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Männer sind auch Menschen

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Academic year: 2022

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EDITORIAL

Die drittletzte Ausgabe von ARS MEDICI in diesem (ja, tatsäch- lich!) Jahrzehnt widmet sich schwerpunktmässig einmal mehr den Themen und Fragestellungen, mit denen männliche Patien- ten in die Praxis kommen. Vorausgesetzt, sie haben sich auf den Weg dorthin gemacht – worin möglicherweise die eigentliche Daseinsberechtigung wie auch Herausforderung einer speziellen Medizin für Männer besteht. Denn Letztere «sind auch Men- schen» und «etwas sonderbar» – das ahnen sie sogar selbst. Und dies nicht erst, seit Herbert Grönemeyer es 1984 an die grosse Glocke hing, der wiederum durch seinen älteren Bruder Dietrich, den nicht minder prominenten Mediziner, wohl schon relativ früh Einblicke in die Ängste und Schwächen bekam, welche die Ge- nossen vom vermeintlich «starken Geschlecht» angesichts ge- sundheitlicher Schwierigkeiten oder der Notwendigkeit, sich ärztlichem Tun anheimgeben zu müssen, bisweilen offenbaren.

Muss es da für den Doktor nicht zuvorderst auch darum gehen, wie er diese «ganzen Kerle» ins Untersuchungszimmer holt und, noch wichtiger, wie er sie zum mehr oder weniger regelmässigen Wiederkommen motiviert? Nicht um sie – was ja viele der Weiss- kittelhyperphoben befürchten – lediglich lästigen Prozeduren zu unter- und mit schlimmen Diagnosen zu überziehen, sondern um sie vielleicht allein schon mit einem vertraulichen Wortwech- sel dauerhaft bei bester Gesundheit halten zu können.

Auch wenn die Ergebnisse der jüngsten Schweizerischen Ge- sundheitsbefragung 2017 (1) es rein zahlenmässig nicht bele- gen: Männer machen im Schnitt, zumindest solange sie dazu noch in der Lage sind, deutlich ausladendere Bögen um Arzt- praxen als Frauen. Sind sie tatsächlich ernsthaft krank, schei- nen dagegen Frauen die besseren Verdränger zu sein, was dann alles in allem wohl auch die ausgeglichene Arztbesuchstatistik erklärt. Die entsprechende Ursachenforschung erschöpft sich trotz manch seriöser Ansätze wie zuletzt in den USA (2) oft im Bemühen üblicher Geschlechterklischees. Wobei in denen ja bekanntlich stets auch viel Wahrheit steckt: Neben der schon erwähnten Angst vor unangenehmen Untersuchungen und

ernsten Ergebnissen war «Zeitmangel» ein von Männern häu- fig angegebener Grund dafür, nicht zum Arzt zu gehen.

Und daher sieht man sie dann überall und nirgends, unter ande- rem beim Fussball – zum Teil immerhin selbst aktiv und nicht nur selbst zuschauend ... Eine aktuelle dänische Studie (3) hat jetzt am Beispiel des Kickens nachweisen können, dass sich im sozia- len Umfeld eines Sportvereins ausgeübte körperliche Betätigung auch bei an Prostatakrebs erkrankten Männern positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden (Knochendichte, Fettmasse, geistige Leistungsfähigkeit, Anzahl Spitalaufenthalte) auswirkt und ihnen in der Mehrheit offensichtlich sogar so viel Freude bereitete, dass sie auch nach Ablauf des sechsmonatigen Inter- ventionszeitraums und Wegfall der Kostenübernahme für die Vereinsbeiträge nicht damit aufhören wollten.

An den harten andrologischen Fakten wie Prostatakarzinom, Testosteronmangel oder erektile Dysfunktion und auch an den weicheren Themen wie etwa androgenetische Alopezie («Männer kriegen dünnes Haar»), um die es sämtlich auch im Schwerpunktteil des vorliegenden Hefts geht, führt für den Arzt, der Männer behandelt, kein Weg vorbei. Gleichwohl gilt es für ihn, psychologische Untiefen seiner Patienten auszulo- ten – nicht allein als mehr oder minder zeitraubendes Beiwerk apparativer Diagnostik oder medikamentöser Therapie, son- dern als unverzichtbare Voraussetzung, damit Letztere über- haupt greifen können. Denn den Männern, die Check-up und Vorsorge in den Wind schreiben, mangelt es eher nicht an Zeit.

Ihnen fehlen vielmehr das nötige Vertrauen, um sich beim Arzt gut aufgehoben zu fühlen, und nicht selten schon der Mut, sich dies einzugestehen. Manchmal verdanken sie es der Überzeu- gungsarbeit ihrer Frauen, dass sie sich letztlich doch überwin- den. Das ist nicht schlecht – noch besser ist es, auch dem Mediziner gelingt ein wirklicher Kunstgriff. Wenn Männer im Umgang oft den Eindruck erwecken, eher an einer rational-ma- terialistischen Betrachtung der Dinge interessiert zu sein, könnte dies schliesslich auch daran liegen, dass sie, «als Kind schon auf Mann geeicht», der Tragfähigkeit der emotionalen Brücken, die man ihnen zu bauen bereit ist, häufig vielleicht nicht ohne Grund massiv misstrauen.

s Ralf Behrens

1. Bundesamt für Statistik: Schweizerische Gesundheitsbefragung 2017, Übersicht (Korrigierte Version, 10.12.2018), Kap. 12: Arztbesuche. https://

www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/erhebungen/

sgb.assetdetail.6426300.html

2. Orlando Health: «Survey finds why most men avoid doctor visits:

Two doctors drive coast-to-coast with a message for men: Stop ma- king excuses!» ScienceDaily, 9 June 2016; www.sciencedaily.com/re- leases/2016/06/160609064534.htm

3. Bjerre ED et al.: Community-based football in men with prostate cancer:

1-year follow-up on a pragmatic, multicentre randomised controlled trial.

PLoS Med 2019; 16(10): e1002936.

ARS MEDICI 22 | 2019

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