FÜR SIE REFERIERT
mehrfachen Fehlinterpretationen ist üblicherweise der Dermatologe. Die kleinen Lebewesen können platt, der Körperfarbe angepaßt am Haar- grund fest der Haut (Genitalbereich, Achselregion, Thorax und Bart beim Mann) anliegen, um dann nach An- hebung mit dem Skalpell lebhaft zu reagieren. Ein Blick durch das Mi- kroskop überzeugt auch den ungläu- bigen Patienten.
Filzläuse können sich in den Au- genbrauen und Wimpern und mit reichlichem Nissenbefall auch bei Kindern darstellen. Ein Fremdkör- pergefühl, insbesondere bei sensi- blen Personen, ist auch im frühen Stadium mit Juckreiz verbunden, der sich mit erosiven Kratzeffekten kom- biniert. Die Taches bleues, die Ma- culae coeruleae, sind intrakutane Einlagerungen eines denaturierten Hämoglobins aufgrund der Einwir- kung des Speicheldrüsenferments der Läuse. Je länger die Verlausung besteht, um so mehr ist dann die Chance für eine immunologische Sensibilisierung ausgeprägt. Eine Übertragung durch Textilien, Woll- decken usw. ist theoretisch wohl möglich und wird gelegentlich als Brückenschlag zur persönlichen Ent- lastung benutzt.
Therapeutisch sind Organo- derm, Jacutin® N oder die bereits ge- nannten Behandlungsmittel bei Kopfläusen zu empfehlen. Eine zwei- te Anwendung nach acht bis zehn Ta- gen sollte immer durchgeführt wer- den. Die Nissen an den Augenwim- pern und auch die einzelnen Läuse werden dort am besten mit entspre- chenden Pinzetten sorgfältig ent- fernt, Nachbehandlung mit 2%iger Quecksilberpräzipitatsalbe.
4.3 Pediculosis vestimentoruin
Die Kleiderläuse (Pedicu vesti- mentorum) sind selten und be- schränken sich heute auf Personen- kreise, die die Möglichkeiten zum üblichen Hygieneverhalten nicht wahrnehmen oder nicht wahrneh- men können. Das Blutsaugen und die Sekretion des Speicheldrüsense- kretes führt zu einer braun-schmut- zigen Pigmentierung und läßt das be-
kannte Bild der Vagabundenhaut entstehen. Durch die Einstiche wur- den Fleckfieber, wolhynisches und europäisches Rückfallfieber übertra- gen. Auch bei Kleiderläusen ist die individuelle Reaktion und gegebe- nenfalls Toleranz hervorzuheben.
Daß Tausende von Läusen ein Klei- dungsstück, Pullover oder Socke pas- siv bewegen lassen können, ohne daß sich an der Haut des Trägers eine deutliche Reaktion auf Läuse ent- wickelt hatte, ist der älteren Genera- tion wohl bekannt.
4.4 Wanzen und Flöhe
Dermatologisch sind zu den ge- nannten Krankheitsbildern durch Milben und Läuse noch Wanzenbis- se und Flohstiche (Tabelle 2) nachzu- tragen. Charakteristisch sind die zentralen hämorrhagischen Einstich- stellen, um die sich Erytheme und urtikarielle Reaktionen entwickeln.
Die Variationsbreite der individuel- len Reaktion auf derartige Stichre- aktionen sind außerordentlich groß.
Es können Wochen vergehen, bis sich eine Stichreaktion im Sinne ei- nes Knötchens oder Knotens zeigt.
Beachtenswert ist häufig eine ausge- prägte Eosinophilie, die eine diffe- rentialdiagnostische Abgrenzung von Lymphomen notwendig macht. Der bereits von Steigleder 1969 gemachte Hinweis der erstaunlichen Latenz- zeit zwischen Infektion und Diagno- se von über fünf Monaten bei zehn Prozent der Patienten hat auch heu- te noch seine Gültigkeit. Das „daran denken" ist vom Arzt aus wichtig, und die Mitarbeit des Patienten beim Erfassen der befallenen Umge- bung ist sicherlich notwendig, um dem heute wieder zu beobachtenden Anstieg der Zoonosen zu begegnen.
Dt. Ärztebl. 89 (1992) A 1 -1534-1546 [Heft 17]
Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über den Verfasser.
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med. Günter Stüttgen Kissinger Straße 12
W-1000 Berlin 33
Streß und M. Basedow
Die Rolle belastender Lebens- umstände beim Ausbruch der Base- dow-Krankheit ist umstritten. Zahl- reiche frühere Berichte, die eine der- artige Assoziation stützten, waren je- doch nicht ausreichend überprüft, die Spezifität der Diagnosen könnte in Zweifel gezogen werden. Spätere Untersuchungen haben keine kausa- le Relation gezeigt, aber auch diese Untersuchungen waren klein, unkon- trolliert, oder die epidemiologischen Methoden waren ungeeignet. Zur Einschätzung möglicher Korrelatio- nen zwischen Lebensumständen, Vererbung, sozialem Status und M.
Basedow haben die Autoren eine Fallstudie in einem festgelegten Ge- biet mit rund einer Million Einwoh- nern durchgeführt.
Über zwei Jahre beantworteten 208 (95 Prozent) von 219 in Frage kommenden Personen mit neu dia- gnostiziertem M. Basedow und 372 (80 Prozent) der Kontrollpersonen einen identischen Fragebogen über Familienstand, Beruf, Rauch- und Trinkgewohnheiten, körperliche Ak- tivitäten, familiäres Auftreten von Schilddrüsenerkrankungen, Lebens- umstände, sozialen Status und zur Person.
Im Vergleich zu den Kontroll- personen gaben die Patienten an, in den zwölf Monaten vor der Diagnose mehr negative Lebensbedingungen gehabt zu haben, und die negativen Werte der Lebensbedingungen wa- ren auch signifikant höher. Einzelne Patienten mit Schilddrüsenerkran- kungen (speziell Verwandte ersten und zweiten Grades) tendierten eher zum M. Basedow. Etwas mehr Pa- tienten als Kontrollpersonen waren geschieden und berichteten über ei- nen weniger häufigen Alkoholkon- sum.
Nach Ansicht der Autoren legen die Ergebnisse nahe, daß negative Lebensumstände und Erbeinflüsse Risikofaktoren für den Morbus Ba- sedow sein können. jhn
Winsa, B. et al.: Stressful events and Gra- ves' disease. Lancet 338 (1991) 1475-1479.
Dr. B. Winsa, Department of Internal Me- dicine, University Hospital, S 75185 Uppsa- la, Schweden.
A1 -1546 (68) Dt. Ärztebl. 89, Heft 17, 24. April 1992