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Fehlentwicklungen durch das derzeitige MDK-Prüfverfahren in der psychiatrischen Krankenhausbehandlung

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Fehlentwicklungen durch das

derzeitige MDK-Prüfverfahren in der psychiatrischen

Krankenhausbehandlung

05.07.2019

Stellungnahme der Fachgruppe psychiatrische Einrichtungen im VKD zum Referentenentwurf des MDK-Reformgesetzes

Die Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie die Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung (§275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) ist für die Krankenkassen längst zum Wettbewerbsmodell geworden (Vgl. das Schreiben von Dr.

Düllings v. 17.04.2019). „Die Rechnungskürzungen [werden] als Instrument im Wettbewerb der Krankenkassen zur Generierung von Überschüssen missbraucht“, so auch die DKG in einer Pressemitteilung vom 02.05.2019.

Die Auswirkungen dieses Wettbewerbs zeigen sich seit der Einführung eines leistungsorientierten Vergütungssystems deutlich auch in der Psychiatrie und Psychosomatik. Die Fachgruppe psychiatrische Einrichtungen im VKD hat jüngst eine Umfrage unter ihren Mitgliedern zu der Entwicklung der MDK-Prüfungen seit der Umstellung auf PEPP-Abrechnung durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich seit 2015 (4,90%) der Anteil der geprüften Fälle mehr als verdoppelt hat (2018: 10,29%).

Zwischen den Einrichtungen zeigten sich noch deutliche Unterschiede. Insbesondere die Einrichtungen, die erst spät auf die Abrechnung nach PEPP umgestiegen sind, konnten noch länger von wesentlich geringeren Prüfquoten profitieren. Demgegenüber berichten einige Häuser bereits von Prüfquoten jenseits der 15%.

Die Hintergründe für den Wettbewerb über weiter steigende Prüfquoten sind schnell erklärt. Auf der einen Seite setzt das soziale Dilemma einer gemeinschaftlichen Finanzierung des MDK-Prüfaufwands durch alle gesetzlichen Krankenversicherungen

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erwünschten Kostenersparnissen, indem Leistungskürzungen nach MDK Prüfungen eher die Regel darstellen, als die Ausnahme.

Wirtschaftliches Risiko alleinig bei den Krankenhäusern

Besonders attraktiv ist die Infragestellung von Krankenhausleistungen dadurch geworden, dass Krankenkassen aus dem MDK-Verfahren strittige Erlöse umgehend verrechnen können. Der wirtschaftliche Schaden liegt bis zu einer Klärung im regelmäßig langandauernden Streitverfahren ausschließlich auf Seiten der Krankenhäuser.

Das beschriebene Ungleichgewicht - durch den interessengeleiteten Prüfer auf der einen Seite und den leistungsrechtlichen Grundsatz, der den Zweifel stets zugunsten der Krankenkasse auslegt, auf der anderen Seite - birgt ein großes finanzielles Risiko für die Krankenhäuser. Dieses verschärft die finanzielle Schieflage, die viele Krankenhäuser in Zeiten fehlender Investitionsmittelfinanzierung und steigendem Wettbewerbsdruck betrifft. Eine Situation, die Krankenhäuser zum erlössichernden Handeln zwingt.

Fragwürdige Auswirkungen auf die Behandlung Schwersterkrankter

So zeigt das System bereits Gehorsam, der nicht zuletzt in der psychiatrischen Krankenhausbehandlung auch Versorgungsrealitäten verändert - zulasten bestimmter Patientengruppen. Teilweise gestützt durch die Rechtsprechung des BSG legt der MDK den Begriff der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit äußerst eng aus. Das an vielen Stellen insuffiziente und überlastete Hilfesystem für psychisch Schwersterkrankte wird zum reinen Risiko der Krankenhäuser. Einigen Fallgruppen schwersterkrankter Patient*innen wird mangels „hinreichend günstiger Prognose“

sogar grundsätzlich der Anspruch auf Krankenhausbehandlung versagt, wie beispielhaft in folgenden Fallgruppen verdeutlicht:

Patient*innen mit Komorbidität Sucht: Für Patient*innen mit Hauptdiagnosen aus dem Bereich der affektiven oder psychotischen Störungen, bei denen ein Hinweis auf eine Suchtmittelproblematik vorliegt, wird eine Behandlungsbedürftigkeit auch bei schwersten Erkrankungsbildern bereits initial nicht anerkannt. Hier müsse zunächst eine langfristige Abstinenz nachweisbar sein um dann unter weiterer Abstinenzsicherung behandeln zu können. Psychiatrische Behandlung in der Tagesklinik wird dieser Fallgruppe mangels Möglichkeit der Abstinenzkontrolle fast grundsätzlich versagt.

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Patient*innen mit Abhängigkeitserkrankungen ohne rehabilitative

Anschlussbehandlung: Abseits der körperlichen Entzugsbehandlung sieht der MDK den Auftrag psychiatrischer Krankenhäuser für Abhängigkeitserkrankte nur in der Motivation zu einer suchtspezifischen Rehabilitation. Kommt eine solche nicht in Frage endet die Behandlungsbedürftigkeit mit dem ersten

entzugsmedikationsfreien Tag.

Chronisch Erkrankte außerhalb reiner Kriseninterventionen: Nach Behandlung der Akutphase und ggf. medikamentöser Einstellung wird für chronisch Erkrankte Patient*innen keine weitere stationäre oder teilstationäre

Behandlungsbedürftigkeit anerkannt. Die Notwendigkeit langfristiger Sicherung von Behandlungserfolgen bei chronischen Erkrankungen - auch in Hinblick auf unzureichende ambulante Behandlungsangebote für diese Patientengruppe - wird nicht berücksichtigt. Stattdessen werden hier „Drehtüreffekte“ befördert.

Patient*innen mit langfristigem Unterbringungsbeschluss: Spätestens sobald ein langfristiger Unterbringungsbeschluss vorliegt endet nach Ansicht des MDK der Auftrag des Krankenhauses. Die Alternative lautet stets: Geschlossene

Heimunterbringung. Hier wird einerseits den Patient*innen jegliche Chance auf eine Verbesserung ihrer unterbringungswürdigen Symptomatik abgesprochen.

Andererseits wird verkannt, dass in vielen Bundesländern diese Form der Unterbringung nicht existiert. Das persönliche Risiko und der wirtschaftliche Schaden verbleiben in jedem Fall beim Krankenhaus.

In der Psychiatrie scheint der Punkt bereits erreicht, an dem Krankenhäuser aus finanzieller Notwendigkeit diesen und anderen kritischen Implikationen des MDK teilweise folgen. Sie meiden die kritischen Fallkonstellationen, weisen betroffene Patient*innen trotz akuten Behandlungsbedarfs ab oder kürzen betroffene Fälle so drastisch ab, dass „Drehtüreffekte“ entstehen. Somit berät der MDK nicht mehr nur die Krankenkassen in leistungsrechtlichen Fragen, sondern wird faktisch zum Entscheidungsträger darüber, welche Patientengruppen in Zukunft Behandlungsleistungen erhalten. Das ist eine gesamtsystemische Einflussnahme, die nicht den Prinzipien der Selbstverwaltung entspricht. Besonders betroffen sind davon vulnerable Patientengruppen, die häufig chronisch oder schwersterkrankt sind.

Implikationen entgegen grund- und menschenrechtlicher Ziele

Die psychiatrische Krankenhausbehandlung erlebt einen deutlichen Wandel weg von Bevormundung und Zwangsanwendung hin zur Wahrung der Patientenautonomie.

Diese Entwicklung ist sehr zu begrüßen und deckt sich mit den geltenden grund- und

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MDK-Gutachten gefordert Behandlungserfolge (z.B. Abstinenz oder Compliance) mit Zwang zu sichern - anderenfalls könne mangels günstiger Prognose keine Kostenübernahme empfohlen werden. Auch eine medikamentöse Behandlung gegen den Willen der Patient*innen durchzuführen, wird bei einigen Erkrankungsbildern implizit oder explizit als Leistungsvoraussetzung formuliert.

Es erscheint in den Fällen, in denen zwischen der Wahrung der Patientenautonomie und der zwangsweisen Durchsetzung von Behandlungsmaßnahmen abgewogen werden muss, im MDK-Verfahren nur der Weg des Zwangs als erfolgsversprechend hinsichtlich der Behandlungsziele anerkannt zu werden.

Forderungen

Aus Sicht der Fachgruppe psychiatrische Einrichtungen im VKD besteht dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf, um die besorgniserregenden Auswirkungen des aktuellen MDK-Prüfverfahrens auf die psychiatrische Krankenhausbehandlung abzuwenden. Dafür bedarf es der Umsetzung folgender Regelungen:

1. Die Prüfquote ist gesetzgeberisch fest auf ein händelbares Maß zu begrenzen.

Die Prüfquote muss von den Ergebnissen der Leistungsprüfung unabhängig bleiben. Ausnahmen können Hinweise auf eine systematische Fehlabrechnung darstellen, die sich aber ausschließlich in Kodierungsfragen begründen.

Hilfsweise muss für die Psychiatrie ein Moratorium eingerichtet werden, bis zu einer rechtssicheren Klärung von strittigen Finanzierungs- und

Versorgungsfragen.

2. Schaffung einer neutralen Beratungs- und Prüfinstanz, die weder wirtschaftlich noch strukturell abhängig von den Krankenkassen ist. Diese Instanz berät alle Selbstverwaltungspartner auch prospektiv in Leistungsfragen, bevor sich ein Versorgungsproblem abzeichnet.

3. Die Krankenhäuser dürfen nicht alleinig das Risiko unzureichender Behandlungs- und Versorgungsstrukturen tragen. Werden im Prüfverfahren andere

Kostenträger als zuständig eingeschätzt, sind diese primär in die Leistungspflicht zu nehmen. Hilfsweise ist ein Fonds einzurichten, zur bürokratiearmen

Finanzierung von Versorgungsnotwendigkeit, die aufgrund von insuffizienter Versorgungsinfrastruktur entsteht.

4. Die Prüfverfahren sind bundeseinheitlich im beidseitigem Interessensausgleich zu regeln und die geltenden Abrechnungsbestimmungen gemeinsam mit den

Selbstverwaltungspartnern rechtssicher und auslegungsfrei zu kommentieren.

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5. Abschaffung der einseitig bevorteilenden Verrechnungsmöglichkeit der

Krankenkassen, die jegliche Dialogbereitschaft der Krankenkassen verhindert.

Stattdessen Beschleunigung der Verfahren und Einrichtung bürokratiearmer Einigungs- und Schiedsverfahren.

Die Fachgruppe psychiatrische Einrichtungen im VKD begrüßt ausdrücklich die Gesetzgebungsinitiative des Bundesministers für Gesundheit, Jens Spahn, der am 03.05.2019 einen Referentenentwurf für ein Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) vorgelegt hat. In diesem werden zwei Kernpunkte der Stellungnahme treffend problematisiert. So sieht der Entwurf zunächst die Unabhängigkeit des MDK nicht gewährleistet. Zudem benennt er die deutlich steigenden Prüfquoten richtigerweise als Ursache „wettbewerblicher Gesichtspunkte“.

Die im Referentenentwurf enthalten Neuregelungsvorschläge finden in einigen Teilen unsere Zustimmung. So ist die Neuorganisation des Medizinischen Dienstes („MD“) in der vorgesehenen Form grundsätzlich zu begrüßen.

Ebenfalls begrüßt werden die Abschaffung der einseitig bevorteilenden Verrechnungsmöglichkeit der Krankenkassen sowie die Schaffung einer schnellwirksamen Schiedsinstanz insbesondere zur Klärung von Auslegungsfragen.

Den Forderungen entspricht auch die Gesetzgebungsinitiative zur Begrenzung der zulässigen Prüfquote. Deren Ausgestaltung zeigt sich allerdings dringend überarbeitungsbedürftig.

So beinhaltet die Regelung eine Staffelung der zulässigen Prüfquote nach den Ergebnissen vorangegangener Prüfungen. Das impliziert, die zulasten der Krankenhäuser begutachteten Fälle seien in Fehlabrechnungen begründet, die möglicherweise sogar bewusst durch die Krankenhäuser vorgenommen würden. Dem ist sehr deutlich zu widersprechen.

Die zulasten der Krankenhäuser begutachteten Fälle begründen sich weit überwiegend in Fragen der Versorgungsform oder des Kostenträgers. Für die Psychiatrie gilt das, wie eingangs beschrieben, in besonderem Maße.

Diese Streitfragen um Versorgungsform und Kostenträger, deren Ursache nicht zuletzt auch in insuffizienten komplementären Hilfesystemen liegt, dürfen nicht zum noch größeren finanziellen Risiko der Krankenhäuser werden. Durch den vorliegenden

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Beeinflussbar sind die Ergebnisquoten in der Regel nicht. Zu sehr unterliegen sie der Willkür der Prüfenden sowie den Möglichkeiten des Versorgungssystems vor Ort.

Unterschiede in den zulässigen Prüfquoten können sich deshalb nur in tatsächlichen Fehlabrechnungen begründen, die sich nicht in der Begutachtung von Versorgungsfragen (Fehlbelegungsprüfungen) finden lassen. Zusätzliche bestrafende Zahlungen stellen einen aus Krankenhaussicht nicht hinnehmbaren Vorwurf der betrügerischen Fehlabrechnung dar, der sich mit den Realitäten nicht deckt. Für die psychiatrische Krankenhausbehandlung wäre es fatal, wenn die bisher ungeklärten Versorgungsfragen per Gesetz eine teufelskreisartige Erhöhung der Prüfungen auslösen würden. Die zusätzlich an vermeintlich schlechte Ergebnisquoten geknüpfte Strafzahlung wirkt vor diesem Hintergrund unangemessen drakonisch. Den Umfrageergebnissen zu Folge wären nach den Regelungen des Referentenentwurfs aktuell ca. 60% der befragten psychiatrischen Einrichtungen von höheren Prüfquoten und zusätzlichen Strafzahlungen betroffen (Positivquote 2018: < 60%). Für weit über die Hälfte der psychiatrischen Krankenhäuser würde demnach die vorgeschlagene Gesetzgebung in ihrer Doppelbestrafung zur existenziellen Gefahr werden.

Die Sicherung der eigenen Erlöse im Prüfverfahren stellt einen ausreichenden Anreiz dar, Abrechnungsfehler zu vermeiden. Betrugsvorwürfe sollten anstatt sie pauschalisierend gesetzlich festzuhalten, im Einzelfall strafrechtlich verfolgt werden.

Der Referentenentwurf bedarf in den genannten Punkten dringender Überarbeitung.

Die Verwechselung von strittigen Versorgungsfragen mit krankenhausinduzierter Fehlabrechnung hätte für die psychiatrische Krankenhausbehandlung und insbesondere die Versorgung psychisch Schwersterkrankter fatale Folgen und würde die aktuellen Probleme noch verschärfen.

Aus diesem Grund betont die Fachgruppe psychiatrische Einrichtungen im VKD ihre angeführten Forderungen und verweist mit Nachdruck auf einen Änderungsbedarf des Referentenentwurfs im weiteren Gesetzgebungsverfahren.

Kontakt

Holger Höhmann

Vorsitzender der Fachgruppe psychiatrische Einrichtungen Telefon: 02173 1021000

E-Mail: holger.hoehmann@lvr.de

VKD-Geschäftsstelle, Berlin Telefon: 030 28885912 E-Mail: vkdgs@vkd-online.de

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