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Archiv "BKA-Gesetz: Schöne Bescherung" (12.12.2008)

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A2686 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 50⏐⏐12. Dezember 2008

P O L I T I K

D

ie Freude, dass das umstrittene Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internatio- nalen Terrorismus durch das Bundeskriminal- amt (BKA-Gesetz) Ende November im Bundesrat gescheitert ist, währte nur kurz – zumindest bei allen, die diese Gesetzesnovelle als Angriff auf den freiheitlichen Rechtsstaat verstehen. Erwar- tungsgemäß hat die Bundesregierung inzwi- schen den Vermittlungsausschuss angerufen, um noch vor Jahresende einen Kompromiss mit den Ländern zu erreichen. Und wie es aussieht, haben sich Spitzenvertreter der Koalition und der Landesregierungen bereits auf einen „trag- fähigen Kompromiss“ verständigt.

Dieser sieht vor allem drei Änderungen vor:

So muss eine Onlinedurchsuchung künftig auch in Eilfällen durch einen Richter angeord- net werden und nicht, wie ursprünglich ge-

plant, lediglich durch den Chef des BKA. Der Schutz des unantastbaren Kernbereichs der Privatsphäre wird ebenfalls unter Richtervorbe- halt gestellt, das heißt, ein Richter muss die letzte Entscheidung darüber treffen, welche der ausgespähten Daten einer Onlinedurchsu- chung zur Intimsphäre einer Person gehören und folglich zu löschen sind. Die Durchsicht der Daten obliegt außerdem dem Datenschutz- beauftragten und zwei BKA-Beamten. Schließ- lich sollen die Befugnisse des BKA stärker von denen der Landeskriminalämter abgegrenzt werden, um ein Kompetenzgerangel zwischen BKA und Länderbehörden zu verhindern.

Nicht geändert werden soll jedoch die ge- plante Einschränkung beim Zeugnisverweige- rungsrecht von Berufsgeheimnisträgern. Auch im nachgebesserten Gesetzentwurf sind Ärzte, Rechtsanwälte und Journalisten anders als Seelsorger, Strafverteidiger und Abgeordnete nicht absolut vor Überwachungen geschützt, sondern können von den neuen Ermittlungs- methoden betroffen sein.

Vor allem dieser Punkt hatte im Vorfeld bei den betroffenen Berufsgruppen zu Recht für Empörung und heftige Kritik gesorgt. Warum etwa das Verhältnis zwischen Abgeordneten und Wählern schützenswerter sein soll als das-

jenige zwischen Ärzten und Patienten, bleibt das Geheimnis der Koalition. Ähnlich fragwür- dig ist die Regelung für die beiden anderen Be- rufsgruppen: Der Informantenschutz ist ein zen- trales Element der Pressefreiheit, und die Arbeit von Strafverteidigern und Anwälten ist nicht im- mer klar voneinander abzugrenzen. Noch am Vortag der Bundesratsentscheidung hatten da- her der Hartmannbund, der Deutsche Anwalt- verein und der Deutsche Journalisten-Verband in einer gemeinsamen Resolution den „absolu- ten Schutz“ von Berufsgeheimnisträgern vor staatlichen Ermittlungsmaßnahmen gefordert.

Entsprechend vernichtend kommentierte auch die Bundesärztekammer (BÄK) die Eini- gung. Die Koalitionspläne seien ein fortwäh- render Angriff auf ein Grundrecht des Patienten, nämlich die ärztliche Verschwiegenheit, kritisier-

te BÄK-Präsident Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe. „Abhörverbote, Verschwiegenheitspflich- ten und Zeugnisverweigerungsrechte gehören zu den unabdingbaren Rahmenbedingungen ärztlicher Berufsausübung. Sie erst garantieren das für das Patienten-Arzt-Verhältnis so wichti- ge Vertrauensverhältnis. Wir fordern daher die Koalition dringend auf, den Gesetzentwurf zu ändern. Patienten und Ärzte müssen absolut vor Onlinerazzien und Spähangriffen der Polizei ge- schützt werden“, so der Ärztepräsident.

Die Oppositionsparteien lehnen den nach- gebesserten Entwurf ebenfalls ab. Die innen- politische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, bezeichnete die Einigung als „eine schal- lende Ohrfeige für die Grundrechte“. FDP-Par- teichef Guido Westerwelle wies darauf hin, dass man mit der juristischen Prüfung einer Anrufung des Bundesverfassungsgerichts be- gonnen habe. Auch die Grünen erwägen den Gang nach Karlsruhe, sollte es bei dem jetzi- gen „winzigen Kompromiss“ bleiben.

Es scheint, als hätte die Regierungskoalition mit dem BKA-Gesetz den Bogen überspannt:

Vorratsdatenspeicherung, Rasterfahndung, Lausch- und Spähangriff in Privatwohnungen, das Abhören von Telefongesprächen, die heim- liche Onlinedurchsuchung von Computern –

die Liste von Maßnahmen, die einen fortschrei- tenden Verlust von Privatsphäre und eine Ein- schränkung der Bürgerrechte bedeuten, ist lang. Einmal vorhanden, werden diese Maß- nahmen auch genutzt: Nach einem Bericht von

„Spiegel online“ haben Richter innerhalb von drei Monaten den Zugriff auf gespeicherte Te- lefon- und Internetverbindungsdaten für rund 2 200 Ermittlungsverfahren angeordnet, dar- unter wurden die Vorratsdaten in immerhin 940 Verfahren auch tatsächlich verwendet.

Ärzte sind von dem geplanten Gesetz gleich doppelt – als Bürger und als Berufsgeheimnis- träger – betroffen. Darüber hinaus müssen sie sich mit der politisch forcierten elektronischen Vernetzung im Gesundheitswesen auseinan- dersetzen. Die Möglichkeit der heimlichen On- linedurchsuchung wird nicht dazu beitragen,

dass das Vertrauen der Ärzte in die „Gewähr- leistung von Vertraulichkeit und Integrität infor- mationstechnischer Systeme“ wächst. Genau dies hat das Bundesverfassungsgericht in sei- nem Urteil Anfang 2008 jedoch als ein Grund- recht aus dem allgemeinen Persönlichkeits- recht abgeleitet und unter anderem mit dieser Begründung die Regelungen zur Onlinedurch- suchung im Verfassungsschutzgesetz Nord- rhein-Westfalens für verfassungswidrig erklärt.

Der Schutz der Patientendaten hat auch und gerade im Zeitalter der Informationstech- nologie höchste Priorität. Sollte das BKA-Ge- setz kommen, werden die Ärzte daher der vom Gesetzgeber vorgesehenen bundesweiten Te- lematikinfrastruktur und der Vernetzung von Arztpraxen, Krankenhäusern und Apotheken noch kritischer gegenüberstehen, als sie dies ohnehin jetzt schon tun.

Nach einem Vermittlungsverfahren könnte sich der Bundesrat erneut am 19. Dezember mit dem Gesetz befassen, damit dieses wie geplant am 1. Januar 2009 in Kraft treten kann. Würden sich nur die Länder mit FDP- und Grünen-Regierungsbeteiligung im Bun- desrat enthalten, käme das Gesetz im nächs- ten Anlauf mit hauchdünner Mehrheit durch.

Eine schöne Bescherung vor dem Fest! n

KOMMENTAR

Heike E. Krüger-Brand, Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik

BKA-GESETZ

Schöne Bescherung

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