Gabriel Schär
Diagnostik und Behandlung der
Urininkontinenz
Epidemiologie Harninkontinenz
A = Blasenkontroll- Probleme B = Diabetes
C = Darmkontroll- Probleme D = Parkinson
In der Schweiz leiden ca. 1‘000‘000 Personen an einer Harninkontinenz
Inkontinenz & Blasenprobleme Inkontinenz & Blasenprobleme
Inkontinenz & Blasenprobleme
Lebensqualität
• Gesellschaftliche Probleme
• Psychologische Probleme
• Berufliche Probleme
• Familiäre Probleme
• Körperliche Probleme
• Sexuelle Probleme
Inkontinenz & Blasenprobleme
Tabuthema
Weniger als die Hälfte
der Betroffenen sucht
medizinische Hilfe um
die Inkontinenz abklären
und behandeln zu
lassen!
Reden über die Inkontinenz
„Herr Doktor, ich verliere Urin beim Husten, Volleyball und beim Herumtollen mit den Kindern“
Wie geht es mit der Blase?
Inkontinenzformen
• Belastungsinkontinenz
• Urgeinkontinenz
• Neurogene Inkontinenz
• Überlaufinkontinenz
• Fisteln, Missbildungen
häufig (90%)
selten (10%)
Inkontinenz & Blasenprobleme
Anatomie
Inkontinenz & Blasenprobleme
Beckenbodenstrukturen
• Bindegewebsstrukturen
– Endopelvine Faszie – Arcus tendineus
– Cardinosacrouteriner Komplex
• Muskulatur
– Levator ani
– Periurethrale Muskulatur – Perianale Muskulatur
• Innervation
Inkontinenz & Blasenprobleme Inkontinenz & Blasenprobleme
US
Perucchini et al 1997
Perucchini et al 1997
Miktionsreflexbogen
Inkontinenz & Blasenprobleme
S4 S3 S2 S1 L5 L4 L3 L2 L1 TH12 TH11 TH10
Füllung Miktion
M. levator
M. detrusor Hemmung
parasympathisch
Stimulation sympathisch
M. levator N. pudendus
Stimulation -Rezeptor M. detrusor
Stimulation parasympathisch
Hemmung sympathisch
N. pudendus Hemmung
-Rezeptor
Innervation
Inkontinenz & Blasenprobleme
Belastungs- oder Stressinkontinenz
Intraabdominaler Druck
Ungenügender Urethraverschluss unfreiwilliger Urinabgang bei körperlicher Belastung
Inkontinenz & Blasenprobleme
Belastungs- oder Stressinkontinenz
unfreiwilliger Urinabgang bei körperlicher Belastung
Inkontinenz & Blasenprobleme
• Schwangerschaft und Geburt
• Alter
• Muskelstatus
• Bindegewebszustand, genetische Prädisposition
• Übergewicht
Entstehung der Belastungsinkontinenz
Diagnostik
Anamnese
Belastungsinkontinenz: Urinverlust bei körperlicher Aktivität (Husten, Niesen, Lachen, Turnen, Springen, Lastenheben etc.)
Dranginkontinenz: Pollakisurie, Nykturie, imperativer Harndrang mit oder ohne Urinverlust, rezidivierende HWI, Dysurie, Fluor, Pruritus Lebensqualität - Krankheitswert!
Inkontinenz & Blasenprobleme
Gewichtung der Symptome
• Welches Symptom stört Sie am meisten?
• Hat sich Ihre Lebensqualität wegen den Blasenbeschwerden verschlechtert?
• Haben Sie Ihre Lebensgewohnheiten wegen der Inkontinenz umgestellt?
Inkontinenz & Blasenprobleme
Inkontinenz & Blasenprobleme
Zystozele
Inkontinenz & Blasenprobleme
Rektozele
Testing Hustentest = „Stresstest“
• volle Blase
• im Liegen und im Stehen
• kräftig Husten lassen
• ev. Wippen oder Hüpfen
Inkontinenz & Blasenprobleme
Störfaktoren
• Harnwegsinfektion
• Kolpitis
• Genitalatrophie, PMP-Symptome
• Restharn
• Miktionsbeschwerden
Inkontinenz & Blasenprobleme
Infektabklärung
• Nativuntersuchung, Vaginalabstrich
• Abstriche aus Urethra auf Chlamydien, Gonokokken Streifentest, Urinstatus, Urinkultur (
Streifentest, Urinstatus, Urinkultur (Mittelstrahlurin Mittelstrahlurin) )
Inkontinenz & Blasenprobleme
Diagnosestellung
Positiver Hustentest
&
Inkontinenz bei körperlicher Belastung
Belastungsinkontinenz
Nykturie Pollakisurie imperativer Harndrang
ungehemmte Blasenentleerung
Überaktive Blase Störfaktoren
Inkontinenz & Blasenprobleme
Therapie
Therapiegrundsätze
• Die Therapie richtet sich nach dem Leidensdruck
• Die Therapie ist individuell auf die Bedürfnisse der Patientin einzustellen
• Die ersten Therapieschritte sind meist konservativ und führen bei Versagen stufenweise zu aufwendigeren Massnahmen Schliesslich entscheidet immer die betroffene Frau über die Durchführung einer Behandlung
Therapie Belastungsinkontinenz
• Beckenbodengymnastik
• Physiotherapie mit Elektrostimulation und Biofeedback
• „Barrieremethoden“
• Medikamente
• Operation
Inkontinenz & Blasenprobleme Inkontinenz & Blasenprobleme
PHIT
Physikalische Harninkontinenztherapie
Wahrnehmungs- schulung
Verhaltenstraining
Elektrostimulation &
Biofeedback
Inkontinenz & Blasenprobleme
Elektrostimulation
Rektum Rektum
Levator Levator
Blase Blase
Symphyse Symphyse
Inkontinenz & Blasenprobleme
Durchführung Elektrostimulation
• 1 bis 2 Sitzung pro Woche à 30 bis 45 Min.
• Dauer 9 Sitzungen
• 5 Trainingseinheiten pro Tag zu Hause
• Automatisierung Kontraktionsreflex bei Druckerhöhung im Bauchraum (Husten etc.)
Inkontinenz & Blasenprobleme
Beckenbodentraining in der Cochrane Database
Syst. Rev. 2001;(1); CD001407 Autoren: Hay-Smith EJ et al
• BB-Training sinnvoll bei Stressinkontinenz und gemischter Inkontinenz
• Besser als keine Therapie/Placebo
• Unsichere Wirkung bei Hyperaktiver Blase
• Probleme:
– Heterogene Kollektive
– Verschiedene Therapiemethoden (Biofeedback, Elektrostimulation etc.)
Inkontinenz & Blasenprobleme
Inkontinenz & Blasenprobleme
Urethrapessare
Quelle: Eberhard J, Geissbühler V: Pessarbehandlung in der Urogynäkologie und Geburtshilfe. gynäkol. prax. 2002; 26: 119-133
Urethrapessare Stressinkontinenz:
Urinverlust
bei körperlicher Belastung
Kontinenz:
Urethrapessar schliesst bei körperlicher Belastung die Harnröhre
Inkontinenz & Blasenprobleme
Contrelle ®
Wegwerfpessare
Verschiedene Weg- werfpessare und Tampons
Stressinkontinenz bei
Körperlicher Belastung Kontinenz mit ein- gelegtem Pessar
Quelle: Eberhard J, Geissbühler V: Pessarbehandlung in der Urogynäkologie und Geburtshilfe. gynäkol. prax. 2002; 26: 119-133
Medikamente
Für bisherige Medikamente keine Wirkung nachgewiesen!
• Wirkung von Kontexin nicht eindeutig nachgewiesen - Wurde 2003 vom Markt genommen
• Lokale Östrogentherapie unterstützt die Behandlung, heilt aber die Belastungsinkontinenz nicht
• Yentreve
®/Duloxetine in der CH nicht zugelassen
Inkontinenz & Blasenprobleme
Quergestreifte Urethra- sphinkter- Musklatur Nervus
Pudendus
Glatte Blasen- musku- latur Spinalkanal
Serotonin und Norepinephrine im unteren Harntrakt
• Verbesserte Urethrasphinkter- Kontraktionen
• Unterstützt Sphinctertonus während Füllungsphase1
• Hat kaum Affinität für cholinerge Rezeptoren2
1. Thor KB, Katofiasc MA. J Pharmacol Exp Ther.1995;274(2):1014-1024 2. Bymaster, F.P., et al. Neuropsychopharmacology. 2001;25:871-880.
3. Kreder K, et al. Eur Urol. 2002;41:588-595.
Anticholinerge Wirkstoffe wirken
peripheran der
Blaseund verbessern Urge Incontinence/OAB
3Duloxetine
wirkt
zentralim Spinalkanal:
Inkontinenz & Blasenprobleme
Duloxetine - Resultate
Verum Plazebo p
Inkontinenzepisoden -55.9% -26.8% <0.001 Miktionsintervalle +15.0 min +3.8 min <0.001
Lebensqualitäts-Score identisch bei Visite 0 signifikant besser für Verum Visite 4, 8, 12 Wochen
Van Kerrebroeck, Abrams, Lange et al, BJOG March 2004;111,249-57
Inkontinenz & Blasenprobleme
Duloxetine - Resultate
Nebenwirkungen
Abbruch wegen NW 22% 5% <.001
Inkontinenz & Blasenprobleme
Cochrane Review Juli 2005
Serotonin and noradrenaline reuptake inhibitors (SNRI) for stress urinary incontinence in adults
Schlussfolgerungen
Die vorhandene Evidenz zeigt, dass Duloxetine signifikant die Lebensqualität bei Patientinnen mit Belastungsinkontinenz verbessern kann, unklar ist aber ob die Wirkung nachhaltig ist.
Nebenwirkungen sind üblich aber nicht ernster Natur. Etwa eine von drei
Probandinnen berichteten über Nebenwirkungen (vor allem Nausea) und
eine von acht stoppte die Behandlung als Folge der NW.
Duloxetine als Antidepressivum
• Cymbalta ® = Duloxetin (30 und 60mg)
• Dosierung: Einschleichen mit 30 mg und dann auf 60 mg erhöhen.
• Kompendium: „Duloxetin wird unter verschiedenen Präparatenamen in verschiedenen Indikationen verwendet (Depression, Schmerzbehandlung bei diabetischer Neuropathie, Therapie der Stressharninkontinenz). Die gleichzeitige Anwendung von mehr als einem dieser Präparate ist zu vermeiden.“
Belastungsinkontinenz - Chirurgische Therapie
• Suburethrale Schlingen
• TVT (tension free vaginal tape) oder TOT (trans obturator tape)
• Abdominale Operationen
• Kolposuspension
• Peri- oder transurethrale Injektionen
• z.B. Kollagen, Hyaluronsäure, Polyacrylamide Hydrogel
• Ultraschallgesteuerte Injektion von Myoblasten mit Kollagen
Inkontinenz & Blasenprobleme
Tension free Vaginal Tape
TVT
Inkontinenz & Blasenprobleme
Wirkmechanismus TVT
Bewegliches Widerlager unter der Harnröhre
Inkontinenz & Blasenprobleme Inkontinenz & Blasenprobleme
Einlegen der TVT-Nadel
Deviation der Urethra auf die kontralaterale Seite
Lockeres Einlegen der Nadelspitze in vorformierten Kanal
Standardisierung
• „Kochbuchtechnik“
• Sorgfältige Schulung
• Laufendes
„Controlling“
Inkontinenz & Blasenprobleme
7- Jahres- Resultate TVT
• Heilungsrate > 80 % nach bald 8 Jahren
• 95 % geheilt oder deutlich verbessert
• Schwere Komplikationen sind selten
Nilsson, Aarau, 2003
Inkontinenz & Blasenprobleme
Gold- standard Gold- standard
± Wirksamer
Weniger Nebenwirkungen Weniger Komplikationen Weniger Invasiv Einfacher Kostengünstiger
Inkontinenz & Blasenprobleme
Praktische Aspekte
• Spitalaufenthalt 2 bis 3 Tage
• Operationsdauer 45 bis 50 Minuten
• Arbeitsunfähigkeit 14 Tage
• Grössere Belastungen und Sport für 3 Wochen meiden
• Nachkontrolle nach 10 bis 12 Wochen
Inkontinenz & Blasenprobleme
Die Entwicklung geht weiter!
Remeex Uretex
TVT-O
Definition der Hyperaktiven Blase Drangbeschwerden mit oder ohne Inkontinzenz, in der Regel mit Pollakisurie und Nykturie
ICS (2002)
Abrams P, Neurourology Urodynamics 2002; 21:167-178
Inkontinenz & Blasenprobleme
Symptome der hyperaktiven Blase
• Pollakisurie: > 7 Miktionen pro Tag
• Nykturie: > 1 Miktion pro Nacht
• Imperativer Harndrang:
Unmöglichkeit bei voller Blase zuzuwarten
• Urgeinkontinenz: Urinverlust bei imperativem Harndrang
Inkontinenz & Blasenprobleme
Hyperaktive Blase
a) Ungehemmte Detrusorkontraktionen während der Blasenfüllung führen zum Anstieg des intravesikalen Druckes
Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Urologie/Gynäkologie (IAUG)
b) Übersteigt der infravesikale Druck den Druck in der Harnröhre, kommt es zum unfreiwilligen Urinverlust
Inkontinenz & Blasenprobleme Inkontinenz & Blasenprobleme
Ätiologie der hyperaktiven Blase
?
Idiopathisch symptomatisch
nicht neurogen neurogen
Blasenbedingt:
• Harnwegsinfekt
• Genitalatrophie
• Deszensus
• interstitielle Zystitis
• Fremdkörper
• Blasentumoren
• Urethraobstruktion Nicht blasenbedingt:
• Kolpitis
• Genitaltumoren
• Medikamente
Multiple Sklerose M. Parkinson
zerebrovask. Erkrankungen
Querschnittsyndrom
Senile Demenz
Alkoholismus
Hyperaktive Blase: medikamentöse Ursachen
• ACE-Hemmer
• alpha-
Sympathomimetika
• alpha-Blocker
• Antazida
• Anticholinergika
• Analgetika
• Antidepressiva
• Antiemetika
• Antiepileptika
• Antihistaminika
• Antiparkinsonmittel
• Betablocker
• Diuretika
• Ca2+-Antagonisten
• Narkotika
• Neuroleptika
• Psychopharmaka
• Sedativa
„Die Blase ist der Spiegel der Seele“
Inkontinenz & Blasenprobleme
Diagnosestellung
Positiver Hustentest
&
Inkontinenz bei körperlicher Belastung
Belastungsinkontinenz
Nykturie Pollakisurie imperativer Harndrang
ungehemmte Blasenentleerung
Überaktive Blase Störfaktoren
Inkontinenz & Blasenprobleme
Therapie hyperaktive Blase
• Trink- und Miktionstraining
• Elektrostimulation
• Medikamente
• 2nd line
– Botox
– Neuromodulation S3
Inkontinenz & Blasenprobleme
Trink- und Miktionstraining
• Vergrössern der Miktionsintervalle täglich um 15 Min.
• Ziel: Blasenkapazität > 300 ml bei jeder Miktion
• Ziel Trinkmenge: 1.8 bis 2 Liter pro Tag
• 6 bis 12 Wochen Therapiedauer
• Motivation und Ermunterung
• ev. Medikamente
Inkontinenz & Blasenprobleme
Anticholinergica
• Spasmo-Urgenin Neo
®(Trospiumchlorid) 20mg (1/0/1)
• Ditropan
®(Oxybutynin) 5mg einschleichend dosieren (0.5/0/0.5) bis maximal 3 x 1 Tabl.
• Lyrinel oros
®(Oxybutynin) 5mg, 10mg, 15mg (1/0/0)
• Kentera
®Pflaster (Oxybutynin) 2 Mal / Woche
• Detrusitol SR
®(Tolterodin) 4mg (1/0/0)
• Emselex
®(Darifenacin) 7,5 oder 15mg (1/0/0)
• Vesicare
® (Solifenacin) 5 oder 10mg (1/0/0)
Gegenanzeigen beachten: Engwinkelglaukom, Myasthenia gravis, schwere Obstipation oder Refluxösophagitis
Anticholinerge Nebenwirkungen
• Mundtrockenheit, Obstipation, Akkomo- dationsstörungen, Tachykardie
• Trotz guter Wirkung können diese Nebenwirkungen zum Einnahmestop führen!
• Uroselektivität ist deshalb zentral
Inkontinenz & Blasenprobleme
Mögliches Vorgehen
• Tolterodine (Detrusitol®) und
Spasmourgenin® (Trospium) gelten nach wie vor als Basismedikation
• Darifenacin (Emselex®), Solifenacin (Vesicare®) und Oxybutinin (Lyrinel Oros®, Kentera®) sind eine Alternative wenn obige Medikation nicht effizient ist oder wegen NW gestoppt wurde
Inkontinenz & Blasenprobleme
2 nd -Line Therapie Urgeinkontinenz
• Intravesikale Therapie:
– EMDA - Oxybutinin (Anticholinergica) – Intramuskuläre Injektionen Botulinumtoxin
• Neuromodulation:
– Nervenwurzelstimulation S3
• Perkutane Tibialis Nerv Stimulation „perc TNS“
Inkontinenz & Blasenprobleme
Botulinum Toxin A - Botox ®
Inkontinenz & Blasenprobleme
Botoxinjektion
Nadel: Williams Cystoscopic Injection Needle, Cook
Experience of 100 Cases treated with Botulinum-A Toxin Injections into the Detrusor Muscle for Overactive Bladder
refractory to Anticholinergics
• N = 100
• 88 von 100 Patienten zeigten 1 Monat nach Injektion signifikante Verbesserung (Symptome & Urodynamik)
• 8 erfolglos behandelte Patientinnen wiesen
schwerwiegende Vorbedingungen auf (Blasenfibrose)
• Wirksamkeit beginnt 1 bis 2 Wochen nach der Injektion
• Wirksamkeit dauert 9±2 Monate
• 4 Harnretentionen, 10 HWI
D.M. Schmid1, P. Sauermann1, M. Werner2,3, B. Schuessler2, D. Perucchini3, G. Schaer4, N. Blick1, H. John1, D. Hauri1, H. van Hedel5and B. Schurch5; Posterpräsentation EAU
Schlussfolgerungen - Botox ®
• Erste Resultate sind vielversprechend auch für OAB- Patientinnen nach erfolgloser Medikamententherapie
– wirksam – sicher
• Botox ist eine Second line Therapie
• Keine Kassenzulässigkeit in der CH
Inkontinenz & Blasenprobleme
Letzte Lösung!
Inkontinenz & Blasenprobleme
Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Urologie/Gynäkologie (IAUG)
Inkontinenz & Blasenprobleme
Gabriel Schär
Harnwegsinfekte bei der Frau
Inkontinenz & Blasenprobleme
Pathophysiologie
• Immunologischer Abwehrdefekt (sekretorische IgA)
• Uromukoidstörung
• gestörtes lokales Milieu
• Bakterielle Faktoren
Virulenzfaktoren von E. coli
• Pili (P Fimbrien)
• Cytotoxin-Produktion (Haemolysin)
• Serum- Resistenz Zentrale Bedeutung für Persistenz der
Bakterien
Prädisposition rezidivierender HWI
• Restharn (Deszensus, Prolaps, neurogene Blase, Medikamente)
• Neurologische Erkrankungen
• Dauerkatheter
• Sexualität (Frequenz, Partnerwechsel, Praktiken)
• Spermizide Substanzen (Vaginalovula, -crèmen)
• Schwangerschaft
• Diabetes mellitus
• Kolpitis
• anatomische Anomalien
Inkontinenz & Blasenprobleme
Diagnostik
• Anamnese (Risiken erfassen)
• Fieber?
• Nierenklopfschmerz
• Gynäkologische Untersuchung
– Atrophie – Zystozele
– Vaginalflora, Nativuntersuchung, ev. Abstriche
• Restharn
Inkontinenz & Blasenprobleme
Streifentest
• Leukozyten, Nitrit, Erythrozyten, Bakterien, pH
• einfach und preiswert (SFr. 0.35)
• gute Screeningmethode - Schwangerschaft
Inkontinenz & Blasenprobleme
Nitrat N0 3 Nitrit N0 2
Nitratreduktase von gramnegativen
Bakterien Gemüse, Salate
Nitrat NO3
Nitrat NO3
Nitrittest
falsch negativ
• bei Bakterien ohne Nitratreduktase
• zu geringer Konzentration der Nitratreduktase (konzentrierten Morgenurin verwenden)
Inkontinenz & Blasenprobleme
Mikrobiologie HWI
Ambulant
• ~80% E. coli
• Staph. saprophyticus
• Proteus mirabilis
• Enterococcus faecalis
• Pseudomonas aeruginosa
• Klebsiellen
Nosokomial
• 30-50% E. coli
• Klebsiellen
• Pseudomonas aeruginosa
• Enterococcus faecalis
• Streptokokken
• Staph. epidermidis
• Proteus mirabilis
Anspruchsvolle Keime
• Anaerobier
• Gardnerella vaginalis
• Neisseria gonorrhoeae
• Chlamydia trachomatis
• Mycoplasma hominis
• Ureaplasma urealyticum
• Herpes simplex
• Candida
• Trichomonas vaginalis
AGAR AGAR
Neissi Gonokokkus
Schockoladenagar
Inkontinenz & Blasenprobleme
Urindiagnostik bei rez. HWI
• Bakteriologische Analyse ist unnötig!
– Schlechte Kosten- Nutzeneffizienz – Verzögert Therapieeinleitung
• Empirische Therapie – Gute Kosten- Nutzeneffizienz
– Therapieerfolg gleich gut wie nach Urinkultur
• Ausnahmen:
– Schwangerschaft
– Verdacht auf iatrogenen Infekt, Spitalkeim
O‘Connor et al. Jt Comm J Qual Improv 1996;22:673-82Inkontinenz & Blasenprobleme
Bildgebende Diagnostik u. Zystoskopie
• Meist unnötig!
• Strukturelle und funktionelle Anomalien sind selten
• Ausnahmen:
– Vorausgehende Eingriffe im Urogenitaltrakt – Persistierende Hämaturie
Hooton. Antimicrob Agents 2001;17:259-68
Inkontinenz & Blasenprobleme
Therapie rezidivierender HWI
3 Therapieansätze
• Patientinnen- initierte Therapie
• Postkoitale Therapie
• Antibiotikaprophylaxe
Inkontinenz & Blasenprobleme
Therapie
• Ziel: früher, adäquater Therapiebeginn, schnell wirksam, kostengünstig, wenig aufwendig
• Behandlung: 3 Tage Antibiotika
Symptomfrei keine weiteren Massnahmen
Symptompersistenz
„komplizierter HWI“
Behandlungsprinzipien HWI
Antibiotika
• Harnselektive Antibiotika verwenden
• Asymptomatische Bakteriurie nicht behandeln - Ausnahme Schwangerschaft
Antibiotikatherapie
2 x 875/125 mg Amoxicillin/Clavulansäure
1 x 3 g Fosfomycin
Single-dose
2 x 100 mg Nitrofurantoin
7 Tage
2 x 200 mg Ofloxacin
2 x 250 mg Ciprofloxacin
2 x 400 mg Norfloxacin
2 x 160/800 mg Trimethoprim/Sulfameth.
14 Tage kompliziert
2 x 200 mg Ofloxacin
2 x 250 mg Ciprofloxacin
2 x 400 mg Norfloxacin
2 x 160/800 mg Trimethoprim/
Sulfamethoxazol 3-Tage
unkompliziert
Dosierung Medikament
Dauer Harnwegsinfekt
Inkontinenz & Blasenprobleme
Therapiekosten HWI
Teststreifen 0.35 Bactrim forte 13.15
total 13.50
Urinsediment 17.25
Urotube 1.70
Urinkultur 27.60 Resistenz 27.25 Baktrim forte 13.15
total 86.95
• 1 OP Baktrim forte 13.15
• 1 OP Augmentin 44.15
• 1 OP Noroxin 21.20
Inkontinenz & Blasenprobleme
Verhaltensänderung bei rez. HWI
• Genügendes Trinkvolumen (2 Liter pro Tag)
• Cranberry Saft (Schlör): 3dl pro Tag
• Preiselbeersaft (Biotta): 1 dl pro Tag
• Bärentraubenblätter- Tee
Inkontinenz & Blasenprobleme
Verhaltens- Prophylaxe
• Stuhlhygiene: Putzrichtung von ventral nach dorsal
• Keine Desinfektionsmittel und vaginalen Spülungen
• Hautpflege Vulva, Perineum
• Vermeidung spermizider Substanzen (Präservative, Ovula)
• Bei der ”Honeymoonzystitis” Einnahme von 1 Tabl.
Furadantin
®oder Noroxin
®oder Baktrim
®postkoital
Inkontinenz & Blasenprobleme
Hautpflege
Hautschonende Seifen Rückfettende Crèmes
Antibiotikaprophylaxe
Low dose, jeden 2. Tag
• Furadantin ® à 100 mg (1 Tabl)
• Noroxin ® à 400 mg (1 Tabl)
• Baktrim ® (40 mg Trimethoprim + 200 mg Sulfamethazol)
Indikation: > 3 Infektionen pro Jahr
Immunmodulation
• Urovaxom ®
– inaktivierte E. coli - Stämme
– 1 Tabl. Morgens nüchtern für 3 Monate – Studien zeigen signifikante Besserung (EBM
Level 2)
Metaanalyse: Bauer et al. Intern J Antimicrobial Agents. 2002;19(6):451-6
Inkontinenz & Blasenprobleme
Rez. HWI und Menopause
• 10 bis 15% Risiko für rez. HWI
• Schlechterer immunologischer Status
• Häufiger prädisponierende Grundkrankheiten
• Atrophie
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