Amt für Grundstücke und Gebäude November 2020
Nachhaltigkeitsspiegel 2020 Klimawandel: Strategien für die kantonalen
Gebäude
Das Erfreuliche zuerst: Seit Beginn des Monitorings im Jahr 2004 konnten im kantonalen Gebäudebestand die CO
2-Emissionen um 50% gesenkt werden (vgl. Grafik S.4).
Nicht ein paar wenige Massnahmen, nicht ein Standard bringen den Erfolg. Es bedarf einer Vielfalt von Massnahmen, Vorkehrungen, Investitionen und Planungsschritten.
Verantwortung für Morgen
Der Klimawandel stellt mit steigendenden Temperaturen auch das Bauwesen vor grosse Herausforderungen. Einerseits geht es da
rum, durch geeignete Massnahmen beim kantonalen Gebäudepark die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren, um so dem Kli
mawandel entgegen zu wirken. Denn es ist unser erklärter Wille, das Klimaziel 2050 des Bundes (Netto-Null Emissionen) aktiv zu un
terstützen. Zum anderen müssen die Gebäudenutzer und die Ge
bäude selbst vor den Folgen des Klimawandels, wie beispielsweise steigende Raumtemperaturen, extreme Wetterlagen mit Intensivre
gen oder Sturm geschützt werden.
Bei den kantonalen Bauten gibt unsere Strategie Nachhaltig Bauen und Bewirtschaften und die Immobilienstrategie Kanton Bern den Takt vor. Durch die Anwendung von Nachhaltigkeitsstandards wie MinergiePECO haben wir Gewähr, dass unsere kantonalen Neu
bauten und Grossinstandsetzungen nachhaltig und über den Le
bens zyklus betrachtet auch wirtschaftlich sind. Die Reduktion der CO2Emissionen erfolgt auch über die Wahl des Standortes mit gu
tem Anschluss an den öffentlichen Verkehr und für den Langsam- verkehr. Das reduziert die Emissionen aus dem motorisierten Indivi
dualverkehr zum Arbeitsplatz erheblich.
Gefragt sind nicht nur klimaschonende Konzepte und Massnahmen bei Neubauten und Gesamtsanierungen, sondern auch im Gebäu
debestand des Kantons. Im Rahmen der verfügbaren Ressourcen hat bei Unterhalts und Instandsetzungsmassnahmen die Reduk
tion der Treibhausgase einen wichtigen Stellenwert. Mit dem Ersatz von Öl und Gasheizungen durch Systeme mit erneuerbaren Ener
gieträgern, dem Bau von Photovoltaikanlagen, dem Einsatz von effi- zienten Anlagen und Geräten und dem klimabewussten Gebäude
betrieb können wir die CO2Emissionen nachhaltig senken.
Dass wir uns gleichzeitig auf den Ebenen der Umweltanforderun
gen, der Nutzerbedürfnisse und der finanziellen Möglichkeiten be
wegen, ist eine stete Herausforderung, der wir uns gerne tagtäglich in unseren Projekten stellen. Dabei gilt es Gebäude zu schaffen, die langfristig einen hohen Gebrauchswert und wirtschaftliche Betriebs
kosten haben. Die Investitionskosten und die Lebenszykluskosten sind unser Fokus und unser Mass.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich der Kanton Bern bei seinen eigenen Bauten bereits seit langer Zeit für die Re
duktion der Treibhausgase erfolgreich engagiert. Die CO2Emissio
nen konnten deutlich und nachhaltig gesenkt werden. Um das Ziel NettoNull bis 2050 zu erreichen, gilt es weiterhin eine Fülle von Massnahmen umzusetzen, zahlreiche Vorkehrungen zu treffen, In
vestitionen zu tätigen und Planungsschritte voranzutreiben. Im vor
liegenden Nachhaltigkeitsspiegel stellen wir Ihnen einige Massnah
men und Standards für die Gebäude des Kantons Bern vor.
Ich wünsche Ihnen viel Spass beim Lesen dieser Broschüre.
Bruno Rankwiler, Leiter der Fachstelle Nachhaltig Bauen und Bewirtschaften
Klimaschutz bei den kantonalen Bauten
Standort und Mobilität
Die Anfahrt mit dem Auto zum Arbeitsplatz ist komfortabel. Allerdings können die dadurch verursachten CO2Emissionen bis zu einem Drittel der gesamten Treib hausgasemissionen eines Gebäudes ausmachen. Dem Standort eines Neu
baus kommt also eine wichtige Bedeutung zu. Gesucht sind Lagen mit gutem Anschluss an den öffentlichen Verkehr und guter Erreichbarkeit für den Lang
samverkehr (zu Fuss, mit dem Velo). Mögliche Gebäudestandorte für kantonale Neubauten oder Anmieten werden einem kritischen StandortCheck unter
zogen.
Energiestandards
Der Energieverbrauch für Wärme und Strom ist eine zentrale Grösse bei der CO2Bilanz eines Gebäudes. Der Kanton Bern setzt bei seinen Bauten seit den 1990erJahren auf den MinergieStandard. Neubauten werden mindestens in MinergieP, Grossinstandsetzungen mindestens in Minergie realisiert. Insgesamt verfügen derzeit knapp 20% der kantonalen Gebäude/Geschossflächen über ein Minergie-Zertifikat.
Ökologische Baumaterialien
Die Herstellung von Baumaterialien verursacht Treibhausgasemissionen. Diese können über ein Drittel der gesamten Treibhausgasemissionen über die Le
bens dauer eines Gebäudes ausmachen. Dem wird immer mehr Beachtung ge
schenkt. Umweltfreundliche Materialien reduzieren die Emissionen. Das AGG setzt dazu seit Jahren auf den Standard MinergieECO Standard sowie auf die Materialisierungs-Vorgaben von «eco-bau». (Bild: Recycling-Beton)
Holz
Holz ist ein sehr umweltfreundlicher Baustoff und nimmt bei den kantonalen Bauvorhaben eine besondere Stellung ein. Bereits in den ersten Planungspha
sen wird die Machbarkeit eines Holzbaus geprüft und als Ganzes oder in Teil
bereichen verbindlich vorgegeben. Eingesetzt wird ausschliesslich zertifiziertes Holz aus nachhaltiger Produktion. Der Werkhof in Loveresse, das Zentrum für Sport/Sportwissenschaften, der Neubau des Gymnasiums Strandboden in Biel oder die kantonale Sanitätsnotrufzentrale sind gute Beispiele moderner Holz
bauten.
Langlebige Bauten
Je länger ein Gebäude genutzt werden kann, umso weniger Treibhausgase werden emittiert und umso wirtschaftlicher kann das Gebäude betrieben wer
den. Aus diesem Grund kommt bei kantonalen Bauten die Systemtrennung zur Anwendung. Mit der Systemtrennung werden Tragwerk und Installationen se
pariert, Massnahmen für eine flexible Nutzung umgesetzt und, wo sinnvoll, eine Aufstockung oder ein Anbau bereits vorbereitet. Mit diesen Vorkehrungen wird ein langer, hoher Gebrauchswert der Liegenschaft sichergestellt. (Illustrationen:
links klassische Bauweise, rechts mit Bauteiltrennung)
Klimaschutz bei den kantonalen Bauten
Erneuerbare Wärme
Aktuell beträgt der Anteil erneuerbarer Wärme in den kantonalen Bauten rund 30%. Der Umbau der Wärmeversorgung wird gekoppelt mit anstehenden Neu
bau oder Unterhaltsprojekten: Es kommen ausschliesslich Heizsysteme zum Einsatz, die die Nutzung erneuerbarer Wärme ermöglichen. Bestehende Öl
und Gaskessel werden im Rahmen des Unterhalts nach Ablauf ihrer Nutzungs
dauer ersetzt durch Heizungen mit Pellets, Holzschnitzel, Wärmepumpen, Fern
wärmeanschluss oder Sonnenenergieanlagen.
Sommerlicher Wärmeschutz
Der Klimawandel mit den steigenden Temperaturen fordert AdaptationsMass
nahmen, um die Innenraumtemperaturen im Sommer in Grenzen zu halten. Der sommerliche Wärmeschutz wird primär mit baulichen Massnahmen sicherge
stellt, z.B. mit effizienten Beschattungselementen, angepassten Verglasungs
flächen und ausreichender Gebäudemasse. Auf aktive Kühlelemente wird auf
grund der Kosten und des Energiebedarfs, wenn möglich, verzichtet.
Solaranlagen
Bei Neu und Umbauten sowie Unterhaltsarbeiten an Dächern und Fassaden werden Solaranlagen realisiert. Heutige, richtig dimensionierte Anlagen arbeiten wirtschaftlich. Die Anzahl der Photovoltaikanlagen auf kantonalen Gebäuden hat sich in den letzten Jahren auf ca. 70 meist grössere Anlagen versechsfacht.
Damit wird ein Eigenversorgungsgrad von knapp 4,5% erreicht. Das ist deutlich höher, als der schweizerische Durchschnitt.
Nachhaltige Gebäude
Der «Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz» wurde vom Bund initiiert und ge
meinsam mit vielen öffentlichen und privaten Bauherren erarbeitet. Er beurteilt ein Gebäude umfassend in Belangen der Nachhaltigkeit, Gesellschaft, Wirt
schaft und Umwelt. Beispielsweise werden Lebenszykluskosten, Innenraumkli
ma, Treibhausgasemissionen, Biodiversität der Umgebung und vieles mehr mit Noten bewertet. Das AGG prüft den Standard SNBS derzeit an ausgewählten Projekten.
Optimaler Betrieb der Gebäude
Der Energieverbrauch von neuen und bestehenden Gebäuden kann durch ei
nen optimierten Betrieb vermindert werden. Bei grösseren Energieverbrauchern wie Wärme und Strom werden Betriebsoptimierungen der technischen Anlagen durchgeführt. Zusätzlich sensibilisiert das AGG auch die Gebäudenutzer mit jährlichen Kampagnen, z.B. zum richtigen Lüften, zum Reduzieren der Raum
wärme an Feiertagen oder zum Abstellen der Geräte bei Abwesenheit.
1 Die Anzahl der Photovoltaik
anlagen auf kantonalen Gebäuden hat sich in den letzten Jahren versechs
facht. Per Ende 2019 gibt es 63 Anlagen mit einer Ge
samtfläche von 22000 m2 und einer jährlichen Strom
produktion von rund 3,1 GWh. Damit wird ein Eigenversorgungsgrad von 4,5% erreicht.
2 Der Anteil MinergieFläche steigt weiter an und beträgt nun rund 17% an der Gesamtfläche kantonaler Bauten. Insgesamt besitzt der Kanton 47 Gebäude mit einem Minergie-Zertifi
kat, davon 23 mit Minergie
ECOZusatz.
3 Die hohen energetischen Standards zeigen Wirkung, denn der Wärmeenergiever
brauch pro Geschossfläche der kantonalen Gebäude ist seit Jahren rückläufig.
4 Durch den reduzierten Wär
meverbrauch, den Ersatz von fossilen Brennstoffen und die verdichtete Nutzung sinken die CO2Emissionen pro Vollzeitstelle deutlich.
5 Der Anteil erneuerbarer Wärme bleibt stabil um die 30%. Der leichte Rückgang in den letzten Jahren ist auf die Privatisierung der Psychiatriezentren Münsin
gen und Waldau zurück
zuführen.
6 Die Zahl der Mitarbeiten
den steigt immer noch etwas rascher an, als die Geschossflächen in den Gebäuden. Das führt weiter
hin zu einer erwünschten Nutzungs verdichtung.
Anteil erneuerbarer Wärmeenergie
0%
10%
20%
30%
40%
50%
Zielwert
2007 2008 2009
2006 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016201720182019
Geschossfläche pro Vollzeitstelle Treibhausemissionen
pro Vollzeitstelle
10 0 20 30 40 50 60
2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019*
Zielwert
Wärmeverbrauch pro Geschossfläche
0 20 40 60 80 100 120 140
kWh / m2 Jahr Tonnen CO2 / Vollzeitstelle
* provisorische Daten
2007 2008 2009
2006 2010 2011 2012 2013 2014 2015 201620172018 2019
Photovoltaikanlagen:
Jahresproduktion
Entwicklung
Minergie-Geschossfläche
m2 Minergie Minergie-P
50 000
0 100 000 150 000 200 000 250 000
200620072008
2005 2009201020112012201320142015201620172018 Minergie-A
2019
%
30 40 50 60 70 80 100 90
2006 2007 20082009 2010 2011 2012 2013 2014 20152016201720182019 0
20 40 60 80 100 120 140 kWh / m2 Jahr
200620072008
2005 20092010201120122013201420152016201720182019 1
3
5
2
4
6
Entwicklung wichtiger UmweltDaten
Impressum Redaktion:
INFRAconcept AG, Bern Schlussredaktion und Satz:
Blitz & Donner, Bern Fotos:
Blitz & Donner, Adobe Stock Beat Bühler, Christian Helmle Bezugsquelle:
Amt für Grundstücke und Gebäude des Kantons Bern, Reiterstrasse 11, 3013 Bern, www.be.ch/agg
Beispiele
Gesamtsanierung Gymnasium, Interlaken
Der Ausbau des Bildungsangebots und veränderte An
forderungen an den Unterricht haben den Flächenbe
darf des Gymnasiums erhöht. Neben der energetischen und baulichen Erneuerung, die in Etappen umgesetzt und im Sommer 2016 abgeschlossen wurde, war des
halb ein weiteres Ziel der Gesamtsanierung die Vergrös
serung der Nutzfläche. Ausserdem erhielten die Schul
räume eine zeitgerechte Ausstattung mit moderner Technik. Mit Ausnahme des Turnhallentrakts – hier wur
den nur die notwendigsten Arbeiten ausgeführt – ent
sprechen die Gebäude nach der Gesamtsanierung dem Standard MinergieECO. Um das zu erreichen, wurden sämtliche Gebäudehüllen erneuert und alle Fenster er
setzt.
Nun liegen die Energiedaten aus zwei vollständigen Be
triebsjahren vor. Diese zeigen den Erfolg der Sanierung eindrücklich: Der Wärmeverbrauch konnte um 60% ge
senkt werden. Die Wärmeversorgung erfolgt durch eine zentrale Holzschnitzelheizung. Damit liegt der Anteil an erneuerbaren Energien bei 100%. Die neue Photovolta
ikanlage liefert Strom für 25 bis 30 Haushalte. Allerdings ist durch den höheren Stand der Technik, insbesondere in den Unterrichtsräumen, der Stromverbrauch um 35%
gestiegen.
Gesamtsanierung Gymnasium Strandboden, Biel
Die in den 1970erJahren realisierten Gebäude wurden vor vier Jahren mit einer Gesamtsanierung und einem Erweiterungsneubau heutigen betrieblichen und ener
getischen Anforderungen angepasst. Inzwischen ist do
kumentiert, dass diese Massnahmen den Energiever
brauch der gesamten Anlage um 80% reduziert haben.
Die Wärme für die Schulanlage wird zu 85% aus Holz produziert.