Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
EKG-Repetitorium
mehr oder weniger ausgeprägten muldenförmigen ST-Senkung mit präterminal negativer T-Welle.
Bei exzessiver Hypokaliämie kommt es zu einer scheinbaren QT-Verlängerung, die aber durch eine TU-Verschmelzungswelle vor- getäuscht wird.
Bei der seltener vorkommenden Hyperkaliämie, die zum Beispiel bei schwerer Niereninsuffizienz be- obachtet wird, tritt eine zunehmen- de T-Wellen-Überhöhung ein, wo- bei die T-Welle schmalbasig ist.
Hinzu können bei starker Kaliumer- höhung QRS-Verbreiterungen, ein Sinusstillstand und Extrasystolien kommen. Hier ist schnelles Han- deln geboten, um den sonst unver- meidlichen Herztod zu verhindern (Dialyse oder lonenaustausch).
Bei der Hypokalzämie ist als cha- rakteristisches Symptom die QT- Verlängerung im EKG zu nennen, die die frequenzbezogene QT-Dau- er um mehr als 20 Prozent über- schreitet. Die T-Welle ist meist nor- mal. Eine Hypokalzämie kommt vor bei der Urämie und bei dem Hypoparathyreoidismus sowie ins- besondere bei der Pankreatitis.
Die Hyperkalzämie ist charakteri- siert durch eine QT-Verkürzung, die aber sehr oft schwer von der normalen Schwankungsbreite der QT-Dauer zu trennen ist. Sie kommt insbesondere beim Hyper- parathyreoidismus, Knochentumo- ren und ins Knochensystem meta- stasierendem Bronchialkarzinom oder Mammakarzinom vor.
Beispiele zum Thema Erregungs- rückbildungsstörungen werden in der nächsten Folge erscheinen.
Darstellung 73: Gesenkter ST-Ab- gang mit ansteigendem Verlauf (1) und geringfügige, etwas durchhän- gende ST-Senkung mit T-Abfla- chung (2) sind als uncharakteristi- sche Störung des Erregungsrück- gangs aufzufassen. Der muldenför- mige ST-Verlauf (3) wird am häu-
figsten bei der Digitalismedikation beobachtet. Eine ST-Strecken-Sen- kung von mehr als 0,5 mm mit waa- gerechtem Verlauf (4), eine ab- wärts gerichtete ST-Strecke mit Übergang in eine präterminal ne- gative T-Welle (5), ein abwärts ge- richteter ST-Verlauf mit Übergang in eine präterminal negative T-Wel- le (6) sowie eine gleichschenklige tiefe negative T-Welle (7) sind in der Regel organischen Ursprungs.
Die unter 4 dargestellte Form wird am häufigsten bei der Spontan- ischämie im Angina-pectoris-Anfall beobachtet. Die in 5 und 6 darge- stellte Form kommt am häufigsten bei der hypertrophiebedingten Stö- rung des Erregungsrückgangs oder bei Innenschichtnarben vor. Die unter 7 dargestellte Form wird häu- fig bei einer Myokarditis oder bei einem nichttransmuralen Infarkt beobachtet
Darstellung 74: Die schmalbasig überhöhte T-Welle wird am häufig- sten bei der Hyperkaliämie, aber auch bei der Sympathikotonie (Er- regungsform) beobachtet (2). Die breitbasig überhöhte T-Welle kommt dagegen bei der Vagotonie und beim Erstickungs-T des Infark- tes vor (3). Die reine T-Abflachung (4) wird am häufigsten bei labilen, von Tageszeiten abhängigen EKG- Schwankungen beobachtet. Sie kommt aber auch bei der Sympa- thikotonie (Ermüdungsform) vor.
Das gleiche gilt auch für die Dop- pelgipfligkeit (5). Präterminal nega- tive T-Wellen sind in der leichten Form oft Ausdruck der Digitalisme- dikation, in der ausgeprägten Form Folge einer Linkshypertrophie (6 und 7). Die terminal negativen
T-
Wellen (8 und 9) werden am häufig- sten bei Myokarditiden und Infark- ten beobachtet.
Anschrift der Verfasser:
Dr. med. G. Kober Dr. med. H.-J. Becker 6 Frankfurt am Main Theodor-Stern-Kai 7
NOTIZEN
Zum Stand der
MVA-Stufenimpfung gegen Pocken
Mitteilung
des Wissenschaftlichen Beirats des Paul-Ehrlich-Instituts
Der Wissenschaftliche Beirat des Paul-Ehrlich-Instituts (Bundesamt für Sera und Impfstoffe) hat zur Klarstellung, wie im Bundesge- sundheitsblatt 18 (1975) 392 mitge- teilt, darauf hingewiesen, daß der MVA-Impfstoff ärztlich erprobt wird, seine Zulassung beantragt ist, er aber noch nicht zum Verkauf zuge- lassen ist.
Der MVA-Impfstoff soll als Vorimp- fung vor der konventionellen Pok- kenimpfung angewandt werden.
Die Antragsteller behaupten, durch den MVA-Impfstoff könne die Häu- figkeit der mit der konventionellen Pockenerstimpfung gelegentlich verbundenen Komplikationen, spe- ziell der postvakzinalen Enzephali- tis (pvE), entscheidend gesenkt wer- den, ohne die Wirksamkeit des Impfverfahrens zu beeinträchtigen.
Die Behauptung, daß die Vorimp- fung mit MVA-Impfstoff die Häufig- keit der mit der konventionellen Pockenimpfung gelegentlich ver- bundenen Komplikationen beson- ders der pvE entscheidend zu sen- ken vermag, ist weder aus dem Schrifttum noch aus den für die Zulassung eingereichten Unterla- gen zu belegen. Bisher sind knapp 10 000 Impflinge in kontrollierten Studien geimpft worden. Bei die- sen verlief die nachfolgende kon- ventionelle Pockenimpfung in 70 Prozent der Fälle wie eine Wieder- impfung.
Weiterhin sind etwa 25 000 Perso- nen ohne genaue Überwachung der Impffolgen mit MVA-Impfstoff vorgeimpft worden. Diese Zahlen liegen weit unter dem Erwartungs- wert der pvE nach Erstimpfung mit dem Stamm Elstree, deren Häufig-
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Heft 52 vom 25. Dezember 1975DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Blutzucker-
und Seruminsulinverlauf beim oralen Glukosetoleranztest
Horst Gutsche, Thea Schirop und Edda Buschmann
Aus der Inneren Abteilung des Städtischen Krankenhauses Berlin-Britz (Leitender Arzt: Privatdozent Dr. Horst Gutsche)
und der Diabetes-Sprechstunde der Medizinischen Poliklinik im Klinikum Charlottenburg der Freien Universität Berlin
Der orale Glukosetoleranztest mit 100 Gramm Oligosacchariden oder 100 Gramm Glukose ist heute das Mittel der Wahl zur Früher- kennung einer diabetischen Stoffwechsellage. Um seine Aussage- kraft zu erhöhen, sind verschiedene Faktoren vor und während der Durchführung des Tests zu berücksichtigen. Die von der Epidemio- logischen Studiengruppe der Europäischen Diabetesgesellschaft (ESGDE) empfohlenen Blutzuckergrenzwerte haben die Falschein- ordnung von Diabetikern und Nichtdiabetikern wesentlich redu- ziert. Die Fehlklassifikation liegt nach unseren Untersuchungen zwi- schen eins und vier Prozent,
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ÜBERSICHTSAUFSATZ
Das Ansteigen der Diabeteserkran- kungen in allen zivilisierten Län- dern ist ein echtes soziales Pro- blem. Umwelteinflüsse, Überernäh- rung, Bewegungsmangel und ande- re Faktoren fördern die Entwick- lung dieser verbreiteten Stoffwech- selerkrankung. Nicht das Coma diabeticum, sondern überwiegend Gefäßkomplikationen führen heute bei der Zuckerkrankheit zum Tode.
Frühzeitige Diagnose und rechtzei- tige, gezielte Therapie verbessern entscheidend die Prognose des Diabetes mellitus.
Eine diabetische Stoffwechsellage wird nach den heutigen Erkennt- nissen frühzeitig am besten mit dem einzeitigen oralen Glukoseto- leranztest erkannt. In Deutschland hat sich weitgehend die einmalige morgendliche Belastung mit 100 Gramm Glukose oder 100 Gramm Oligosacchariden in einer 25pro-
zentigen Lösung durchgesetzt.
Auf den früher durchgeführten Be- lastungstest mit 50 Gramm Gluko- se wird heute weitgehend verzich- tet. Zur Früherkennung eines Dia- betes reichen die alleinige Unter- suchung des Harnes auf Zucker auch nach einer Glukosebelastung, die alleinige Bestimmung des Nüchternblutzuckers oder ein Blut- zuckertagesprofil nicht aus. Nur die gleichzeitige Bestimmung des Blutzuckers, am besten in Abstän- den von einer Stunde, und die Un- tersuchung des Harnes auf Zucker am Ende des zwei- bis dreistündi- gen Tests erlauben eine Beurtei- lung der untersuchten Personen bezüglich einer normalen oder si- cher diabetischen Stoffwechsella- ge. Es gibt keine scharfe Trennung zwischen normaler und diabeti- scher Glukosetoleranz. Die Pro- banden mit einer gestörten Glu- kosetoleranz, die sogenannten keit heute nach allgemeiner An-
sicht bei etwa 1:50 000 bis 1:100 000 angenommen wird.
Man kann nur, wie die Antragstel- ler, mit der Analogie argumentie- ren, daß die große Seltenheit der pvE bei Pocken-Wiederimpflingen für 70 Prozent der mit der MVA- Stufenimpfung Geimpften zu erwar- ten ist.
Sinngemäß gelten vorstehende Ausführungen auch für die übrigen schweren Komplikationen der Pok- kenimpfung (Vaccinia necrosa, ge- neralisierte Vakzine, Eccema vacci- natum).
Das entscheidende Kriterium für die Wirksamkeit jeder Impfung ist das Verhalten des Impflings bei Ex- position. Ob die Stufenimpfung mit MVA-Impfstoff in dieser Beziehung den Erwartungen entspricht, wis- sen wir nicht und werden wir nicht wissen, solange dieses Impfverfah- ren nicht in Endemiegebieten er- probt ist. Auch hier muß infolge- dessen mit Analogien argumentiert werden, und es erscheint nötig, darauf mit der gebotenen Deutlich- keit hinzuweisen.
Der Beirat des Bundesamtes für Sera und Impfstoffe wird jedoch die Zulassung des MVA-Impfstoffes dem Bundesamt für Sera und Impf- stoffe empfehlen, sobald noch ungeklärte, bei anderen vergleich- baren Virusimpfstoffen selbstver- ständliche Fragen der der Zulas- sung vorangehenden Prüfung von den Antragstellern befriedigend beantwortet sind. Die Zulassung des MVA-Impfstoffes wird sich, wenn sie erfolgt, nur auf seine „An- wendung als Vorimpfung vor der Impfung mit Pockenvakzine" bezie- hen.
Der Wissenschaftliche Beirat des Paul-Ehrlich-Instituts (Bundesamt für Sera und Impfstoffe): Prof. Dr.
med. R. Haas (Vorsitzender), Prof.
Dr. med. K. Fischer, Prof. Dr. med.
E. Macher, Prof. Dr. med. H.
Spiess, Prof. Dr. med. 0. Vivell.
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