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Archiv "Bonn will die Gesundheitsforschung besser koordinieren" (10.06.1976)

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Die Information:

Bericht und Meinung

NACHRICHTEN

Mehrere Gruppen unseres Volkes

— zunächst waren es die Hoch- schullehrer, dann die Unternehmer, heute sind es insbesondere die Heilberufe — werden pauschal ab- qualifiziert. Das sei — so der CDU- Politiker — eine absolut bedenkli- che Entwicklung, die letzten Endes zu Schaden führen müsse, wenn es nicht gelingt, die wechselseitige Diskussion in die richtigen Bahnen zu lenken. Verteilungskämpfe wer- de es immer geben: davon seien auch die Honorare der Freiberufler nicht ausgenommen. Aber gerade hier seien pauschalierte Negativur- teile festzustellen.

Im gesundheitspolitischen Teil sei- nes Referats würdigte Stoltenberg insbesondere die Leistungen der Kassenärztlichen Vereinigungen, die neue Wege entwickelt haben, um mehr Kollegen zu bewegen, sich in sogenannten „Problemge- bieten" beruflich zu betätigen. Das Hausarztsystem gehöre zu den Fundamenten jeder modernen ärzt- lichen Versorgung. Deshalb sei die Ausbildung der Allgemeinmedizi- ner zu intensivieren.

Auf den verstärkten Staatseinfluß im Gesundheitswesen eingehend, sprach Stoltenberg das Kranken- hauswesen an. Ob hier vor einigen Jahren der politisch richtige Weg eingeschlagen worden sei, müsse immer mehr bezweifelt werden. Mit irrealen Planziffern, die von hohen politischen Instanzen ausgegeben wurden, seien global die extrem teuersten Anforderungen gestellt worden, ohne dabei die tieferlie- genden Probleme, die Verweildau- er, die Möglichkeit flankierender sozialer Maßnahmen, die stärkere Beteiligung der niedergelassenen Ärzte im Vorfeld der Krankenhäu- ser und anderes mehr zu beachten.

Die Probleme müssen nach Auffas- sung von Stoltenberg in aller Of- fenheit „partnerschaftlich" gelöst werden, auch wenn sie unpopuläre Maßnahmen fordern. Das gleiche gelte auch für andere Bereiche, vor allem wenn die Strukturkrise der staatlichen Finanzen gemeistert werden soll. Wolfgang Koch

Bonn will die

Gesundheitsforschung besser koordinieren

Bei der Vorlage eines langfristigen Rahmenprogramms zur Verbesse- rung der Gesundheitsforschung ha- ben Anfang Mai 1976 Frau Bundes- minister Dr. Katharina Focke (Ge- sundheit) und Hans Matthöfer (For- schung und Technologie) darauf hingewiesen, daß neue Wege ein- geschlagen werden müssen, um die weitverbreiteten Zivilisations- krankheiten zu bekämpfen, die Ko- stenentwicklung im Gesundheits- wesen langfristig unter Kontrolle zu bringen und die Leistungsfähig- keit der gesundheitlichen Versor- gung zu verbessern. Der Diskussi- onsentwurf eines längerfristigen Programms „Forschung und Tech- nologie im Dienst der Gesundheit"

unternimmt zugleich den Versuch, die bundesdeutsche Gesundheits- forschung zu profilieren und Schwerpunkte zu setzen. Dabei wollen — trotz mancher Rivalitä- ten — vor allem das Bundesgesund- heitsministerium sowie das für die Forschung federführende Bundes- ministerium für Forschung und Technologie enger zusammenar- beiten.

An der Gesundheitsforschung sind vier Bundesressorts beteiligt: das Bundesministerium für Forschung und Technologie, das Bundesmini- sterium für Jugend, Familie und Gesundheit, das Bundesministe- rium für Arbeit und Sozialord- nung sowie das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft. Die Etats dieser vier Ministerien weisen für begonnene und geplante For- schungsprojekte im Bereich der Medizin und des Gesundheitswe- sens für das Jahr 1975 insgesamt 408,6 Millionen DM und für 1976 annähernd 430 Millionen DM aus.

Das noch unverbindliche Rahmen- programm, das keine Angaben über das Finanzvolumen enthält, konzentriert sich auf vier Bereiche:

• die Erforschung der Krankheits- ursachen und wichtigsten Risiko- faktoren (Gesundheitsforschung);

• Forschung und Entwicklung bei Krankheiten und Behinderungen von hoher gesundheitspolitischer Bedeutung (Krankheitsforschung);

• Forschung zur strukturellen Ver- besserung des Gesundheitswesens einschließlich gezielter Kosten- Nutzen-Analysen und der Durch- leuchtung von Finanzierungs- und Kostenrechnungsmodellen;

• übergreifende Forschung und Entwicklung zur allgemeinen Ver- besserung von Wissenschaft und Technik im Gesundheitsbereich (darunter wird beispielsweise der vermehrte Einsatz der elektroni- schen Datenverarbeitung in der Medizin ebenso rubriziert wie die Grundlagenforschung zur Erarbei- tung des vielfach noch fehlenden Basiswissens im medizinisch-na- turwissenschaftlichen und im sozio- logisch-psychologischen Bereich).

Intensivierung

der Gesundheitsökonomie

Frau Bundesgesundheitsminister Dr. Focke kündigte bei der Erläute- rung des Programms vor der Bon- ner Presse an, daß die staatliche Forschung unter dem Stichwort

„Intensivierung von Gesundheits- ökonomie, Gesundheitsplanung und allgemeine Systemforschung" in Zukunft unser Gesundheitswesen auf den Prüfstand der Ökonomie zu heben und dazu eine Reihe wissen- schaftlicher Forschungsprojekte einleiten will, die der Kostendämp- fung dienen.

Konkret werden diese Forschungs- schwerpunkte genannt (Auswahl):

> Entwicklung und Erprobung ge- eigneter Verfahren zur Vorausschät- zung des qualitativen und quanti- tativen Bedarfs an gesundheitli- chen Versorgungsleistungen unter besonderer Berücksichtigung ver- schiedener organisatorischer und struktureller Entwicklungsmöglich- keiten im Gesundheitswesen;

> Analyse der Wechselwirkungen zwischen Art, Umfang und regiona- ler Verteilung des Angebots von

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 24 vom 10.Juni 1976 1591

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Die Information:

Bericht und Meinung NACHRICHTEN

Gesundheitsleistungen, der Inan- spruchnahme und dem Bedarf;

> Analyse unterschiedlicher Fi- nanzierungs- und Honorierungssy- steme zur Deckung von Versor- gungslücken in Fachbereichen und an Standorten mit besonderem Be- darf;

D Entwicklung und Bewertung von Verfahrensmodellen für eine be- reichsübergreifende Bedarfspla- nung im Gesundheitswesen.

So unverbindlich und wohlklingend sich die verschiedenen For- schungsschwerpunkte in weiten Passagen des Rahmenprogramms auch ausnehmen, so konkret und die politische Stoßrichtung andeu- tend klingen sie bei jenen Projek- ten, die der „Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens" gewidmet sind. So sollen Untersuchungen angestellt werden, die mehr Licht in die komplexen Vorgänge der Fi- nanzierung, Leistungsverteilung und Leistungserbringung im Ge- sundheitsbereich bringen sollen.

Brisanz enthalten dürfte vor allem das Projekt „Analyse der Auswir-

kungen alternativer Modelle für die Finanzierung und Honorierung von gesundheitlichen Versorgungslei- stungen (Aufbringung aus Beiträ- gen, aus Steuermitteln, aus Eigen- mitteln der Leistungsempfänger)"

sowie das orakelhaft formulierte Untersuchungsobjekt mit dem Titel

„Ermittlung der Möglichkeiten, Grenzen und Folgewirkungen alter- nativer Finanzausgleichsmodelle im Gesundheitssystem, insbeson- dere im Hinblick auf die Verringe- rung von Beitragsunterschieden in den Krankenkassen."

Bleibt zu hoffen, daß das ehrgeizi- ge Vorhaben der Bundesregierung, die Forschungsförderung im Ge- sundheitsbereich zu koordinieren und zu verbessern, tatsächlich zu einem effektvolleren Einsatz der stets knappen Forschungsmillionen führt, daß dies alles „zum Wohle des Patienten" unternommen wird und nicht eines Tages die Ergeb- nisse .cler „Forschung" zum Vor- wand für eine Systemüberwindung mißbraucht werden können. HC

Bundesgesundheitsamt:

Hundert-Jahr-Feier

Festakt zur 100jährigen Wiederkehr der Errichtung des Kaiserlichen Gesundheitsamtes

Die verstärkte Erforschung der krankmachenden Bedingungen un- serer gesellschaftlichen Wirklich- keit forderte der Bundesminister für Jugend, Familie und Ge'sund- heit, Dr. Katharina Focke, am 17.

Mai 1976 in ihrer Festansprache anläßlich des Festaktes zum 100jährigen Jubiläum des Bundes- gesundheitsamtes (BGA) in der Berliner Kongreßhalle. Weit über 2000 Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland, darunter Vertreter der Bundesregierung, des Bundes- tages und der alliierten Schutz- mächte, nahmen an der Feierstun- de teil, in der auch der Regierende Bürgermeister Klaus Schütz, die gesundheitspolitischen Sprecher der drei Bundestagsfraktionen und der Präsident des Bundesgesund- heitsamtes, Professor Dr. Georges Fülgraff, sprachen.

Frau Focke erklärte, die Bundesre- gierung habe die von Ivan Illich provozierte Herausforderung, die Medizin sei zu einer Gefahr für die Gesundheit geworden, angenom- men und die private wie die öffent- liche Gesundheitspflege, die kurati- ve wie die Präventivmedizin in die- se offene Haltung einbezogen.

Wenn es in der Gesundheitspolitik darum gehe, die Effizienz, die Be- wertung von Maßnahmen in den Vordergrund zu stellen, so gelte dies auch für die Forschung des BGA. „Was wir dringend brauchen, ist eine realistische Betrachtungs- weise, die immer wieder neu die Umsetzung wissenschaftlicher Er- kenntnisse in die Praxis, die Ein- führung neuer Technologien auf das Risiko und den Nutzen für die Menschen — und das heißt nicht zuletzt für die Gesundheit des Menschen — durchdenkt."

Die Notwendigkeit dieser Betrach- tungsweise belegte Bundesminister

Dr. Focke an Beispielen, unter an- derem am gesellschaftlichen Hin- tergrund der Zeit, in der das Kai- serliche Gesundheitsamt gegrün- det wurde, die durch einen bis da- hin unvorstellbaren wirtschaftli- chen Aufschwung und eine sich rasch ausbreitende Industrialisie- rung gekennzeichnet gewesen sei.

Von den damaligen Geißeln der Menschheit — Säuglings- und Kin- dersterblichkeit, Pocken, Cholera und Typhus — habe man sich in in- ternationaler Zusammenarbeit be- freit; daran „war die Institution, de- ren Gründung wir heute gedenken, in hervorragendem Maße beteiligt".

Ein weiteres Beispiel sei die mit dem medizinisch-hygienischen Fortschritt einsetzende Bevölke- rungsexplosion, die die Welt vor schier unlösbare Ernährungspro- bleme gestellt habe. Die Landwirt- schaft komme schon lange nicht mehr ohne die Verwendung chemi- scher Stoffe aus, wodurch neue Ri- siken entstanden seien, die das BGA abzuschätzen habe.

Auch das Spannungsverhältnis zwi- schen industriellem Wachstum mit allen seinen Folgen und Umwelthy- giene im weitesten Sinne exemplifi- ziere die Notwendigkeit einer stän- digen kritischen Überprüfung der Gesundheitspolitik, bei der die Bundesregierung auf die wissen- schaftliche Beratung und Unter- stützung durch das BGA angewie- sen sei. Allen müsse bewußt wer- den, daß auch von der sozialen Umwelt Gefahren ausgehen, die denen der „natürlichen" Umwelt- schäden gleichen. „Krankheiten werden heute in einem weit höhe- ren Maße von sozialen Auslösefak- toren verursacht, zumindest gehen sie ihnen als Risikofaktoren voran.

Diese Gefahren sind vielfältig. Sie liegen sowohl in der Arbeitswelt wie in der Schule und in der priva- ten Sphäre. In der Arbeitswelt sind es zum Beispiel das Betriebsklima, der zunehmende Leistungsdruck, die Arbeitsplatzsicherheit oder auch die Arbeitszeitregelung, die eine Rolle spielen. Schon in der Schule sind unsere Kinder einem früher nicht gekannten Leistungs- druck ausgesetzt."

1592 Heft 24 vom 10.Juni 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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