Nebenwirkungsprofil unbeachtet
Zu der im Artikel beschriebenen topi- schen Therapie mit Capsaicin, welches
„bei unterschiedlichen pruritusassozi- ierten Erkrankungen zur Linderung des Juckreizes bewährt“ sei, möchten wir auf zwei Probleme bei der Anwen- dung hinweisen.
Durch die Depletierung der Sub- stanz-P-Speicher der C-Afferenzen kommt es initial häufig zu brennenden Dysästhesien im Anwendungsbereich, auf die die Patienten vorher aufmerk- sam gemacht werden sollten. Dabei kann auch über die vorübergehende Natur dieser unerwünschten Wirkung aufgeklärt werden.
Ein weiterer Aspekt dieser Thera- pie ist die Möglichkeit, die funktionel- le Ausschaltung der C-Fasern durch die Kontrolle des Axon-Reflexes nach Applikation von 0,1- bis 1-prozenti- ger Histamindihydrochloridlösung mit- tels eines Haut-Prick-Testes überprü- fen zu können. Bei ausreichender Wir- kung ist auch die Reflexrötung weitest- gehend supprimiert. Oftmals ist eine wiederholte Anwendung von Capsaicin oder die Erhöhung der topischen Kon- zentration der Substanz erforderlich, um optimale Wirksamkeit zu gewähr- leisten.
Dem steht jedoch vielfach die be- schriebene initiale Missempfindung entgegen, sodass die Therapie mit Capsaicin eine ausführliche Beratung des kooperationswilligen Patienten zur Voraussetzung hat. Darüber hin-
aus eignen sich entzündliche Hauter- krankungen mit starker Irritabilität oftmals nicht für eine Therapie mit dieser Substanz.
Auch bei der Anwendung von Do- xepin zur topischen Therapie bei ato- pischem Ekzem sollten Arzt und Pati- ent über häufiger auftretende uner- wünschte Wirkungen informiert sein.
Die Substanz wird perkutan recht gut resorbiert, was zur unerwünschten Se- dierung schon nach Behandlung klei- nerer Teile der Körperoberfläche führen kann.
Neuere Untersuchungen zur zen- tralnervösen Verarbeitung der Juck- reizempfindung weisen darauf hin, dass es sich bei Pruritus ähnlich wie bei Schmerz um eine komplexe, multi- faktorielle Sinneswahrnehmung han- delt. Funktionelle Kovariable der Juckreizverarbeitung können mit mo- dernen bildgebenden Verfahren wie Positronenemissionstomographie er- mittelt werden. Hierbei konnte eine Koaktivierung von anteriorem Gyrus cinguli, bilateral motorischen Arealen, somatosensorischen Arealen sowie im Bereich von frontalem und parietalem Kortex nachgewiesen werden (1,2). Es wurden dabei sowohl Parallelen als auch deutliche Unterschiede zur Ver- arbeitung der Schmerzempfindung ge- zeigt (3).
In der Juckreiztherapie bewähren sich daher oftmals Kombinationen von topischen und systemischen, auf das zentrale Nervensystem gerichtete Therapieformen.
Literatur
1. Hsieh JC, Hägermark O, Stahle-Backdahl M, et al.:
Urge to scratch represented in the human cerebral cortex during itch. J Neurophysiol 1994; 72: 3004–
3008.
2. Darsow U, Drzezga A, Frisch M, et al.: Processing of histamine-induced itch in the human cerebral cortex:
A correlation analysis with dermal reactions. J Invest Dermatol 2000; 115: 1029–1033.
3. Drzezga A, Darsow U, Treede RD, et al.: Central activation by histamine-induced itch. Analogies to pain processing: a correlational analysis of O-15 H2O positron emission tomography studies. Pain 2001;
92: 295–305.
Priv.-Doz. Dr. med. Ulf Darsow Prof. Dr. med. Dr. phil. Johannes Ring
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein TU München
Postfach 40 18 40 80718 München
Schlusswort
Den Ausführungen und Ergänzungen von Herrn Darsow und Herrn Ring stimme ich gerne zu. Der Artikel war als Anregung und nicht als Anleitung zur Therapie der komplexen Sinnes- wahrnehmung Juckreiz gedacht. Des- halb wurde nicht nur bezüglich der lo- kalen Capsaicin- und Doxepin-An- wendung auf die Darstellung von Ne- benwirkungen verzichtet. Der Hin- weis, dass Nebenwirkungsprofile und Kontraindikationen beachtet werden müssen, erfolgte pauschal.
Bezüglich der lokalen Anwendung von Capsaicin sind die zeitlich limi- tierten, brennenden Dysesthesien im Anwendungsbereich als häufigste Ne- benwirkung anzusehen. Dieses Pro- blem führt bei einigen Patienten zum Abbruch der Behandlung. Auf die oft- mals notwendige, wiederholte Anwen- dung von Capsaicin und die Erhöhung der topischen Konzentration der Sub- stanz ist auch im eigenen Artikel hin- gewiesen worden.
Hinsichtlich der lokalen Anwen- dung von Doxepin schließe ich mich der kritischen Würdigung dieser Thera- pie im Drugs and Therapeutics Bulletin an. Die Autoren dieses Bulletins spre- chen sich gegen die Verwendung von lokalem Doxepin aus (1).
Dem Schlusssatz des Diskussions- beitrages, dass sich in der Juckreizthe- rapie oftmals Kombinationen von topi- schen und systemischen, auf das Zen- trale Nervensystem gerichtete The- rapieformen bewähren, schließe ich mich gerne an. Ich habe selbst im Ar- tikel darauf hingewiesen, dass der Ge- brauch verschiedener Substanzen mit unterschiedlichen Wirkungen eine er- folgreiche individuelle Behandlung bei vielen Patienten ermöglicht. Wo möglich und vertretbar, sollten sie mit physikalischen Maßnahmen, zum Bei- spiel einer UV-Bestrahlung, kombi- niert werden.
Literatur
1. Drugs and Therapeutics Bulletin 2000; 38: 31–32.
Prof. Dr. med. Sawko Wassil Wassilew Dermatologische Klinik
Klinikum Krefeld Lutherplatz 40 47805 Krefeld M E D I Z I N
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 3927. September 2002 AA2565
zu dem Beitrag
Juckreiz:
Eine diagnostische und therapeutische Crux
von
Prof. Dr. med. Sawko Wassil Wassilew
in Heft 16/2002