Von Hans Wehr, Erlangen
Die 'Arabiya verfügt über merkwürdig viele Ausdrucksmöglichkeiten für die Verneinung. Zu dem altsemitischen lä sind als Satzverneinungen
hinzugetreten lam, lan, laisa sowie lammä, die sich historisch als Zu¬
sammensetzungen mit lä erweisen. Diese sind jedoch bekanntlich funk¬
tionell nicht gleichwertig und vertauschbar, sondern nach ihrem sjm-
taktischen Anwendungsbereich streng geschieden. Dazu kommen nun
noch mä und in, die vom älteren arabischen Sprachgefühl funktionell als
nahezu gleichwertig empfunden wurden und gegenüber den anderen eng
zusammen gehören. Wenn die Philologen in als Negation erklären woUen,
geschieht es durch mä. Mit in verneinte Sätze im Koran werden weit
überwiegend nicht durch das sonst zur Fortführung negativer Sätze
übliche wa-lä, sondern durch wa-mä weitergeführt'. Beide können im
V^erbal- und Nominalsatz gebraucht werden, sind mit seltenen Aus¬
nahmen auf den Hauptsatz beschränkt und stehen gewichtig immer an
dessen Spitze.
Bereits dem Anfänger im Arabischen fällt es auf, daß er scheinbar die
Wahl hat, im präteritalen Sinn lam aktub und mä katabtu zu gebrauchen,
mit Imperfekt lä yaktubu und mä yaktubu, ebenso im Nominalsatz schein¬
bar ohne Bedeutungsunterschied laisa lahü baitun und mä lahü baitun.
Mä hat also an den Sonderbereichen dreier anderer Negationen Anteil,
und seine Anwendung überschneidet sich formalsyntaktisch mit der
ihrigen. Aber sind die genannten Paare mrklicli vertauschbar? Wir
dürfen a priori voraussetzen, daß dies kaum denkbar ist. Den Luxus,
zwei völlig gleichwertige Ausdrucksmittel, die auch nicht durch die min¬
deste Nuance geschieden sind, lange nebeneinander festzuhalten, leistet
sich die Sprache im allgemeinen nicht.
Der Unterschied zwischen mä kataba und lam yaUuh ist mehrfach er¬
örtert worden^. Fleischer stellt fest, daß das mit mä verbundene
Perfekt vorzugsweise unserem deutschen Perfekt als demjenigen Tempus
entspreche, durch das die Vergangenheit vom Standpunkt der Gegen¬
wart aus betrachtet und auf diese bezogen werde. Reckendorf, Arab.
Syntax § 25, kennzeichnet das Perfekt nach mä als meist resultativ; mä
BEBGSTR-issEB, Die Negationen im Kwr'än, Diss. Leipzig 1911, S. 60.
^ Fleischer, Kl. Sehr. I 443/4; Reckendobf, Syntakt. Verhältnisse S. 83,
Arab. Syntax § 25; Bebgsträsser 1. c. S. 29f.; Wbight II 20 D.
28 Hans Wehb
qatäla ist nach ihm die Verneinung zu qad qotala; dieses bezeichnet er
S. 301 als immer resultativ („er hat oder hatte getötet", aber nicht
historisches Perfekt = ,,er tötete"). Ähnlich Bebgsträssee, nach dem
das Perfekt nach mä im Koran die vollendete Handlung nicht so scharf
ausdrückt wie der Äpokopatus nach lam. Diesen Definitionen ist ge¬
meinsam, daß sie, wenn auch in zurückhaltender Form, das Besondere
von mä kataba gegenüber lam yaktuh in einer eigenen Zeitstufe oder
Realisierimgsart sehen. Die Fragestellung, mit der man an mä kataba
herantrat, ist offenbar ausgelöst worden durch die Angabe der Gram¬
matiker, mä verneine die Vergangenheit, die muqarrab min al-ljäl sei
,,dem gegenwärtigen Zustand nahegerückt"die trotz ihrer dunklen
Form auf ein Gefühl für eine solche Tempusstufe wie unser periphrasti¬
sches Perfekt hinzuweisen scheint. Aber die Gleichsetzung mit dem
deutschen Perfekt wird durchaus nicht immer bestätigt, was schon die
angeführten Äußerungen durch ihre Formulierung zugeben. Derm in
alter historischer Prosa kommt mä kataba, weim auch viel seltener als
lam yaktub, zuweilen mitten im historischen Bericht vor, z. B. Ayyäm
al-'Ärab bei b. al-Atir I 496,7; 420,4; 457,4; 458,5 v.u.; Brünnow-
FiscHER, Chrest. 89,13; 90,7; 96,7f. (Tabari); Ag. I 36,17; b. Sa'd Illa
229,12; 187,19; Tabari II 1202,16; 1203,lff. usw. Ein Bericht mit lam,
kann bei b. Sa'd Illa 260,21—23 durch mä mit Perfekt fortgesetzt
werden. Die nach den oben angeführten Formulierungen naheliegende
Auffassung, daß die beiden Typen etwa durch die Bezeichnungen ,,resul-
tatives" und ,, historisches" Perfekt differenziert werden könnten, trifft
keinesfalls zu. Es fehlt nicht an FäUen, wo gerade lam mit Apokopatus
deutlich resultativen Wert hat, z. B.: fa-lam ara gamä'^atan qattu ga'ü
bi-mitli mä gi'nä bihi ,,nie habe ich eine Abteilung Leute gesehen, die
Ähnliches wie wir mitgebracht hätten" Tab. II 1248, 16f.; lam yaHi
ragulun qattu bi-mä gi'ta bihi ,,nie hat ein Mann solches vorgebracht wie
du" Äg. III 14 1. Z.; fa-lam tabki mräatun min al-Ansäri ba'da dälika
ilä l-yaumi '^alä mayyitin illä bada'at bi-l-bukä'i 'alä Hamza ,, keine Frau
von den Ansär hat danach bis zum heutigen Tage über einen Toten ge¬
weint, ohne mit dem Weinen über H. zu beginnen" b. Sa'd Illa 5,19.
Während man besonders im letzten FaU auf Grund der Zeitbestimmung mä
erwarten müßte, steht es im folgenden Satz, wo die Zeitbestimmung eine
Schilderung längst abgeschlossener Zustände erkennen läßt und wo nach
den bisherigen Regeln lam zu erwarten wäre : mä ru'iya mitluhü ... fl
zamänihim „nicht sah man seinesgleichen ... zu ihrer Zeit" Tab. I 1452
1. Z. —1453,1. Mä und lam wechseln in zwei Versionen der gleichen Über¬
lieferung bei b. Sa'd Illa 25,27 und 26,5. Man vergleiche ferner ParaUelen
1 Vgl. Mufa??al, S. 142,14.
wie die folgenden: lam ara ka-l-yaumi qattu „niemals habe ich einen Tag wie den heutigen erlebt" Ayyäm 460,5; mß ra^aituhü qattu hädiya r-ruk-
bataini ilä l-yaumi „niemals habe ich ihn bis heute mit entblößten
Knien gesehen" Ayyäm 387,5; lam ara ragulan agbana min sä^ibika
„nicht habe ich (je) einen feigeren Marm als deinen Gefährten gesehen"
Ayyäm 441 l.Z. ; mä rä'aitu mitla dälika l-yaumi qattu ,,nie habe ich
einen solchen Tag wie jenen erlebt" Ag. I 26,18. Man wird bei so gleich¬
wertigen Aussagen nicht leicht einen Zeitstufenunterschied konstruieren körmen. Dennoch ist es richtig, daß für mä kataba sehr weit überwiegend
die Übersetzung durch unser Perfekt zutrifft. Aber sowohl mä kataba
\ne lam yaktub körmen jedenfalls grundsätzlich je nach dem Zusammen¬
hang einem „er schrieb nicht" oder ,,er hat nicht geschrieben" des Neu¬
hochdeutschen entsprechen. Und zwar haben wir in referierenden Par¬
tien, besonders im historischen Bericht, beides durch unser Imperfekt
wiederzugeben, aber in lebhafter direkter Rede ist beides treffend durch
unser Perfekt zu übersetzen.
Was ferner mä mit Imperfekt betrifft, so kann allerdings mä yaktubu
niemals futurische Bedeutung haben wie lä yaktubu. Aber der Unter¬
schied beider Typen im Sinne eines Präsens ist keineswegs klar, und auch
die Auskünfte der einheimischen Grammatiker versagen gegenüber un¬
serer Fragestellung. Man beachte auch hier die vielen anscheinend ganz
gleichwertigen Parallelbeispiele : mä arä rabbaka illä yusäri'-u fi hawäka
„ich meine nicht anders, als daß dein Herr recht schnell auf deine Leiden¬
schaft eingeht" Chr.' 169,4f. (Buhäri); wa-lä arä ha'ula'i l-qauma illä
sa-yazharünu 'alainä ,,und ich meine nicht anders, als daß diese Leute
die Oberhand über uns gewinnen werden" Chr. 82,1 f. (Tabari); fa-inni
mä uhibbu ... annahä fi hayäll „denn ich möchte nicht ... daß sie in
meiner Phantasie noch existiert" Chr. 28,5 (Agäni) ; lä uhibbu an arähu
„ich möchte ihn nicht sehen" Chr. 72,4 (Tabari) ; wa-mä adri asabtu am
aktaHu „und ich weiß nicht, ob ich getroffen oder gefehlt habe" Tab. I
2263,7 f.; lä adri wa-llähi aina abi „ich weiß nicht, bei Gott, wo mein
Vater ist" b. Hisäm 329,3 v.u. f.; wa-mä yastawi l-a'^mä wa-l-basiru
,, nicht ist gleich der Blinde und der Sehende" Kor. 40,60; wa-lä tmtawi
l-hasanatu wa-lä s-sayyPatu ,, nicht ist gleich das Gute und (nicht) das
Schlechte" Kor. 41,34; mä narähä „wir sehen sie nicht!" Chr. 68,llf.
(Tabari) als Antwort auf eine Frage ebenso wie lä adri „ich weiß nicht"
Ag. III 3,15, 16, 18 und lä a'rifuhü „ich kenne ihn nicht" Chr. 104, 2, 3, 4
u. ö. Bei so gleichwertigen Aussagen wd man kaum einen Zeitstufen¬
unterschied oder eine verschiedene Realisierungs- bzw. Aktionsart
finden können.
1 So wird im Folgenden die Arabische Chrestomathie von Bbünnow-
FiscHER zitiert.
30 Hans Wehb
Vollends im Nominalsatz versagt dieses Prinzip der Differenzierung
selbstverständlich; wo der Unterschied zwischen mä lahü baitun und
laisa lahü baitun zu sehen ist, ist bisher m. W. gar nicht erörtert worden.
Eine andere Fragestellung, die durch die Art der Textbeispiele selber
nahegelegt wird, dürfte besser zu den Tatsachen hinführen. Wenn man
in einem alten historischen Bericht alle Sätze mit mä aus beliebig ge¬
wählten Abschnitten betrachtet, so ergibt sich, daß diese weit über¬
wiegend in der Zitierung gesprochener Worte der handelnden Personen
vorkommen. In den Ayyäm-Geschichten bei b. al-Atir (ohne Verse)
tritt mä 41 mal auf, davon 37 mal in direkter Rede, bei b. Hisäm S. 5—54
(ohne Verse) ISmal^, davon 17 mal in direkter Rede. In der Chresto¬
mathie S. 21—65 (Agäni und b. Hisäm) 32mal*, immer in direkter Rede.
Stichproben in jüngeren Abschnitten des Tabari und der Agäni ergeben
ein nicht sehr erheblich verändertes Bild, obgleich nm hier etwas stärker
im historischen Bericht auftritt. Das Gesagte gilt nicht nur für mä mit
Perfekt, wo man sagen kömite, es sei eben resultativ, wie so häufig in
gesprochenen Worten, sondern dabei sind auch die Fälle mit Imperfekt
und im Nominalsatz eingerechnet. Z. B. erscheint mä in den erzählenden
Texten der Chrestomathie S. 1—120 mit Imperfekt 18 mal in direkter
Rede und nur einmal in der Erzählung. Die Vergleichszahlen für lam, lä
und laisa ergeben ein erheblich abweichendes Bild. Z. B. tritt laisa zwar
auch sehr häufig in der Wiedergabe gesprochener Worte auf (in der
Chrestomathie S. 1—120 12 mal unter 13 Fällen), aber in Texten sachlich
darstellenden Charakters ist es deshalb keineswegs selten, während hier
mä mit Nominalsatz z. T. gar nicht vorkommt. Bei einem Geographen
wie b. al-Faqih S. 1—40 finden sich zwar 16 FäUe von laisa (wo im
Prinzip auch mä denkbar wäre), aber nur einmal (22,14) mä mit Nominal¬
satz und dieses eine Mal in direkter Rede! Ferner fällt es auf, daß in
»w«-Sätzen in durchschnittlich der Hälfte oder mehr aUer überhaupt vor¬
kommenden FäUe die 1. und 2. Person Subjekt ist*. Es handelt sich also
um lebhafte Rede und Gegenrede.
1 372,11, 15, 16,2 v.u.; 378,9; 387,5; 390,3 v.u., 2v. u.; 392,8; 393,9, 16;
396,3; 398,1; 399,11, 14; 403,10; 405,5; 412,4, 8, 10; 415,10; 419,7; 420,4- 425,15; 448,2 V. u.; 449,3; 456,4 v. u. (2mal); 457,4; 458,5 v. u.; 471,6, 7, 10;
475,9; 478,4, 5; 496,7; 506,16; 508,3; 510,7; 516,13.
2 11,11; 15,7, 8; 19,3; 20,5; 21,12, 13; 22,4; 33,10 (2mal), 12, 16; 36,13;
42,3 V. u.; 51,4; 52,4, 5; 54,10.
3 23,8; 26,9 (2mal); 27,7; 28,2, 5, 12; 30,14; 32,10, 15; 34,3; 35,1; 41,7, 9, 10; 42,4 (2mal), 6 (2mal), 7; 50,14; 51,2, 6, 9, 11, 13; 52,1; 54,2; 59,12, 14;
62,10; 63,16.
* So kommt z. B. in der Chrestomathie nach meiner Zählung 27 mal mä
mit Imperfekt vor, davon 19mal mit der 1. und 2. Person als Subjekt. In
den erzählenden Texten S. 1—120 kommt der Typus mä yakiubu 19 mal vor.
Jetzt verstehen wir, warum in den Fällen mit Perfekt, die ja nur einen
Teil ausmachen, die Übersetzung durch unser periphrastisches Perfekt
so oft zutrifft. Dieses verwenden wir in lebhafter ichbezogener Rede, wo
der Sprecher persönlichen Anteil am Gesprochenen nimmt. Es ist in
solchen Fällen die einzig richtige und idiomatische Übersetzung, auch
wenn es für ein arabisches Sprachgefühl eine entsprechende Ausdrucks¬
möglichkeit nicht geben sollte. Das Besondere der Verneinung durch
mä dürfte nach den voraufgehenden Mitteilungen darin zu sehen sein,
daß solche Sätze der lebhaften, stark emotionalen Redeweise angehören,
daß sie mit mehr subjektiver innerer Beteiligung verneinen. Verneinun¬
gen wie lam yaf-al, laisa bi-fäHlin haben einen viel weiteren Anwendungs¬
bereich. Es sind durchschnittlich objektivere Verneinungen, die selbst¬
verständlich oft genug auch in direkter Rede vorkommen, aber sehr viel
häufiger im Bericht, in der sachlichen Aussage sind. Umgekehrt werden
wä-Sätze weit überwiegend in direkter Rede gebraucht; nur selten
kommen sie in der älteren Historikerprosa im sachlichen Bericht vor.
Hier dürfte mä überhaupt nicht erwartet werden, vorausgesetzt, daß
unsere Auffassung zutrifft, weim es sich um den unbeteiligten Stil objek¬
tiver Chronisten handelte. Aber bekanntlich sind die älteren historischen Berichte zunächst mündlich vorgetragene, erst später niedergeschriebene
Texte. Sie stammen sogar z. T. von Augen- und Ohrenzeugen, bei denen
man ein stärkeres Maß innerer Beteiligung voraussetzen muß.
Weim der primäre Unterschied zwischen lam yaktub und mä kataba
nicht im Tempus, sondern in der persönlichen Anteilnahme des Sprechers
an der Aussage, also im Affektgrad zu sehen ist, so ^vürde sich doch bei
einem Affektsatz mä kataba gleichzeitig das Gefühl für eine „häl-'Näiie"
der Aussage, das durch muqarrab min al-Jiäl bezeugt ist, begreifen lassen:
in einem affektbetonten Satz erscheint der Vorgang dem augenblick¬
lichen Zustand des Redenden in der Tat nähergerückt; darum ver¬
wenden wir u. a. auch im Affektsatz unser mit der Gegenwart von
„haben" gebildetes Perfekt: „er hat es ja gar nicht gesagt!", „ich habe es wahrhaftig nicht geschrieben!", nicht das viel sachlichere Imperfekt.
Es ist verständlich, daß deshalb nicht unser Perfekt im voUen Umfang
mit mä kataba gleichgesetzt werden kaim. — Zu dieser Auffassung paßt
es übrigens, daß sich im gesprochenen Arabisch mä so stark durch¬
gesetzt hat und in modernen Dialekten mit oder ohne die Ergänzung -§
(< Sai') selbst lä weitgehend verdrängt hat.
davon 14mal mit der 1. und 2. Person. Zum Vergleich sei mitgeteilt, daß
lä yaktubu im präsentischen und präteritalen Sinn 74mal auftritt (wobei
Fortführungen voraufgegangener Verneinungen mit wa-lä natürlich nicht
gezählt sind), davon nur 19mal mit der 1. und 2. Person als Subjekt, 55mal
mit der 3. Person, davon 3.5 mal im Bericht.
32 Hans Wehb
Wenn unsere Folgerung zutrifft, so müßte mä in einem so stark affekt¬
geladenen Werk wie dem Koran besonders oft unter den Hauptnegationen
vertreten sein. Im Koran kommt es nach Beegsträsseb's Tabellen rund
675 mal vor, d. h. etwa durchschnittlich 2 mal auf einer Seite der Flügel-
schen Ausgabe. Irmerhalb der 4 Hauptnegationen lam, lä, laisa und mä
kommt auf überhaupt vorkommende 4 Verneinungen einmal mä. Daß diese
absolute und relative Häufigkeit nicht von einem Text wie den Ayyäm
erreicht wd, ist vorauszusehen wegen der ausgedehnten erzählenden
Partien; mä erscheint annähernd nur auf jeder 3. Seite, und nur jede 11.
der 4 Hauptnegationen ist mä. Sachlich darstellende gelehrte Werke
gibt es aus so früher Zeit leider nicht. Aber zum Vergleich lohnt es den¬
noch, mitzuteilen, daß im Kitäb des Sibawaih miter den ersten 300 Ne¬
gationen mä gänzlich fehlt (abgesehen von einigen grammatischen Bei¬
spielsätzen). Bei einem Historiker wie al-Ya'qübi, der vorwiegend sach¬
lich darstellt und wenige direkte Reden einschaltet, kommt es fast gar
nicht vor. Auf 50 planlos ausgewählten Seiten (I 190—240) kommt mä
nur an einer einzigen SteUe (224,8 f.) 2 mal vor, und zwar in direkter
Rede. Der einzige Text der-Chrestomathie, in dem mä überhaupt nicht
vorkommt, ist zugleich der einzige gelehrte Text, nämlich die Agur-
rümiya.
Nun soll freUich der Wert der Statistik und besonders des argumentum
ex silentio für die Syntaxforschung keineswegs zu hoch veranschlagt
werden. Hier wie überall sind Folgerungen aus Zahlen nicht unfehlbar.
So auffällig immerhin die mitgeteilten Tatsachen sind, so möchte ich
doch mehr Gewicht auf ein weiteres Argument legen. Es handelt sich um
eine bisher nicht erkarmte Tatsache der altarabischen Syntax: Wenn
urunittelbar nach einer Beteuerungsformel, einer bekräftigenden Rede¬
wendung oder einem Schwur in Kontaktstellung eine Verneinung folgt,
so ist die Negation mä; dabei macht es wiederum keinen Unterschied,
ob ein Perfekt oder Imperfekt folgt oder ob es sich um einen Nominalsatz
handelt. Unter hunderten von FäUen ist mir niemals ein lam, laisa oder
lä nach wa-llähi und ähnlichen Ausdrücken ansteUe von mä begegnet..
Nur wo die -Aussage futurisch gemeint ist, heißt es lä af'alu oder auch
lastu af'alu, da mä af'alu bekaimtlich den Bereich der Zukunft nicht mit.
umfaßt. Ganz besonders ist aber zu beachten, daß in, das ja auch sonst
funktionsverwandt ist, in diesem Zusammenhang vereinzelt möglich ist,
worüber später die Rede sein wird. Es muß also heißen: wa-llähi mä
fa'altu oder wa-llähi in fa'altu. Selbst ein lä budda ist mir in diesem Zu-
sammehang nicht begegnet; ich kenne nur wa-llähi mä buddun min
an b. Qutaiba, 'Uyün (ed. Brockelmann) I 43,12 und wa-llähi in ll
buddun min dälika Chr. 67,14 (Tabari). Beispiele mit Perfekt: wa-llähi
mä ansafüni ,,bei Gott, nicht haben sie mich gerecht behandelt" b.
Hisäm 169,9; wa-llähi mä samiHu miÜahu qattu ,,bei Gott, nicht habe ich dergleichen je gehört" 1. c. 186,3 v.u.; vgl. 19,3; 21,12; 183,2 v.u.;
191,1; 315,3 V. u. ; 327,3 v. u. ; wa-lladi nafsu Muhammadin bi-yadihi
mä 'alimtu bi-Sai'in ,,bei dem, in dessen Hand M.s Seele ist, ich habe
nichts gewußt" 1. c. 469,6 v.u.; wa-llähi mä qutila ba'da Kulaibin
a'azzu 'alayya minka ,,bei Gott, nicht wurde nach K. einer getötet, der
mir teurer wäre als du!" Ayyäm 392,8; ferner 372,16; 412,10; 516,13;
wa-d-duhä wa-l-laili ... mä wadda'aka rabbuka wa-mä qalä ,,beim Vor¬
mittag und bei der Nacht ... nicht hat dein Herr dich verlassen und
nicht hat ihn Haß ergriffen" Kor. 93,1—3; vgl. ferner b. Sa'd Ia 154,6;
IIb 55,19; Illa 121,24; 150,26; 159,17; 190,27; Tab. I 503,7; II 1005,4;
1234,8;b. Qutaiba,'Uyün I 91,14; 103,11. Mit Imperfekt: Zä wa-'ai>wiiA»f
mä adri ,,nein, bei deinen Augen, ich weiß es nicht" Ag. IV 49,3; wa-
llähi mä nuridu harbahü ,,bei Gott, wir wollen nicht den Krieg gegen ihn"
b. Hisäm 33,10; ferner 304,1; 324,14'; fa-wa-llähi mä uliibbu an üqi'a
bainaka wa-bainahü 'adäwatan ,,bei Gott, ich möchte nicht zwischen dir
und ihm Feindschaft hervorrufen" Tab. II 1313,16; wa-llähi mä yuHnuka 'alaihim illä Ilähu ,,bei Gott, niemand hilft dir gegen ihn außer Gott"
1. c. II 1000,14; fa-wa-llähi mä alümuka 'alä fi'lika ,,bei Gott, ich tadle dich nicht für dein Tun" 1. c. II 1019,6; fa-wa-llähi mä tadri mä baqä'i
wa-baqä'uka ,,bei Gott, du weißt nicht, wie lange meine und deine
Lebensdauer währt" 1. c. II 1214,15; vgl. ferner I 2191, 12f.; II 1231,7;
1314,15; fa-wa-llähi mä nubäli aina dahaba „dann, bei Gott, kümmern wdr
uns nicht darum, wohin er gegangen ist!" Chr. 51, 8f. (b. His.); innaki
wa-llähi yä Saudatu mä tahfaina 'alainä „du da, Sauda, bei Gott, ich
sehe dich wohl!" Chr. 170,12 (Buh.). Mit Nominalsatz : häSä li-llähi mä
hädä baSaran in hädä illä malakun karimun ,, behüte Gott, das ist ja gar
kein Mensch, nichts anderes als ein hehrer Engel ist das!" Kor. 12,31
(wobei die Negation in an 2. Stelle zu beachten ist); UM-llähi mä anä
bi-dhmaqa ,,bei Gott, ich bin nicht dumm" Ayyäm 471,6; wa-llähi mä
ma'i illä mä tarä min silähi „bei Gott, ich habe von meinen Waffen nichts
bei mir als was du siehst" Tab. II 1019,9; lä wa-llähi mä hädä lakum
bi-rd'yin „nein, bei Gott, das ist kein passender Beschluß für euch!" b.
Hiiäm 324,4/3 v.u.; ferner 33,10, 12; 171,7; 186,3 v.u.; 191,9—12
(4 mal: lä wa-llähi mä huwa bi-sähirin ... mä huwa bi-kähinin . .. mä
huwa bi-Sä'irin ... mä huwa bi-magnünin) ; 300,2 v.u.; 301, LZ.;
1 Eine nur scheinbare Ausnahme liegt b. Hisäm 361,14 vor, wo der Satz
mit inna beginnt und wa-llähi als parenthetische Interjektion danach ein¬
geschoben ist: wa-innl wa-llähi lä a'lamu. Der Satz mit inna wird mit lä
fortgesetzt. Aber es kann auoh hier mä heißen, z. B. b. Qut., 'Uyün I 99,14f.
Auch kann der Satz mit einer anderen Negation begirmen und wa-llähi
als Interjektion danach eingeschoben sein: lastu wa-llähi minhum Chr. 1,8.
3 ZDMG 103/1
34 Hans Wehe
315,4 V. u. ; nach wa-aimu Ilähi b. Sa'd Ia 150,16f. ; ferner IIa 7,11 f.
usw. — In der Chrestomathie von Brünnow-Fischer finden sich 17 mal
nach wa-llähi negierte Sätze mit präteritaler oder präsentischer Be¬
deutung'. Die Negation ist immer mä (außer 67,14, wo in folgt).
Die Beispiele lassen sich beliebig vermehren. Ich hatte August
Fischer einmal kurz vor seinem Tode gebeten, seine vielen Beispiele zu
Bekräftigungs- und Schwurformeln auf nachfolgende Negationen hin
durchzusehen. Er koimte auch kein Gegenbeispiel ausfindig machen und
stimmte der hier ausgesprochenen Auffassung bei. Beiläufig sei bemerkt,
daß selbst in der Gegenwart ein an den alten Mustern geschulter Autor
von sicherem Sprachgefühl wie Tähä Husain, natürlich unbewußt,
dieser Regel folgt. Das will um so mehr besagen, als mä im Neuhoch¬
arabischen sehr selten geworden ist. Aus al-Ayyäm I von Tähä Husain
habe ich 5 Beispiele notiert: uqsimu bi-llähi l-'azimi mä ahmaltuhu
yauman ,,ich schwöre bei Gott, dem Gewaltigen, nicht einen Tag habe
ich ihn vernachlässigt" 51,8; imra'atl täliqun ialätan mä kadabtuka
qattu wa-mä anä bi-kädibin il-äna ,, meine Frau soll dreimal geschieden
sein: ich habe dich nie belogen und lüge auch jetzt nicht" 51,4 v. u. ;
wa-llähi mä häkadä käna l-amalu fika ,,bei Gott, nicht solcher Art war
die Hoffnung, die auf dich gesetzt wurde" 81,6; ferner 80,2 v. u. ; 122,5.
Wenn Sätze mit mä in solchem Zusammenhang auftreten, so besagt
dies wohl, daß sie einen stärkeren subjektiven, emotionalen Ausdrucks¬
wert besitzen, daß ihr Affektgrad höher ist als die Verneinung durch
lä, lam und laisa, die demnach eine durchschnittlich objektivere Form
der Verneinung sind. Durch die dargelegte syntaktische Tatsache ge¬
winnt also unsere Auffassung eine sehr wesentliche Stütze. Wenn sie zu¬
trifft, so ist mä nirgends eher zu erwarten als gerade in diesem Zu¬
sammenhang, und es ist begreiflich, daß man nach solchen stark affekt¬
haltigen Ausdrücken einen Satz mit mä gebrauchte oder vielleicht besser,
daß man dieser Art der Verneinung gern eine Beteuerungs- oder Be¬
kräftigungsformel voraufschickte.
Auch bei den Grammatikern^ finden wir unter mancherlei Angaben
bei dem, was über mä mit Perfekt gesagt wird, eine gute Bestätigung für
den stärkeren Affektgehalt. Im Mufas.sal heißt es, daß es al-häl „den
gegenwärtigen Zustand" und al-mädl al-muqarrab min al-ljäl ,,die dem
i4,4f.; 23,8; 32,15f.; 35,1; 50,14f.; 51,2, 8f., 11; 63,16; 68,18; 76,9;
86,14; 99,9; 131,4; 169,4; 170,12; dazu kommt 67,14 (in). Ferner steht mä
nach wa-llähi, ohne daß jedoch Kontaktstellung vorliegt: 34,3f.; 51,13f.;
67,11 f.; 75,14 (wo nach wa-llähi an erster Stelle wegen des futurischen Sinna
lä, dann mä. gebraucht ist). — Hier sei bemerkt, daß a-mä, das zur Inter¬
jektion geworden ist, auffälligerweise insbesondere vor Schwüren und Be¬
teuerungen steht, worauf Ulf Glossar der Chrestomathie S. 124 hingewiesen ist.
2 Vgl. Mufa§?al 142,13—16, Sibawaih I 408,20—409,2, b. Ya'is II 1162,2ff.
gegenwärtigen Zustand nahegerückte Vergangenheit" verneine. Dann
wird Sibawaih zitiert: ammä mä fa-hya naf yun li-qauli l-qäHli huwa
yaf'alu idä käna fi fiHi hälin wa-idä qäla la-qad fa'ala fa-inna nafyahü
mä fa'ala fa-ka-annahü qila wa-llähi mä fa'ala. Mit dieser letzteren Um¬
schreibung von mä fa'ala durch wa-llähi mä fa'ala „bei Gott, er hat es
nicht getan!" oder ,,er hat es wahrhaftig nicht getan!" ist der stark
affektische Charakter ganz adäquat gekeimzeichnet. Bei Sibawaih geht
voran, daß zu einfachem fa'ala die Verneinung lam yaf-al sei, zu qad
fa'ala gehöre lammä yaf'al und zu la-qad fa'ala sei die Verneinung mä
fa'ala. Denn la-qad fa'ala sei gleichzusetzen mit wa-llähi la-qad fa'ala und
die entsprechende Antwort darauf sei wa-llähi mä fa'ala. So künstlich
diese Zusammenstellung mit der jeweiligen positiven Aussage auch kon¬
struiert sein mag, so scheint doch die für uns allein wichtige Erklärung
von mä fa'ala durch wa-llähi mä fa'ala nicht auf der üblichen wirklich¬
keitsfremden Reflexion, sondern auf echtem Sprachgefühl zu beruhen.
Versuchen wir, zum diachronischen Verständnis dieser Verneinung zu
gelangen, so haben wir davon auszugehen, daß mä bekanntlich historisch
nichts anderes als das Fragewort ,,was ?" ist, das in rhetorischen Fragen,
auf die eine verneinende Antwort erwartet wird, zur Negation umge¬
deutet wurde. Daß der mä-Satz nach seiner Herkunft stark affekthaltig
ist und einem Ausruf nahesteht, dürfen vidr deshalb mit einiger Sicher¬
heit voraussetzen, weil der Bedeutungsübergang vom Fragewort zur
Negation eben nur in der stark gefühlsbetonten sogenannten rhetorischen
Frage, also einem Ausrufsatz möglich ist. Daß dieser Charakter noch bis
ins literarische Arabisch lebendig war, ist nicht ausgeschlossen. Voraus¬
setzung für das Verständnis des Bedeutungswandels ist es, daß die Ne¬
gation kein isoliertes Dasein führt wie in Wörterbüchern und Gram¬
matiken, sondern für eine wirklichkeitsnahe Syntaxbetrachtung gibt es
streng genommen keine Negation mä, sondern nur Sätze mit mä. Gerade
mä verneint nie wie lä und laisa einzelne Wörter, sondern es kommt nur
in der festen Form des Satzes vor, und zwar in der Regel an der Spitze
von Hauptsätzen und nur selten in Nebensätzen', d. h. daß insofern
wenigstens das Satzbild sich noch mit dem der rhetorischen Frage deckt.
Um die Entstehung einer Negation nm zu begreifen, brauchen wir nicht
mit Rabin^ auf das Altägyptische zurückzugehen. Abwegig erscheint
auch die Vermutung Reckendokfs', der zwar von der Umdeutung des
Fragewortes ausgeht, aber eine doppelte Frage mä? yaqtulul ,,was? er
^ Besonders im asyndetischen Relativsatz und hälSatz, die ja oft noch
an der Grenze des Hauptsatzes stehen, z. B. Kor. 12,40; b. Hisäm 330,2;
b. al-Atir I 393,9; Chr. 52,1 (b. His.). Selten sind mö-Sätze nach hattä und an sowie sonstigen hypotaktischen Sätzen.
' Ancient West-Arabian S. 191. ' Syntaktische Verhältnisse S. 83.
3*
36 Hans Wehb
tötet ?" zugrunde legt. Daß dies zu „er tötet nicht" umgedeutet werden
konnte, ist recht unwahrscheinlich. Auch die Satzmelodie der doppelten
Frage und die Pause köimen schwerlich dem Übergang in die verneinende
Bedeutung förderlich sein. Vielmehr liefert, uns das literarische Arabisch,
genügend Anhaltspunkte dafür, wie eine solche Umdeutung der rheto¬
rischen Frage zum verneinten Ausruf vor sich gegangen sein mag. Z. B.
ist in mä agnwi 'anhu maluhü wa-mä kasab Kor. 111,2 nicht ohne weiteres
klar, ob gemeint ist ,,was nützte ihm sein Vermögen und was er erwarb ?"
oder ,, nicht nützte ihm ..."', ebenso Kor. 34,48: wa-mä yubdi'u l-bätilu wa-mä yu'idu ,,und das Falsche richtet rein gar nichts aus", wo mä auch
als Fragepartikel erklärt wird. Ferner mä Muhammadun illä rasülun
„was ist M. anderes als ein Gottgesandter ?" oder ,,M. ist nichts anderes
als ein Gottgesandter" b. Sa'd IIb 56,13, ebenso Kor. 33,12: mä wa'a-
danä Ilähu wa-rasüluhü illä gurüran ,,was hat uns Gott und sein Ge¬
sandter anderes verheißen als Trug V oder ,, nicht hat uns ...". Gerade
in dem so häufigen Satztypus „»nä—Nominativ — iWä—Nominativ" oder
,,mä — transitives Verbum — illä — Akkusativ" konnte mä leicht zur Ne¬
gation umgedeutet werden, ohne daß sonst an dem Satz etwas geändert
wurde ; mä—illä koimte nämlich hier mit den unendlich häufigen Aus¬
drücken für ,,nur" lä — illä, lam — illä, laisa — illä assoziiert und analog
gedeutet werden, wobei sich am Sinnwert des ganzen Satzes so gut wie
nichts änderte^. Denn die sogenannte rhetorische Frage hat ja nur noch
ganz äußerlich fragende Form; sie fällt bereits ein höchst subjektives
Urteil und hat den Wert einer lebhaften Meinungsäußerung. So ist also
nicht das Fragewort mä zur Negation geworden, wie man sekundär fest-
1 Vgl. Kor. 7,46; 26,207; 69,28.
2 Ein ganz ähnlicher Übergang ist bei hai — illä sehr naheliegend und
bereits zuweilen vollzogen. Z. B. hai huwa illä ragulun wähidun 1 ! „ist er
etwas anderes als ein Mann ?" Tabari I 2271,6, wo der Sprecher meint: „er ist ja doch nur ein Mann! (so daß er nicht zu fürchten ist)"; hai li-ä-ääti illä dirä'äni ?! d. h. ,,das Schaf hat doch bloß zwei Vorderbeine !" b. Sa'd Ib
109,7. Eine ganze Reihe solcher Beispiele im modernen Schriftarabisch
legten mir seit jeher die Vermutung nahe, daß sie nicht mehr als Fragen
empfunden werden, sondern daß hai — illä zum stark affektischen Ausdruck
für ,,nur" (mit besonderer persönlicher Beteiligimg) geworden ist, zumal das
heute sonst übliche Fragezeichen fehlt (z. B. M. Taimüe, Qisas III 4,5f.).
Ein wertvolles Beispiel dafür, daß ein Satz mit hai auch außerhalb der Ver-
bindimg mit illä bereits als negierter Satz empfunden werden karm, findet
sich bei Tabari I 2272,1.3, wo eine Fortsetzung mit wa-lä folgt, als ob bereits
eine Negation vorausgegangen sei : hai ra'aitum kaläman qattu audaha wa-lä
a'azza min kalämi hädä r-ragulil Das ist nur übersetzbar, wenn man auch
den ersten Teil als negierten Satz wiedergibt. Auch ist nach den Einheimischen
hai bi-d-däri ahadun gleichbedeutend mit mä bi-d-däri ahadunl (Siräfi bei
Jahn, Sibawaih I 2, 72,1). Vgl. Bebostbässeb, Die Negationen im Kurzan,
S. 87.
stellt, sondern der nur noch halb als Frage empfundene Affektsatz wurde
zum verneinten Satz. Wenn ein solcher rhetorischer Fragesatz vom
Typus mä huwa illä rasülun jedoch negativ gedeutet wurde, so koimte
m. E. nicht plötzlich eine teilnahmslose, objektive Aussage oder Fest¬
stellung daraus werden, sondern der Satz mußte doch wohl dessen un¬
geachtet seinen emotionalen Ausdruckswert behalten. Mit diesem Über¬
gang ergab sich nun tatsächlich eine Negation mä, mit der man auch
Sätze bilden konnte, die nicht mehr äußerlich den Bau rhetorischer
Fragen hatten, wie mä lahü haitun und mä rä'aitu Zaidan. Wenn das
Gefühl dafür verloren gegangen war, daß ein solcher primärer rheto¬
rischer Fragesatz einmal fragende Bedeutung gehabt hatte — und das
war notwendig der Fall, wenn man ihn negativ deutete — dann brauchte
die Negation natürlich nicht mehr an die äußere Form gebunden zu
bleiben, die zugleich noch rhetorische Frage sein konnte. Aus dem Ver¬
lust des letzten Restes eines Gefühles für die fragende Funktion ergibt
sich die freie Bildung von mä-Sätzen mit zwingender Notwendigkeit.
Der gleiche Übergang der rhetorischen Frage in die Verneinung ist
übrigens auch im Hebräischen festzustellen, wo im Gegensatz zum Ara¬
bischen mä fast ausschließlich Fragewort ist und nur ganz wenige, aber
deutliche FäUe von verneinendem mä vorliegen. Zweifellos verneinend
fungiert mä z. B. 1 K 12,16: ma-llänü hdeq he-Däwid we-lö nahälä hS-hen
Yi8ai „wir haben keinen Anteil an David und nichts zu schaffen mit dem
Sohne Isai's". Durch die Fortsetzung mit we-lö sowie durch die Parallel¬
stelle 2 S 20,1, wo statt ma-llänü heleq ... deutlicher en länü heleq ...
steht, wird die negierende Bedeutung von mä völlig klar.
Das paraUel verwendete, funktionell gleichwertige in ist weit seltener
als mä. Wenn Sätze mit in im Koran meist durch wa-mä fortgeführt
werden', so besagt dies wohl, daß ein wa-lä dem Affektcharakter der
SteUe weniger entsprach. Auch außerhalb dieser syntaktischen An¬
knüpfung treten Sätze mit in im Koran in der Nachbarschaft solcher
mit mä auf (z. B. 81,27 bzw. 22, 24, 25, 28, 29; 12,31). Außerhalb des
Koran kommt es in der alten Prosa nur sporadisch vor und ist später
ganz ausgestorben, wenn wir von der künstlichen Neubelebung absehen,
die es bei modernen Autoren erfahren hat. Schon bei Beginn der lite¬
rarischen Zeit ist es außerhalb des Korans in Prosa nicht eben häufig.
Umso bemerkenswerter ist es, daß es wie mä nach Bekräftigungs- und
Schwurformeln verwendet wird, also in einem ungewöhnlichen, nicht
aUzu häufigen Zusammenhang. Ygl. fa-lä wa-llähi in malaktu nafsi ,,doch
nein, bei Gott, nicht hatte ich mich in der Gewalt" b. al-Faqih 42,1;
fa-wa-llähi in laqinä illä 'agä'iza sul'an ,,denn bei Gott, nur alte kahl-
^ Bebostbässeb L o. S. 60.
38 Hans Wehk
köpfige Weiber trafen wir an" b. Hisäm 458,8; wa-llähi in käna islämuka
la-nasran wa-in känat imämatuka la-fathan ,,bei Gott, nicht bestand dein
islamisches Bekemitnis im Siegen und nicht dein Amt als Imam im Er¬
obern" b. Sa'd Illa, 257,21. Von Bbockelmann wurde in als Tiefstufen¬
form von aina ,,wo ?" mit Kürzung des Diphthongs in geschlossener Silbe erklärt'. Es wäre dann mit hebr. en identisch, das auch im Ugaritischen
vorliegt, und die Stellung an der Spitze des Hauptsatzes wäre dann als
Relikt aus der rhetorischen Frage zu betrachten, während das hebr. en
allerdings nicht mehr an diese Stellung gebunden ist und viel freier ver¬
wendet wird. Als Ausgangstypus für den Ubergang in die Negation käme
dann etwa in Frage: aina käna illäfi l-baiti „wo anders als im Hause war
er?" > ,, nirgend anders als ...". Die funktionellen Übereinstimmungen
mit mä würden sich so historisch ganz gleichartig begründen lassen, und
es wäre auf Grund der gemeinsamen Herkunft aus der rhetorischen Frage
vielleicht verständlich, daß sie auch im synchronischen Sprachgefühl
gegenüber den anderen Negationen so verschieden bewertet wurden, daß
bei den arabischen Grammatikern das eine nur durch das andere erklärt
werden koimte. Für diese Herkunft von in würde der besonders im Koran
so häufige Typus in — illä sprechen. Aber es liegt doch wohl näher, an¬
zunehmen, daß in ursprünglich die Konditionalpartikel ist und daß ein
Bedingungssatz mit weggelassenem Nachsatz zugrunde liegt. Denn dies
wird durch die Parallele im Hebräischen gestützt, wo das entsprechende
im ,,wenn" mit Ellipse des Nachsatzes auch zur stark affektischen Ver¬
neinung dient. Sehr bemerkenswert ist dabei, daß diese Art der Ver¬
neinung im Hebräischen insbesondere nach Schwurformeln, auch nach
Beschwörungen sowie nach Verwünschungsformeln angewendet wird, so
daß auch insofern eine auffällige Parallele zum arab. in vorliegt^. Ob¬
gleich das arab. in nach der Syntax des folgenden Verbums nichts mehr
von einer Herkunft aus dem Konditionalsatz erkennen läßt, verdient
diese Erklärung wohl den Vorzug. Die Anfangsstellung im Hauptsatz
und der stärkere Affektgehalt läßt sich jedenfalls auch bei dieser Deu¬
tung zwanglos begreifen.
Zum Abschluß sei noch bemerkt, daß nicht nur in, sondern später auch
mä als Verneinung in der Prosa immer seltener geworden ist, vielleicht
deshalb, weil die 'Arabiya immer mehr zur Papiersprache wurde; der
Rückgang vieler Erscheinungen der altarabischen Affektsyntax in der
jüngeren Prosa dürfte so zu verstehen sein. Heute muß man in einer
Zeitung sehr lange suchen, bis man einmal auf einen durch mä verneinten
Satz stößt. Dennoch ist es bei den Autoren der schönen Literatur heute
^Grundriß II III.
2 Y gl.'P.Joüo'!!!,Grammaire del' H6breu biblique §165, Gbsenius-Kautsch, Hebr. Orammatik, 28. Aufl., § 149 (Schwur- und Beteuerungssätze).
nicht ganz selten, aber es handelt sich dabei wie bei in um eine An¬
knüpfung an alte Muster. Als Begründung für den Rückgang von mä
kaim man vieUeicht auch anführen, daß es heute stilistisch dadurch als
entwertet erscheint, daß es in der Umgangssprache die übliche Negation
ist. Denn im Gegensatz zur Schriftsprache hat gerade umgekehrt das
gesprochene Arabisch mß als Negation bevorzugt, dafür jedoch als Frage¬
wort aufgegeben und durch andere Bildungen ersetzt (wie e, eS, äS, ä§in,
aSnüa, Snü u.a.m.) So ist jedenfaUs auf Grund des heutigen Sprach¬
gefühls schwerlich Auskunft darüber zu gewinnen, ob die Deutung der
eingangs dargelegten Tatsachen zutrifft. Wir können nicht mit lebenden
Sprechern Versuche anstellen, sondern sind auf geschriebene Texte und
auf die Erfassung möglichst vieler Einzelbeispiele unter Berücksichtigung
des Zusammenhanges angewiesen, um eine Nuance wie die hier unter¬
suchte erfassen zu können. Grundsätzlich ist festzuhalten, daß die
'Arabiya an affektischen Ausdrucksmitteln ganz besonders reich ist. Auf
dem Papier nehmen sich solche Erscheinungen für den Philologen meist
viel sachlicher aus als es ihrem lebendigen Ausdruckswert entspricht.
Die Verrechnung und Verwaltung von Steuern
im islamischen Ägypten'
Vorberioht nach den Papyri PER Inv. Ar. Pap. 5999
vmd P. Cair. BE Inv. no 1400
Von CoNSTANHK Leyebee, Kiel
Die von A. Grohmann bearbeiteten Papyri geben uns eine fast voll¬
kommene Ubersicht über die Besteuerung landwirtschaftlichen
Bodens und seiner Erzeugnisse, ferner erlangen wir erstmalig Kennt¬
nis über die interne und externe Steuerverrechnung und besonders die
interne Steuerverwaltung.
Neben manchen aufschlußreichen Steuerlisten sind besonders zwei
•Papyri hervorzuheben, die sowohl wegen ihres umfangreichen Inhalts
als auch wegen ihrer verwaltungstechnischen Seite von hohem wissen-
^ Verwendete Abkürzxmgen und Literaturnachweis.
APEL, A. Gbohmann, Arabic Papyri in the Egyptian Library, vol. I — IV
(Caüo 1934—1952).
APW, A. Gbohmann, Arabische Papyri aus der Sammlung Carl Wessely im
Orientalischen Institute {Orientälni üstav) zu Prag: Aroh. Or.X(1938),
S. 149—162, XI (1940), S. 242—289, XII (1941), S. 1—112, XIV
(1943), S. 161—260.
Arch. Or., Archiv Orientälni, Zeitschrift des Orientalischen Institutes Prag.
BAU, Ägyptische Urkunden aus den kgl. Museen zu Berlin, hg. v. d. Ge¬
neralverwaltung: Arabische Urkunden hg. v. L. Abel I, II, Berlin
1896—1900.
BIE, Bulletin de l'Institut d'figypte (Cairo).
P. Cair. Bfi, Papyri in der Ägyptischen Nationalbibliothek in Cairo.
PER, Papyri der Sammlung Papyrus Erzherzog Rainer in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien.
PERF, Papyrus Erzherzog Rainer. Führer durch die Ausstellung. Wien 1894.
P. Straßbg. Arab., Arabische Papyri in der Universitäts- und Landesbiblio¬
thek in Straßburg.
A. Gbohmann, Chrestomathie zur Arabischen Papyruskunde I, Einführung.
Kapitel Numismatik (im Druck).
Probleme der arabischen Papyrusforschung II, Aroh. Or. V (1933),
S. 273—283, VI (1933), S. 125—149, 377—396.
A. Chestee Johnson, Roman Egypt to the Reign of Diocletian. Baltimore
1936.
C. Leyebee, Studien zum Rechnungswesen der ardbischen Steuerämter, Arch.
Or. XII (1941), S. 85—112.
L. C. West und A. Ch. Johnson, Currency in Roman and Byzantine Egypt.
Princeton 1944.