Wird die Sprechererkennung durch Sprecherbekanntschaft beeinflusst?
LMU München
Hauptseminar: Forensische Phonetik Dozent: Prof. Dr. Jonathan Harrington Referentin: Carolin Funk
Datum: 6.12.2007
WiSe 07/08
1.Versuch zur Stimmidentifikation (P. u. J. Ladefoged,1980):
1.1 Materialien und VPn
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11 vollkommen unbekannte Sprecher sowie 13 bekannte -> P.L. hatte Stimmen
„ein oder zweimal gehört“
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Drei verschiedene Aufnahmetypen wurden gemacht:
1) Wort „hello“ isoliert sprechen 2) Bild in einem Satz beschreiben 3) Bild 30s lang beschreiben
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Zwei zusätzliche Versuchsbedingungen wurden geschaffen:
1) Überprüfung des Einflusses prosodischer Merkmale: Extraktion der Grundfrequenz
2) Überprüfung des Einflusses von Vokabular oder Syntax: Aufnahmen von J.
Ladefoged
1.Versuch zur Stimmidentifikation (P. u .J. Ladefoged,1980):
1.2 Methode und Ablauf
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P.L. hörte sich alle Aufnahmen unter Verwendung von qualitativ hochwertiger Ausstattung in einem schalldichten Raum an
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Der Hörtest lief wie folgt ab:
1) Grundfrequenzverläufe, 2) Sprachaufnahmen von J.L., 3) 52 x „hello“, 4) 52 Einzelsätze, 5) Sprachaufnahmen zu je 30s
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Der Hörtest zog sich über mehrere Tage hin und fand zu verschiedenen Gelegenheiten statt
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P.L. versuchte, jeder Stimme einen Namen zuzuordnen; beurteilte die „Sicherheit“
seiner Entscheidungen (3
Beurteilungsgrade:„certain“, „fairly certain“, „possibly“)
1.Versuch zur Stimmidentifikation (P. u. J. Ladefoged,1980):
1.3 Ergebnisse und Diskussion
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Grundfrequenzverläufe: keiner konnte identifiziert werden
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Sprachaufnahmen von J.L.: Identifikation nicht sicher
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52 x „hello“: 31% korrekt
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52 Einzelsätze: 66% korrekt
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Sprachaufnahmen zu je 30 s: 83% korrekt
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Stimmverwechslung: in VB 5) drei VPn falsch erkannt -> 2x unbekannte für bekannte gehalten, 1x nicht richtig erkannt
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Stimmerkennung: eigene Mutter erst in VB 5) identifiziert -> Einfluss der 14 bekannten Sprecherinnen mit demselben Akzent (British English, RP)?
-> Inwiefern sind diese Ergebnisse relevant für die Forensik?
2.Stimmidentifikation und „Telefonsprache“ (Schm.-N., Stern,1984) 2.1 Materialien und VPn
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40 Mitarbeiter aus derselben Beschäftigungssparte („organizational branch“) -> davon 24 Hörer (5 nur Hörer; 19 auch Sprecher) und 24 Sprecher (15 Männer, 9 Frauen)
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zusätzlich wurden Aufnahmen von 4 Sprechern gemacht, die bereits an einem Experiment teilgenommen hatten, und den Mitarbeitern nicht bekannt waren -> Überprüfung auf Verwendung von Ratestrategien
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Sprachmaterial: Pausen und „individuelle Informationen“ entfernt; mind 12 Äußerungen je VB; VB 1): ca. 29,8 s lang, VB 2): ca. 54,1 s lang
2.Stimmidentifikation und „Telefonsprache“ (Schm.-N., Stern,1984)
2.2 Methode und Ablauf
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VPn sollten über ein Kommunikationssystem „Schiffe versenken“ („battleship game from the NRL Communicability Test“ aus Schm.-N. u. Everett, 1982) spielen -> zwei VBn: 1) Normaler Kanal, 2) LPC Sprachverarbeitungssystem
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vor dem eigentl. Identifikationstest: Beurteilung des „Bekanntheitsgrades“ und der „Unterscheidbarkeit“
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Hörer: wurden unabhängig von den Sprechern getestet; sollten die „Sicherheit“
ihrer Beurteilungen bewerten („guessing“, “fairly sure“, „very sure“)
2.Stimmidentifikation und „Telefonsprache“ (Schm.-N., Stern,1984)
2.3 Ergebnisse und Diskussion
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Unterschied zwischen VB 1) (90 %) und VB 2) (70 %) signifikant; Erkennungsrate für VB 2) trotzdem noch sehr hoch
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Bei beiden Äußerungsarten nahmen die Anzahl der richtigen Antworten sowie der Punktewert für die geschätzte „Sicherheit“ mit dem Bekanntheitsgrad zu und das Verhältnis blieb konstant
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zwei verschiedene Fehlertypen:
-> konsistente Fehler: ein Sprecher wurde nahezu immer mit demselben anderen Sprecher verwechselt (bei sehr gut bekannten Namen; höherer Wert für die „Sicherheit“; häufiger bei bekannten Personen)
-> inkonsistente Fehler: ein Sprecher wird von mehreren Hörern nicht erkannt (durch Fehler beim Erraten der Namen; bei weniger bekannten Namen; bei Sprechern und Nichtsprechern)
2.Stimmidentifikation und „Telefonsprache“ (Schm.-N., Stern,1984)
2.3 Ergebnisse und Diskussion
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4 unbekannte Sprecher:
-> die 2 Frauen wurden regelmäßig mit sehr gut bekannten Sprechern verwechselt; die 2 Männer dagegen mit verschiedenen anderen Personen
-> 2 Frauen erhielten seltener die Bewertung „do not know“ beim Bekanntheitsgrad
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die VPn beurteilten ihre eigene Stimmen sehr unterschiedlich
-> in 19 Fällen befand sich die Stimme eines Hörers unter den dargebotenen:
bei unveränd. Stimme in 16 (84,2%) Fällen richtig, bei LPC in 13 (68,4%) ABER: insgesamt nur genauso gut wie die Stimmen der Mitarbeiter
-> von den insgesamt 576 einzelnen Bewertungen wurde in 27 Fällen ein Spr.
als „totally unfamiliar“ eingeschätzt; der Spr. wurde jedoch von den Hörern
44% bei den ungefilterten und zu 30% bei den LPC-Äußerungen korrekt
2.Stimmidentifikation und „Telefonsprache“ (Schm.-N.,Stern, 1984)
2.3 Ergebnisse und Diskussion
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Identifikation und Unterscheidbarkeit: bei einzelnen Spr. und bei den Hörern konnten große Unterschiede bei der
Sprecheridentifikation festgestellt werden
ungefilterte Äußerungen: zu 47,8% - 100% richtig erkannt LPC-Äußerungen: zu 27,7% - 100% richtig erkannt
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alle Spr., die über LPC gut identif. werden konnten, wurden auch bei ungefilterten Äußerungen gut identifiziert; aber einige mit hohen Bewertungen bei den ungef.
Äuß. wurden über LPC schlecht erkannt
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bei den Sprechern wurde eine höhere Variabilität festgestellt als bei den Hörern
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