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Archiv "Bayern: Dreißig Jahre kassenärztliche Selbstverwaltung" (31.01.1980)

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Aufsätze • Notizen

AUS DEN BUNDESLÄNDERN

BAYERN

Dreißig Jahre kassenärztliche Selbstverwaltung

Mit einem Festakt im Cuvilliös- Theater in der Residenz zu Mün- chen begingen die Kassenärztli- che und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns Mitte De- zember 1979 das dreißigjährige Bestehen der kassenärztlichen und kassenzahnärztlichen Selbst- verwaltung in Bayern.

In seinem Festvortrag zeichnete der Staatsminister für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Fritz Pirkl, die historische Entwicklung nach, mit der nach Ende des Zweiten Welt- krieges zunächst durch staatliche Regelungen Ordnung in das Chaos gebracht werden mußte, bis im Sommer 1949 die Gesetze über die Zulassung von Ärzten, Zahnärzten und Dentisten zur Tä- tigkeit bei den Krankenkassen und über die Wahl der Mitglieder zu den Organen von KV, KZV und KDV die „Weichen dafür stellten, daß nicht die öffentliche Hand un- mittelbar in den Einzelheiten die medizinische Versorgung der Be- völkerung sicherstellen muß". Am 26. November 1949 fanden dann zum ersten Mal Wahlen statt.

Diese Selbstverwaltung, sagte Pirkl, habe in den zurückliegen- den dreißig Jahren eine Bewäh- rungsprobe abgelegt, auf die ihre Träger stolz sein könnten. Eine weitere Grundlage dafür nannte er das Bundesgesetz über das Kas- senarztrecht vom 17. August 1955, die „Magna Charta des Kassen- arztrechts". Man könne mit Ge- nugtuung feststellen, daß auch große Meinungsverschiedenhei- ten letztlich immer wieder in dem von diesem Gesetz vorausgesetz- ten „partnerschaftlichen Aufein- ander und Zueinander" gelöst und beigelegt werden konnten. Man könne daraus auch für die Zukunft den Schluß ziehen, daß sich selbst schwierige Probleme in Freiheit lösen lassen und daß man nicht

immer denken soll, mit der Schwierigkeit der Probleme steige der Zwang, staatliche Reglemen- tierungen zu schaffen.

Als einen weiteren Beweis kenn- zeichnete Minister Pirkl die frei- heitlichen Lösungen für das Pro- blem einer gleichmäßigen, regio- nalen, ärztlichen und zahnärztli- chen Versorgung: „Die finanzielle Niederlassungsförderung im Rah- men des vor rund zehn Jahren be- gonnenen Bayernprogramms und das sich daran anschließende er- weiterte Bayernprogramm ist ein Musterbeispiel für eine vorbildli- che gegenseitige Ergänzung von Eigenleistungen der Selbstverwal- tung und staatlichem Förderungs- programm. Dabei haben die Ärzte- und Zahnärzteschaft bei diesen Programmen selbst den Löwenan- teil getragen."

Gegen Schluß seiner Rede forder- te Dr. Pirkl dazu auf, auf der Grundlage der Geschichte der letzten dreißig Jahre für die Zu- kunft klare Vorsätze zu fassen:

„Erstens einmal: Widerstand über- all dort, wo eine Ordnung der Frei- heit tangiert und wo diese Freiheit nicht mehr als Lösungssystem auch für die Zukunft angesehen wird. Zum zweiten: für uns ist die Weichenstellung zu einer guten Zukunft nur dann gesichert, wenn wir uns der solidarischen Ver- pflichtung unserer gesamten Be- völkerung gegenüber immer wie- der bewußt werden. Diese solida- rische Verpflichtung ist die tragfä- hige Grundlage, daß auch in der Zukunft die politischen Entschei- dungen zugunsten der Freiheit beibehalten werden können und Mehrheiten finden. Schließlich müssen die Weichenstellungen für die Zukunft auch so gerichtet wer- den, daß wir alle ständig im offe- nen Gespräch miteinander, aber auch in unserem gesamten gesell- schaftlichen Ganzen uns fragen und uns fordern lassen. Wenn wir in diesem Fordernlassen zu über- zeugen verstehen, dann, glaube ich, braucht uns um die Zukunft unseres freiheitlichen Gesund- heitswesens nicht bange zu sein."

In seinem Grußwort stellte Direk- tor Hans Sitzmann vom Landes- verband der Ortskrankenkassen in Bayern die Partnerschaft als eines der Ordnungselemente heraus, die Voraussetzung für das weitere Funktionieren der Krankenversi- cherung seien. In diese Partner- schaft sei ein Konflikt gesetzlich eingebaut, weil man sich immer wieder auch über Geld einigen müsse. Dieser Konflikt schade je- doch nicht, sagte Sitzmann, er ge- höre nach seinem Verständnis ge- radezu zur Partnerschaft. Das na- turgesetzliche Aufeinanderprallen von Gegensätzen fördere den Fortschritt, es dürfe jedoch nicht in Sieg oder Niederlage ausarten, sondern müsse immer den noch tragfähigen Kompromiß suchen und finden.

Den Gesetzgeber forderte Sitz- mann dazu auf, in kluger Selbstbe- schränkung seine Grenzen zugun- sten der Selbstverwaltung zu re- spektieren. Wenn der Gesetzgeber ihr ausreichende Entfaltungsmög- lichkeiten läßt, dann sei die Selbst- verwaltung von Kassenärzten, Kassenzahnärzten und Kranken- kassen in der Lage, systemerhal- tende Lösungen zu finden. Jede Zentralisation bedeute eine Schwächung oder sogar eine Be- seitigung der Selbstverwaltung.

Auch aus diesem Grunde wende- ten sich die Bayerischen Kranken- kassenverbände konsequent ge- gen jede Art von bundesweitem Finanzausgleich. Die Krankenkas- sen in Bayern würden allen weite- ren staatlichen Reglementierun- gen oder Plänen, die zur Einheits- versicherung führen, eine klare Absage erteilen.

Nach Direktor Ludwig Geissinger vom Verband der Angestellten- krankenkassen und Dr. med. dent.

Helmut Zedlmaier, dem Vorsitzen- den der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, verlas der Hauptgeschäftsführer der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung, Dr.

Eckart Fiedler, Grußworte ihres Ersten Vorsitzenden, Dr. Hans Wolf Muschallik (der wegen einer Erkrankung nicht an dem Festakt

276 Heft 5 vom 31. Januar 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Aufsätze -,Notizen

AUS DEN BUNDESLÄNDERN

teilnehmen konnte). Muschallik nannte die KV und die KZV Bay- erns „nicht nur einen entschei- denden Wegbereiter, sondern auch einen stabilen Weggefähr- ten", der — bei aller Eigenständig- keit — in enger Verbindung mit al- len Kassenärzten in der Bundesre- publik Deutschland stets für die Freiberuflichkeit des Kassenarztes und für die Erhaltung der geglie- derten deutschen sozialen Kran- kenversicherung eingetreten sei.

Für die Zukunft erklärte Muschal- lik: „Insbesondere wird die politi- sche Entscheidung von grund- sätzlicher Bedeutung sein, ob die achtziger Jahre sich hinwenden zu mehr Freiheit und Eigenverant- wortung des einzelnen Menschen, wie wir sie auch zukünftig für eine aktive Gesundheitspolitik befür- worten, oder aber zu umfassenden kollektivistischen Systemen."

Gesundheit sei heute nicht nur ein individueller, sondern zugleich auch ein gesellschaftlicher Wert ersten Ranges, sagte Muschallik.

Deshalb sei der Kassenarzt ein Ga- rant sozialer Freiheit. Dies gelte in besonderer Weise auch ange- sichts der zunehmenden „Pro- grammierung und Verdatung" un- serer Gesellschaft. Angesichts der Trends zu planwirtschaftlichem Denken, zur Zentralisierung der Entscheidungsbefugnisse und der Leistungserbringung dürfe man deshalb nicht müde werden, dar- auf hinzuweisen, daß Gesundheit nicht von Staats wegen verordnet werden kann und daß man Le- bensqualität, Chancengleichheit und Gerechtigkeit niemals durch Zentralisierung und Bürokratisie- rung erreiche.

Der Vorsitzende der Kassenärztli- chen Vereinigung Bayerns, Prof.

Dr. Hans Joachim Sewering, erin- nerte an die große Verantwortung der Kassenärzte: Die Ärzte seien eine zahlenmäßig kleine Gruppe der Gesellschaft, die Kassenärzte machten nicht einmal die Hälfte der Ärzte insgesamt aus. Nachdem jedoch weit mehr als 90 Prozent der Bürger den Schutz der gesetz-

lichen Krankenversicherung ge- nießen, habe sich der gesetzliche Sicherstellungsauftrag letztlich zur Sorge um das gesundheitliche Wohl der Gesamtbevölkerung er- weitert. Dabei bleibe aber den Bür- gern gegenüber eine gut organi- sierte ärztliche Versorgung immer nur ein Angebot: wenn heute der vermeintliche Anspruch auf Ge- sundheit zunehmend wie ein ver- brieftes Grundrecht ohne eigene Leistung verstanden werde, dann müsse man daran erinnern, daß der monatliche Krankenkassen- beitrag, der dem Bürger den Zu- gang zur Medizin sichert, ihn an- dererseits nicht von der Verant- wortung vor sich selbst und sei- nen Mitmenschen entbinde.

Als Leitlinien der Arbeit kassen- ärztlicher Selbstverwaltung auch für die Zukunft nannte Professor Sewering:

„Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, gleichmäßigen am- bulanten ärztlichen Versorgung, soweit dies in unserer Macht liegt;

Ständige Bereitschaft für den hil- fesuchenden Patienten auch durch Ausbau eines lückenlosen Notfall-Bereitschaftsdienstes;

Diagnostik und Therapie entspre- chend den Erkenntnissen der Me- dizin, verbunden mit menschlicher Aufgeschlossenheit für jeden Mit- bürger;

Selbstverwaltung der Kassen- ärzte;

Gemeinsame Selbstverwaltung mit den Vertragspartnern, wo sie notwendig ist;

Vertragsfreiheit bei voller An- erkennung der verbindlichen Schlichtung;

Konstruktive Zusammenarbeit zwischen Kassenärzten und Kran- kenkassen zur Erfüllung der uns gemeinsam übertragenen Aufga- be und zum Wohle der uns anver- trauten Versicherten und Patien- ten." gb

HESSEN

Das Kind

wird abgeschoben

Ärzte und Lehrer

beim Bad Nauheimer Gespräch Ärzte, Pädagogen und Politiker fanden sich auf Einladung der Landesärztekammer Hessen zum V. Bad Nauheimer Gespräch zu- sammen, um über das Kind in der Gesellschaft und über Fragen der Bildungs- und Schulpolitik zu dis- kutieren. Sie wollten damit, so der Präsident der Landesärztekam- mer, Dr. Wolfgang Bechtoldt, Denkanstöße geben.

Zunächst wurden kritische Akzen- te gesetzt: Der Tübinger Kinder- psychiater Professor Dr. Reinhard Lempp rügte, daß die Schule eine Auslesefunktion übernommen ha- be, die ihr eigentlich nicht zuste- he. Sie vollziehe eine „qualitative Weichenstellung" für die Zukunft des Kindes. Man sollte auch Ge- biete bewerten, für die es bisher keine Noten gibt, zum Beispiel das Sozialverhalten. Lempps Frankfur- ter Fachkollege Professor Dr. Hu- bert Harbauer pflichtete ihm bei:

Der Lehrer sei nicht nur Wissens- vermittler, sondern auch Erzieher.

Es sei ein entscheidendes Glück oder Unglück, zu was für einem Lehrer ein Kind in der ersten Klas- se kommt. Die Ministerien müßten lernen, an die biologischen Ge- setzmäßigkeiten zu denken, denen ein Kind unterliegt. Dazu sollten Ärzte und Psychiater gefragt wer- den. Andererseits müsse der Arzt mehr über die Schule wissen: Vie- le Lehrer fühlten sich gegängelt, wenn Ärzte Vorschläge machen.

Lehrer und Eltern blieben nicht von Kritik verschont. Der Beige- ordnete des Landeswohlfahrts- ausschusses Hessen, Dr. Peter Barkey, fragte, ob es nicht auch verhaltensgestörte und „lehrbe- hinderte" Lehrer gebe. Man hänge die Vorwürfe immer am schwäch- sten Glied auf, am Kind. Die SPD- Landtagsabgeordnete Dr. med.

278 Heft 5 vom 31. Januar 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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