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Auf das Verbältuiss der beiden Dichtungen, insbesondere der
Fragen über die Zahlen von Eins bis Zehn, zu dein bekannten
jüdischen Osterliede über die Zahlen von Eins bis Dreizehn und
zn den vielen über gauz Europa verbreiteten christlichen Seiten¬
stücken desselben ^), so wie zu einigen europäischen Volksmärchen %
einzugehen, unterlasse ich vorlänfig, indem ich erst abwarten will,
ob mir nicht eine ältere Fassung der Erzählung vom Propheten
Ali nachgewiesen wird.
Die Goldanze.
Von A. Sprenger.
Grössere Summen wurden zu Anfang des Isläms in Unzen
Ä-^Jijt (mit oder ohne den Beisatz „Gold") bestimmt, und die
Traditionisten berichten einstimmig, dass eine Unze vierzig Dirhem
gleich sei. In einem Excursus über die Valuta der Araber, im
Leben des Mohammad B. 3 S. 136, habe ich mich von der Voraus¬
setzung leiten lassen, es seien 'Omarische Dirhem zu verstehen, und
ich bin, wie ich jetzt sehe, falsch gegangen. Im Kaschschäf 8, 68
kommt nämlich folgende Notiz vor: iLJC—v^j ü-^^t»'
^ÜJ „die Unze hat den Werth von vierzig Dirhem oder sechs
Dynär". Da aus einem römischen Pfund Gold 72 Dynär ge¬
prägt wurden, so sind sechs Dynär 7i2 Pfund oder eine Gewichts¬
unze. Ueber den Werth der Goldunze sind wir daher im lleinen,
und es fragt sich nur, wie viele Unzeu Silber man damals in Makka
für eine Unze Goldes erhalten konute. Wenn 'Omarische Dirhem,
wovon zehn das Gewicht von sieben Dynär hatten, gemeint sind,
so erhielt man bloss i'^j^ Unzen Silber dafür. Ein solches Ver¬
hältniss des Werthes der edeln Metalle ist nicht denkbar, denu im
Byzantinischen Reiche konnte man damals 14*/, Unzen Silber für
eine Unze Gold einhandeln. Die Traditionisten müssen also den
1) Bereits in meiner Besprechung des dritten Theils der Uehersetzungen von RadloflT's Proben im Literarischen Centralblatt 1870, No. 52, habe ich auf
diese Lieder hingewiesen, und Perles a. a. 0. S. 98 f. hat bemerkt, die drei¬
zehnte Frage des Zauberers Akht ,, laute wie in dem Kesponsorium der Pessach- hagadah: yiV lU IPIN" fd. i. eben jenes auch von mir gemeinte jüdische Lied). — Wenn Perles S. 99 sagt, die elnunddreissigste Frage des Zauberers Akht beziehe sich auf Rauch uud Gras, so hat er die Worte in West's eng¬
lischer Uehersetzung dust und grease missverstanden.
2) von Hahn, Griechische und albanesische Märchen, ll, 210; Haltrich, Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen, No. 32; MUUen- hoff, Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig. Holstein und Lauenhurg, S. 303, No. CDXV.
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vollgewichtigen ,^1^ Dirhem meinen. Da dieser gerade so
schwer ist wie ein Dynär, so stellte sich der Werth einer Unze
Gold = dem Werth von 6^/3 Unzen Silber. Selbst dieser Wechsel¬
kurs ist unter den erwähnten Umständen nnbegreiflich, doch wird
er durch mehrere Berechnungen in meinem Excursus über die Valuta
bestätigt; denn sie ergeben ein Verhältniss des Goldes zu Silber
wie 1 : 7 und 1 : 7 7«- Die Schwankungen des Kurses waren gross
und das Silber stieg uuter den früheren Cbalyfen fortwährend im
Werthe.
Herr Hofrath von Kremer hat uns in dem letzten Hefte
dieser Zeitschrift in dem Aufsatze „Ein Freidenker des Islam"
den unter den Arabern mit Kecht hochgeschätzten Dichter Abü-l-'Alä
al-Ma'arri al-Tanüchi von einer Seite vorgeführt, von welcher aus
der Charakter dieses Dichters bisher noch keine genügende Würdigung
erfahren hat, und diese Mittheilungen sind um so werthvoller, als
sie uns zum ersten Male einen Blick in dessen wenig gekannte
poetische Sammlung : Luzüm md la jalzam zu werfen gestatten.
Ich erlaube mir hieran einiges auf die religiöse Freisinnigkeit
und den skeptischen Charakter des Abü-l-'Alä Bezügliche anzu¬
schliessen, was meines Wissens noch nicht bekannt ist.
Ich beginne mit der Mittheilung zweier Epigramme des Abü-
l-'Ala, von welchen ich nnr soviel weiss, dass sie in der Samm¬
lung Jüp! Jaft*« sich nicht vorfinden, aber nicht angeben kann, ob
dieselben in einer der sonstigen Sammlungeu unseres Dichters Platz
gefundeu haben. Ich verdanke die Kenntniss dieser Epigramme
meinem Damascener Freunde Mustafa Efendi Sbä'i, welcher mir
dieselben gleichsam als J^U^ für seinen eigenen muhammedanischen Voltaireianismus anführte, als wir an einem schönen Ramadäu-Nach-
mittage des Jahres 1873 in seiner Wohnung über die Sendung
Muhammeds und den absoluten Werth des Islam conversirten. Mein
Freund hat mir diese Gedichtchen eigenhändig in meine iU^Ä*»
(Notizbuch) eingeschrieben mit der Ueberschrift: i^^t und
dies ist die einzige Beglaubigung, die ich meiner iulj^ beigeben
kaun. Das erstere lautet:
Abü-U'Aia al-Ma'arri als Freidenker.
Von Dr. Ign. Goldziher.