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A2568 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft xx29. Juni 2001
S T A T U S
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ie ärztliche Dokumenta- tion dient der Ermögli- chung einer fachgerech- ten Erst- und Anschluss- behandlung, der Wahrung des Persönlichkeitsrechts des Pa- tienten, der Erfüllung der ver- traglichen Nebenpflicht, dem Schutz vor haftungsrechtli- chen Konsequenzen und der Beweissicherung bezüglich möglicher Straftaten. Wesent- licher Teil der Dokumentation in der Klinik ist der ab- schließende Arztbrief. Täglich verlassen rund 45 000 Arzt- briefe die Kliniken. Etwa drei Stunden pro Arbeitstag muss ein Klinikarzt für Dokumen- tation aufwenden.Eine Lösung dieses Zeit- Dilemmas könnte ein Kurz- arztbrief sein, der dem Anfor- derungsprofil eines „optima- len“ ausführlichen Arztbriefs gerecht wird.Ein leserlicher (!) Kurzarztbrief ist die wichtigste Erwartung von Allgemein- ärzten und Nervenärzten an die psychiatrische Klinik. Ob- gleich der Arztbrief das häu- figste und wichtigste Kommu- nikationsmittel unter Ärzten ist und oft den einzigen Kon- takt zwischen Klinik- und Hausarzt darstellt, wird er von Hausärzten aufgrund deren Arbeitsbelastung in weniger als 20 Prozent vollständig ge- lesen. 80 Prozent der nieder-
gelassenen Ärzte halten einen Kurzarztbrief für ausreichend.
Wie die ausführlichen Ent- lassungsbriefe muss auch der Kurzarztbrief alle wichtigen Qualitätskriterien (Übermitt- lungszeit, Länge, Form und In- halt) erfüllen. Ein guter Arzt- brief ist notwendige Voraus- setzung für eine konstruktive Zusammenarbeit von Klinik- ärzten und niedergelassenen Ärzten. Eine mangelhafte Kommunikation dagegen be- lastet den Patienten durch unnötige (Zweit-)Untersuchun- gen, diskontinuierliche Be- handlung und vermehrte Komplikationen. Ein Kurz- arztbrief erleichtert die Arbeit des Stationsarztes, verringert seinen Dokumentationsauf- wand und erhöht dadurch möglicherweise seine Arbeits- zufriedenheit. Ist er entspre-
chend dem Anforderungspro- fil eines optimalen ausführli- chen Arztbriefes gestaltet, kann er aber auch die Bedürf- nisse der niedergelassenen Ärzte erfüllen.
Hausärzte bevorzugen kur- ze, ein- bis zweiseitige Briefe von Klinik- und Konsiliarärz- ten. Hinsichtlich der Form wird standardisierten Arzt- briefen der Vorzug gegeben.
Der Inhalt der Briefe sollte auf die Bedürfnisse der wei- terbehandelnden Ärzte zuge- schnitten sein und die zur Weiterbehandlung relevanten Aspekte berücksichtigen. Dia- gnose, Untersuchungsergeb- nisse, Medikation und Thera- pievorschlag sind die wichtig- sten Bestandteile jedes Arzt- briefs. Die Aufzählung von Normalbefunden ist entbehr- lich. Angaben über Komplika- tionen während der Behand- lung und über einen Alkohol- oder Drogenkonsum sind von Bedeutung. Auch bislang un- gelöste medizinische Proble- me und Gefährdungen des Pa- tienten sollten im Arztbrief mitgeteilt werden. Eine Stel- lungnahme zur Arbeitsfähig- keit erscheint sinnvoll.
Der Kurzarztbrief kann dem Patienten bei Entlassung mitgegeben und/oder am Ent- lassungstag an den weiterbe- handelnden Arzt verschickt werden. Etwa jeder zweite Pa- tient hat sich bereits beim Hausarzt vorgestellt, bevor der Entlassungsbrief den Hausarzt
auf postalischem Weg erreicht hat. Arztbriefe, die später als zwei Wochen nach der Klinik- entlassung eintreffen, sind nach Ansicht der meisten Hausärzte nicht mehr sinnvoll, da die Weiterbehandlung zu diesem Zeitpunkt bereits ein- geleitet worden ist. Die unver- zügliche Übermittlung ist aber auch aus juristischen Gründen wichtig, da der Arztbrief die Grundlage dafür ist, dass die Verantwortung für die Be- handlung dem weiterbehan- delnden Arzt wirksam über- tragen werden kann. Die Pflichten der Klinik gegenüber dem Patienten enden erst nach Übersendung des Arztbriefs!
Ein so gestalteter standar- disierter Kurzarztbrief ist im Intranet der Klinik für Psych- iatrie und Psychotherapie der Universität am Bezirksklini- kum Regensburg abrufbar und hat sich dort als arbeits- und zeitökonomisches Instru- ment bei kurzen, wiederholten und unkomplizierten statio- nären Aufenthalten bewährt.
Er ersetzt bei etwa 25 Prozent der Behandlungsfälle den bis- lang verwendeten handschrift- lichen Kurzarztbrief, den dik- tierten ausführlichen Entlas- sungsbrief und die diktierte Krankengeschichte, was nicht nur eine erhebliche Zeiter- sparnis aufseiten der Ärzte, sondern auch bei den Schreib- kräften bedeutet.
Dr. med. Hermann Spießl Bezirksklinikum Regensburg
Der Kurzarztbrief
Zeitgewinn
Foto:Jens Flintrop
Seit acht Monaten ist das GKV-Modernisierungsgesetz in Kraft. Als ein Kernstück der Reform gilt die Überwindung der Abschottung der Sektoren im Gesundheitswesen. Die
„Versorgungskartelle“ sollen durch Integrierte Versorgung aufgebrochen und überwunden werden. Zu beachten ist gegenwärtig das Vorherrschen eher simpler Modelle. Der- zeit stehen operative Eingriffe im Vordergrund.Verträge zur Integrierten Versorgung, die Kom-
plexpauschalen mit Gewährlei- stungsregelungen zum Gegenstand
haben, werden vornehmlich abgeschlossen. Ob damit tat- sächlich eine Qualitätsverbesserung oder nicht bloß ein Preisverfall und die Förderung von Leistungskonzentratio- nen erzielt wird, ist noch offen. Eine wirkliche Überwindung der Sektorengrenzen zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung ist mit diesen Verträgen zur Inte- grierten Versorgung wohl nicht zu erreichen. Es steht aber zu befürchten, dass Verträge dieser Art Einkaufsmodellen
den Weg bahnen. Die bekannten – und vielfach beklagten – Schnittstellenprobleme im Gesundheitswesen werden durch diese Form der Integrierten Versorgung nicht besei- tigt. Denn letztlich steht weiterhin die Honorierung der er- brachten Leistung im Vordergrund und nicht die Honorie- rung einer Handlungsweise, die dazu beiträgt, besonders wirtschaftlich oder gesundheitsförderlich mit vorhandenen Ressourcen umzugehen. Viele Kon- zepte sind wenig innovativ. Es stellt sich die Frage, ob dies den hohen organisatorischen Aufwand bei den Krankenkassen recht- fertigt. Ganz nebenbei: Integrationsverträge werden zurzeit ja als Unternehmensgeheimnisse angesehen. Es findet kein offener Wettbewerb um die besten Konzepte statt. Das Wort von der „Vertragsanarchie“ macht deshalb auch schon die Runde. Dr. med. Tanja Kostuj Vorsitzende des Ausschusses Integrierte Versorgung der Ärzte- kammer Westfalen-Lippe