7. Oktober 2021 ÖRV-Kongress 2021, Wiener Neustadt
Tourismus in Österreich:
Bleibt alles anders?
Oliver Fritz
■ Rückschau: Tourismus in der COVID-Krise
■ Vorschau: Ein Winter wie früher?
■ Und was kommt danach? 5 Thesen zum Tourismus der Zukunft
Überblick
Tourismus in Zeiten der Pandemie:
Vom Overtourism zu No Tourism
Globaler Tourismus: Vom Wachstumsmotor zum Bremsklotz
COVID-19 setzt dem Tourismus-Boom ein abruptes Ende
Entwicklung der internationalen Touristenankünfte nach Welt-Subregionen seit 1995
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
0 300 600 900 1,200 1,500
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Reales BIP: Bn. USD, Referenzjahr 2015
Internationale Ankünfte: In Mio.
Europa
Asien und Pazifik Amerika und Karibik Afrika
Naher Osten BIP (real)
Globales Wachstum 2020:
Gesamtwirtschaft –3,3%
Internat. Ankünfte –72,8%
9/11
SARS
Financial Crisis
MERS
COVID-19
Der Sommer trotz Corona
Europäische Tourismusankünfte im internationalen Vergleich weniger rückläufig
Monatliche Entwicklung der internationalen Touristenankünfte 2020 und 2021
–100 –50
±0 +50 +100 +150 +200 +250 +300 +350 +400
Jan 20 Feb 20 Mrz 20 Apr 20 Mai 20 Jun 20 Jul 20 Aug 20 Sep 20 Okt 20 Nov 20 Dez 20 Jan 21 Feb 21 Mrz 21 Apr 21 Mai 21
Veränderung gegen das Vorjahr in % Europa
Asien und Pazifik Amerika und Karibik Afrika
Naher Osten
–68.4
–84.2
–68.1
–74.2 –74.0 Ø Kalenderjahr 2020
–63.1
–86.2
–46.9
–66.2 –63.5 Ø Jänner bis Mai 2021
Europa: Erholung im Sommer 2020
Tourismus in Österreich: Ein Rekord jagt den anderen
Internationale Winterurlauber als Wachstumsmotor, Comeback des Sommers
0 10 20 30 40 50 60 70 80
1975 1978 1981 1984 1987 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 2020
Sommersaison
0 10 20 30 40 50 60 70 80
1975 1978 1981 1984 1987 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 2020
Wintersaison
Aus dem Inland Aus dem Ausland
Saisonale Nächtigungen in Österreich In Mio.
Nächtigungswachstum in Österreich:
Ø 2010-2019: +2,3% p.a. (Winter +1,7%, Sommer +2,6%) 2020: –35,9% (Winter –18,1%, Sommer –31,8%)
Der Tourismuskuchen wurde kleiner
Q: Tourismusbericht 2020 (Statistik Austria, WIFO).
2019 2020
30,2 Mrd. €
20,9 Mrd. € (–30,7%) Bruttowertschöpfung des Tourismus
Tourismus leistet auch in Krisenjahren positiven Außenbeitrag
Nominelle Einnahmen und Ausgaben im internationalen Reiseverkehr – Volumen und Quartalsstruktur
–15 –12 –9 –6 –3 0 3 6 9 12 15 18 21 24
2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021
Mrd. €
Tourismusexporte Tourismusimporte Saldo
1Q 2Q 3Q 4Q 1Q 2Q 3Q 4Q KJ
Q: OeNB, Statistik Austria, WIFO. Einschließlich internationaler Personentransport. 2021: 3Q und 4Q WIFO-Schätzung (Stand Sep. 2021).
Österreichischer Tourismus relativ resilient
Resilienz des und Abhängigkeit vom Tourismus
Q: World Bank.
Atempausen im Sommer
Entwicklung der Nächtigungen in den Sommersaisonen 2019 bis 2021 Zahl der Übernachtungen insgesamt nach Monaten
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22
Mai Juni Juli August September Oktober
In Mio.
2019 2020 2021
Sommertourismus 2020 in Österreich: Vizeweltmeister
Entwicklung der nominellen Tourismusexporte von Juli bis September 2020 Veränderung gegen das Vorjahr in % (auf USD-Basis)
–90 –75 –60 –45 –30 –15
±0 +15
Luxemburg Österreich Belgien Niederlande Deutschland Polen Frankreich Italien Dänemark Slowakei Kroatien Slowenien Schweiz Neuseeland Australien Ungarn Tschechien Portugal Lettland Schweden Rumänien Estland Bulgarien China Brasilien Mexiko Griechenland Türkei Indien UK Irland Litauen Norwegen USA Island Malta Spanien Finnland Zypern Russland Kanada Japan
Q: IMF, OECD, OeNB, Statistik Austria, WIFO; WIFO-Berechnungen. Ohne internationalen Personentransport.
Inländische Gäste als Retter:innen in der Not
Entwicklung der Nächtigungen in den Sommersaisonen 2019 bis 2021 Zahl der Übernachtungen nach Herkunft und Monaten
0 1 2 3 4 5 6 7
Mai Jun Jul Aug Sep Okt
In Mio.
Inländer:innen
2019 2020 2021
0 2 4 6 8 10 12 14 16
Mai Jun Jul Aug Sep Okt
Ausländer:innen
Entwicklung der Übernachtungen nach Herkunftsländern in den Sommerhauptmonaten (Jul-Aug) im Vergleich zum Vorjahr in %
+19.8
–25.8
–15.0 –12.9
–0.2
–20.1
–87.3
–59.9
–23.8
–41.3
–11.7
–99.1 +13.3
–15.5
–7.3 –2.4
+7.5
–0.5
–91.1
–52.3
–6.8
–32.9 –29.1
–98.3
–100 –80 –60 –40 –20
±0 +20
Inland Ausland EU 27 EU 14 DE NL UK IT CZ HU CH CI
2020/2019 2021/2019
Lücke zum Vorkrisenniveau schließt sich
Deutsche Touristen blieben Österreich treu
Binnenreisende und deutsche Gäste vergrößerten Nächtigungsanteile
Nächtigungsstruktur nach Quellmärkten – Sommersaison
Marktanteile am österreichweiten Nächtigungsaufkommen insgesamt in %
29.5%
37.4%
9.1%
24.0%
2019
Inland Deutschland Übrige Nachbarländer Übriges Ausland 41.2%
40.8%
7.5%
10.5%
2020
36.3%
42.5%
7.1%
14.2%
2021 (Mai bis August)
Haupturlaub statt Kurzurlaub in Österreich
Die Unterbrechung eines langfristigen Trends
Entwicklung der Aufenthaltsdauer in Österreich seit 1970 – Sommersaison Zahl der Übernachtungen in derselben Unterkunft während eines Aufenthaltes
0 1 2 3 4 5 6 7 8
1970 1973 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2006 2009 2012 2015 2018 2021¹)
Inländische Gäste Ausländische Gäste
¹) Schätzung auf Basis der Entwicklung von Mai bis August 2021 (Hochrechnung).
Hot or Not - Welche Regionen waren im Sommer 2020 angesagt?
-8.000.000 bis -50.000 -50.000 bis -25.000 -10.000 bis -5.000 -5.000 bis 0
> 0 NA
Nächtigungsstruktur nach Zielgemeinde – Sommersaison Veränderung der Nächtigungen insgesamt
Spielberg Sieghartskirchen
Weißenkirchen im Attergau
Ein Winter wie früher?
■ Einflussfaktoren
■ Entwicklung der Infektionszahlen im Inland und Ausland
■ Impfquote
■ Zutrittsbeschränkungen Seilbahnen, Hotellerie & Gastronomie (inkl. Aprés Ski)
− Widersprüchliche Effekte von Zutrittsbeschränkungen:
(1) verringern Gästepool (-)
(2) stärken das Vertrauen in ein sicheres Urlaubserlebnis (+)
(3) verhindern das Auftreten von Infektionsclustern und internat. Reisebeschränkungen (+) (4) beeinträchtigen das Urlaubserlebnis (Aprés Ski -)
■ Arbeitskräftemangel
■ Gesetzliche Grundlagen fehlen noch (z.B. Wochenkarten nur mit 2G?)
■ Potentielle Nachfrage nach einer Saison ohne Skiurlaub dürfte hoch sein (gute Buchungslage bis in den Februar hinein)
■ Tagesgäste?
■ Wintersaison ist mehr als alpiner Wintertourismus: Städte (Wien 11% der ÜN) mit Weihnachtsmärkten, Thermen
Wie wird der kommende Winter?
Und was kommt danach?
5 Thesen zu den Herausforderungen des Tourismus
■ Weniger Geschäftsreisen
■ McKinsey: -20% Reisen 2023, vier Segmente von Geschäftsreisenden,
− Never Left (15%): Reisen sind essentiell
− Never Returning (20%): Reisen nicht notwendig
− Fear of Missing Out (60%): Reisen zur Kultivierung von Geschäftskontakten
− Wait and See (5%): Öff. Sektor, Interessensvereinigungen, NGOs
■ Deloitte:
− Optimierung der Geschäftsreisetätigkeit aus ökolog. Gründen (50%)
− Kosteneinsparungen (67%)
■ Wissenschaftliche Konferenzen: Zunahme hybrider Formate
(1) Die Pandemie hat den Tourismus nachhaltig verändert
■ Veränderungen in der Luftfahrtindustrie
■ Beherbergungswesen:
■ Insolvenzen, Konsolidierungen, Abnahme der Bettenkapazitäten
■ Höhere Preise
■ P2P-Unterkünfte expandieren weiter
■ Digitalisierung setzt sich fort
■ Hygieneanforderungen bleiben hoch
■ Bleiben neue Buchungsgewohnheiten bestehen (Flexibles Storno)?
■ Unsicherheit versus Reiselust
■ Präferenz für weniger überfüllte Destinationen
■ Reduktion der Abhängigkeit vom Flugverkehr
■ Arbeitskräftemangel
(1) Die Pandemie bringt nachhaltige Veränderungen mit sich
Herausforderungen
■ Gletzerschmelze und geringere Schneesicherheit (v.a. in niederen Lagen)
■ Verkürzung bzw. Ausbleiben der Skisaison, Erhöhung der Gefahr von Steinschlag und Lawinen, höhere Kosten (Kunstschneeerzeugung, Sicherungsmaßnahmen)
■ Wenig touristische Alternativen zum klassischen Wintersportangebot
■ Zunahme von Extremwetterereignissen
■ Zerstörung der Natur und von Lebensräumen sowie historischen Sehenswürdigkeiten, Abnahme der Biodiversität
■ Geringere Niederschlagsmengen und mehr Sonnenschein erhöhen
■ Waldbrandgefahr, Trockenheit, Verschmutzung der Gewässer
■ Temperaturanstiege veranlassen
■ Hitzebelastungen bei Städtereisen, erhöhten Energiebedarf
■ Temperaturanstieg und die Zunahme von Extremwetterereignissen erschweren Planung von (Groß)veranstaltungen
(2) Der Klimawandel bringt Herausforderungen und Chancen
Chancen
■ Veränderung des Präferenzen der Touristen: Bewusstseinsbildung und höhere Nachfrage nach nachhaltigen Angeboten
■ Touristische Hotspots (z.B. Mittelmeerraum) werden zukünftig unter extremen Temperaturen leiden → Verschiebung des Tourismus in historisch gemäßigtere Lagen und Alpine Räume
■ Geringere Niederschlagsmengen und mehr Sonnenschein verbessern Ausgangslage vieler touristische Standort → Verlängerung der
Sommersaison bzw. Ganzjahresangebote
■ Zunahme der Temperaturen von Oberflächen- und Fließgewässern
■ Temperaturanstiege ermöglichen neue Veranstaltungskonzepte
■ Erhöhte Nachfrage nach Gesundheits- und Wellnesstourismus
Verschiebung der regionalen touristischen Nachfrage, Strukturwandel
(2) Der Klimawandel bringt Herausforderungen und Chancen
(3) Der Klimaschutz bringt Herausforderungen und Chancen
Herausforderung
■ Potenziell eingeschränkte Nutzung von bestehenden touristischen Angeboten und touristischer Infrastruktur
■ Höhere Kosten für die Nutzung von bestehenden Angeboten und Infrastrukturen, Investitionen zur nachhaltigen Umrüstung notwendig
■ Veränderungen im Mobilitätsverhalten und entsprechender Anpassungsbedarf der Infrastruktur, sinkende Nachfrage aus Fernmärkten
■ Expansionsgrenzen im touristischen Angebot
■ Beschränkung beim Ausbau von Skigebieten, keine Erweiterung des touristischen Beherbergungsangebots, etc.
(3) Der Klimaschutz bringt Herausforderungen und Chancen
Chancen
■ Höhere Qualität des touristischen Angebots durch Erhalt der Biodiversität und der Natur
■ Veränderung der Präferenzen der Touristen
(Bewusstseinsbildung und höhere Nachfrage nach nachhaltigen Angeboten) – Wettbewerbsvorteile für nachhaltige Destinationen / Angebote
■ Bei Ausbau öffentlicher Mobilitätsinfrastruktur Belebung der Nahmärkte, bessere Vernetzung inländischer Destinationen
Verschiebung der regionalen touristischen Nachfrage, Strukturwandel
■ Demographische Entwicklung: Zahl der Erwerbspersonen sinkt, Veränderungen in der Altersstruktur der Erwerbspersonen, große regionale Unterschiede
(4) Der Arbeitskräftemangel stellt den Tourismus vor
Herausforderungen
(4) Der Arbeitskräftemangel stellt den Tourismus vor
Herausforderungen
■ Demographische Entwicklung: Zahl der Erwerbspersonen sinkt, Veränderungen in der Altersstruktur der Erwerbspersonen, große regionale Unterschiede.
■ Lifestyle-Trends: Vermehrtes Augenmerk auf Work-Life-Balance, flexiblere Arbeitszeiten
■ Wohlstandskante zu Osteuropa baut sich ab, verringertes Arbeitsangebot
■ Steigende Lohnkosten (aber positive Einkommenselastizität des Tourismus)
■ Entwicklung Arbeitskosten je Std 2008-2020
− Beherbergung und Gastro +63%
− Gesamtwirtschaft +38%
Lohnkosten werden zu steigenden Preisen führen
Veränderungen der Arbeitsbedingungen notwendig (kürzere, flexiblere Arbeitszeiten, altersgerechte Bedingungen)
(4) Der Arbeitskräftemangel stellt den Tourismus vor
Herausforderungen
(5) Der Overtourism wird wieder zum Thema
■ Ursachen:
■ Wachstum an Reisen und Reisenden, Wachstumsorientierung der Branche
■ Soziale Medien (als Marketingtools, als „Bedürfnistrigger“)
■ Mangelnde Wachstumsschranken auf Ebene von Destinationen
■ Ökonomisches Phänomen: „The Tragedy of Commons“
− Nicht-Ausschließbarkeit vom Konsum
− Rivalität im Konsum
■ Ungleiche Verteilung von Nutzen und Kosten des Tourismus
■ Lösungen:
■ Beschränkung Besucher:innenzahlen (Betten, Transport, De-Marketing, Preis)
■ Räumliche und zeitliche Umverteilung der Besucher:innenströme innerhalb und außerhalb der Destination
■ Änderung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses für Bevölkerung
■ Erweiterung Tourismusinfrastruktur
■ Zielgruppenorientierts Marketing
(5) Der Overtourism wird wieder zum Thema
■ Gesellschaft und Wirtschaft sind ständigen Veränderungen unterworfen, die es zu bewältigen gilt
■ Der Tourismus ist keine Ausnahme
■ Krisen stoßen Veränderungen oft an und bringen Chancen und Herausforderungen mit sich
Ergreifen wir die Chancen und bewältigen wir die Herausforderungen!
Fazit
(+43 1) 798 26 01 - 261 oliver.fritz@wifo.ac.at
Oliver Fritz
@omfritz