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Archiv "Paul-Ehrlich-Institut: Wie wirksam ist die HPV-Impfung?" (27.02.2009)

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A386 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 9⏐⏐27. Februar 2009

M E D I Z I N R E P O R T

D

ie beiden derzeit verfügbaren Impfstoffe gegen humane Papillomviren (HPV) Gardasil®und Cervarix® haben nach einem Ver- fahren bei der Europäischen Arznei- mittelagentur (EMEA), an dem das Paul-Ehrlich-Institut als deutsche Zulassungsbehörde beteiligt war, die Zulassung durch die Europä- ische Kommission erhalten. Voraus- setzung dafür war der Nachweis, dass die Impfstoffe wirksam und verträglich sind.

Gleiche Krankheit, Spektrum von Immunantworten

Eine am 25. November 2008 ver- öffentlichte Stellungnahme von 13 Wissenschaftlern, die in modifizier- ter Form in der vorherigen Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes (Heft 8 vom 20. Februar, online am 18. Fe- bruar) veröffentlicht wurde, hat der Diskussion um die Wirksamkeit neu- en Auftrieb gegeben. Dabei wird deutlich, dass unterschiedliche Vor- stellungen mit dem Begriff Wirk- samkeit verbunden werden.

Zunächst müssen zwei As- pekte in Erinnerung gerufen werden, die eigentlich selbst- verständliches Wissen über Impfungen sein sollten:

1. Impfungen werden zur Pro- phylaxe eingesetzt, das heißt, sie entfalten ihre Wirkung durch Sti- mulation des Immunsystems in der Regel nur vor dem ersten Kontakt mit dem die Krankheit auslösenden Erreger, gegen den die Impfung ge- richtet ist. Bereits mit einem be- stimmten Erreger Infizierte profitie- ren daher nur in wenigen Ausnah- mefällen von einer Impfung gegen diesen bestimmten Erreger.

2. Vermutlich unter dem Druck der natürlichen Immunantwort ha- ben sich Viren und Bakterien in Serotypen entwickelt, die zwar prin-

zipiell die gleiche Krankheit, aber unterschiedliche Immunantworten auslösen. Die Immunantwort gegen einen Serotyp (zum Beispiel Polio Typ I) schützt nicht gegen einen an- deren Serotyp (zum Beispiel Polio Typ III). Bei Polio gibt es nur drei Serotypen, die auch im Impfstoff enthalten sind. Anders sieht es bei der ebenfalls von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Imp- fung gegen Pneumokokken aus.

Der derzeit erhältliche, für die Impfung bei Kindern zugelassene Impfstoff schützt „nur“ gegen sie- ben Serotypen, die circa 54 bis 84 Prozent der Erkrankungen ausma- chen – mehr als 90 Serotypen sind dagegen bekannt. Von HPV wurden mehr als 100 Typen gefunden, von denen eine Untergruppe, zu denen HPV-16 und -18 gehören, kausal

mit der Entstehung von Zervixkar- zinomen verbunden ist. Beide der- zeit auf dem Markt befindlichen Impfstoffe enthalten Antigene von HPV-16 und -18 und sind daher ge- gen diese Erregertypen gerichtet.

Grundsätzlich wird die Wirksam- keit eines Impfstoffs an dem Aus- maß gemessen, in dem diejenige Krankheit verhütet wird, die von

den Erregern ausgelöst wird, gegen die der Impfstoff gerichtet ist. Die- ser Ansatz stößt im Fall des HPV- Impfstoffs auf ethische und techni- sche Limitationen.

In den placebokontrollierten Stu- dien zum Nachweis der klinischen Wirksamkeit von HPV-Impfstoffen wurde – entsprechend den Emp- fehlungen eines Expertengremiums der Weltgesundheitsorganisation (WHO) (1) – als klinischer End- punkt nicht das Auftreten von Zer- vixkarzinomen, sondern der Nach- weis von hochgradigen Dysplasien der Zervixschleimhaut (CIN 2/3) festgelegt (histopathologischer End- punkt). Als weiterer klinischer End- punkt gilt der Schutz vor einer per- sistierenden HPV-Infektion, verur- sacht durch die im Impfstoff ent- haltenen HPV-Typen (virologischer Endpunkt).

Es ist absolut unethisch, auf ein Karzinom zu warten

Grundlage dieser Empfehlun- gen ist das Wissen, dass sich einerseits eine persistierende Infektion mit einem HPV- Hochrisikotyp etablieren muss, damit später zervikale Dys- plasien entstehen können, und andererseits, dass diese hoch- gradigen Dysplasien einem Kar- zinom vorausgehen und – sobald sie erkannt werden – ein medizini- sches Eingreifen erfordern. Es ist in diesem Fall absolut unethisch, in einer klinischen Studie der Kon- trollgruppe die Standardtherapie vorzuenthalten und auf das Auf- treten eines Karzinoms mit allen bekannten Risiken zu warten. Au- ßerdem ist es in klinischen Studien wegen des Ausscheidens von Pro- banden sehr schwierig, Zeiträume von 20 und mehr Jahren abzude- cken, wie es bei der Festlegung des

PAUL-EHRLICH-INSTITUT

Wie wirksam ist die HPV-Impfung?

Nachdem das Deutsche Ärzteblatt in Heft 8 die Kritik von 13 Wissenschaftlern an der HPV-Impfung wegen eines unzureichenden Wirksamkeitsnachweises dokumentiert hat, folgt in dieser Ausgabe die Position der Zulassungsbehörde.

Foto: GlaxoSmithKline

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 9⏐⏐27. Februar 2009 A387

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Auftretens eines Zervixkarzinoms als Endpunkt notwendig wäre.

In welcher Population kann ei- ne Studie mit dem genannten kli- nischen Endpunkt durchgeführt werden? Vom Wirkmechanismus eines Impfstoffs ausgehend, sollte die Studienpopulation noch nicht mit den Erregern infiziert sein, ge- gen die der Impfstoff gerich- tet ist. Da jedoch die Durch- seuchung mit HPV nach der Pubertät (bedingt durch Se- xualkontakte) ansteigt, müss- te die Studie mit präpuber- tären Mädchen durchgeführt werden. Und hier ergeben sich wieder ethische und tech- nische Probleme. Die durch- zuführenden, durchaus belas- tenden Untersuchungen (Zer- vikalabstriche) sind für die- se Altersgruppe medizinisch nicht begründbar und ethisch nicht vertretbar, die Zeiträu- me zwischen der Impfung und einem möglichem Auftreten von Dysplasien für eine Stu- die sind zu lang.

Daher wurde die entschei- dende Studie (hier wird auf die Studie FUTURE* II (2) Bezug genommen) bei 16- bis 26- jährigen Mädchen und Frauen durch- geführt; wohl wissend, dass viele von ihnen mit HPV (auch mit HPV- 16 und -18) infiziert sind. Die Analy- se der Ergebnisse zeigt nun, dass die Mädchen und Frauen, die zum Zeit- punkt der Impfung nicht mit HPV-16 und -18 infiziert waren, zu über 95 Prozent vor HPV-16 und -18 asso- ziierten Dysplasien (CIN 2/3) ge- schützt waren – unabhängig davon, ob die Impfung exakt nach Vorschrift (PPP: Per-Protocol Population) oder abweichend davon (USP: Unrestric- ted Susceptible Population) durchge- führt wurde. Dies ist das Ergebnis, das von einem klinisch wirksamen Impfstoff erwartet wird.

Werden alle Mädchen und Frau- en in die Analyse eingeschlossen, unabhängig davon, ob sie bereits zum Zeitpunkt der Impfung mit HPV-16 und/oder -18 infiziert wa- ren oder nicht, und unabhängig da-

von, ob die Impfung genau nach Vorschrift durchgeführt wurde oder nicht (ITT: Intention-to-treat Po- pulation), betrug dieser Schutz im- merhin noch 44 Prozent. Wenn auch diese Gruppe von Mädchen und Frauen entsprechend der systemati- schen Nomenklatur für klinische Studien (3) „Intention-to-treat Po-

pulation“ genannt wird, so ist sie nicht die ideale Zielgruppe; von

„behandeln“ (to treat) kann in der Regel bei einem Impfstoff sowieso nicht die Rede sein.

Um die HPV-Impfung wirksam einsetzen zu können, sollten also Personen geimpft werden, die noch nicht mit HPV-16 und -18 infiziert sind, also präpubertäre Mädchen (und später vielleicht auch Jungen).

Wie kann aber nachgewiesen wer- den, dass der Impfstoff in dieser Al- tersgruppe ebenfalls wirksam ist, wenn das Studiendesign, das bei äl- teren Mädchen und Frauen einge- setzt werden kann, dort ethisch nicht vertretbar ist?

Schutz korreliert mit einem hohem Antikörpertiter

Hier hilft der Vergleich der Antikör- pertiter gegen die einzelnen Impf- stoffkomponenten. Nachdem in der jüngeren Altersgruppe höhere Anti- körpertiter als bei den älteren Pro- bandinnen beobachtet wurden, ist

zumindest von einem gleichwerti- gen Schutz gegen HPV-16 und -18 assoziierte Dysplasien (CIN 2/3) mit einem entsprechenden Antikör- pertiter auszugehen.

Basierend auf dem Wissen, dass HPV-16 und -18 assoziierten Zer- vixkarzinomen zwangsläufig HPV- 16 und -18 assoziierte hochgradige

Dysplasien (CIN 2/3) vorausgehen, konnten mit ethisch vertretbaren Ansätzen aus den klinischen Studi- en folgende Erkenntnisse gewonnen werden:

>In der Altersgruppe der 16- bis 26-jährigen Mädchen und Frauen schützt die Impfung gegen HPV-16 und -18 assoziierte hochgradige Dysplasien zu über 95 Prozent.

>Dieser Schutz ist mit einem ho- hen Antikörpertiter korreliert.

>Hohe Antikörpertiter werden auch in der Gruppe der präpuber- tären Mädchen erreicht.

>Die Antikörpertiter verhindern die Infektion mit den im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen, sodass die Kausalitätskette von der Infektion zum Zervikalkarzinom an der frühestmöglichen Stelle unterbro- chen wird.

Diese Daten reichen den Zulas- sungsbehörden aus, die klinische Wirksamkeit des Impfstoffs zu be- legen und die Impfung auch für prä- pubertäre Mädchen zuzulassen.

Foto:Archiv

Mikroskopische Aufnahme eines Vaginalabstrichs gefärbt nach Papanicolaou: Die mit Pfeilen gekennzeichneten Zellen sind mit humanen Papillomviren infiziert.

* FUTURE = Females United to Unilaterally Reduce Endo/Ectocervical Disease

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A388 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 9⏐⏐27. Februar 2009

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Die beschriebenen Zusammen- hänge bilden die Basis für die Dar- stellung der Wirksamkeit der HPV- Impfstoffe in der individuellen Impf- beratung.

In den zu Beginn genannten Stel- lungnahmen werden andere Vor- stellungen zur Wirksamkeit in den Vordergrund gestellt. So wird be- hauptet, dass sich die Wirksamkeit der derzeitigen HPV-Impfstoffe am

Rückgang aller hochgradigen Dys- plasien (CIN 2/3) und nicht nur der HPV-16 und -18 assoziierten zeigen muss. Ein derartiger Ansatz mag nützlich sein, die kurzfristigen öko- nomischen Konsequenzen zu kalku- lieren. Er mag auch dazu geeignet sein, die Wirksamkeit therapeutischer Arzneimittel in der allgemeinen Ziel- population realistischer abschätzen, als sie sich in der ausgewählten Popu- lation einer klinischen Studie ergibt.

Wissen über Kreuzimmunität ist noch begrenzt

Ein derartiger Ansatz für einen pro- phylaktisch wirkenden Impfstoff ist aber absolut ungeeignet, da er die ei- gentlich notwendige Voraussetzung, und zwar die Impfung in einer nicht infizierten Population durchzufüh- ren, außer Acht lässt.

In der Tat ist die Wirksamkeit der derzeitigen HPV-Impfstoffe auf die

Reduktion hochgradiger HPV-16 und -18 assoziierter Dysplasien (CIN 2/3) begrenzt – ein Ergebnis, das absolut nicht unerwartet ist.

Zwar sind HPV-Typen auf DNA- Ebene definiert (< 85 Prozent Ho- mologie im L1-Gen), sie entspre- chen aber auch Serotypen; das heißt, die Immunantwort gegen ei- nen HPV-Typ schützt in der Regel nicht gegen einen anderen HPV-Ty-

pen. Allerdings sind die Kenntnisse über die Kreuzimmunität noch be- grenzt.

Sicherlich ist daher ein weiteres wichtiges Element der Aufklärung, dass die HPV-Impfung spezifisch auf die Typen 16 und 18 gerichtet ist, dass andere Typen ebenfalls Zer- vixkarzinome verursachen können und dass daher auf die Vorsorgeun- tersuchungen noch nicht verzichtet werden kann.

Die Befürchtung, dass HPV-Imp- fungen ein „strain replacement“ be- günstigen – also andere HPV-Typen die Rolle von HPV-16 und -18 über- nehmen und dadurch insgesamt kein Rückgang der Inzidenz schwe- rer zervikaler Dysplasien erfolgt, ist ernst zu nehmen und wird in auf- wendigen Nachzulassungsstudien ausreichend berücksichtigt. Mögli- che Verdrängungseffekte lassen sich im Rahmen von Zulassungsstudien

aber kaum verlässlich ermitteln, da eine solche Entwicklung Jahre be- ansprucht.

Eine weitere Vorstellung ist, dass die Wirksamkeit der HPV-Impfstof- fe am Rückgang der Fälle von Zervixkarzinomen gezeigt werden muss. Dies ist allerdings nur mög- lich, wenn die Impfung auch die Frauen und Mädchen erreicht, die nicht regelmäßig zur Vorsorgeunter- suchung gehen. Andernfalls wird sich die epidemiologische Wirk- samkeit der Impfung „nur“ am Rückgang der auffälligen Pap-Be- funde und der chirurgischen Ein- griffe messen lassen.

Es sollte aber auch berücksichtigt werden, dass bei Konisationen im Fall hochgradiger Läsionen mit Komplikationen in Form einer Ob- struktion des Gebärmutterhalska- nals, einer erhöhten Abortgefahr und von Frühgeburten gerechnet werden muss (4). Schon allein die Möglich- keit, die Eingriffe, vor allem aber die daraus resultierenden Kompli- kationen reduzieren oder sogar ver- hindern zu können, spricht für die Impfung.

Eine ausführliche Darstellung der Studienergebnisse mit entspre- chenden Erläuterungen findet man in der Antwort der Bundesregie- rung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom Mai 2008, die auf den Internet- seiten des Paul-Ehrlich-Instituts verlinkt ist (www.pei.de/hpv-impf

stoffe). I

Prof. Dr. med. Johannes Löwer Dr. Susanne Stöcker

LITERATUR

1. Pagliusi and Aguado: Vaccine 2004; 23:

569–78.

2. The Future II study group: NEJM 2007;

356; 19: 1915–27.

3. Simon Day: Dictionary for Clinical Trials, Second Edition; John Wiley & Sons, Ltd., 2007.

4. Kyrgiou M et al.: Lancet 2006: 367:

489–98.

Korrespondenzadresse Dr. Susanne Stöcker Paul-Ehrlich-Institut Paul-Ehrlich-Straße 51–59 63225 Langen

Diesen Artikel veröffentlichte das Paul-Ehrlich- Institut am 19. 2. 2009 online unter www.pei.de/

hpv-impfstoffe.

Ein wichtiges Element der Aufklärung ist,dass die HPV-Impfung spezifisch auf die Typen 16 und 18 gerichtet ist, dass andere Typen ebenfalls Zervixkarzinome verursachen können und dass daher auf die Vorsorgeuntersu- chungen noch nicht verzichtet werden kann.

Foto:GlaxoSmithKline

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