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A422 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 7⏐⏐17. Februar 2006
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in Schwammfischer mel- dete Anfang der 80er-Jah- re den Behörden, dass merkwürdige, große „Kekse mit Ohren“ aus Metall in 60 Meter Tiefe lägen. Das war der Beginn der Sternstunde türki- scher und US-amerikanischer Unterwasserarchäologen, die in mehr als zehnjähriger Ar- beit die Reste des Wracks und vor allem die kostbare Ladung des vor 3 300 Jahren gesunke- nen Schiffes in mühsamer Ar- beit aus der Tiefe bargen.Wissenschaftler vieler Dis- ziplinen kümmerten sich um die Funde, die im türkischen Bodrum gereinigt wurden. Die
„Kekse mit Ohren“ sind so ge- nannte Talente (Gewichts- und Geldeinheiten) aus Kupfer in Form aufgespannter Ochsen- häute. Jedes wiegt 25 Kilo- gramm. Stapelweise lagen sie im bauchigen Rumpf des Schiffes, und genau so hatte das schräg abfallende Riff sie bewahrt. Daneben lagen zylin-
derförmige blaue und türkis- farbene Rohglasbarren, ver- mutlich aus Syrien, große Pithoi (Vorratsgefäße) und schön geformte Amphoren (Transportgefäße) aus Ton, die einst mit Olivenöl, Granatäp- feln und Oliven gefüllt waren sowie mit Pistazienharz vom Toten Meer. Ein Gefäß barg Keramik aus Zypern,ein ande- res war mit Glasperlen gefüllt.
Einmaliger Fund außerhalb Ägyptens ist ein goldener Ska- rabäus mit dem Siegel der Kö- nigin Nofretete. Andere kost- bare Gegenstände wie ein my- kenischer Goldbecher, Gold- schmuck und Prunkwaffen
sprechen dafür, dass der Han- delsherr oder Eigner des Schiffes die Waren persönlich begleitete. Die Hauptladung bestand aus zehn Tonnen Kup- fer- und einer Tonne Zinnbar- ren, vermutlich aus Anatolien.
Holzreste wurden unter- sucht und ergaben mit an- deren Datierungsergebnissen als Zeitraum des Untergangs 1300 v. Chr. Seit diesem Fund besteht nun Gewissheit dar- über, dass bereits vor 3 300 Jahren Handelsschiffe im Li- nienverkehr die Küsten des Mittelmeeres von Afrika über Kreta und Zypern bis zum Orient, entlang der anatoli- schen Süd- und Westküste, vorbei an Troja durch die Dardanellen bis ins Schwarze Meer befuhren.
Für die Wissenschaftler war es wie ein gigantisches, krimi- nalistisches Puzzle, die Gegen- stände den Herkunftsländern zuzuordnen. Noch niemals ha- ben die Funde von Uluburun die Türkei verlassen. Sogar in Bodrum im Museum der Burg ist nur ein kleiner Teil zu sehen, weil sie einmalige und kostbare Zeitzeugen sind. Nicht zuletzt Dr.
Ünsal Yalcin, Kura- tor der Ausstellung und auf Archäometall- urgie spezialisiert, ist es zu verdanken, dass zum 75- jährigen Bestehen des Deut- schen Bergbau-Museums fast der komplette Schatz nach Bo- chum ausgeliehen wurde.
Auf anschauliche Weise kann der Besucher der Aus- stellung „Das Schiff von Ulu- burun – Welthandel vor 3 000 Jahren“ im Deutschen Berg- bau-Museum Bochum diese für damalige Zeit unglaublich
weiträumige Handelsroute nachvollziehen: Auf den Fuß- boden des Hauptraumes ist die Karte der Schifffahrtsrou- te projiziert. Eingang zur Aus- stellung ist der Bug des in voller Größe rekonstruierten Schiffes von nur 15 Metern Länge, in dessen bauchigem Laderaum originale Fracht- stücke und Kopien so gesta- pelt und vertäut sind, wie es bei Seegang erforderlich war.
Ein Film mit Aufnahmen der 22 500 Tauchgänge in mehr als zehn Jahren vermit- telt eine Ahnung, wie schwie- rig es war, große Amphoren, Pithoi, die teils miteinander verbackenen 350 Ochsen- hautbarren à 25 kg und die großen Steinanker zu lösen und zu heben. Über eine Trep- pe gelangen die Besucher an Deck. Im zweiten Raum be- eindrucken großartige Auf- nahmen von der Situation der Taucher am Meeresgrund bei ihrer schwierigen Arbeit. Weit
öffnet sich dann die Tür zum Saal, in dem über der Fußbo- denkarte 180 Original-Expo- nate in geschickt aufgestellten Glasvitrinen zu sehen sind.
Leihgaben anderer Mu- seen sind einigen Exponaten zur Seite gestellt, um Situatio- nen zu verdeutlichen. Fotos an den Wänden von zu den Funden gehörenden archäo- logischen Grabungsstätten wie Troja und dem Hethiti- schen Hinterland Anatolien bei Bogazköy/Hattuša ver- mitteln zusätzlich ein Bild der Spannbreite der Kulturen.
Renate V. Scheiper
Auf anschauliche Weise kann der Besucher der Ausstellung „Das Schiff von Uluburun – Welthandel vor 3 000 Jahren“ eine für die damalige Zeit sen- sationell weiträumige Handelsroute nachvollziehen.
Informationen: Bis zum 16. Juli ist die Sonderausstellung im Deutschen Berg- bau-Museum, Am Bergbaumuseum 28, 44791 Bochum zu sehen. Telefon:
01 80/58 77-2 34, Fax: 58 77-1 11. Internet: www.uluburun.de. Geöffnet:
dienstags bis freitags 8.30 bis 17 Uhr, samstags und sonntags 10 bis 17 Uhr.
Eintritt: 6,50 Euro, ermäßigt 3 Euro. Die Ausstellung wird von Vorträgen und Workshops begleitet. Der Ausstellungskatalog (knapp 700 Seiten) in Deutsch und Türkisch mit vielen Abbildungen und Aufsätzen verschiedener Wissen- schaftler kostet 35 Euro (ISBN 3-937203-18-4). )
Deutsches Bergbau-Museum
Einmalige Zeitzeugen
Ein Nachbau des bronzezeitlichen Schiffs, die „Uluburun II", segelt zurzeit auf dem Mittelmeer.
Fotos:DBM
Massivgoldenes persönliches Siegel der ägyptischen Königin Nofretete Feuilleton