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Archiv "Nationale Forschungsplattform für Zoonosen: Schweinegrippe, Vogelgrippe – oder was auch immer kommen mag" (06.11.2009)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 45

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6. November 2009 A 2231 NATIONALE FORSCHUNGSPLATTFORM FÜR ZOONOSEN

Schweinegrippe, Vogelgrippe –

oder was auch immer kommen mag

Human- und Veterinärmediziner forschen gemeinsam, um gegen neue Erregervarianten gewappnet zu sein.

D

ie aktuelle Bedrohung durch die Neue Grippe A/H1N1/

2009 zeige, dass Impfungen allein als Gegenmaßnahme nicht ausreichen.

Schließlich könne die Impfstoffent- wicklung immer nur zeitversetzt auf neue Erreger reagieren, meint Prof.

Dr. med. Stephan Ludwig (Westfä- lische Wilhelms-Universität Müns- ter). Der Virologe ist einer

der drei Koordinatoren der Anfang 2009 gegründe- ten Nationalen Forschungs- plattform für Zoonosen, deren erstes Na tionales Sym posium für Zoonose- forschung Anfang Oktober in Berlin stattfand.

Während derzeit viele Experten um den richti- gen Einsatz der Schutz- impfung gegen die Neue Influenza streiten und die

„größte Impfaktion in der Geschichte der Bundesre- publik“ in ein Impfchaos abzugleiten droht, wirkten die Teilnehmer des Sym- posiums und des sich an -

schließenden Internationalen Work- shops zu respiratorischen Viruser- krankungen am 12. und 13. Oktober ge lassen. Sie diskutieren als einen Fokus des Symposiums neue, ande- re Möglichkeiten im Kampf gegen die Influenza.

Die großen Seuchen waren Zoonosen

Dabei war die Diskussion um die In- fluenza auf dem Symposium nur ei- ne von vielen. Denn das Thema Zoo- nosen ist breit gefächert, hochaktuell und ein Dauerbrenner zugleich. Ob Schweinegrippe (H1N1), Vogelgrip- pe (H5N1) oder SARS – bei fast al- len neuen Erregern der vergangenen

Jahre handelt es sich um Zoonosen.

Das ist keineswegs ungewöhnlich.

„Die großen Seuchen der Mensch- heit waren oft Zoonosen“, erklärt Prof. Dr. Martin Groschup vom Bundesforschungsinstitut für Tierge- sundheit (Friedrich-Loeffler-Institut) auf der Insel Riems. Obwohl sich die Lebensgewohnheiten der Menschen

in den letzten Jahrhunderten deut- lich geändert hätten, blieben Seu- chen und ihre Entstehungsmecha- nismen doch immer ähnlich – und gleichzeitig ähnlich unberechenbar.

Vorhersagen, welche Zoonosen demnächst für Europäer besonders gefährlich werden könnten, möchte Groschup daher nicht wagen. Seine Devise: „Expect the unexpected – Wir müssen immer mit dem Uner- warteten rechnen.“

Dies trifft auch auf die Influen- za zu. Während sich die Welt auf die Bedrohung der Menschen durch die Vogelgrippe aus östli- cher Richtung (Asien) konzen- trierte, brach in diesem Jahr die

Schweinegrippe in westlicher Rich- tung, in Mexiko, aus. „Das Erbgut des neuen H1N1-Virus ist ein wildes Sammelsurium aus Gensegmenten von porcinen, aviären und humanen Influenzaviren, bei denen bislang nicht klar ist, welche Eigenheiten des Virus die Gefährlichkeit für den Menschen ausmachen“, erklärt Lud-

wig. Vorhersagen, wie sehr es die Menschen tatsächlich bedroht oder welches andere Influen- zavirus stark humanpa- thogen werden werde, sei- en daher nicht möglich.

Nur eines ist dem Vi rologen zufolge ge- wiss: „Ausgerottet wer- den wird die Influenza nie.“ Dazu sei das gene- tische Reservoir, das vor allem in wildlebenden Wasservögeln zu finden sei, zu riesig. „Auch die Vogelgrippe (H5N1) ist als Influenza, die eine Pandemie auslösen kann, noch nicht vom Tisch“, sagt Ludwig. In diesem Jahr seien wieder mehr als 40 Menschen an der Erkrankung gestorben.

Die größte Herausforderung für die Virologen ist zurzeit, das Über- springen der Influenzaviren vom Tier auf den Menschen zu erfor- schen. „Dazu sind interdisziplinäre Ansätze erforderlich, und das bun- desweite FluResearchNet verbin - det glücklicherweise erstmals alle Grippeforscher in einem Netz- werk“, erläutert Ludwig. Das Flu- ResearchNet ist jetzt ein Teil der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen und bereits seit 20 Monaten aktiv. Besonders erfolg- reich war es während dieser Zeit

Abbildung: FluResearchNet

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6. November 2009 in der Suche nach antiviralen The-

rapien.

So hat es bereits eine neue Strate- gie entwickeln können, um die Re- sistenzbildung von Grippeerregern gegenüber Neuraminidasehemmern zu vermeiden, die auf der nördlichen Hemisphäre bereits weitverbreitet ist. „Die neuen Wirkstoffe zielen da- bei nicht auf das Virus selbst, son- dern auf Faktoren in der infizierten Zelle“, so Ludwig. Auf diese Weise werde die Vermehrung der Viren und eine überschießende Immunantwort, die häufig die Pathogenität der In- fluenzaviren bestimmt, verhindert.

Angriffsstelle ist der NF-kappa- B-Signalweg, von dessen Aktivität die Grippeviren abhängig sind. Prä- klinische Daten im Tiermodell seien so Erfolg versprechend gewesen, dass sich die Substanz jetzt bereits im Entwicklungsprogramm eines pharmazeutischen Unternehmens be- finde, berichtet Ludwig. Der Virolo- ge erhofft sich von dem Wirkstoff vor allem auch eine Eindämmung der Resistenzentwicklung, da das Virus die ausgeschaltete zelluläre Funktion nicht ersetzen kann.

Dr. Eva Pauli von der Virologik GmbH in Erlangen stellte einen wei- teren Therapieansatz vor, bei dem ebenfalls nicht die viralen Kompo-

nenten als Ziel fungieren, sondern die Wirtszellkomponenten, auf die das Influenzavirus während seines Replikationszyklus angewiesen ist.

Fokus der Forschung von Paulis Ar- beitsgruppe ist das 26S-Proteasom, die Hauptkomponente des Ubiqui- tin-Proteasom-Systems, das in der Zelle für den Abbau von ubiquitin- markierten Substraten verantwort- lich ist und dessen Fehlen das Virus auch nicht durch Mutationen erset- zen kann. „Im Tierversuch konnte

durch die Applikation von Protea - sominhibitoren die Replikation der Influenzaviren deutlich gehemmt werden“, erläuterte Pauli. Unspezifi- sche toxische Effekte seien dabei nicht aufgetreten. Zudem hätten die Proteasominhibitoren eine erhöhte Expression von Interferon und anti- viral wirkenden Proteinen induziert.

Auf dem Symposium diskutierten die Wissenschaftler ferner den Ein- satz von Interferon alpha als Medika- ment im Pandemiefall. Prof. Dr. med.

Otto Haller vom Universitätsklini- kum Freiburg berichtete von intrana- salen Gaben von Interferon alpha an Mäuse, Meerschweinchen und Frett- chen, die die Symptome einer durch H1N1 und H5N1 verursachten Influ- enza sehr effektiv mindern konnten.

„Beim Menschen kann die Gabe von Interferon alpha die Influenza-Er- krankung sicher nicht völlig verhin- dern, als Notfallmedikament sollte es im Pandemiefall jedoch bereitste- hen“, meint der Virologe.

Pflanzenextrakt Zistrose wird untersucht

Als weitere Behandlungsalternative diskutieren die Experten auch die Verwendung von Naturprodukten.

So wird derzeit in randomisierten placebokontrollierten Studien die Wirksamkeit eines pflanzlichen Ex- trakts aus der Zistrose bei Infekti- onserkrankungen der Atemwege überprüft. Das antivirale Potenzial dieses Wirkstoffs soll mit einem sehr geringen Nebenwirkungsrisiko einhergehen.

Unterstützt werden die vielfälti- gen Ansätze und die innerhalb der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen interdisziplinär zusam- menarbeitenden Human- und Vete- rinärmediziner seit Anfang des Jah- res vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

„Um auf neue Erreger schnell zu reagieren, bedarf es einer fundier- ten Grundlage“, begründet Dr. Ga- briele Hausdorf, Referatsleiterin Gesundheitsforschung im BMBF, die Förderung. Ein besseres Ver- ständnis des Übergangs des Erre- gers vom Tier auf den Menschen und der Anpassungsvorgänge im neuen Wirt sei unerlässlich. ■

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Die Nationale Forschungsplattform

für Zoonosen ist eine wissenschafts- getriebene Dachorganisation, an der Human- und Veterinärmediziner von 22 Universitäten sowie von außeruni- versitären Einrichtungen beteiligt sind. Eingebunden sind auch alle für das Thema relevanten Bundesinstitu- te aus dem Bereich des Bundesge- sundheitsministeriums und des Bun- desministeriums für Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz, unter anderm das Bundesinstitut für Risikobewertung, das sich im Bereich der Zoonosen insbesondere mit Fra- gen der Lebensmittelsicherheit be- schäftigt.

Die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen wird vom Bundesminis- terium für Bildung und Forschung seit

Anfang 2009 zunächst für drei Jahre gefördert, um die Vernetzung der Zoo- nosenforschung und der Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung und Vermeidung von zoonotischen In- fektionskrankheiten zu intensivieren.

Ziel ist die enge Kooperation zwi- schen biomedizinischer Grundlagen- forschung, Human- und Veterinärme- dizin einerseits sowie universitärer und außeruniversitärer Forschung an- dererseits. Inzwischen hat die Zoono- seplattform bereits drei Geschäftsstel- lenstandorte aufgebaut: Berlin, Müns- ter und Greifswald/Insel Riems. In ih- rem Verbund steuern die Wissen- schaftler selbst die gemeinsame Ar- beit, den Inhalt und die Ausrichtung der Forschungsplattform.

Siehe auch: www.zoonosen.net

FORSCHUNGSPLATTFORM ZOONOSEN

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