A 254 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 7|
15. Februar 2013MÄNNERGESUNDHEIT
Männer leben gefährlicher
Sie sind Vorsorgemuffel, gehen selten zum Arzt und ernähren sich schlecht –
Gründe, warum Männer nicht so lange leben wie Frauen, scheinen schnell gefunden.
Ein genauerer Blick auf die Todesursachen zeigt jedoch: So einfach ist es nicht.
W
ird heute ein Junge gebo- ren, so hat er im Durch- schnitt 78 Jahre vor sich. Auch wenn das nach einem langen Leben klingt: Ein Mädchen wird fünf Jahre älter. Die unterschiedliche Le- benserwartung der Geschlechter ist aber nicht naturgegeben, wie Prof.Dr. med. Theodor Klotz vom Klini- kum Weiden auf dem ersten Män- nergesundheitskongress der Bundes- zentrale für gesundheitliche Auf-
klärung klarstellte: „Bei gleichen Lebensumständen haben Männer und Frauen fast die gleiche Lebens- erwartung.“
Mönche so alt wie Nonnen
Dies belegt eine Studie, für die die Sterbedaten von Nonnen und Mön- chen verglichen wurden. Wäh- rend sich die Lebenserwartung der Nonnen genauso entwickelt wie die der Allgemeinbevölkerung, le- ben Mönche fünf Jahre länger als Männer außerhalb von Klöstern.Ihre Lebenserwartung ist lediglich ein bis zwei Jahre geringer als die von Nonnen.
Klotz zog hieraus den Schluss, dass die biologische und genetische Disposition dafür sorgt, dass Frau- en im Durchschnitt gerade ein- mal ein Jahr länger leben würden
als Männer. Doch warum sterben diese im Durchschnitt fünf Jahre früher? Erklärungen sind scheinbar schnell gefunden: Männer essen un- gesünder, rauchen häufiger und nehmen Vorsorgeuntersuchungen sel- tener wahr als Frauen.
Zwar stimmt das alles. Doch die- se Erklärungen genügen nur zum Teil. Denn einer der Hauptgründe für die statistisch geringere Lebens- erwartung von Männern ist, dass sie
häufiger als Frauen schon im Alter zwischen 20 und 40 Jahren sterben – einem Alter, in dem beispielswei- se Vorsorgeuntersuchungen noch keinen wesentlichen Einfluss auf die Lebenserwartung haben.
Für den Urologen Klotz lautet einer der Gründe: „Männer haben die gefährlicheren Berufe.“ Die Emanzipation in der Arbeitswelt habe sich vor allem auf sozial posi- tiv besetzte Berufe konzentriert:
„Es gibt keine Initiativen für mehr Berg- oder Hochofenarbeiterin- nen“, sagte Klotz. Entsprechend führen Männer nach wie vor die Unfallstatistiken an: So sind nach Angaben des Robert-Koch-Insti- tuts bei 80 Prozent der melde- pflichtigen Arbeitsunfälle Männer betroffen, bei den tödlichen Ar- beitsunfällen sogar 90 Prozent.
Darüber hinaus neigen Männer eher zum Suizid: Ihre Selbsttö- tungsrate ist in allen Altersgrup- pen drei- bis achtmal höher als bei Frauen.
Prävention muss früh ansetzen
Sinnvolle Prävention müsse deshalb schon vor dem 20. Lebensjahr anset- zen, betonte Klotz. Denn viele der Todesursachen wie Unfälle und Sui- zide seien durch Verhaltens- und Verhältnisprävention zumindest zum Teil vermeidbar.Ein wichtiger Faktor in der Prä- vention ist Bewegung: Fünfmal pro Woche 20 bis 30 Minuten körper - liche Aktivität empfiehlt die Welt - gesundheitsorganisation. Ein Wert, den 45 Prozent der Menschen in Deutschland nicht erreichten, erklär- te Prof. Dr. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln:
„Nur 54 Prozent der Männer und Frauen setzen das um.“ Der größte Teil der körperlichen Aktivität wer- de bei der Arbeit erzielt, wobei körperliche Aktivität nicht gleich Sport bedeute. „Bildungsferne Be- rufe sind mit ganz viel Bewegung auf der Arbeit verbunden“, erklärte Froböse. „Die müssen sich gar nicht viel Sorgen machen.“ Problemati- scher sei die Arbeit von Akademi- kern, die meist im Sitzen stattfinde.
Der so entstehende Bewegungsman- gel sei kaum auszugleichen: „Auch wenn man sich fünfmal die Woche abends bewegt, kann man die Schä- den durch das ganztägige Sitzen nicht mehr kompensieren.“
Insgesamt ist das Fazit des ersten Männergesundheitskongresses posi- tiv: Männern geht es trotz der ge- ringeren Lebenserwartung gut. Es fehlen jedoch auf sie zugeschnitte- ne Präventionsangebote.
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Dr. rer. nat. Marc Meißner
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Weitere Informationen im Internet:www.maennergesundheitsportal.de Zu wenig Bewe-
gung ist vor allem bei Akademikern ein Problem. Sie arbei- ten meist im Sitzen und können den Be-
wegungsmangel kaum kompensie- ren. „Bildungsferne- re“ Berufe bieten hingegen oft ausrei-
chend körperliche Aktivität.
Fotos: dapd/picture alliance