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Archiv "Schwerfällige Verwaltung" (30.08.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen Gesundheitsbildung

kann seine Gesundheit sehr wohl auf Kosten anderer pflegen und er- halten. Nicht nur das: Anonyme, in- stitutionell begründete und aufok- troyierte Leistungsüberforderungen sind ebenfalls Störfaktoren der Ge- sundheit, die eine ernstliche Gefahr für die Gesellschaft in sich bergen.

Menschliches Zusammenleben be- darf daher zuallererst — wie in der Familie geübt — einer Elastizität und eines Gleichgewichtszustandes, den wir als „Fließgleichgewicht" (v. Ber- talanffy) bezeichnen können. Auch der Arbeitsprozeß verlangt nicht zu- letzt Sensibilität der miteinander kommunizierenden und kooperie- renden Menschen. Die blinde Kon- kurrenz, ein rücksichtsloses Überle- gensein um jeden Preis, jene Evolu- tionsmaxime des „survival of the fit- test" stellen die denkbar schlechte- sten Bedingungen dar für eine echte Krankheitsprophylaxe. Unsere Er- ziehungsinstitute, das heißt vor al- lem unsere Schulen, sind zur Zeit gar nicht darauf eingestellt, die not- wendigen Fähigkeiten und Grund- bedingungen menschlichen Zusam- menlebens zu üben, etwa zugunsten der Stabilisierung der Persönlich- keit.

Gesundheitserziehung befreit nicht von Eigenverantwortung

Um hier jedoch einem grundlegen- den Irrtum zu begegnen: Die Propa- gierung einer gesunden Lebensfüh- rung hat nichts mit einer Diffamie- rung der Leistungsfähigkeit zu tun.

Der Gesunde besitzt freilich eine ge- wisse Distanz zur Leistungsanforde- rung; er schätzt sie mehr oder weni- ger richtig ein; er überfordert sich nicht, das heißt er verfügt über eine gewisse ausgewogene Distanz zu sich selbst und damit auch zu seinen Leistungen und Leidenschaften.

Das wäre eine relativ einfache und den Alltagserfahrungen entspre- chende Rechnung, die sich ohne weiteres — gäben wir uns nur einige Mühe — bei jedem Menschen beglei- chen ließe. Schon das wäre ein Stück konkreter Krankheitsprophy-

laxe. Jedoch das Verlangen nach ei- nem Maß, die Überzeugung, daß ein solches Maß unserer selbsteigenen Lebensführung zugrunde gelegt werden könnte und daß die Einhal- tung eines solchen Maßes nicht nur Mühe und Anstrengung bedeuten, sondern als ein alltägliches Ereignis auch Vergnügen bereiten kann — diese Erfahrung ist wenig verbreitet.

Sie setzt voraus, daß wir unser Le- ben nicht mit außengesteuerten Ma- ximen zu bewältigen versuchen, sondern daß wir selbst unser Leben zu gestalten vermögen.

Durch ein ausgeklügeltes System sozialer Sicherungen glauben wir wenigstens gegen Beschädigungen durch die sogenannten sozialen Zwänge geschützt zu sein. Doch das Gegenteil ist meist der Fall. Ein sol- ches Sicherungsnetz sollte keine andere Funktion haben als die eines möglichst umfassenden Schutzes vor Unglück und Not; es sollte so weit ausgespannt sein, als der Ab- sturz möglich ist. Jene Passivierung des Gesundheitsverhaltens dagegen erscheint unzulässig. Jede Ein- schränkung der Verantwortlichkeit für die eigene Gesundheit kann nicht das Ziel einer planmäßigen Ge- sundheitserziehung oder Gesund- heitsbildung sein.

Über die Sozialpathologie, das heißt über die dynamische Soziopathoge- nese der sogenannten „großen künstlichen Seuchen" wie Herzin- farkt, Krebs, Bluthochdruck, Rheu- matismus und der Suchtkrankheiten wissen wir bisher noch kaum etwas.

Die auf allen Sektoren der Epide- miologie, der Streß- und Ernäh- rungsforschung, der Psychopatho- logie und Rehabilitationsforschung vorangetriebenen Studien stellen je- weils nur einzelne, noch weitgehend unzusammenhängende Sektoren der Krankheitsforschung dar. Es fehlt eine systematisch vorangetrie- bene Synopsis ebensowohl wie eine systematische Untersuchung gesun- der Lebensbedingungen für den ein- zelnen Menschen. Das hängt freilich mit der Komplexität des Gegenstan- des und den methodischen Schwie- rigkeiten seiner Erforschung zusam-

men. Erstmals gelingt uns heute ei- ne methodische Zusammenschau anamnestischer, klinischer, patho- anatomischer und biographischer Befunderhebungen. Erstmals ste- hen uns hier die für einen derartig komplexen Untersuchungsgang ge- eigneten Methoden und epidemiolo- gischen Modelle zur Verfügung.

Wenn es stimmt, daß die „großen künstlichen Seuchen" durch den Menschen selbst erzeugt werden, so müssen wir uns als Ärzte fragen:

Was bewegt ihn, sie selbst zu erzeu- gen? Und hier dürfte eine Rück- schau auf die alten diätetischen Re- geln menschlicher Lebensführung ein gewisser Wegweiser zu gesun- derem Leben sein. Freilich werden wir uns darum bemühen müssen, deren Grundprinzipien in die Spra- che unseres eigenen modernen Denkens zu übertragen.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Wolfgang Jacob Abteilung für Arbeits- und Sozialhygiene und Gesundheitsplanung am Klinikum der Universität Heidelberg

Im Neuenheimer Feld 368 6900 Heidelberg 1

ZITAT

Schwerfällige Verwaltung

„Krankenhäuser ab etwa 600 Betten sind zunehmend schwerer zu verwalten. Sie laufen Gefahr, unpersönlich für Patienten und Mitarbeiter und in Bau und Betrieb un- verhältnismäßig teuer zu sein. Krankenhäuser dieser Größenordnung sollten da- her nur noch in begründeten Ausnahmefällen gebaut wer- den."

Dr. phil. Norbert Blüm, MdB, in: „Mehr Humanität im Krankenhaus. Eine Problem- analyse der CDU"

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 35 vom 30. August 1979 2201

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