Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 44⏐⏐3. November 2006 A2955
M E D I Z I N
Sehnervkontrolle bei Migränepatienten
Leider findet man keinen Bezug zwischen Migräne und Augeninnendruck. Migränepatienten sind aufgrund möglicher schlechter okulärer Perfusion Risikopatien- ten für die Entstehung eines Glaukoms ohne Hoch- druck (Normaldruckglaukom). Deshalb kann auch die Gabe eines Betablockers nicht nur einer nächtlichen Hypertonie vorbeugen, sondern durch die Blutdruckab- senkung zu einer schlechteren okulären Durchblutung führen. Regelmäßige Kontrollen des Sehnervs sollten deshalb bei jedem Migränepatienten vorgenommen werden.Johannes Staab Markt 9, 49324 Melle
Ergänzungen erforderlich
Bedauerlicherweise sind in der Tabelle 4 einige Fehler:
Eine Herzinsuffizienz ist eindeutig eine Indikation für und keine Kontraindikation gegen den Einsatz eines Betablockers. Ein Diabetes kann nach umfangreichen Metaanalysen auch nicht mehr zu den relativen Kontra- indikationen gezählt werden.
Betablocker in niedriger Dosis können gerade zur symptomatischen Behandlung einer orthostatischen Dysregulation eingesetzt werden – auch hier ist die Kontraindikation infrage zu stellen. Schließlich ist das Asthma bronchiale allenfalls als relative Kontraindika- tion zu nennen. Wenn ein Asthmatiker einen Beta- blocker verträgt, sollte er bei entsprechender Indikation damit behandelt werden.
Günther Egidi Huchtinger Heerstraße 41 28259 Bremen
Arzneiverordnungen in Schwangerschaft und Stillzeit
Obwohl es seit 1988 dazu die entsprechende Fachlitera- tur gibt, werden immer wieder Fehlinformationen wei- tergegeben, wenn es um die Verordnung von Arznei- mitteln in Schwangerschaft und Stillzeit geht. Das Ber- liner Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie berät bei Fragen zu Risiken und Nebenwirkungen von Medikamenten (Beratungsstel- le für Embryonaltoxikologie, Spandauer Damm 130, 14050 Berlin, Telefon: 0 30/30 30 81-11). Dadurch wird ein ungerechtfertigtes Abstillen oder Vorenthalten einer Therapie oder auch mangelnder Compliance aus über- triebener Sorge vor Arzneimittelrisiken entgegenge- wirkt. Insbesondere in der Stillzeit müssen manche Ärzte daran erinnert werden, dass sich die Verordnung
eines Arzneimittels – auch wie im Artikel bei Migräne – primär am gestillten Kind orientieren muss und die Ro- te Liste nicht das wissenschaftliche Nachschlagewerk dafür ist. Alle, die Schwangere, Säuglinge und Stillen- de behandeln, sollten deshalb das Buch von Schaefer et al. (1) in ihrer Praxis haben, um das Mittel der Wahl heraussuchen zu können. Es ist mittlerweile in der 6.
Auflage erschienen.
LITERATUR
1. Schaefer C, Spielmann H, Vetter K: Arzneiverordnung in Schwanger- schaft und Stillzeit, 6. Auflage, München: Urban und Fischer; 2006
Dipl.-Med. Gudrun von der Ohe Niflandring 8, 22559 Hamburg E-Mail: postfach@stillberatung.info www.stillberatung.info
Schlusswort
Der Beitrag hatte eine überwältigende Resonanz und ich danke für die vielfältigen Hinweise der Kollegen. Die Be- handlung von primären Kopfschmerzsyndromen, beson- ders der Migräne, erfordert einen multidimensionalen und interdisziplinären Ansatz. Das ist der Grund, warum Kopfschmerzambulanzen neben der engen Kooperation mit den Schmerzambulanzen auch immer mit allen ande- ren Disziplinen zusammenarbeiten (1). Jeglicher Kopf- schmerzpatient sollte auch vom Augenarzt gesehen wer- den, wenn die Differenzialdiagnose Erkrankungen des Auges einschließen. Dasselbe gilt natürlich auch für zahnärztliche und HNO-ärztliche Mitbehandlung. Oft muss man bei sekundären Kopfschmerzsyndromen mit nephrologischen, endokrinologischen, kardiologischen, gynäkologischen und anderen Spezialdisziplinen zusam- menarbeiten, um dem Patienten gerecht zu werden. Wich- tig ist herauszustreichen, dass Migränepatienten auf viele Substanzen besonders sensitiv ansprechen, was man an den Nebenwirkungen der Migränestudien sieht. So be- steht häufig eine orthostatische Dysregulation, die durch Betablocker plötzlich klinisch relevant wird. Migränepa- tienten reagieren auch auf die Gabe von Antiepileptika anders als Epilepsiepatienten, was eine auf Migränepati- enten zugeschnittene Fachinformation des Präparates To- piramat zur Folge hatte. Aus diesen und anderen Gründen rät die neurologische Fachgesellschaft in den aktuellen Leitlinien (2) sich bei Migränepatienten, die zusätzlich an Asthma, Hypotonie oder Diabetes leiden, für eine Alter- nativmedikation zu Betablockern zu entscheiden, wenn hierfür Gründe vorliegen.
Glücklicherweise gibt es flexible und wirkungsvolle therapeutische Alternativen. Es wäre ideal, wenn klini- sche Entscheidungen bezüglich der Behandlung von Migränepatienten auf der Basis von drei Parametern be- ruhen: der kritischen Bewertung von wissenschaftlicher Evidenz, dem klinischen Wissen über den individuellen Patienten und natürlich der persönlichen Präferenz des Patienten (3). In diesem Zusammenhang sei darauf hin- zu dem Beitrag
Diagnostik und moderne Therapie der Migräne
von PD Dr. med. Arne May in Heft 17/2006
DISKUSSION
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gewiesen, dass fehlende Patientencompliance ein we- sentlicher Faktor für unwirtschaftliche Therapien dar- stellen dürfte. Ein Ziel künftiger Studien sollte es daher sein, die komplexen Zusammenhänge zwischen der The- rapieakzeptanz seitens der Patienten und einer wissen- schaftlich fundierten Therapie weiter zu ergründen und sinnvoll zu verknüpfen (4).
LITERATUR
1. Goadsby PJ, Lipton RB, Ferrari MD: Migraine – current understanding and treatment. N Engl J Med 2002; 346: 257–70.
2. Diener H: Therapie der Migräneattacke und Migräneprophylaxe.
In: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. New York, Thieme Verlag 2005; 494–507.
3. Leinisch-Dahlke E, Akova-Ozturk E, Bertheau U, Isberner I, Evers S, May A: Patient preference in clinical trials for headache medication:
the patient's view. Cephalalgia 2004; 24: 347–55.
4. May A: Editorial – Die Zukunft der Kopfschmerzen. Schmerz 2004;
18: 349–50.
PD Dr. med. Arne May
Institut für systemische Neurowissenschaften Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf Martinistraße 52
20246 Hamburg
Interessenkonflikt
PD May wird durch Drittmittel unterstützt oder erhält Gelder für Vortragstätig- keiten von MSD, Glaxo, Almirall, Janssen, Berlin Chemie, AstraZeneca und Pfizer. Die anderen Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors be- steht.
Regel und übliches Vorgehen
Die Gruppe um Vennemann bestätigt örtlich verschie- dene Erfassungen von Suizidraten in fünf Gesund- heitsämtern. Die Auswahl der Ämter (Losverfahren) beziehungsweise die Selektionsmechanismen nach der Auswahl (abgelehnte Teilnahme) sollten ergänzt wer- den. Die Halbierung der Suizidmeldungen in den Ge- meinden C bis E mit mehr als 100 000 Einwohnern sollte in den Gesundheitsämtern zu einer Reflexion und Datenrecherche geführt haben. Vennemann et al.
belegen, dass einfache Maßnahmen, wie die Einsicht- nahme in den Totenschein, die Schwundquote klären können.
In der Tabelle 1 wurde eine „inverse Beziehung zwischen [den Suizidraten und den Raten unklarer Todesfälle] am Beispiel des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen für die Jahre 1998 bis 2002“ diskutiert. Hier wurde eine lineare Korrelation ermittelt (1998 bis 2002: y = -5,63-mal 75,1; R2 = 0,68 und 1999 bis 2002: y = -30,59-mal 204,8; R2 = 0,93). Nur ein linearer Zusammenhang, wie er in den amtlichen Daten gefunden wird, kann invers und im fachlichen Sinne reziprok sein. Ab 1999 nimmt die Korrelation hinsichtlich der zuneh- menden Suizidraten bei abnehmenden unklaren To- desursachen zu.
Eine Änderung der Handhabung der Erfassung von 1999 gegenüber 1998 sollte recherchiert werden. Die Klassifizierung von Todesursachen nach ICD-10-GM unterlag in den Jahren 1999 bis 2006 auch veränderten Handhabungen. Es sei daran erinnert, dass das Sozial- gesetzbuch V die Anwendung des ICD-10 der WHO in der Bundesrepublik Deutschland einschränkt. Darüber hinaus wurden weitere Codes in den öffentlich zu- gänglichen Dateien und Druckwerken ausgegliedert.
Neben der erheblich differierenden Zahl der Meldung von Todesursachen sollte auch recherchiert werden, ob in einigen Zeiträumen unterschiedliche Regeln für die Kodierung galten. Gesundheitsindikatoren müssen ver- sagen, wenn Meldungen von Krankheiten und Ver- dachtsfällen durch örtliche Ämter anderen Kategorien zugeordnet werden.
Dr. med. Martin P. Wedig Roonstraße 86, 44628 Herne
Alle Informationen verfügbar
Die Autoren erwähnen mehrfach, dass auf den von den Gesundheitsämtern in NRW an das Landesamt für Da- tenverarbeitung und Statistik NRW (LDS NRW) weiter- geleiteten Todesbescheinigungen das Textfeld für die
„Epikrise“ geschwärzt sei und somit dem LDS NRW wichtige Informationen für die korrekte Kodierung nicht zugänglich seien. Diese Information stimmt nicht. Eine Schwärzung des Textfeldes „Epikrise“ findet nicht statt, somit ist der volle Informationsgehalt im LDS jederzeit einsehbar und für die Kodierung verwendbar. Im Weite- ren wird im Artikel an zwei Stellen der Eindruck er- weckt, dass das Landesamt für den öffentlichen Gesund- heitsdienst (LÖGD) die Todesursachenstatistik erstellt, was aber ausschließlich durch das Landesamt für Daten- verarbeitung und Statistik NRW (LDS NRW) geschieht.
Außerdem berichten die Autoren, dass für 2004 noch keine Zahlen aus dem LDS NRW vorlägen; dies ist aber seit Januar 2006 der Fall und bei Abfassung, Revision und Veröffentlichung des Artikels hätte dies beachtet werden können.
Hans Jürgen Treeck
Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik NRW Referat Gesundheit Soziales Rechtspflege Postfach 101105, 40002 Düsseldorf Torsten Schelhase
Statistisches Bundesamt Zweigstelle Bonn
Gruppe VIII A – Gesundheitsstatistiken Postfach 170377, 53029 Bonn Orlando Özer
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information Arbeitsgruppe Medizinische Klassifikationen
Waisenhausgasse 36–38 a, 50676 Köln
zu dem Beitrag
Unterschätzte Suizidraten durch unterschiedliche Erfassung in Gesundheitsämtern
von Prof. Dr. med. Klaus Berger MPH, MSc, PD Dr. phil. Dirk Richter, PD Dr. med. Bernhard T. Baune in Heft 18/2006