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Archiv "Prophylaktische Thyreoidektomie" (13.09.1996)

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Academic year: 2022

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Der Artikel klärt einige Unschär- fen des propagierten Konzeptes in dankenswert ehrlicher Weise auf, die in anderen Veröffentlichungen zum Thema fehlten. Kinder, die moleku- largenetisch spezifische Mutationen aufweisen, welche zur multiplen en- dokrinen Neoplasie disponieren, sol- len durch prophylaktische Thyreoid- ektomie, zum Teil mit systemati- scher Lymphadenektomie des zentra- len Kompartimentes, behandelt wer- den. Unmißverständlich ist im Auf- satz formuliert, daß „auch beim Nach- weis einer positiven Genträgerschaft die Manifestation der assoziierten Endokrinopathien und der mögliche Zeitpunkt ihres Auftretens noch nicht vorhersehbar ist“, daß also der Zu- sammenhang zwischen Genträger- schaft und Manifestation der Endo- krinopathien nicht sicher ist. Nicht benannt, aber wahrscheinlich ist, daß das Auftreten von Schilddrüsenkarzi- nomen denselben Gesetzen unter- liegt, nämlich nicht vorhersehbar ist.

Denn die Aussagen, daß das C-Zell- Karzinom bei allen Fällen des Syn- dromes auftritt, bezieht sich nicht auf die Genträger, sondern auf manifest gewordene MEN-Patienten.

Weiter wird dargestellt, daß Ver- läufe vom metastasierenden Karzi- nom des 2,7jährigen Kindes bis zum lebenslang asymptomatischen Verlauf möglich sind. Verhältniszahlen hierzu werden nicht benannt. Das bedeutet, daß eine unbekannt hohe Zahl von Kindern einer aggressiven prophylak- tischen Operation unterzogen wird niemals erkranken würden. Weiter wird ausgeführt, daß bei den bisheri- gen prophylaktischen Operationen an Personen von 4 bis 20 Jahren keine einzige Lymphknotenmetastasierung vorgefunden wurde.

Bereits im folgenden Absatz wird aber auf die Gefahr einer Metastasie- rung beim älteren Kind hingewiesen und die systematische Lymphaden- ektomie des zentralen Kompartimen-

tes zumindest beim Kind jenseits des Einschulungsalters propagiert. Wel- che Daten diese widersprüchliche Aussage begründen könnten, wird nicht benannt. Die zuvor genannten empirischen Befunde sprechen ja ge- rade dagegen.

Das Verfahren molekulargeneti- scher Untersuchungen ist nicht alt ge-

nug, um ausweisen zu können, wel- chen prognostischen Nutzen es im vor- liegenden Fall hat. Ein Laborergebnis wird hier ohne oder vor klinischen Er- scheinungen als Operationsindikation verwendet. Der Nutzen des vorge- schlagenen Verfahrens, oder ein mög- licher überwertiger Schaden durch falsch positive Diagnostik und deren therapeutische Konsequenzen, könnte aber erst nach Studienergebnissen ab- gewogen werden. Denn da der Zusam- menhang zwischen Genträgerschaft und Manifestation anerkanntermaßen unklar ist, kann nur eine Studie, die diese Fragestellung lebensbegleitend beobachtet, Klarheit verschaffen. Völ- lig unklar bleibt, ob es sich bei dem vorgeschlagenen Verfahren um eine Studie handelt. Unerwähnt bleibt, ob bei dem Verfahren eine Kontrollgrup- pe mitgeführt wird. Unter Zugrunde- legung der Aussagen der Autoren wird aber deutlich, daß es sich hier nicht um gesicherte Therapie oder Prophylaxe handelt, sondern erkenntlich um ein Experiment mit unklarem Ausgang.

Derartigen Experimenten sind ei- gentlich nach der Rechtssprechung wie auch nach gesundem ärztlichem und Menschenrechtsverständnis klare Grenzen gesetzt. Eine dieser Grenzen betrifft das nicht einwilligungsfähige

Kind. Weder Behandler noch die El- tern sind zur Überschreitung dieser Grenze ermächtigt.

Beim nicht einwilligungsfähigen Kind setzt die Zustimmung zu einer Behandlung durch die Eltern wie auch die Entscheidung zu einer Be- handlung durch den Arzt voraus, daß die Behandlung dem mutmaßlichen Willen des Kindes entspricht. Die Au- toren sprechen von einem sicher ku- rativen Ansatz. Bei genauerer Durch- sicht der Arbeit fällt aber auf, daß die Korrelation von Nutzen und Risiken, insbesondere das Risiko der Mitbe- handlung falsch positiv diagnostizier- ter Probanden, unbenannt und unbe- kannt ist. Bei diesen kann nicht von einem mutmaßlichen Willen zur Be- handlung ausgegangen werden. Es ist deshalb stark zu bezweifeln, ob unter diesen Prämissen eine Behandlungs- einwilligung überhaupt wirksam zu- stande kommen kann.

Dr. Reinhard Möller Arzt für Allgemeinmedizin Dörnbergstraße 21

34119 Kassel

Im ersten Teil seiner Anmerkun- gen geht der Kollege Möller von der Annahme aus, daß „der Zusammen- hang zwischen Genträgerschaft und Manifestation anerkanntermaßen un- klar ist“. Wenn diese Schlußfolgerung aus unserem Artikel zu ziehen ist, dann haben wir uns möglicherweise wegen der Kürze des Artikels nicht klar genug ausgedrückt und hoffen, dies jetzt richtigstellen zu können:

¿ Nahezu 100 Prozent aller MEN-2-Genträger entwickeln im Laufe des Lebens ein medulläres Schilddrüsenkarzinom, davon etwa 70 Prozent ein klinisch manifestes Karzi- nom (meist mit zervikalen Lymph- knotenmetastasen, häufig mit Fern- metastasen), aber 95 Prozent aller Genträger weisen bis zum Alter von A-2322 (58) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 37, 13. September 1996

M E D I Z I N DISKUSSION

Prophylaktische Thyreoidektomie

Zu dem Beitrag von

Prof. Dr. med. Henning Dralle PD Dr. med. Wolfgang Höppner und

Prof. Dr. med. Friedhelm Raue in Heft 14/1996

Einige Anmerkungen

Schlußwort

(2)

A-2323

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 37, 13. September 1996 (59) Å Da nahezu 100 Prozent der

Genträger ein Karzinom entwickeln, 25 Prozent am Karzinom versterben, eine sichere Heilung jedoch nur durch Operation im Frühstadium, das heißt beim Karzinom ohne Lymphknoten- metastase möglich ist, das Vorhan- densein von Lymphknotenmetasta- sen jedoch im Frühstadium weder auszuschließen noch sicher nachzu- weisen ist, halten wir eine prophylak- tische Operation für gerechtfertigt.

Es handelt sich somit nicht um eine Studie, schon gar nicht um ein Experi- ment mit unklarem Ausgang, sondern um eine konsequente Fortführung und Weiterentwicklung des seit über 20 Jahren durchgeführten Screenings in MEN-2-Familien. Die MEN-2-Fa- milien werden vor einer molekularge- netischen Untersuchung und vor ei- nem therapeutischen Eingriff umfas- send beraten. Da das Leiden autoso- mal dominant vererbt wird, ist ein El- ternteil betroffen und kann aus eige- ner Erfahrung und Erfahrung in der Familie zusammen mit dem nicht be- troffenen Elternteil verantwortungs- voll für das nicht einwilligungsfähige Kind entscheiden. Sollten die Eltern sich nicht auf Grund der molekular- genetischen Untersuchung zu einer Operation entschließen können, empfehlen wir, wie vor der Verfügbar- keit des genetischen Markers üblich, ein Vorgehen mit jährlichen Penta- gastrintests und Entscheidung zur Operation dann, wenn der Test pa-

thologisch ausfällt. Unter diesen Prä- missen und unter Beachtung von Nut- zen und Risiko halten wir die prophy- laktische Thyreoidektomie für eine sinnvolle Therapie, bei der sich alle Beteiligten ihrer großen Verantwor- tung voll bewußt sind.

Literatur

1. Ponder BA, Ponder MA, Coffey R et al:

Risk estimations and screening in families of patients with medullary thyroid carcinoma.

Lancet 1988; 1: 397—401

2. Gagel RF, Tashjian AH, Cummings T et al:

The clinical outcome of prospective scree- ning for multiple endocrine neoplasia type 2a. An 18-year experience. N Engl J Med 1988; 318: 478–484

3. Lips CJM, Landsvater RM, Höppener JWM et al: Clinical screening as compared with DNA analysis in families with multiple en- docrine type 2A. N Engl J Med 1994; 331:

828–835

4. Raue F, Geiger S, Buhr HJ, Frank-Raue K, Ziegler R: Prognostische Bedeutung des Calcitonin-Screenings beim familiären me- dullären Schilddrüsenkarzinom. Dtsch Med Woschr 1993; 118: 49–52

5. Eng C, Clayton D, Schuffenecker I et al:

The relationship between specific RET pro- to-oncogene mutations and disease pheno- type in multiple endocrine neoplasia type 2:

International RET mutation consortium analysis. Submitted 1996

6. Wells SA, Chi DD, Toshima K et al: Predic- tive DNA testing and prophylactic thyroid- ectomy in patients at risk for multiple endocrine neoplasia type 2a. Annals Sur- gery 1994; 220: 237–250

Für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Friedhelm Raue Endokrinologische

Gemeinschaftspraxis Brückenstraße 21 69120 Heidelberg 35 Jahren einen eindeutig pathologi-

schen Calcitoninstimulationstest auf, das heißt, sie haben zu diesem Zeit- punkt ein C-Zellkarzinom oder zu- mindest eine C-Zell-Hyperplasie (1).

À Durch systematisches jährli- ches biochemisches Screening aller Angehörigen von MEN-2-Familien (Calcitonin nach Pentagastrin) konn- te – wie in mehreren früheren Studien dargestellt (2, 3, 4) – die Diagnose im Durchschnitt 20 Jahre (zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr) früher ge- stellt und ein großer Teil durch eine Thyreoidektomie kurativ behandelt werden.

Á Die seit 1993 (seit Ent- deckung der RET Mutation) welt- weit durchgeführten molekularge- netischen Untersuchungen an über 500 Familien belegen die Zuverlässig- keit des RET-Mutationsnachweises:

Konnte in einer Familie eine Mutati- on gefunden werden (dies war in 97 Prozent der Familien der Fall), so war sie bei allen klinisch Betroffenen nachweisbar, in keinem Fall gab es ein falsch positives Ergebnis (5).

 Bei etwa der Hälfte der Kin- der und jugendlichen Genträger aus MEN-2-Familien fand sich, obwohl der Pentagrastrintest noch normal war, histologisch bereits ein Mikro- karzinom (3, 6). Demgegenüber gibt es im Gegensatz zum RET-Mu- tationsnachweis beim Calcitonin-Sti- mulationstest falsch positive Ergeb- nisse (3).

à Die Methode des RET-Mu- tationsnachweises wird so angelegt, daß zwei unabhängige Verfahren (SSCP und Sequenzanalyse oder Un- tersuchung mit Restriktionsenzy- men) angewendet werden, die zu ei- nem identischen Resultat führen müssen, bevor ein Endergebnis mit- geteilt wird. Jedes Ergebnis soll durch eine zweite, unabhängige Blutprobe bestätigt werden, bevor therapeuti- sche Konsequenzen gezogen werden.

Ä Der Zeitpunkt der Operati- onsempfehlung wurde nach gründ- licher Literaturrecherche und in- tensiver Diskussion in internationa- len Gremien festgelegt. Der frühes- te Zeitpunkt des Nachweises von Lymphknotenmetastasen betrug in einer MEN-2A-Familie acht Jahre.

Die Empfehlung geht deshalb dahin, vor diesem Alter zu operieren.

DISKUSSION/FÜR SIE REFERIERT

Der nichtthorakale Thorax- schmerz beschäftigt die Gastroente- rologen seit einigen Jahren. Ursache ist oft ein gastroösophagealer Reflux, der zu Motilitätsstörungen der Spei- seröhre, aber auch zu Durchblutungs- störungen im Bereich der Herzkranz- gefäße führen kann. Bereits im Jahr 1962 prägten Smith und Papp den Be- griff der linked angina.

Die Autoren der Studie unter- suchten bei 35 Patienten mit Syndrom X (micro vessel disease) und 24 herz- transplantierten Patienten ob die Säu- reperfusion der Speiseröhre mit 0,1 HCl einen Einfluß auf den Blutfluß in den Koronararterien hat. Während

beim denervierten Herzen kein Ein- fluß der Säureperfusion der Spei- seröhre nachweisbar war, kam es bei den Patienten mit Syndrom X zu ei- nem signifikanten Abfall der Koro- nardurchblutung.

Offensichtlich wird dieser Ef- fekt über das vegetative Nervensy- stem gesteuert, das Herzkranzgefäße, Bronchialsystem und Speiseröhre

versorgt. w

Chauhan A, Petch M C, Schofield P M:

Cardio-oesophageal reflex in humans as a mechanism for ,linked angina’. Europ Heart J 1996; 17: 407–413

Regional Cardiac Unit, Papworth Hospi- tal, Papworth Everard, Cambridge, Großbritannien

Gastroösophagealer Reflux fördert linked angina

Referenzen

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