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Beitrag: Billig-Brot statt Bäckerhandwerk – Achtung, Essen!

Sendung vom 2. November 2021

von Jörg Göbel und Annette Niemeyer

Anmoderation:

Verschwendung - die kaufen wir uns alle auch im Alltag ein.

75 Kilogramm Lebensmittel wirft statistisch jede und jeder in den Müll. 75 Kilogramm Lebensmittel jedes Jahr. 14 Prozent davon sind Backwaren. Brot für die Tonne. Die Abfälle aus Bäckereien und Supermärkten sind da noch gar nicht miteingerechnet. Jörg Göbel und Annette Niemeyer über Lebensmittelverschwendung und wirkungslose Politik.

Text:

Aachen, 23 Uhr: zwei junge Leute unterwegs, um Lebensmittel in Mülltonnen zu suchen. Sie nennen es

"Containern".

O-Ton Christian Walter, Mülltaucher:

Containern bedeutet, das nicht zu akzeptieren, dass diese Lebensmittel in den Tonnen von Supermärkten liegen bleiben, sondern ich geh da nachts hin und hol die wieder raus.

Seit zehn Jahren macht Christian Walter das schon so. Er sammelt alles ein, was luftdicht verpackt ist. Der Rest kommt wieder zurück in den Müll.

O-Ton Christian Walter, Mülltaucher:

So, dann haben wir hier Toastbrot reduziert – und noch mal das Gleiche hier. Kleiner Sandwichtoast Dinkel ist das. Ja, ich würde sagen, eine halbe Tonne voller Brot ist es bestimmt, wenn man die anderen Sachen rausholt.

O-Ton Christian Walter, Mülltaucher:

Supermärkte haben oft diese Selbstbedienungsstationen, wo aufgebackene Backwaren angeboten werden, und die sind ja

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oft auch noch relativ gut gefüllt, wenn man kurz vor

Ladenschluss da reingeht. Und das wandert alles danach in die Mülltonnen, das ist völlig klar, da sind manchmal welche komplett voll mit Brot oder anderen Backwaren, Pizza,

Süßkram. Und man sieht, wie viel weggeworfen wird. Also, das Containern ist leider nicht erlaubt, das ist tatsächlich in Deutschland eine Straftat, das ist ein Diebstahl.

O-Ton Christian Walter, Mülltaucher:

Vorsicht, hier sind Scherben drin!

O-Ton Christian Walter, Mülltaucher:

Das ist eigentlich ein Skandal, dass das Lebensmittel-Retten verboten ist, und dass das Lebensmittel-Wegwerfen legal ist.

Und deswegen ist es für mich legitim, und das ist für mich wichtiger als die rechtliche Situation.

Allein aus privaten Haushalten landen schätzungsweise pro Kopf und Jahr 75 Kilogramm Lebensmittelabfälle im Müll.

Circa 14 Prozent davon sind Brot und Backwaren.

Eine Brotfabrik bei Hamburg. Harry-Brot ist Marktführer in Deutschland, Umsatz 2020: mehr als eine Milliarde Euro.

Doch wo viel verkauft wird, wird auch viel weggeworfen.

O-Ton Frank Kleiner, Geschäftsführer Marketing "Harry-Brot":

Also, erst mal ganz wichtig zu sagen, wir haben uns schon in den letzten zehn, zwölf Jahren halbiert. Unser Brot, was wir retourniert zurückbekommen vom Händler, wird ja weiter verwertet für die Futtermittelindustrie, aber diese Anteile sind über die Jahre extrem zurückgegangen.

O-Ton Frank Kleiner, Geschäftsführer Marketing "Harry-Brot":

Wenn wir gut disponieren, ja, und mit dem Händler, heute nennt man das ja „Forecasting“ neudeutsch, also eine gute gemeinsame Planung machen und absatzgerecht disponieren können, dann machen wir alles richtig, auch zum Thema Lebensmittelverschwendung.

Doch wie kann es sein, dass trotzdem so viel Essen in

Mülltonnen landet? Sicher ist: Es gibt kaum konkreten Daten, wer wie viel wegwirft.

O-Ton Frank Bowinkelmann, Journalist und Mitgründer

„Foodsharing“:

Es gibt keine verbindlichen Regeln für Bäckereien oder auch für andere Lebensmittelhersteller, dass sie gucken müssen, was geht eigentlich wirklich verloren. Es wird einfach nur geschätzt, und das hat zur Folge, dass man natürlich auch

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nicht erkennt, wo die eigentliche Problematik liegt. Dann muss man überlegen, was könnte man unter Umständen daran ändern, dass das in dem Ausmaß nicht mehr passiert oder gar nicht mehr passiert. Und das müsste auch

verpflichtend sein, das kann nicht alles auf freiwilliger Basis sein, weil wir sehen, seit neun Jahren passiert ganz wenig.

O-Ton Frank Kleiner, Geschäftsführer Marketing "Harry-Brot":

Ich glaube, das wäre der falsche Weg, jetzt hier auf den Gesetzgeber zu setzen, an der Stelle. Und wir sehen da keine Notwendigkeit von Gesetzesanpassung.

Dabei ist der Politik schon lange klar, es muss etwas passieren. 2012: große Ziele, aber alles freiwillig.

O-Ton Ilse Aigner, CSU, damalige

Bundeslandwirtschaftsministerin, am 13.3.2012:

Die Europäische Kommission hat die Zielmarke ausgegeben, bis 2020 EU-weit die Menge der unnötig weggeworfenen Lebensmittel um 50 Prozent zu verringern.

O-Ton Frank Bowinkelmann Journalist und Mitgründer

„Foodsharing“:

Das haben wir nun grandios verpasst, und da muss jetzt endlich genügend Druck aufgebaut werden, damit man sich hinsetzt und ernsthaft darüber nachdenkt, wie Dinge geändert werden.

O-Ton Britta Schautz, Ernährungsexpertin, Verbraucherzentrale Berlin:

Wenn man bedenkt, dass etwa ein Drittel aller Lebensmittel ungenutzt im Müll landen, ist das natürlich ein Drittel aller Agrarflächen auch, und auf diesen Flächen kann dann nichts anderes angebaut werden. Das hat natürlich auch zur Folge, dass wir unseren Planeten übernutzen.

Immer wieder hat die Bundesregierung angekündigt, mehr zu tun gegen das massenhafte Lebensmittel-Wegwerfen. 2019:

erneut große Versprechen, wieder alles freiwillig.

O-Ton Julia Klöckner, CDU, Bundeslandwirtschaftsministerin, am 20.2.2019:

Heute habe ich im Kabinett unsere Strategie, die wir im Koalitionsvertrag verabredet hatten, zur Reduktion von Lebensmittelabfällen vorgestellt. Wir werden bis 2030 die Lebensmittelverschwendung halbieren.

O-Ton Frank Bowinkelmann, Journalist und Mitgründer

„Foodsharing“:

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Wenn man aber sieht, was tatsächlich passiert, habe ich große Zweifel daran, dass das auf diesem Wege bis 2030 erreicht wird.

Köln. Hier will Christian Horsters nicht länger warten. Er rettet Brot und Brötchen auf eigene Faust.

O-Ton Christian Horsters, Lebensmittelretter “Food for Future Köln”:

Bei diesem Bäcker kommen jeden Tag zurück: 700 Brote etwa, 1.500 süße Teile und 12.000 bis 15.000 Brötchen. Und da dürfen wir alles retten, was retour kommt, was wir aber auch nur andeutungsweise schaffen. Das sind zweieinhalb Tonnen beste Backwaren, entweder gehen die zu uns, wir leeren die in unsere Körbe oder Säcke, oder es geht in den Container rein, und da wird dann Tierfutter draus gemacht.

Aber was unterm Strich heißt, es wird sehr entwertet.

Horsters hat vor etwa zwei Jahren den Verein „Food for Future Köln“ gegründet. Jeder kann vorbeikommen und sich etwas zu essen holen, ohne Bedingungen.

O-Ton Christian Horsters, Lebensmittelretter “Food for Future Köln”:

Zu der Uhrzeit kommen, weil wir haben solche Mengen heute, da kriegen Sie auch noch was.

O-Ton Christian Horsters, Lebensmittelretter “Food for Future Köln”:

Wobei es mir hauptsächlich eben um die Backwaren geht, denn die Backwaren, die wir hier nicht retten, die gehen verloren. Ich komm da nicht drauf klar, also, das treibt mir auch immer wieder die Tränen in die Augen, weil das fühlt sich so völlig falsch und daneben an, weil diese Dinge, die sind zu 100 Prozent gut.

Abmoderation:

Gute Dinge und gutes Brot. Apropos: Wussten Sie, dass seit 1970 rund 75 Prozent der traditionellen Bäckereien aufgeben mussten Preiskampf, Billig-Konkurrenz und Fachkräftemangel setzen die Handwerksbetriebe unter Druck. Wenn Sie wissen wollen, wie das Brötchen von morgen schmeckt, was drin ist und wo es herkommt, dann schauen Sie die Dokumentation

"Achtung, Essen!" in der ZDFmediathek – "Zerstört Billig-Brot das Bäckerhandwerk?“

Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt,

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verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.

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