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Ansprache beim Genossenschaftstag des Raiffeisenverbandes OÖ im Palais Kaufmännischer Verein in Linz.

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Kooperative Unternehmensformen

Ansprache beim Genossenschaftstag des Raiffeisenverbandes OÖ 21. März 2018, Palais Kaufmännischer Verein, Linz

Das Wort „Genossenschaft“ leitet sich ab vom gemeinsamen „Genuss“ einer Einrichtung wie der Gemeindewiese oder dem Gemeindewald. Galten Genossenschaften noch in den 1980er Jahren als verstaubtes Relikt, erleben sie im vergangenen Jahrzehnt eine Renaissance. Es gibt zahlreiche Initiativen und Neugründungen, die sich dieser Idee verschreiben. „Die Gründe dafür liegen neben praktischen Erwägungen über die Vorteile einer kooperativen Unterneh- mensform vor allem auch darin, dass die von ungezügeltem Neoliberalismus und deregulierten Finanzmärkten heraufbeschworenen Krisen zu einer Renaissance von Werten wie gesell- schaftlicher Verantwortung, Nachhaltigkeit und Gemeinwohl geführt haben. Und zu einer Wie- derentdeckung jener klassischen Form der Gemeinschaftsunternehmung, der Genossen- schaft, die beides unter einen Hut bringt: Wirtschaftlichkeit und gesellschaftliche Verantwor- tung. Genossenschaften haben ihren schlechten Ruf in Sachen Ökonomie abgeschüttelt, der ihnen vor allem aus der Unwirtschaftlichkeit der staatlichen Zwangskollektivierungen in den ehemaligen sozialistischen Ländern zugewachsen war. Diese Zwangsgenossenschaften konnten nur in einem System überleben, das sie vor der Konkurrenz mit effizienteren Wettbe- werbern schützte – die heutigen Genossenschaften werden gegründet, weil sie im marktwirt- schaftlichen Wettbewerb eine bessere, nachhaltigere Position eröffnen. Dass viele schaffen können, was der einzelne nie erreichen kann – dieses uralte Prinzip hat schon in der Antike zu Kooperativen und Gemeinschaftsbildungen geführt, später zu den Zünften und Gilden des Mittelalters und heute zu der Wiederentdeckung der Genossenschaften“1.

200. Geburtstag von Raiffeisen (30. März 1818)

„Man nennt die Vereine nach meinem Namen. Ich habe dieselben indes nicht erfunden. Der erste Verein war ein Kind unserer Zeit, aus der Not geboren. Ich habe nur die Patenstelle dabei übernommen.“ (Friedrich Wilhelm Raiffeisen)

„Obschon Raiffeisen mit seiner Arbeit ökonomisch äußerst erfolgreich war, haderte er mit dem Erfolg. Ihm ging es in seinem Tun nicht primär um wirtschaftliche Interessen. Sie sollten für den sozial-konservativen Raiffeisen nur Mittel zum Zweck einer Verbesserung der allgemeinen Lebensverhältnisse werden, aus denen dann ein sittlicher und religiöser Aufschwung entstand.

Wie wichtig Raiffeisen dieser Aspekt seines Wirkens war, zeigt sich auch daran, dass er die Rede Jesu im Gleichnis vom Weltgericht – „Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Matthäus 25) – ausdrücklich als Wahlspruch seiner Genossenschaften bezeichnete. Er entwickelte sogar Pläne zur Gründung einer geistlichen Kommunität, aus der sich der Mitarbeiternachwuchs in den Vereinen rekrutieren lassen sollte.

Dabei sollten die Mitglieder die mönchischen Tugenden der Armut, der Ehelosigkeit und des Gehorsams leben. Diese Pläne kamen zwar nicht zustande, Raiffeisen arbeitete aber bis zu seinem Tod daran.“2

1 So Konny Gellenbeck, Das Prinzip „Gewinn für alle“ ist erfolgreicher denn je, in: Rotary, März 2018, 52-53.

2 Michael Klein, Bankier der Barmherzigkeit, in: Rotary, März 2018, 36-38, hier: 38; Michael Klein, Solidarischer Banker. Friedrich Wilhelm Raiffeisens ländliche Genossenschaften, in: EvKomm 1/96, 38-40, hier: 38..

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Wirtschaftsethik im Anschluss an Papst Franziskus3

Eine höhere Effizienz und bessere Konsistenz garantieren noch keine nachhaltige Entwicklung aufgrund des grundsätzlichen Anstiegs des Konsums von Gütern und Dienstleistungen von immer mehr Menschen. Papst Franziskus stellt fest, dass eine bessere Technologie (z. B.

Effizienz) nicht genug und sogar machtlos ist, wenn die Menschen ihre Orientierung und den geistigen Kompass verlieren (vgl. LS 200). Es scheint für ihn klar zu sein, dass Haltungen und spirituelle Werte grundlegend für die Entwicklung nachhaltiger und gerechter Gesellschaften sind. Dies stimmt überein mit dem Ergebnis der Nachhaltigkeitsforschung, dass zu Effizienz und Konsistenz auch Suffizienz hinzutreten muss für einen nachhaltigen Entwicklungspfad.

Das Prinzip Sufficiency fordert das herkömmliche ökonomische Wachstumsparadigma heraus und verweist auf notwendige kulturelle Veränderungen und einen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft. Um die vergessene Tugend der Suffizienz oder Genügsamkeit in Wohlstands- gesellschaften wiederzuerlangen, sind spirituelle und religiöse Ressourcen unumgänglich.

Hierauf verweist auch die Konsumforschung, nach der ein höherer Konsumpegel nicht mit ei- ner Zunahme allgemeiner Zufriedenheit und Glück einhergeht (…).“(198)4

„Auf regionaler, nationalstaatlicher, europäischer wie globaler Ebene ist eine intensive Suche nach zeitgemäßen Antworten auf die entscheidende Ausgangsfrage jeder Wirtschaftsordnung im Gang: Wie ermöglicht man einer möglichst großen Zahl von Menschen die Teilnahme am Wertschöpfungsprozess einer arbeitsteiligen Ökonomie - und wie lassen sich aus dessen Ver- teilmasse die gemeinschaftlichen Ziele in den zentralen staatlichen Bereichen der Sicherheit, des Rechtsstaates, der Sozialfürsorge, Bildung, Gesundheit und Infrastruktur finanzieren?

Um bei dieser Suche erfolgreich zu sein, bedarf es einer Orientierung an Werten, die nicht aus dem Marktsystem selbst ableitbar sind. So selbstverständlich dieser Grundsatz auch klingen mag: In der einseitigen Orientierung an einem vermeintlich ganz von selbst zu den erwünsch- ten Resultaten führenden, von politisch gesetzten Rahmenbedingungen möglichst unbeein- flussten, gewissermaßen ‚monotheistischen‘ Marktmodell geriet er beinahe in Vergessenheit.

Die Verabsolutierung der Kapitalrendite als Maßstab des Handelns hat, so scheint es, den Blick auf die entscheidende Frage der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls verstellt.

Die entscheidende wirtschaftsethische Herausforderung für alle, die im und für das Finanzsys- tem Verantwortung tragen, liegt daher in der Bereitschaft, am grundlegenden Umbau eines allzu einseitig auf Kapitalinteressen fixierten Wirtschaftsmodells zugunsten eines Finanzsys- tems mitzuwirken, das wieder die realwirtschaftliche Wertschöpfung in den Mittelpunkt stellt und damit letztlich dem Gemeinwohl dient. Wem dazu die intrinsische Motivation fehlt, der könnte seinen Ansporn aus dem zweckrationalen Motiv beziehen, dass ein Wirtschaftssystem, das das Vertrauen der breiten Bevölkerung verliert, wohl als Ganzes in seinem Bestand gefährdet wäre.“ (239f)

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

3 Franz Gassner, „Abfälle sind kostbar!“. Konsumethische Perspektiven in Papst Franziskus‘ Enzyklika Laudato Si‘, in: Ingeborg Gabriel/Peter G. Kirchschläger/Richard Sturn (Hg.), Eine Wirtschaft, die Leben fördert. Wirtschafts- und unternehmensethische Reflexionen im Anschluss an Papst Franziskus, Ostfildern 2017, 183-208.

4 Franz Gassner, „Abfälle sind kostbar!“. Konsumethische Perspektiven in Papst Franziskus‘ Enzyklika Laudato Si‘, in: Ingeborg Gabriel/Peter G. Kirchschläger/Richard Sturn (Hg.), Eine Wirtschaft, die Leben fördert. Wirtschafts- und unternehmensethische Reflexionen im Anschluss an Papst Franziskus, Ostfildern 2017, 183-208, hier: 199f.

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