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Archiv "Reisen im Licht der Sterne. Eine Vermutung" (24.02.2006)

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Forensik

Nähe zur Tat und zum Täter

Erich Wulff: Das Unglück der kleinen Giftmischerin. Und zehn weitere Geschichten aus der Fo- rensik. Edition Balance, Psychia- trie-Verlag, Bonn, 2005, 180 Sei- ten, Paperback, 19,5 × 12,5 cm, 12,90 A

Der harmlos daherkommen- de Titel und eine blumige Umschlagsgestaltung lassen anderes vermuten. Aber es geht um schreckliche Dinge:

um Mord, Totschlag, Verge- waltigung und andere schwe- re Verletzungen von Gesetz und Moral, oder vielmehr, es geht um die Täter und Täterinnen, deren Lebensge- schichte und Verbrechen der Verfasser mit klugem Ein- fühlungsvermögen und ohne Scheu vor dem Grausigen er- zählt. Wulff hatte sie meist wegen der Frage der Schuld- fähigkeit oder der Sicher- heitsverwahrung für die Ge- richte psychiatrisch zu begut- achten.

Der forensische Psychiater befindet sich in einer expo- nierten, nicht selten prekären Position. Denn er ist Arzt und will kranken Menschen hel- fen. Aber sind die Täter krank? Die Delinquenz kann man wie die Krankheit auch

als Grenzsituation sehen, be- sonders bei Sexualdelikten.

Der Gutachter muss dem Probanden gerecht werden, trägt aber auch mit an der Verantwortung für ein ge- rechtes Urteil und ist der Ge- sellschaft verpflichtet, sie vor einem gemeingefährlichen, möglicherweise Wiederho- lungstäter zu schützen.

Wulff schildert uns Men- schen in ihren Nöten und Ängsten, aber auch in ihrer erschreckenden Grausamkeit.

Er lässt sie auftreten und han- deln vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und po- litischen Verhältnisse, in die sie das Schicksal geworfen hat. Doch erscheinen diese Menschen in Wulffs Darstel- lung nicht einfach als Pro- dukte ihrer Umgebung. Der Verfasser hütet sich vor gän- gigen Erklärungsmustern, bleibt sparsam mit analytisch psychodynamischen Deutun- gen und respektiert unbeant- wortbare Fragen und das Ge- heimnis, das jedes Individu- um für sich selbst und den an- deren letztlich birgt.

Wir erleben einen Gutach- ter, der nicht mit der Aura der Unfehlbarkeit seine Wissen- schaft zelebriert, sondern der von menschlichen Zweifeln befallen werden kann und der um eine Entscheidung ringt, die am ehesten sowohl dem Täter als auch der durch das Gericht vertretenen Gesell- schaft gerecht werden könn- te. Zwar gibt er dem Gericht letztlich eine klare Antwort, aber er scheut sich nicht, die Richter auch mit alternativen Möglichkeiten zu konfrontie- ren, wenn es die Sachlage er- fordert.

Die Stärke des Buches be- ruht darauf, dass es mit seinen Geschichten Nähe zur Tat und zum Täter herstellt und weder einen Keil zwischen sie und die Gerechten treibt noch mit Statistiken und kri- minologischer Theorie lang- weilt. Es ist Wulffs schriftstel- lerischem Talent zu danken, dass er ein lebendiges Ver- ständnis für menschliche Ex- tremsituationen weckt, und dafür, dass er als Gutachter auch nur ein Mensch ist. Die

Abhandlung richtet sich an alle, die mit Straftätern und Menschen in Grenzbereichen der Existenz zu tun haben.

Auch Ärzte bleiben davon nicht unberührt. Es ist ein Beitrag zur Entzerrung des immer wieder von Ressenti- ments und Mystifikationen entstellten Sicherheitsdiskur- ses in der Bundesrepublik.

Wolfgang Kuhl, Dieter Becker

Erzählung

Spannender als ein Krimi

Alex Capus: Reisen im Licht der Sterne. Eine Vermutung. Albrecht Knaus Verlag, München, 2005, 240 Seiten, gebunden, mit Schutzum- schlag, 18 A

In seiner „Vermutung“ hat der Schweizer Autor sich jetzt dem schottischen Dich- ter Robert Louis Stevenson genähert. 1889, sechs Jahre nach Erscheinen der „Schatz- insel“, landet Stevenson mit seiner zehn Jahre älteren Frau Fanny und dem Stief- sohn Lloyd Osbourne auf der Pazifikinsel Samoa. Einein- halb Jahre hat er die Südsee bereist, um Reisereportagen für amerikanische Zeitschrif- ten zu schreiben, ein für alle Beteiligten unbefriedigendes Unternehmen: Die Leser sind verstimmt, dass der Autor der

„Schatzinsel“ sie mit derart langatmigen Abhandlungen behelligt, die Verleger sind enttäuscht über den aus- bleibenden Erfolg. Stevenson selbst findet an dem Genre auch kein Vergnügen und

sehnt sich zurück nach Edin- burgh. Nichts deutet darauf hin, dass er sich auf Samoa niederlassen wird. Doch kei- ne sechs Wochen später inve- stiert er sein gesamtes Vermö- gen und kauft im Dschungel ein Stück Land, um dort den Rest seines Lebens zu ver- bringen. Woher dieser plötzli- che Gesinnungswandel? Am Klima kann es Capus zufolge nicht gelegen haben. Denn auf Samoa herrschen lähmen- de Hitze, sintflutartige Re- genfälle und hohe Luftfeuch- tigkeit – entgegen Stevensons offiziellen Angaben keines- falls ein Ort, an dem der tu- berkulosekranke Dichter sich wohlfühlen konnte. Was also war der wirkliche Grund?

Ganz einfach: Stevenson hat auf der Nachbarinsel Tafahi einen Schatz entdeckt, der ihm und den Seinen fortan ein äußerst angenehmes Le- ben ermöglichte.

Was Capus nun an Bewei- sen für seine Vermutung aus- breitet, liest sich spannender als mancher Krimi: Seit 1821 ist der Kirchenschatz von Lima verschollen. Gerüchten zufolge befindet er sich auf Cocos Island im Pazifischen Ozean, 500 Kilometer vor der Küste Costa Ricas. Am hart- näckigsten ist ein Deutscher:

August Gissler verbringt gan- ze 17 Jahre auf dem Eiland.

Er gräbt die halbe Insel um und guckt unter jede Kokos- palme, aber den Schatz findet er nicht. Andere Glücksritter geben viel schneller auf. Wo sind die knietief mit Dia- manten gefüllten Kisten also geblieben? Den Quellen zu- folge hat die Besatzung der Mary Dear den Kirchen- schatz damals mit großer Si- cherheit irgendwo vergraben, laut Capus nur eben nicht auf Cocos Island. Und die Be- weislage wird mit jedem Satz erdrückender . . .

Ein Buch nicht nur für Schatzsucher und Piraten:

spannend, vergnüglich und auf unterhaltsame Weise beleh- rend. Nicht zuletzt ist „Reisen im Licht der Sterne“ in großen Teilen eine schöne Biografie des Dichters Robert Louis Stevenson.Christof Goddemeier

A

A472 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 8⏐⏐24. Februar 2006

B Ü C H E R

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