten. Elke Sturmhoebel

Südfrankreich

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Maalleerriisscch hee PPrro ovveen nccee

100. Todestag von Paul Cézanne

Feuilleton

La Côte Bleue: Die Bucht von Niolon

Cézanne-Jahr 2006

>Hauptausstellung „Cézanne en Provence“ bis 17. September im Musée Granet in Aix en Provence. Dafür werden 120 Werke aus internatio- nalen Museen und Galerien zusammengetragen. Geöffnet täglich von neun bis 21 Uhr, donnerstags bis 23 Uhr.

>Cézannes Elternhaus „Jas de Bouffan“ ist erstmalig für das Publikum geöffnet. In dem Landsitz aus dem 17. Jahrhundert in Aix verbrachte Cézanne 40 Jahre seines Lebens.

>Das „Atelier des Lauves“ oberhalb von Aix bezog er 1901. Neben der Besichtigung werden dort auch besondere Veranstaltungen geboten. So finden im Juli und August von Mittwoch bis Sonntag „Nuits des toiles“

statt. Die Bildernächte sollen die Welt Cézannes erstehen lassen.

>Ähnlich wie in L’Estaque gibt es auch in Aix en Provence malerische Rundgänge. „Sur les Pas de Cézanne“ führt vom Geburtshaus bis zur letz- ten Adresse des Künstlers. Ein goldenes „C“ im Straßenpflaster weist den Weg zu den Vierteln und Stätten, wo Cézanne lebte und arbeitete. Eine Bro- schüre ist im Tourismusamt erhältlich. „Les Paysages de Cézanne“ berührt hingegen die Landschaften, die der Künstler malte. Der Halbtagesausflug im Minibus (auf Französisch und Englisch) kostet 49 Euro.

Auskünfte: Maison de la France, Zeppelinallee 37, 60325 Frankfurt/M., Telefon: 01 90-57 00 25 (0,62 Euro/Min.), E-Mail: info.de@franceguide.com.

Internetadressen: www.franceguide.com, www.marseille-tourisme.com, www.aixenprovencetourism.com, www.cezanne-2006.com

Foto:Elke Sturmhoebel

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