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Archiv "Energiesparen im Krankenhaus: Klimaschutz rechnet sich" (10.10.2008)

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A2140 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 4110. Oktober 2008

P O L I T I K

ENERGIESPAREN IM KRANKENHAUS

Klimaschutz rechnet sich

Die Preise für Strom und Gas explodieren. Trotzdem ist Energiesparen für viele Krankenhäuser kein Thema. Dabei kann man marode Anlagen modernisieren, ohne selbst investieren zu müssen – mit dem „Energiespar-Contracting“.

J

ürgen Breuer arbeitet im Ver- borgenen. Das, was er tut, fällt nur auf, wenn etwas kaputt ist. Zu- mindest kann sich der Technische Leiter des Klinikums Bremerhaven- Reinkenheide nicht daran erinnern, dass ihn je ein Arzt oder Pfleger ge- fragt hätte, ob alles mit den Warm- wasser-Zirkulationspumpen in Ord- nung ist. Groß wäre jedoch der Pro- test, wenn im neunten Stock plötz- lich kein warmes Wasser mehr aus dem Hahn sprudelte.

Mittlerweile kennen sie ihn aber alle. Denn Breuer ist es zu verdan- ken, dass das Klinikum eine beson- dere Auszeichnung bekommen hat, die im Eingangsbereich an der Wand hängt: das Gütesiegel „Energie spa- rendes Krankenhaus“ des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND).

Das Haus hat den Ausstoß an Koh-

lenstoffdioxid (CO2) um mehr als ein Viertel reduziert. Bei einem Maxi- malversorger mit 720 Betten kommt da einiges zusammen: 2 635 Tonnen weniger CO2werden jedes Jahr in die Atmosphäre gepustet. Zum Vergleich:

Auf das Konto eines durchschnitt- lichen Bundesbürgers gehen rund zehn Tonnen pro Jahr. Das Kranken- haus spart aber nicht nur klimaschäd- liche Gase, sondern viel Geld – und das, ohne auch nur einen einzigen Cent investiert zu haben. „Energie- einspar-Contracting“ nennt man dieses Prinzip. Der „Contractor“, in diesem Fall die Firma Siemens Buil- ding Technologies (SBT), hat die neuen technischen Anlagen einge- baut. Dafür zahlt das Krankenhaus nun über zwölf Jahre an das Unter- nehmen die eingesparten Energie- kosten – 620 000 Euro jährlich. Von

dem Contracting profitieren alle:

SBT bekommt einen Großauftrag, das Klinikum saniert seine Anlagen, ohne dafür einen Millionenbetrag in- vestieren zu müssen.

Das „Modell Bremerhaven“ kä- me für fast alle Krankenhäuser in Deutschland in Betracht. Denn Krankenhäuser sind Energiefresser:

Intensivstationen, Operationssäle und Klimaanlagen haben einen ho- hen Verbrauch. Die technischen An- lagen sind vielerorts veraltet. Nach Angaben des BUND könnten alle Krankenhäuser in Deutschland jähr- lich sechs Millionen Tonnen CO2 einsparen – und 600 Millionen Eu- ro Energiekosten. Der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zu- folge machen die Ausgaben für Wasser, Energie und Brennstoffe durchschnittlich etwa sieben Prozent der Sachkosten eines Krankenhau- ses aus. Tendenz steigend.

Heizung und Klimaanlage modernisiert

Energiesparen im Krankenhaus – das heißt nicht in erster Linie, dass jeder Patient darauf achten muss, dass sein Fernseher nicht auf dem Stand-by-Modus steht. Hier geht es um ganz andere Dimensionen.

„Der Löwenanteil der Einsparungen kommt schlicht durch die modernen technischen Anlagen“, sagt Breuer.

Ein einfaches Beispiel: die Warm- wasser-Zirkulationspumpen. Sie hal- ten das Wasser in den Leitungen in Bewegung und sorgen so dafür,

Foto:Klinikum Bremerhaven

Viel Energie und Geld gespart:Das Klinikum Bremerha- ven-Reinkenheide hat seinen CO2- Ausstoß um mehr als ein Viertel ge- senkt und gibt für Strom und Heizung jährlich 620 000 Euro weniger aus.

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 4110. Oktober 2008 A2141

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dass jederzeit überall im Haus war- mes Wasser verfügbar ist. Die neuen Pumpen verbrauchen nicht mehr 57 kWh pro Tag, sondern nur noch drei. Außerdem kommt die neue An- lage mit sechs statt acht Pumpen aus.

Zweites Beispiel: die Klimaanlage.

Früher wurde die Luft von außen an- gesaugt, angewärmt und dann ein- fach wieder nach draußen geleitet.

Heute gibt es eine Wärmerückge- winnung. Drittes Beispiel: Die Heiz- kreisregelung wurde erneuert. In bestimmten Gebäudebereichen wird die Temperatur außerhalb der Nut- zungszeiten automatisch abgesenkt, also zum Beispiel nachts im Verwal- tungstrakt. Bei der Raumheizung konnten durch diese und andere Maßnahmen 5 000 MWh eingespart werden. Das entspricht dem Ver- brauch von 280 Einfamilienhäusern.

Diese drei Beispiele gehören zu den 120 Einzelmaßnahmen, mit denen die Gebäudetechnik von Grund auf modernisiert wurde. An den genutz- ten Energiearten – Strom und Fern- wärme – hat sich nichts geändert.

Das Klinikum Bremerhaven ist eines von 25 Krankenhäusern in Deutschland, die mit dem BUND- Gütesiegel ausgezeichnet worden sind. Gemessen an der Zahl von rund 2 100 Krankenhäusern in Deutsch- land ist das nicht gerade viel. Ein Grund dafür dürfte sein, dass viele Häuser das Siegel noch nicht kennen.

Andere wiederum sparen zwar Ener- gie, scheitern aber an den Kriterien – unter anderem einer Energieerspar- nis von mindestens 25 Prozent oder bereits ein geringer Verbrauch. Doch Annegret Dickhoff, Ansprechpartne- rin für das Gütesiegel beim BUND Berlin, weiß auch: „Es gibt immer noch viele Krankenhäuser, für die Energiesparen überhaupt kein The- ma ist.“ Dabei könnten die Einrich- tungen mit einem Contracting ohne finanzielles Risiko ihre Anlagen und das Gebäude modernisieren. Aber auch einfache Maßnahmen haben ei- ne Wirkung. Schließlich kostet es nichts, wenn jemand das Fenster schließt, während der Heizkörper auf Hochtouren läuft. Durch „gering in- vestive Maßnahmen“, wie Mitarbei- terschulungen, könne ein Kranken- haus bis zu 15 Prozent des Energie- verbrauchs einsparen, sagt Dickhoff.

Auch in Bremerhaven hat es sol- che Schulungen gegeben, neben den vielen technischen Neuerungen.

Unterstützt und beraten wurde das Krankenhaus vom Bremer Energie- Konsens, einer gemeinnützigen Ener- gie-Agentur. Zustande kam das Pro- jekt aber vor allem durch die gute Zusammenarbeit zwischen techni- scher Abteilung und Geschäfts- führung. In Bremerhaven sind die Techniker nicht „die Leute im Kel- ler“. Das, was sie sagen, hat Gewicht.

„Unsere technischen Anlagen waren völlig veraltet“, erläutert Breuer. So- mit habe sich die Frage gestellt, ob man durch kleine Investitionen die Anlagen notdürftig am Laufen halten oder komplett modernisieren solle.

Kein finanzielles Risiko Das Modell des Energieeinspar-Con- tractings hat die Entscheidung leicht gemacht. „Eine klassische Kreditfi- nanzierung wäre für uns nicht infrage gekommen“, berichtet der kaufmän- nische Geschäftsführer Holger Rich- ter. Er freut sich nicht nur über die enormen Einsparungen, sondern auch darüber, dass die Technik auf dem neuesten Stand ist. „Wir schla- fen alle besser, weil wir nicht mehr mit der Sorge leben, dass plötzlich die komplette Heizanlage kaputt ist.“

Dass die Kompetenzen der tech- nischen Abteilung in Bremerhaven genutzt werden, zahlt sich aus.

Mittlerweile zeichnet sich sogar ab, dass noch mehr gespart wird, als zunächst gedacht, und zwar etwa 30 Prozent der Kosten. Hinzu kommt noch die „vermiedene Kostensteige- rung“. Denn während sich die Preise für Strom und Heizung noch stärker erhöhten als erwartet, hat das Kli- nikum den Verbrauch gesenkt. „Je mehr die Energiepreise steigen, des- to mehr profitieren wir“, so Richter.

Und es geht weiter: Im kommenden Jahr bekommt das Gebäude eine neue Außenfassade und damit eine bessere Wärmedämmung.

Auch für die DKG ist Energiespa- ren nach eigenen Angaben ein wich- tiges Thema, nicht zuletzt wegen der angespannten Finanzlage vieler Häu- ser. Allerdings räumt DKG-Sprecher Holger Mages ein, es gebe vielerorts noch Nachholbedarf. Doch die Kran- kenhäuser werden sich spätestens im

kommenden Jahr mit dem Thema Energie befassen müssen. Denn im Oktober 2007 ist die novellierte Energieeinsparverordnung (EnEV) in Kraft getreten. Laut EnEV müssen ab dem 1. Juli 2009 auch bereits be- stehende „Nichtwohngebäude“ bei einer Nutzfläche von mehr als 1 000 Quadratmetern, in denen „öffentli- che Dienstleistungen“ stattfinden, ei- nen Energiepass haben und ihn der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Das bedeutet: Krankenhäuser müs- sen künftig ihren Energiepass an ei- ner gut sichtbaren Stelle aushängen.

In Bremerhaven ist der Energie- verbrauch etwas, das man den Besu- chern gern mitteilt. Der Umwelt- und Klimaschutz steigert zweifelsohne das Ansehen des Klinikums. Aus der Sicht von Geschäftsführer Richter ist es wichtig, dass Krankenhäuser nicht nur in Bezug auf Gesundheit und Pa- tientenversorgung, sondern auch bei anderen Lebensthemen „ein freund- liches Gesicht“ zeigen. Diese An- sicht teilt DKG-Sprecher Mages:

„Das ist eine wirksame Imagepflege, die sich auch aus ökonomischer

Sicht auszahlt.“ I

Dr. med. Birgit Hibbeler

ENERGIESPAR-CONTRACTING

Technische Anlagen modernisieren und Gebäudefassaden dämmen trotz leerer Kassen? Das geht. Mit dem „Energie- einspar-Contracting“. Dabei kümmert sich ein Contractor um Investition und Planung. Der Contractingnehmer, also zum Beispiel ein Krankenhaus, zahlt das Geld mit den eingesparten Energiekosten über den Zeitraum von meh- reren Jahren zurück. Danach verbleibt dann die neue Heizung etc. im Besitz der Klinik, und auch die Einsparun- gen kommen ihr dann in vollem Umfang zugute. Ein Contractor kann zum Beispiel eine Firma sein, die techni- sche Anlagen herstellt und plant. Für Krankenhäuser ist dieses Modell maßgeschneidert: Viele haben eine marode Ausstattung und kein Geld zum Investieren, während die Energiekosten immer weiter steigen.

Krankenhäuser, die Energie sparen wollen, sollten sich zunächst einen neutralen Planer ins Haus holen, der das Einsparpotenzial analysiert. In Nordrhein-Westfalen (NRW) ist das zum Beispiel die Energie-Agentur NRW, in Bremen der Bremer Energie-Konsens. Eine Übersicht gibt es auf der Homepage der Deutschen Energie-Agentur (Dena). Die Dena sowie das Umweltbundesamt haben Leitfäden zum Thema Energieeinspar-Contracting herausgegeben. BH

Alle Links und weitere Informationen im Internet:

www.aerzteblatt.de/plus4108

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Referenzen

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