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Archiv "Hilfsmöglichkeiten für abhängige Arzte: Unterstützung durch die Arztekammern" (24.11.1995)

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Unterstützung durch die Arztekammern

315 abhängige Ärzte und Ärztinnen wurden in der Oberberg-Klinik für psy- chosomatische Medizin in Hornberg durchschnittlich sieben Wochen lang sta- tionär entgiftet und psychotherapeutisch entwöhnt. Die Autoren des folgen- den Artikels berichten über die Behandlungsdaten der alkohol- beziehungs- weise medikamentenabhängigen Ärzte, ein erfolgreiches Rehabilitationspro- gramm und die positiven Erfahrungen aus Sicht der Ärztekammer Hamburg.

meinsam in einer Männerrunde zu er- tränken, während von den unter- schiedlichen Bezugsgruppen Alko- holgenuß für junge Frauen nicht ak- zeptiert wird, wohingegen junge Frauen nicht gegen kulturelle Nor- men verstoßen, wenn sie Medikamen- te einnehmen (39).

Es ist folglich nicht verwunder- lich, daß Ärzte quantitativ mehr und häufiger Alkohol trinken als Ärztin- nen und daß die schweren Gebrauchs- muster des Alkoholismus bei Män- nern häufiger beobachtet werden (81, 127, 155). Da die häufigste Suchter-

THEMEN DER ZEIT AUFSÄTZE

krankung der Alkoholismus ist, müß- ten das in der Familie beziehungswei- se Gesellschaft erlernte Trinkverhal- ten und die entwickelte normative Wertung von Trinksitten für Ärztin- nen als hemmende Bedingung eines Alkoholismus wirksam werden, während die kulturellen Normen als fördernde Bedingungen der Suchtge- nese bei Ärzten angesehen werden müßten. Das sich während der Sozia- lisation entwickelnde Krankheits- und Gesundheitsverhalten sowie die daraus resultierende Risikobereit- schaft fördern beziehungsweise hem-

men den Konsum bestimmter Drogen oder eine Suchtentstehung (Grafik).

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1995; 92: A-3300 — 3305 [Heft 47]

Literatur bei der Verfasserin

Anschrift der Verfasserin:

Dr. med. Silke Leesemann Klinik für Neurologie

Kreiskrankenhaus Gummersbach Wilhelm-Breckow-Allee 20 51643 Gummersbach

Hilfsmöglichkeiten für abhängige Arzte

Bernhard Mäulen Matthias Gottschaldt

Klaus Damm

D

ie Betroffenen kamen in der Regel nach mehrjähriger Ab- hängigkeit wegen akuter pri- vater Probleme (besonders der Partnerschaft), zum Teil aufgrund allgemeiner Praxisschwierigkeiten (11,5 Prozent) sowie nach Auflagen der Ärztekammern (7,9 Prozent) be- ziehungsweise Abmahnungen (5,6 Prozent) in die Oberberg-Kliniken.

Rund 60 Prozent der Aufgenomme- nen wurden initial entgiftet. Dabei wurde medikamentös mit Carbama- zepin zum Krampfschutz sowie bei 21,3 Prozent der Patienten mit Clome- thiazol zur Dämpfung der Entzugser- scheinungen behandelt.

Die mittlere Verweildauer aller Behandelten betrug für Akutentgif- tung und stationäre Entwöhnungspsy- chotherapie zusammengenommen 6,93 Wochen (Standardabweichung 4,7). Abbrüche seitens des Patienten oder seltener der Klinik ereigneten sich bei 24 Prozent. Rückfallverhalten wurden bei 5,1 Prozent festgestellt.

Die Mehrheit der Ärzte und Ärztin- nen (76,2 Prozent) kam erstmals, 16,5 Prozent kamen zur Zweitbehandlung.

Bei 52,1 Prozent lag eine Abhän- gigkeit nur von Alkohol, bei 6,1 nur von Medikamenten und bei 31 Pro-

zent von Alkohol und Medikamenten kombiniert vor. Relevante Begleiter- krankungen traten überwiegend in Form psychoneurotisch-depressiver Störungen (42,8 Prozent) und Angst- störungen (7 Prozent) auf. Suizidale Handlungen (24) gab es in vorklini- scher sowie bei Rückfälligen in post- stationärer Zeit, nicht jedoch wäh- rend der stationären Phase. Somati- sche Komplikationen wie Leberzir- rhose (3,4 Prozent) oder Hypertonus (6,1 Prozent) waren seltener.

Die soziodemographischen Da- ten der Untersuchten belegten ein deutliches Überwiegen der Männer (81,2 Prozent) und der Verheirateten (59,7 Prozent). Bezüglich der berufli- chen Stellung waren 53,5 Prozent nie- dergelassen und 20,1 Prozent leitende Ärztinnen und Ärzte. Es dominierten mit 81,9 Prozent die Fachärzte ge- genüber der Nichtfacharztgruppe

(11,5 Prozent). Innerhalb der Fach- ärzte führten die Allgemeinmediziner mit 15,7 Prozent, dicht gefolgt von In- ternisten mit 14,7 sowie Chirurgen mit 12 Prozent.

Rehabilitation abhängiger Arzte

Abhängige Ärztinnen und Ärzte können durch ihre Erkrankung in be- sondere Nöte geraten, weil a) die KV- Zulassung an eine mindestens fünf- jährige Suchtfreiheit gebunden ist und b) eine Bedrohung der Approbation besteht. Erstes Ziel eines Rehabilita- tionsprogramms ist es, den betroffenen Ärzten die Angst zu nehmen, sich zu decouvrieren. Dazu haben wir 1992 mit fast allen Ärztekammern der alten und einigen der neuen Bundesländer, den zugehörigen Kassenärztlichen Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 47, 24. November 1995 (35) A-3305

(2)

Duelle Oberberg-Klinik für Psychosomatische Medizin; Dr. med. Bernhard Mieden

andere Kombinationen 4,5%

Betäubungsmittel 5,8%

Medikamente 6,7%

Alkohol und Medikamente 31,0%

Alkohol 52,1%

THEMEN DE Z IT AU FSATZE

Vereinigungen und den jeweiligen Versorgungswerken Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen ent- wickelt und praktiziert (11). Einige Ärztekammern haben in Rundschrei- ben an alle Mitglieder darauf hinge- wiesen, daß das Auftreten einer Ab- hängigkeit weder eine Schuld begrün- det noch ein Hinweis auf charakterli- che Zweifel ist. Die Ärztekammern haben ihren Mitgliedern Therapiestät- ten empfohlen, die in der Lage sind, sofort aufzunehmen, die keine medizi- nischen Vorbedingungen verlangen, unter gut erträglichen Umständen eine individuelle, intensive und komplette (Entzug und Entgiftung) Therapie bie- ten und die eine organisierte bundes- weit eigene Nachbehandlung haben.

Zu finanziellen Leistungen der Versor- gungswerke haben viele private Kran- kenversicherungen angesichts guter Therapiechancen häufig auf dem Ku- lanzweg beträchtliche Leistungen bei der an sich nicht versicher-

ten Krankheit erstattet.

Für die erkrankten Kolleginnen und Kolle- gen, die sich einer ent- sprechenden Therapie unterziehen, haben die Ärztekammern in zahlrei- chen Fällen erreichen können, daß der drohen- de Entzug einer Kassen- zulassung ausgesetzt wird.

Darüber hinaus haben sich die Ärztekammern auch fürsprechend bei den Regierungspräsiden- ten (Approbationsgefähr- dung) eingesetzt. Ent- sprechend dem Rehabili- tationsgedanken „Hilfe

statt Strafe" wurde ein Weg beschrit- ten, der eine persönliche Chance und eine juristisch verantwortliche ärztli- che Weiterbeschäftigung für abhängi- ge Ärzte ermöglicht. Grundzüge die- ses Nachsorgeprogramms sind:

O Nach Ende der stationären Behandlung wird ein Befundbericht erstellt, der exakt zu Diagnose, Ver- lauf und Prognose Stellung nimmt

• Eine intensive Nachbehand- lung (psychotherapeutisch und in Selbsthilfegruppen) wird gewährlei- stet.

O Zunächst in vierwöchigen, später in sechswöchigen Abständen

stellen sich die Ärzte in der Klinik vor, wo eine klinische und psychodiagno- stische Nachuntersuchung einschließ- lich Laborerhebung erfolgt. Darüber wird jeweils ein Befundbericht erstellt und von den Betroffenen selber gege- benenfalls der jeweiligen Instanz vor- gelegt. Selbstverständlich muß die Authentizität der Berichterstattung gewährleistet werden.

Nachdem diese kontrollierte poststationäre Phase ein Jahr ange- dauert hat und der Erfolg dokumen- tiert wurde, haben in der Regel alle beteiligten Stellen die Akten ge- schlossen. Abgesehen von seit An- fang 1993 aufgetretenen Schwierig- keiten in den Zulassungsausschüssen ist uns kein einziger Fall bekannt, in dem diesem Curriculum nicht gefolgt wurde.

Untersuchungen über Abhän- gigkeitsprobleme in der Ärzteschaft zeigen übereinstimmend eine größe-

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Abhängigkeit bei Ärzten

re Häufigkeit als in der Normalbevöl- kerung. Offensichtlich sind die er- heblichen beruflichen Belastungen (13), denen viele Ärzte ausgesetzt sind, ein entscheidender suchtför- dernder Faktor (27). Deshalb ver- wundert es nicht, daß Ärzte in freier Praxis sowie im fortgeschrittenen Le- bensalter besonders suchtgefährdet sind. Alkohol ist das bei weitem am häufigsten gebrauchte Suchtmittel (19). Dem süchtigen Arzt drohen früher oder später approbations- rechtliche Konsequenzen, seine be- rufliche Existenz steht auf dem Spiel.

In Kenntnis dieser Problematik muß

es eine Ärztekammer zu ihren Aufga- ben zählen, alle Möglichkeiten der Prävention und der Hilfe im konkre- ten Einzelfall zu nutzen.

Die Ärztekammer Hamburg hat sich vor einigen Jahren mit einer In- formationsschrift an ihre Kammermit- glieder gewandt, um Gefährdete di- rekt anzusprechen. Es geht darum, so früh wie möglich Wege für eine quali- fizierte Entzugs- und Entwöhnungs- behandlung aufzuzeigen und über Ko- stenübernahme durch die Ärztever- sorgung und/oder eine private Kran- kenversicherung zu informieren.

Unsere Erfahrungen zeigen, daß eine frühzeitige, offene und entschie- dene Intervention der Kammer die Therapiebereitschaft Betroffener günstig beeinflussen kann.

Die Motivation für eine stationä- re Entzugs- und Entwöhnungsbe- handlung wird nach unseren Erfah- rungen zudem dadurch positiv beein- flußt, daß die Kammer auf einige Fachkliniken ver- weisen kann, die sich in besonderem Maß auf die Behandlung von Ärzten und anderen Personen vergleichbarer Berufe spezialisiert haben. Die umfassende und intensive ärztliche und psychothera- peutische Betreuung und Nachsorge ermöglicht in diesen Einrichtungen eine erfolgreiche Kurzzeitthe- rapie von sechs bis acht Wochen, was vor allem den Wünschen und der Realität der freiberuflich Tätigen entgegenkommt Aus den Erfahrungsbe- richten erhielt die Kammer eine er- staunlich positive Rückmeldung.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1995; 92: A-3305-3306 [Heft 47]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, an- zufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfassen

Dr. med. Bernhard Mäulen Chefarzt der Oberberg-Klinik Oberberg 1

78132 Hornberg A-3306 (36) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 47, 24. November 1995

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