• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Die Komplikationen des legalen Schwangerschaftsabbruches in der Bundesrepublik Deutschland" (19.02.1982)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Die Komplikationen des legalen Schwangerschaftsabbruches in der Bundesrepublik Deutschland" (19.02.1982)"

Copied!
6
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Aktuelle Medizin

Heft 7 vom 19. Februar 1982

Die Komplikationen des legalen Schwangerschaftsabbruches

in der Bundesrepublik Deutschland

Ergebnisse einer retrospektiven Studie

Hans Harald Bräutigam und Heinz Kirchhoff

Die öffentliche Diskussion um die Probleme, die mit dem re- formierten § 218 verbunden sind, hat bislang nicht mit aus- reichender Deutlichkeit die Tatsache berücksichtigt, daß neben den Frühkomplikatio- nen des Eingriffes auch Spät- komplikationen das Schicksal nachfolgender gewünschter Schwangerschaften belasten können. Dabei ist das Auftre- ten der Spätkomplikationen weniger von den Methoden des Abbruches als vom Zeit- punkt des Abbruches abhän- gig. In der Beratung vor dem Schwangerschaftsabbruch sollte daher auf das mögliche Auftreten von frühen oder späten Komplikationen mit Nachdruck hingewiesen wer- den. Es ist nicht nur eine ärzt- liche Aufgabe, die Probleme des legalen Schwanger- schaftsabbruches in der Öf- fentlichkeit bewußt zu ma- chen. Auch der Gesetzgeber sollte darauf hinweisen, daß Schwangerschaftsabbrüche nur bis zu einem Zeitpunkt vorgenommen werden sollten, der erwarten läßt, daß die Ge- sundheit und das spätere Schicksal der Frauen weniger gefährdet sind, als dies zur Zeit noch der Fall ist.

Seit der Reform des § 218 ist es erst- mals möglich, über Komplikationen des legalen Schwangerschaftsab- bruches nicht nur Vermutungen zu äußern oder unkontrollierbare aus- ländische Statistiken als Belegquel- len heranzuziehen, sondern mit eini- germaßen zuverlässigen Daten in ei- ne sachliche Diskussion der Proble- me, die mit dem legalen Abbruch verknüpft sind, erneut einzutreten.

Gewiß schließt das nicht aus, daß auch die jetzt vorhandenen Zahlen über Komplikationsarten und Häu- figkeiten kritisch gewürdigt werden müssen.

Der vom Gesetzgeber angeordneten Meldepraxis scheinen jedenfalls in den ersten zwei Jahren nach der Re- form des § 218 StGB leider nicht alle Ärzte, die in Praxen oder Kranken- häusern einen Schwangerschaftsab- bruch durchführten, nachgekom- men zu sein. Nach den Untersu- chungen von Koller muß angenom- men werden, daß die vom Statisti- schen Bundesamt publizierten Zah- len über die Vornahme von Schwan- gerschaftsabbrüchen gewiß eine sehr deutliche Untererfassung die- ser Eingriffe bedeuten. Es ist mit Koller anzunehmen, daß in der Bun- desrepublik Deutschland jährlich et- wa 140 000 Schwangerschaftsab- brüche durchgeführt werden. In der Tabelle 1 ist die Aufschlüsselung nach einzelnen Indikationen vorge- nommen worden. Die Verände-

rungsquoten sind bei den einzelnen Indikationen deutlich erkennbar.

Der Abbruch, auch nach der soge- nannten Notlagenindikation, hat sehr deutlich zugenommen. Diese Feststellung gilt es zu bedenken, denn Komplikationen, die aus einer zur Heilung erforderlichen Behand- lung herrühren, sind anders zu beur- teilen als früh oder spät eintretende Nebenwirkungen eines Eingriffes, dessen Indikation durchaus nicht so einheitlich beurteilt wird.

Aus Gründen der internationalen Vergleichbarkeit scheint es vernünf- tig, eine jetzt allgemein anerkannte Definition der Kdmplikationen des Schwangerschaftsabbruches zur Grundlage diesbezüglicher Diskus- sionen zu machen. Unter Frühkom- plikationen werden alle Nebenwir- kungen des Schwangerschaftsab- bruches verstanden, die primär beim Eingriff oder in den ersten 24 Stun- den danach auftreten. Dies sind im allgemeinen die Komplikationen, die von dem den Abbruch durchführen- den Arzt dem Statistischen Bundes- amt mitgeteilt werden.

Dennoch enthält schon diese Zahl eine nicht unbeträchtliche Dunkel- ziffer. Ein nicht geringer Teil der Schwangerschaftsabbrüche wird ambulant vorgenommen. Diese Frauen sieht der Gynäkologe aber nur während des Eingriffes. Diese sekundären Frühkomplikationen, Ausgabe

A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 7 vom 19. Februar 1982

33

(2)

Indikation Anzahl Prozent Verände- aller Abbrüche rungsquote

1977 1978 1979 1977 1978 1979 1977/1979

allgemein-

medizinische 15 756 16 872 17 261 29,0 22,9 20,8 + 9,5

psychiatrische 4 171 3 686 2 802 7,7 5,0 3,4 — 32,8

eugenische 2 348 2 731 3 162 4,3 3,7 3,8 + 34,5

79 104 101 0,1 0,1 0,1 + 27,8 ethische

Notlage 31 358 49 252 58 412 57,7 67,0 70,6 + 86,3

unbekannt 597 903 1 050 1,1 1,3 1,3 + 75,9

(--) Quelle: Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Abteilung Vll D

Zahl der

gemeldeten Komplikationen Prozent Abbrüche

I Bundesstatistik 54 309 2 512*) 4,63

II Hochrechnung Studie

Bräutigam/Koller

54 309 4 221 7,77

I + II Gesamt 54 309 6 733 12,40

') darunter 8 Todesfälle

Tabelle 1: Häufigkeit der Indikationen in der Bundesrepublik Deutschland 1977 bis 1979 mit Angaben der absoluten Zahlen, Prozentangaben und Veränderungsquoten im Hundertsatz (+)

Da auch heute noch festgestellt wer- den muß, daß die Ärzte ihren gesetz- lichen Verpflichtungen, Schwanger- schaftsabbrüche zu melden, aus vielerlei Gründen nicht mit der ge- wünschten Vollständigkeit nach- kommen, führten Bräutigam und Koller im Jahre 1978 eine Pilotstudie im Bundesgebiet durch. Das Ziel war, auch jene Komplikationen zu erfassen, die der Beobachtung und Meldung des den Abbruch vorneh- menden Arztes entgehen. Wir haben in Tabelle 2, die wir der Publikation von Bräutigam und Koller entnom- men haben, den primären Frühkom- plikationen, wie sie das Statistische Bundesamt publiziert hat, noch jene Frühkomplikationen zugefügt, die für das Jahr 1977 auf dem Wege einer Hochrechnung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland von den Autoren ermittelt wurden.

Wir haben an anderer Stelle darauf hingewiesen, daß bislang die Unter- lagen über das Auftreten von Spät- komplikationen, vornehmlich im Hinblick auf spätere gewünschte Schwangerschaften, völlig unzurei- chend sind. Das ist nicht verwunder- lich, da Untersuchungen in einem größeren Ausmaß aus den verschie- densten Gründen nur sehr selten möglich sind. Bislang liegt nur eine zuverlässige Studie von Susan Har- Tabelle 2: Komplikationen des legalen Schwangerschaftsabbruches in der Bundesre- lap aus der Kaiser-Permanente-

publik Deutschland 1977 Foundation in Kalifornien vor. Auch

34 Heft 7 vom 19. Februar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZ'I'EBLATT Ausgabe A/B

die bei weitem häufigsten und fol- genschweren Komplikationen treten oft erst Tage nach dem Eingriff auf und entgehen auch häufig der Erfas- sung durch das Statistische Bundes- amt. Überhaupt nicht erfaßt werden die Spätkomplikationen des Eingrif- fes, von Kirchhoff auch als latente Komplikationen bezeichnet, die erst bei einer nachfolgenden Schwan- gerschaft Krankheitswert erhalten.

Die können sein: Zervixnarben mit nachfolgender Zervixinsuffizienz und häufig Komplikationen durch die unterbliebene Rhesusprophyla- xe bei Schwangerschaftsabbrüchen rhesusnegativer Frauen (Kirchhoff).

Pilotstudie zur Erfassung sekundärer Frühkomplikationen

(3)

ist in diesem Zusammenhang die Feststellung wichtig, daß latente Spätkomplikationen des Schwan- gerschaftsabbruches häufig nur dann aus ihrer Latenz gleichsam heraustreten, wenn später eine viel- leicht gewünschte Schwangerschaft auftritt.

Von Bräutigam wurde in Erkenntnis der Erfassungsschwierigkeiten der Versuch unternommen, auf dem We- ge einer sogenannten retrospekti- ven Fallstudie unsere bislang sehr lückenhaften Kenntnisse über die möglichen Spätkomplikationen le- galer Schwangerschaftsabbrüche in der Bundesrepublik Deutschland zu erweitern. Mit dem statistischen Instrumentarium einer sogenann- ten geschichteten Zufallsstichprobe wurden leitende Ärzte einer ausrei- chend großen Zahl geburtshilflieh- gynäkologischer Fachabteilungen und Frauenkliniken, verstreut über das ganze Gebiet der Bundesrepu- blik Deutschland, zur Teilnahme an einer Studie gebeten, die das Ziel hatte, für einen begrenzten Zeitraum das Auftreten von Störungen einer Schwangerschaft zu ermitteln.

Im einzelnen wurde hierbei gefahn- det nach dem Vorliegen von

~ Extrauterinschwangerschaften

~ Spätaborten

~ Zervixinsuffizienzen ..,.. drohenden Frühgeburten

~ Blutungen in der Schwanger- schaft

..,.. Blutungen in der Plazentarperio- de

~ Dystrophie des geborenen Kin- des.

Patientinnen, die diese Störungen aufwiesen, wurden als sogenanntes Problemkollektiv einer gleichgroßen Anzahl von Frauen gegenüberge- stellt, die unmittelbar nach den so- genannten Problempatientinnen zur stationären Aufnahme in die betei- ligten Kliniken kamen. Die Zuord-

Erkrankte Patientinne,n Gesunde Patientinnen (Problem kollektiv) (Vergleichskollektiv)

Mit Abbruch 21,6 7,5

Ohne Abbruch 78A 92,5

n. = 670 n = 668

p < 0,001

Tabelle 3: Häufigkeit anamnestischer legaler Schwangerschaftsabbrüche bei geburts- hilflichen Erkrankungen

nung vom Vergleichskollektiv zum Problemkollektiv ist daher im stati- stischen Sinne als rein zufällig zu betrachten. in beiden Kollektiven wurde nach der Vornahme eines le-

.galen Schwangerschaftsabbruchs

gefragt.

Bei der Auswertung dieser Ergebnis- se konnten folgende Feststellungen getroffen werden:

0

Im Problemkollektiv, also jener Patientengruppe, die mit Störungen einer Schwangerschaft zur Aufnah- me kam, waren legale Schwanger- schaftsabbrüche in der Vorge- schichte häufiger als in der Gruppe der Patientinnen des Vergleichskol- lektivs. Diese Ergebnisse sind auf dem 1-Prozent-Niveau statistisch ge- sichert (Tabelle 3).

f) Bei der Differenzierung nach Art der beobachteten Komplikationen ist festzustellen, daß in jeder der Komplikationsgruppen mit Bauch- höhlenschwangerschaften, Spätab- orten, Zervixinsuffizienzen oder dro- henden Frühgeburten häufiger ein legaler Schwangerschaftsabbruch in der Anamnese angegeben wurde

als im Vergleichskollektiv.

Ähnliches gilt auch für die Kompli-

kationsgruppen mit Blutungen in

der Schwangerschaft, Blutungen in der Plazentarperiode oder der Ge-

burt eines dystrophen Kindes. Die Darstellungen 1 und 2 machen dies deutlich.

ln der Literatur wird häufig die Auf- fassung vertreten, daß die Methode der Uterusentleerung beim Schwan- gerschaftsabbruch das Entstehen von Komplikationen deutlich beein- flußt. So wird allgemein die Vermu- tung geäußert, daß die Saugabrasio schonender und seltener mit Kom- plikationen belastet sei als die Abra- sio mit der Curette.

Aus den vorliegenden Untersuchun- gen kann diese Vermutung nicht be- stätigt werden. Aus unserem Mate- rial glauben wir indes entnehmen zu können, daß der Spätabort bei der Dilatation und Curettage etwas häu- figer zu befürchten ist als bei einem Schwangerschaftsabbruch durch Saugabrasio. Auffallend scheint, daß nach einer Saugabrasio eine Ex- trauterinschwangerschaft häufiger zu erwarten ist als nach der Durch- führung einer konventionellen Abra- sio mit Curette. Diese Feststellung bestätigt die von uns 1976 geäußerte Vermutung, daß eine partielle Irrita- tion des Tubenlumens gerade bei der Saugabrasio zu erwarten sei, da hierbei Endometrium und Plazenta- reste auch in die Tube hineingepreßt würden und dies das spätere Auftre- ten von Bauchhöhlenschwanger- schaften begünstige. in der von uns Ausgabe AlB

DEUTSCHES ARZTEBLATT

79. Jahrgang Heft 7 vom 19. Februar 1982 35

(4)

Vergleichs- kollektiv

K VA

92,9 7,1 (+) : p 0,01 (++) : p 0,05

Blutungen in der Schwan- gerschaft

(++)

86,1 13,9

Blutungen in Dystrophie der Placen- des Kindes

tarperiode

(+)

82,2 17,8 86,8 13,2

=2 mit Abbruch

• ohne Abbruch

Darstellung 1: Häufigkeit eines voraufgegangenen Schwangerschaftsabbruches in den Komplikationsgruppen mit Extrauteringravidität, Spätabort, Zervixinsuffizienz oder drohender Frühgeburt und im Vergleichskollektiv in Prozentangaben

(+)

Spätabort Cervixin- suffizienz

(+)

92,9 7,1 73,3 26,7 69,0 31,0 79,8 20,2 77,0 23,0 (+) : p < 0,001

,SEM• mit Abbruch

• ohne Abbruch Vergleichs-

kollektiv

Extrauteri n- gravidität

(+)

drohende Frühgeburt

(+)

Darstellung 2: Häufigkeit eines voraufgegangenen Schwangerschaftsabbruches in den Komplikationsgruppen mit Blutungen in der Schwangerschaft, Blutungen in der Plazentarperiode oder Dystrophie des Kindes und im Vergleichskollektiv in Prozent- angaben

publizierten Studie wird auch sehr eingehend auf sogenannte Variable für das Auftreten späterer Störun- gen einer Schwangerschaft hinge- wiesen und dargelegt, daß auch vor- aufgegangene spontane Fehlgebur- ten, Lebendgeburten, gynäkologi- sche Erkrankungen und Operatio- nen oder interne Erkrankungen nicht einen so deutlich statistisch

nachweisbaren Einfluß auf das Auf- treten von Schwangerschaftsstörun- gen haben wie der Schwanger- schaftsabbruch überhaupt. Sehr viel deutlicher noch als die sogenannten konkurrierenden Faktoren für den Ausgang einer Schwangerschaft wirkt sich der Einfluß des Gesta- tionsalters zum Zeitpunkt des lega- len Schwangerschaftsabbruches aus.

Auch Tyler und Tietze können unab- hängig voneinander an dem ihnen in den Vereinigten Staaten zur Verfü- gung stehenden Material nachwei- sen, daß die Morbidität der verschie- denen Verfahren des Schwanger- schaftsabbruches sich weniger deutlich auswirkt als das Gestations- alter beim Schwangerschaftsab- bruch (Darstellung 3).

Diese Feststellung können wir auch für das Auftreten von Spätkomplika- tionen treffen. Tabelle 4 läßt erken- nen, daß bei einem Schwanger- schaftsabbruch bis zur achten Wo- che der Anteil der Summe aller Kom- plikationen fast 64 Prozent beträgt und dieser sich auf rund 82 Prozent erhöht, wenn der Schwanger- schaftsabbruch nach der achten Schwangerschaftswoche stattfand.

Werden die einzelnen Komplika- tionsformen im Problemkollektiv der Studie ermittelt und in Abhängigkeit zum Gestationsalter, in dem der Schwangerschaftsabbruch durch- geführt wurde, in Beziehung ge- setzt, so ergeben sich sehr bemer- kenswerte Unterschiede (Tabelle 5).

Ein deutlicher Einschnitt findet sich nach der neunten Schwanger- schaftswoche. Die Komplikations- häufigkeit eines Abbruches in der sechsten bis achten Woche ist deut- lich geringer als in der neunten Wo- che. Für die Zervixinsuffizienz und die Spätaborte sind diese Unter- schiede besonders deutlich. Offen- sichtlich spielt die Dilatation, die zur Entleerung der Gebärmutter not- wendig ist, eine sehr viel größere Rolle als die Art der Uterusentlee- rung überhaupt. Ähnliches, wenn auch nicht ganz so deutlich, gilt auch für die Entstehung drohender Frühgeburten. Die schon erwähnte Studie von Susan Harlap aus Kalifor- nien kommt zu der gleichen Fest- stellung.

Renaissance

der Erythroblastose durch legale Schwangerschaftsabbrüche?

In der jetzt vorliegenden Auswer- tung der Pilotstudie über die mögli- chen, bei nachfolgenden Graviditä- 36 Heft 7 vom 19. Februar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

(5)

501 Gesamtzahl der Komplikationen

1

1 1 1 1 1 1 1

6 8 10 12 14 1 16 1 18 20 22 24 Schwangerschaftsdauer in Wochen

3 Schwere Komplikationen

.01.1 .11111. MIK

2

I>

1

6 8 10 12 1 14 1 16 1 18 210 2224 Schwangerschaftsdauer in Wochen 0

Alle Patienten

«AMI 11.1f IHM Patienten mit nachgehender

Untersuchung 45 4

40 35 30 25

Anzahl auf 100 Patienten Anzahl auf 100 Patienten 20 15 10 5 0

Darstellung 3: Komplikationsrate nach Schwangerschaftsabbruch in Abhängigkeit vom Gestationsalter (lnduced abortion 1979, A Population Council Fact Bock) ten und Geburten eintretenden

Komplikationen konnte ein Punkt nicht miterfaßt werden, der aber we- gen seiner noch keineswegs allge- mein erkannten, aber praktischen Gewichtigkeit in Stichworten ange- führt werden muß. Gemeint ist die gefürchtete „Renaissance der Ery- throblastose", die erfreulicherweise durch die lückenlose postpartale Anwendung von Anti-D-Prophylaxe bei Rh-negativen Müttern fast völlig verschwunden ist.

Es geht jetzt um die Immunisierung der Rh-negativen Mütter durch Rh- positive Früchte beim Schwanger- schaftsabbruch.

Da bei zehn Prozent aller Schwan- gerschaften die Konstellation — Mut- ter Rh-negativ, Kind Rh-positiv — ge- funden wird und damit die Gefahr gegeben ist, daß fünf Prozent dieser Kinder an einer Erythroblastose er- kranken, ist man verpflichtet, insbe- sondere bei der starken Zunahme der legalen Schwangerschaftsab- brüche, mehr als bisher diese ge- wichtige Problematik auch auf den umfangreichen Teilaspekt der Fehl- geburten, insbesondere der Interrup- tiones, auszudehnen. Zugegeben, daß noch manche Unsicherheiten und Unklarheiten im Rahmen der Frühschwangerschaft auf eine exak- te Klärung warten und daher man- cherortes die obligate Prophylaxe in der frühen Phase der Gravidität noch nicht für notwendig erachtet wird.

Die modernen Forschungsergebnis- se erlauben, praxisnahe Richtlinien für unser zukünftiges Vorgehen auf- zuzeigen, und zwar bedingt durch folgende Punkte:

• Schon ein ein bis zwei Zentime- ter langer Embryo besitzt lebensfä- hige Erythrozyten.

O Schon ab der fünften Schwan- gerschaftswoche ist beim Foet das Antigen-D als der Rhesus-Faktor nachzuweisen.

(;)

Zu diesem frühen Zeitpunkt tre- ten durch feto-maternale Transfu- sionen Rh-positive Erythrozyten in den mütterlichen Kreislauf.

43

Das D-Antigen kann schon im er- sten Trimenon bei einer Rh-negati- ven Mutter die Antikörperbildung auslösen. Im Schrifttum wird pau- schal angegeben in fünf bis 10 Pro- zent.

O Die Antikörperbildung bei der Mutter geht parallel mit der einge- schwemmten Erythrozytenzahl. Die Menge der eingeschwemmten kind- lichen roten Blutkörperchen hängt ab vom Alter der Gravidität.

()

Die Nachuntersuchung von Rh- negativen Müttern nach Aborten

und Interruptiones ergab, daß etwa drei bis vier Prozent dieser Frauen, die nicht prophylaktisch behandelt wurden, durch das Geschehen in der Frühgravidität immunisiert wur- de, also Antikörper besaßen.

In der Bundesrepublik Deutschland sind bislang Frühkomplikationen häufiger zu beobachten als in eini- gen anderen Ländern. Der legale Schwangerschaftsabbruch kann deutlich das Schicksal nachfolgen- der Schwangerschaften im Sinne von Spätkomplikationen beein- flussen.

Ausgabe A/B

DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 7 vom 19. Februar 1982 37

(6)

bis zur 8. Schwanger- schaftswoche

nach der 8. Schwanger- schaftswoche Gestationsalter

Anteil der Summe

aller Komplikationen 63,8 82,9

ohne

Komplikationen 36,2 17,1

N= 58 117

p < 0,01

6. bis 8.

Schwanger- schafts-

woche

9. bis 12.

Schwanger- schafts-

woche

> 12.

Schwanger- schafts-

woche

unbekannte Schwanger- schafts-

woche Gestationsalter

Extrauterin-

gravidität 3,4 5,4

Spätabort Zervixinsuffizienz

12,1 8,6

n = 58

17,0 22,3

n = 112

40,0 40,0

n = 5

15,0 10,0

n = 20 Drohende

Frühgeburt Blutungen in der Schwangerschaft Blutungen in der Plazentarperiode Dystroph ie des Kindes keine

Komplikationen

19,0 23,1 15,0

3,4 2,7 20,0 5,0

5,2 3,6 5,0

12,1 8,0 5,0

36,2 17,9 45,0

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Komplikationen nach Schwangerschaftsabbruch

Tabelle 4: Verteilung der Summe aller Spätkomplikationen des legalen Schwanger- schaftsabbruches in Abhängigkeit vom Gestationsalter, ermittelt in Prozentangaben vom Gesamtkollektiv

Tabelle 5: Häufigkeit von Komplikationen im Gesamtkollektiv in Abhängigkeit vom Gestationsalter in Prozentangaben

Dabei ist das Auftreten dieser Spät- komplikationen weniger von den Methoden des Abbruches als vom Zeitpunkt des Abbruches abhängig.

In der Beratung vor dem Schwan- gerschaftsabbruch sollte daher auf das mögliche Auftreten von frühen oder späten Komplikationen mit Nachdruck hingewiesen werden. Es ist eine ärztliche Aufgabe, die Pro- bleme des legalen Schwanger- schaftsabbruches auch in der Öf- fentlichkeit bewußt zu machen. Wir haben genügend Gründe, uns jetzt auf unsere eigenen Erfahrungen mit dem Schwangerschaftsabbruch zu verlassen.

Der Gesetzgeber vertritt die Auffas- sung, daß das 15. Strafrechtsände- rungsgesetz eine notwendige Form des § 218 StGB darstelle. Der Ge- setzgeber, so erscheint es jeden- falls, sollte dann aber auch darauf hinweisen, daß Schwangerschafts- abbrüche nur bis zu einem Zeitpunkt vorgenommen werden sollten, der erwarten läßt, daß die Gesundheit und das spätere Schicksal der Frau- en, die sich einem Schwanger- schaftsabbruch unterziehen, weni- ger gefährdet ist, als dies noch zur Zeit der Fall ist.

Literatur

Bräutigam, H. H.; Koller, 5.: Statistische Erhe- bung über Komplikationen nach Schwan- gerschaftsabbruch in der Bundesrepublik Deutschland, Arch. of Gyn. 228 (1979) 344-348 - Bräutigam. H. H.: Referat bei der 43. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Hamburg (1980)- Kirchhoff, H.: Komplikationen bei Schwangerschaftsun- terbrechungen, Wien. med. Wschr. 126 (1979) 696-699 - Tietze, C.: Induced abortion: 1979 Third edition, A population council fact book.

The population council, New York, 77 (1979)

Anschriften der Verfasser:

Dr. med. Hans Harald Bräutigam Chefarzt der Frauenklinik des Marienkrankenhauses Alfredstraße 9

2000 Hamburg 76

Professor Dr. med. Heinz Kirchhoff Universitäts-Frauenklinik

Göttingen

Privat: Ernst-Curtius-Weg 11 3400 Göttingen

38 Heft 7 vom 19. Februar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Gemeinden einen Wert von etwa 3%. b) Um eine moglichst gleichmafiige Streuung der Untersuchungseinheiten iiber die Bundesrepublik Deutschland zu erreichen, wurden die

Die Station Feldberg im Taunus und mehrere Be- obachtungsstationen auf Vogelsberg, Spessart und Rhön verzeichnen eine mittlere jährliche Nieder- schlagshöhe über 1000 mm; aber

steht im Widerspruch zu den Dar- stellungen in einer gewissen Laien- presse, wonach beispielsweise der jahrzehntelange Genuß von Jog- hurt, Kefir oder Honig das Errei- chen

Dem stehen die möglichen Kompli- kationen einer unzureichend be- handelten oder unbehandelten Hy- pertonie gegenüber, aber auch die bekannten und vielleicht bisher noch

ähnlich wie bei den nachfolgend beschriebenen Feue- rungen für flüssige Brennstoffe, in fein zerteiltem Zu- stande und in inniger Berührung mit der Verbrennungs- luft in

ähnlich wie bei den nachfolgend beschriebenen Feue- rungen für flüssige Brennstoffe, in fein zerteiltem Zu- stande und in inniger Berührung mit der Verbrennungs- luft in

Obwohl die Pollen von Gräsern und Roggen sowie die wichtigsten Baum- und Unkräuterpollen in die Messungen einbezogen sind, muß bedacht werden, daß auch Pollen anderer Art in

Wenn die Bundesregierung glaub- haft bleiben wolle in ihren Bemü- hungen um eine Kostenminderung in der gesetzlichen Krankenversi- cherung, dann könne man die Festsetzung