Die Information:
Bericht und Meinung DER KOMMENTAR
Die kassenärztliche Selbstverwaltung steht auf dem Spiel
So ganz en passant sollen die Kas- senärztlichen und Kassenzahnärzt- lichen Vereinigungen, die gesetzli- chen Krankenkassen einschließlich ihrer Verbände auf Bundes- und Landesebene in Zukunft bei der Haushaltsaufstellung unter staatli- che Kuratel genommen werden.
Konkret: Trotz des massiven Prote- stes ärztlicher und zahnärztlicher Körperschaften und Organisatio- nen ließ sich der Deutsche Bun- destag nicht davon abhalten, dem
„Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur" (Haushalts- strukturgesetz) verfassungsrecht- lich bedenkliche Vorschriften auf- zupfropfen, in denen sowohl die Krankenkassen als auch ärztliche Körperschaften verpflichtet wer- den, in Zukunft ihre Haushaltspläne der Aufsichtsbehörde zur Geneh- migung vorzulegen. Dies bedeutet einen fundamentalen Eingriff in die Autonomie und Selbstverwaltungs- rechte öffentlich-rechtlicher Kör- perschaften. Dies auch nach einer Entschärfung, die der Bundestag in letzter Minute an der Gesetzesvor- lage vorgenommen hat.
Zunächst war der Entwurf dieses Gesetzes von der Bundesregierung eingebracht worden mit dem Ziel, finanz- und gesamtwirtschaftlich unvertretbar hohe Defizite der öf- fentlichen Hand durch Ausgaben- kürzungen abzubauen. Dabei soll- ten insbesondere auch gesetzlich festgelegte Leistungen mit einbe- zogen werden. Bereits bei der er- sten Beratung dieses Gesetzes hat- te der Bundesrat einen Artikel 16 a beschlossen, der den Körperschaf- ten, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie ihren Verbänden vorschreiben wollte, ihre Mitarbeiter künftig wie ver- gleichbare Bedienstete des Bundes beziehungsweise der Länder zu
„entlohnen". In letzter Konsequenz hätte dies bedeutet, daß für alle betroffenen Organisationen beam- tenrechtliche Vorschriften oder der
Bundesangestelltentarif (BAT) so- wie die sonstigen arbeitsrechtli- chen Bestimmungen der Bundes- beamten und -angestellten verbind- lich geworden wären. Außertarifli- che Eingruppierungen sollten — so war vorgesehen — nur noch mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde erfolgen können.
Neben dieser, die Personalhoheit der Körperschaften drastisch ein- schränkenden Bestimmung hat der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages einen Artikel 17 §1 Nr. 2 beschlossen mit dem Ziel, die Kassenärztlichen und Kassenzahn- ärztlichen Vereinigungen und Bun- desvereinigungen haushaltsrecht- lich den gleichen Vorschriften zu unterwerfen, wie sie zur Zeit für die Rentenversicherungsträger und insbesondere für die Bundesversi- cherungsanstalt für Angestellte (BfA) gelten.
Einschneidende Folgen
Auf Vorschlag des Haushaltsaus- schusses wurden folgende Bestim- mungen in das Gesetz eingefügt:
I> Die Krankenkassen und ihre Verbände müssen für jedes Kalen- derjahr einen Haushaltsplan auf- stellen, der bis zum 1. November des Vorjahres der Aufsichtsbehör- de vorgelegt werden muß. Dieser Plan hat alle im Haushaltsjahr vor- aussichtlich zu leistenden Ausga- ben und zu erwartenden Einnah- men einschließlich voraussichtlich benötigter Verpflichtungsermächti- gungen zu enthalten (Artikel 17 § 1 Absatz 3).
> Das gleiche gilt für die Kassen- ärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereini- gung, für die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und die Kassen- zahnärztliche Bundesvereinigung und wird erreicht durch eine ent-
sprechende Erweiterung des
§ 368 k Absatz 3 der Reichsversi- cherungsordnung (Artikel 17 § 1 Absatz 2).
> Diese Vorschrift gilt auch für das Haushaltsrecht der Ersatzkas- sen (Artikel 17 § 1 Absatz 4), nicht aber für ihre Verbände, da diese eingetragene Vereine des bürgerli- chen Rechts sind.
Würden diese Vorschriften tatsäch- lich Gesetzeskraft erlangen, so würde dies bedeuten: Die Haus- haltspläne der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Bundes- vereinigung müßten jährlich recht- zeitig vor Beendigung des vorange- gangenen Haushaltsjahres der Auf- sichtsbehörde, das heißt dem Bun- desarbeitsminister, die Haushalts- pläne der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigun- gen auf Landesebene den für sie zuständigen Ministerien zur Geneh- migung vorlegen. Die Aufsichtsbe- hörde wäre berechtigt, innerhalb einer Einmonatsfrist Beanstandun- gen zu erheben, wenn der Haus- haltsplan gegen Gesetz oder Sat- zung verstößt oder die Leistungsfä- higkeit der Körperschaft zur Erfül- lung ihrer Verpflichtung gefährdet.
Ebenso müßte der Haushaltsplan
— versehen mit den Beanstandun- gen der Aufsichtsbehörde — zu ei- nem festen Termin der Vertreter- versammlung der Körperschaft zur
Beschlußfassung vorgelegt wer- den.
Werden hierbei die Beanstandun- gen der Aufsichtsbehörde nicht be- rücksichtigt, so kann diese den Haushalt der Körperschaft selbst feststellen. Eine solche Zwangseta- tisierung käme einem Verlust we- sentlicher Selbstverwaltungsrechte gleich.
Der Deutsche Bundestag ist in der zweiten und dritten Lesung jedoch den Vorschlägen des Bundesrates und des Haushaltsausschusses nicht in vollem Umfang gefolgt. Ar- tikel 16 a wurde aus tarifrechtli- chen Erwägungen zwar ersatz- los gestrichen, Artikel 17 hin- gegen in geänderter Form ange-
3296 Heft 48 vom 27. November 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Die Information:
Bericht und Meinung DIE GLOSSE
nommen. Die Ersatzfeststellungs- möglichkeit der Haushalte durch die Ministerien („Zwangsetatisie- rung") entfällt.
Aushöhlung der Selbstverwaltung Trotz dieser „geläuterten" Fassung sind im Gesetz unübersehbar Fall- stricke zur Aushöhlung der Selbst- verwaltung gelegt: Die Aufsichtsbe- hörden können nämlich durch Ver- waltungsakt auf das Haushaltsge- schehen der öffentlich-rechtlichen Körperschaft Einfluß , nehmen, wenn die Vertreterversammlung ih- ren Vorschlägen zur Änderung des Haushalts nicht folgen sollte.
Nun hat das Haushaltsstrukturge- setz noch nicht alle Hürden der Gesetzgebungsmaschinerie ge- nommen.
Das Artikelgesetz bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates; die- ser hat die Möglichkeit, den Ver- mittlungsausschuß anzurufen. Dies scheint auch wahrscheinlich, zu- mal die CDU/CSU-Fraktion be- reits im Bundestagsplenum bean- tragte, den Artikel 17 § 1 Nr. 2 er- satzlos aus dem Haushaltsstruktur- gesetzentwurf zu streichen.
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Staatssekretär Prof. Dr.
med. Fritz Beske, Kiel, bezeichnete es als einen Mißgriff des Gesetzge- bers, wenn bei einer so wichtigen Frage lediglich auf Grund einer Empfehlung des Haushaltsaus- schusses des Bundestages eine Entscheidung gefällt würde.
Das Gesetz bedeute einen „ganz ungewöhnlichen Eingriff in die Selbstverwaltung, dessen Folgen unübersehbar" seien. Schließlich, so betonte Beske, könne die staat- liche Aufsicht über die Kontrolle der Haushalte der Krankenkassen und der Kassenärztlichen und Kas- senzahnärztlichen Vereinigungen auch entscheidend auf die Honorie- rung der ärztlichen Leistungen Ein- fluß nehmen. Darüber hinaus sei es bedenklich, alle Bediensteten öf- fentlich-rechtlicher Körperschaften
und ihrer Verbände unmittelbar an die Vergütungsvorschriften und sonstigen arbeitsrechtlichen Be- stimmungen des Bundesbeamten und -angestellten zu binden.
Bedenklich ist auch dieses: Bei der Hau-ruck-Beratung des unausge- gorenen „Artikelgesetzes" (44 Arti- kel und 40 Änderungsanträge stan- den zur Debatte) wurden so unglei- che Haushalte wie die der Renten- versicherungsträger, Krankenversi- cherungsträger, Krankenkassen- verbände oder Kassenärztlicher und Kassenzahnärztlicher Vereini- gungen haushaltsrechtlich über ei- nen Leisten geschlagen. Dabei handelt es sich aber um höchst un- terschiedliche Gebilde. Die Kas- senärztlichen Vereinigungen haben beispielsweise die ambulante ärzt- liche Versorgung der Versicher- ten zu gewährleisten, aber auch die Rechte der Kassenärzte gegen- über den Krankenkassen zu vertre- ten.
Verfassungsrechtlich bedenklich Durch die verfassungsrechtlich be- denkliche Gleichschaltung des Haushaltsrechts der Kassenärztli- chen Vereinigungen mit dem der Körperschaften, die die Beiträge ihrer Versicherten verwalten, wird die ärztliche Selbstverwaltung ih- res Charakters als genossenschaft- licher Zusammenschluß freiberuf- lich in eigener Praxis niedergelas- sener Ärzte entkleidet. Würden die Kassenärztlichen und Kassenzahn- ärztlichen Vereinigungen durch das geänderte Haushaltsrecht zu einer Einrichtung des staatlichen Behördenaufbaus, wäre die Zwangsmitgliedschaft der Angehö- rigen eines freien Berufes zu einer derartigen Organisation unzumut- bar. Gleichzeitig würde die Axt an die Wurzel der bisher autonomen Selbstverwaltung eines freien Be- rufes gelegt. Dies wäre aber nicht nur verfassungsrechtlich bedenk- lich, sondern auch mit der gesell- schaftspolitischen Grundkonzep- tion der Bundesrepublik Deutsch- land unvereinbar.
Hanns-Joachim Wirzbach/DÄ
Metall-Vergiftung
Schon lange sind wir der Meinung, daß die in Frankfurt erscheinende Zeitschrift „Metall" (Blatt der Indu- striegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland) kei- ne objektive Berichterstattung be- treibt. Zumindest nicht in gesund- heitspolitischen Angelegenheiten
— das können wir nämlich beurtei- len.
Jetzt haben wir es sogar schwarz auf weiß: In einem Brief der Indu- striegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland, Re- daktion, Margot Brunner, wird dem Präsidenten der Landesärztekam- mer Baden-Württemberg, Dr. Diet- rich Maiwald, bescheinigt, daß des- sen freundliche Annahme, „Me- tall" betriebe objektive Bericht- erstattung, „falsch" ist.
In „Metall" hatte ein Herr Kott- mann einen haarsträubend einseiti- gen Artikel verfaßt; er veranlaßte den Präsidenten der Landesärzte- kammer Baden-Württemberg zu ei- ner Gegenäußerung, mit dem nach- stehend wiedergegebenen Begleit- schreiben bei der Redaktion „Me- tall" höflich eingereicht:
„Betrifft: Artikel ,Warten ist eine ...
gefährliche Sache. Die Ideen kom- men ... im Wartezimmer', in Heft 16 Metall 6/1975.
Sehr geehrte Herren!
Da ich annehme, daß der Schriftlei- tung Ihres Blattes an einer objekti- ven Berichterstattung gelegen ist, habe ich zu obengenanntem Artikel von Herrn Kottmann eine Gegenäu- ßerung verfaßt. Ich bitte recht herz- lich, diese Gegenäußerung an ent- sprechender Stelle Ihres Blattes zum Abdruck zu bringen. Ich darf im voraus recht herzlich danken und bin mit besten Grüßen
Ihr sehr ergebener Dr. Maiwald"
Und hier der Wortlaut der Ausein- andersetzung Dr. Maiwalds mit dem Kottmannschen Artikel:
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 48 vom 27. November 1975 3297