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Johanniskraut auch bei schwereren Depressionen?

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S T U D I E É T U D E

BR I T I S H ME D I C A L JO U R N A L

Hypericum-Extrakte können möglicherweise auch für Patienten mit mittelschwerer und schwerer Depression eine Alternative zu herkömm- lichen Antidepressiva sein.

Das zumindest schliessen die Autoren einer Studie, in der sich der Johanniskraut- Extrakt WS 5570 im Vergleich zu Paroxetin als ebenbürtig erwies.

Wann immer die Wirksamkeit pflanzlicher Präparate unter Beweis gestellt werden soll, werden Johanniskraut-Extrakte als Beispiel angeführt. In der Tat sind Hyperi- cum-Extrakte in die Phalanx der syntheti- schen Antidepressiva eingedrungen und werden vor allem unter den niedergelas- senen Psychiatern gern verschrieben. Un- ter den klinischen Psychiatern besteht aber vielfach weiterhin Skepsis, wohl auch, weil sie es zumeist mit schwer(er) erkrankten depressiven Patienten zu tun haben. Für sie ist die Wirksamkeit von Johanniskraut im Vergleich mit SSRI oder Trizyklika nicht ausreichend – jedenfalls

gab es bislang keine Studie, die dies hätte belegen können.

Ein vor wenigen Monaten im «British Jour- nal of Psychiatry» publizierter Review von Klaus Linde, in dem 37 klinische Studien ausgewertet wurden, kam zu dem Ergeb- nis, dass Johanniskraut bei schwerer De- pression deutlich weniger wirksam ist als bei leichteren Depressionen, allerdings der Wirksamkeit der synthetischen Präparate auch nicht wesentlich nachzustehen scheint.

Eine in Deutschland durchgeführte Stu- die, die im März im «British Medical Jour- nal» veröffentlicht wurde, scheint dies zu bestätigen. Dabei kam der Johanniskraut- Extrakt WS 5570 der Firma Schwabe zum Einsatz – im direkten Vergleich mit dem selektiven Serotonin-Wiederaufnahme- hemmer Paroxetin. Die Studie wurde an 21 Praxen niedergelassener Psychiater durchgeführt. Insgesamt konnten 251 Pa- tienten mit einer akuten Major Depression im Alter zwischen 18 und 70 Jahren in die Studie aufgenommen werden. Sie wiesen eine mittelschwere bis schwere unipolare Depression auf. Ausgeschlossen wurden unter anderem Patienten, die unter psy- chotischen Symptomen oder Angststö- rungen litten. Die Depression musste min- destens zwei Wochen, durfte höchstens aber ein Jahr bestehen.

Die Studie begann mit einer Run-in-Phase über drei bis sieben Tage, in der alle Pa- tienten ein Plazebo erhielten. Teilnehmer- Innen, die während dieser Zeit eine Linde- rung erfuhren (festgestellt durch eine definierte Reduktion des Hamilton-De- pressionsscores), wurden ausgeschlossen.

Die übrigen Patienten erhielten über sechs Wochen nach dem Zufallsprinzip entwe- der den Johanniskraut-Extrakt WS 5570 in einer Dosis von dreimal täglich 300 mg oder Paroxetin 20 mg pro Tag. Traten nach zwei Wochen keine messbaren Linderun-

gen ein, wurden die Dosierungen der Prüfpräparate verdoppelt.

Primäres Prüfkriterium waren Verände- rungen auf der Hamilton-Depressions- skala. Zudem kamen folgende Prüfinstru- mente zur Anwendung: Montgomery- Åsberg-Depression-Rating-Skala, CGI (Cli- nical Global Impression) und Beck Depre- sion Inventory. Die Studie war darauf an- gelegt, eine Nicht-Unterlegenheit von Hypericum zu beweisen. Diese wurde an- genommen, wenn Verbesserungen auf der Hamilton-Skala nicht um mehr als 2,5 Punkte geringer ausfielen als unter Paro- xetin. Als Responder galten alle Patienten, deren Score um mindestens 50 Prozent fiel, eine Remission konstatierten die Un- tersucher, sobald der Punktwert auf der Hamilton-Skala auf unter 10 sank.

Johanniskraut auch bei

schwereren Depressionen?

BMJ-Studie zeigt, dass ein spezieller Hypericum-Extrakt dem Paroxetin ebenbürtig ist

M M M

M e e e e r r r r k k k k -- --

s ä t z e s ä t z e

●Bislang gibt es keine brauch- baren Studien zur Frage, ob Johanniskraut-Präparate auch bei schwereren Depressionen wirksam sind.

●Die jetzt vorgestellte doppel- blinde Vergleichsstudie zeigt, dass der Hypericum-Extrakt WS 5570 bei diesem Patientenkreis so wirksam ist wie Paroxetin, sich aber durch eine bessere Verträglichkeit auszeichnet.

●Eine abschliessende Bewertung, ob Johanniskraut-Extrakte auch bei schweren Depressionen an- gezeigt sind, erlaubt diese singu- läre Studie jedoch noch nicht.

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In beiden Gruppen hatte mehr als die Hälfte der Patienten eine schwere Depres- sion, also mindestens 25 Punkte auf der Hamilton-Skala.

Wirksamkeit mindestens ebenbürtig

Was ergab nun die Auswertung? Im Rah- men einer Intention-to-treat-Analyse sank der Punktwert auf der Hamilton-Skala von Beginn der Studie bis zum 42. Tag unter Johanniskraut um durchschnittlich 14,4 Punkte (57%) und um 11,4 Punkte in der Paroxetin-Gruppe (45%). 71 Pro- zent wurden unter Hypericum als Respon- der eingestuft, 60 Prozent waren es in der Paroxetin-Gruppe. Auch kam es unter Hypericum häufiger zu einer Remission.

Sie gelang bei jedem Zweiten der mit Johanniskraut Behandelten. Nur gut jeder Dritte erreichte unter Paroxetin eine Remission. Auch die Ergebnisse der übri- gen Prüfinstrumente fielen durchwegs etwas zu Gunsten des Phytotherapeu- tikums aus.

Weniger Nebenwirkungen unter Johanniskraut

Zudem erwies sich der Hypericum-Extrakt als ingesamt besser verträglich. 69 von 125 Patienten der TeilnehmerInnen be- richteten unter Hypericum über insgesamt

172 Nebenwirkungen, 96 der 125 Patien- ten (76%) aus der Paroxetin-Gruppe ga- ben insgesamt 269 Nebenwirkungen zu Protokoll. Am häufigsten fanden sich gastrointestinale Beschwerden, Kopfweh und Mundtrockenheit. Schwere Neben- wirkungen fanden sich in der Johannis- kraut-Gruppe, die aber nach Ansicht der Autoren nicht mit der Medikation im Zu- sammenhang standen: Ein Patient erlitt eine «psychische Dekompensation», ein anderer eine hypertensive Krise.

Insgesamt kommen die Autoren, die zum Teil bei der Firma Schwabe beschäftigt sind, zu folgendem Fazit: «Der Hypericum- Extrakt WS 5570 ist bei mittelschweren und schweren Depressionen eine Alterna- tive zu Standardtherapeutika, insbeson- dere, weil er gut verträglich ist.» Die Stu- die ist unterdessen fortgesetzt worden, um festzustellen, ob die Ergebnisse auch auf längere Sicht Bestand haben.

Die Autoren heben hervor, dass in dieser Studie eine adäquate Dosis des Vergleichs- präparats zum Einsatz kam. An früheren Untersuchungen war vielfach kritisiert worden, dass die zum Vergleich geteste- ten synthetischen Antidepressiva zu tief, das heisst im unteren therapeutischen Bereich, dosiert gewesen seien.

Allerdings geben die Autoren auch zu be- denken, dass die Ergebnisse nun zunächst

«eine unabhängige Bestätigung» durch weitere Studien erfahren müssten.

In der Fachwelt hat die Studie ein lebhaf- tes und kontroverses Echo gefunden. Die im Internet (www.bmj.com) einsehbaren

«rapid responses» zeigen ein breites Spek- trum von zustimmenden und mehrheitlich (methoden-)kritischen Bemerkungen, die auch die Medikamentenstudien mit Psy- chopharmaka insgesamt betreffen. ●

Szegedi et al.: Acute treatment of mode- rate to severe depression with hypericum extract WS 5570 (St John’s wort): rando- mised controlled double blind non-inferi- ority trial versus paroxetine. BMJ 2005;

330: 503–506.

Uwe Beise

Interessenlage: Die Studie wurde von der Firma Schwabe finanziert, die das Johannis- kraut-Prüfpräparat WS 5570 vertreibt.

Johanniskraut auch bei schwereren Depressionen?

Referenzen

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