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Archiv "Von der Verdorrung der Fichten- und Kiefernwälder" (24.04.1985)

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Von der Verdorrung

der Fichten- und Kiefernwälder

Ärzte sind in Forstsachen nicht kompetent. Aber ist das Waldster- ben nur eine Forstsache? Immerhin sind wir im biologischen Den- ken geschult, und unser Beruf hat den detektivischen Sinn ge- schärft. Neben peniblen Befunden führt in problematischen Si- tuationen oft eine sorgfältige Anamnese auf die rechte Spur, wenn ein Erfahrungsschatz sie unterstützt.

Kürzlich suchten Forstleute das Riesen- und Isergebirge auf. Es bot sich ihnen ein Bild, das selbst die schlimmsten Erwartungen übertraf. So weit das Auge reichte, sah man wüst-kahle Flächen, wo vor wenigen Jahren noch gesunde Bäume standen. Ein beson- deres Bild des 'Schreckens zeigte das Erzgebirge. Es stimmt nachdenklich, daß es in dieser Gegend vor 250 Jahren so ähnlich aussah, zu einer Zeit also, in der man schwerlich die industrielle Umweltverschmutzung etc. als primäre Ursache verantwortlich machen kann. Über die damalige Katastrophe gibt es einen zeit- gemäßen Bericht, der einer Beachtung wert ist; in Leipzig er- schien 1724 das Buch von Hanns Friedrich von Fleming „Des voll- kommenen Teutschen Jägers Anderer Haupt-Theil etc.", dessen Bericht vom Waldsterben nachfolgend wiedergegeben ist.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

V

or einigen Jahren hat man an unterschiedenen Orten in dem Chur-Fürstenthum Sach- sen mit grossem Betrübniß wahr- genommen, wie grosse Theile der Fichten- und Kiefern-Wälder gäntzlich verdorret und einge- trocknet. Das erste Verdorren er- eignete sich in dem beruffnen Tharandischen Walde von anno 1706 an biß mit 1713 in grosser Menge, und wohl an zweymahl hundert tausend Stämmen, wel- ches fast alles in dem nassen und morastigen Gegenden, auf dem trucknen Boden aber am wenig- sten geschehen, und hat man da- mahls dafür gehalten, daß dieses Übel daher rühre, weil in den Jah- ren 1702, 1704, 1707 und 1708 schlechte Winter mit wenigem Schnee, auch trockne Sommer gewesen, daher an nassen Orten dem Holtze die nöthige und sonst gewohnte Feuchtigkeit entgan- gen, zumahl zu selbiger Zeit keine anderen Ursachen wegen dieses Holtz-Verdorrens wahrgenommen werden. Nach diesen aber, seither dem in der Nacht zwischen dem

THEMEN DER ZEIT

11. und 12. Febr. ann. 1715 gewe- senen bekannten grossen Sturm- Winde, durch welchen allenthal- ben in Wäldern, sonderlich im Tharandischen, unzehlige tau- send Stämme Holtz mit den Wur- zeln ausgerissen und umgeworf- fen worden, ist das Absterben des Fichten-Holtzes am ersten auf dem Tharandischen Walde von neuem angegangen, so allda biß 1719 in sehr grosser Anzahl nicht allein continuiret, sondern auch nach und nach in andere Wälder weit und breit eingerissen, und in denen trockenen Sommern ann.

1718 und 1719, ungemein über- hand genommen.

Es haben sich auch in den abge- wichenen Zeiten dergleichen ab- scheuliche Seuchen ereignet, wie es denn in dem Gebürge augen- scheinlich Landkündig ist, daß gantze Wälder also anfliegen, und vom Gipfel an biß auf den unter- sten Stamm Bein-hart ausdorren.

Man hat es vor Zeiten bey Jo- achimsthal angemercket, daß viel Wälder von Eger her verdorret,

auch solches auf dem Schlack- werdischen Gebiet geschehen, ehe der letzte Hertzog Friedrich Julius und mit ihm der gantze Stamm der Hertzöge von Sach- sen-Lauenburg abgestorben.

Man muß sich darüber desto mehr wundern, denn eines Garten- Baums Siechthum erweiset sich an der Rinde, wenn sie von unten hinauf, biß zum Gipfel schwartz wird, und verdorret, welches man die Natter nennet, ingleichen den Krebs an Birn-Bäumen, und den Brand an Aepffel-Bäumen. Die wilden Bäume sind viel dauerhaff- tiger, haben einen fettern, öhlich- tern und zähen Safft, damit sie de- nen verzehrenden Dingen wider- stehen; absonderlich sind Fichten und Tannen recht immergrünen- der balsamischer Natur, darum sie ihren Tangel im Frost und Schnee, Hitze und Ungestüm or- dentlicher Weise, nicht fallen las- sen, Es wäre Schaden genug, wenn die Darre und Seuche nur das Fichten-Holtz betroffen, allein der Augenschein zeiget, daß auch große ungeheure Tannen sol- chem Siechtthum unterworfen gewesen; es geschicht zwar nicht so leicht an denen auf hohen und Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 17 vom 24. April 1985 (31) 1239

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Waldsterben damals

trocknen Gebürge wachsenden Tannen, wohl aber an anderen, die im Sumpffe und Schatten auf- gewachsen.

Über das Absterben solches Holt- zes sind nun mancherley Meynun- gen ausgefallen. Einige haben es dem großen Wind zugeschrieben, weil durch selbigen bey gewaltsa- mer Niederwerfung so gar vieler und starcker Bäume zum Theil aus ihrem Stande beweget, viel Wurtzeln daran mit loß gerissen oder wenigstens locker gemacht worden seyn sollen. Welche Mey- nung aber, ob wohl die Umstände einigen Grund zu haben schei- nen, dadurch widerlegt wird, in- dem nur Fichten und keine Tan- nen, Kiefern, Buchen und Eichen verdorret, ingleichen es fast durchgehends nur mittelmäßige betroffen, da doch die starcken, nebst denen Tannen, wegen ihrer Höhe, dichten und mehrern Rei- ßigs, der Wind viel eher treffen, fassen und bewegen können, fer-

ner das Absterben der Fichten in Refieren erfolget, allwo der Wind wenig oder kein Holtz geworffen, oder selbige gäntzlich übergan- gen. Man findet auch nicht Exem- pel, daß an allen Orten die Bäume nach starckem Winde verdorret.

Es wäre auch noch zu disputieren, ob die Winde die Bäume nicht vielmehr fester als lokker mach- ten.

Giftiger Tau

Andere messen diesen sonderli- chen Siechthum unterschiedenen Ursachen bey, als dem Minerali- schen Erd-Feuer, das die auf Erd- gängen stehenden Bäume ziem- lich schwäche, zwieselt und strup- pig mache; aber darum verdorren sie nicht gantz und gar; oder dem gifftigen Tau, der auff die Wälder fällt, und einige grosse Fäulung verursacht, daß allerhand schäd- liches Ungeziefer und Gewürme zwischen der Rinde und dem Holtz wächst, so sich tief in Kern einfrist, und den Balsamischen Safft vergifftet und verzehret. Es ist auch diese Meynung allerdings

am meisten gegründet. Denn man hat bey solchem Holtz-Sterben observirt, wie zur Frühlings-Zeit, im Majo und Junio, an Fichten in der Schaale oder Rinde sich klei- ne Löcher mit Würmern finden, so die Gestalt eines Käfers sonder- lich an Flügeln, etwan in dieser Länge und Stärcke auf gewisse Maasse haben, welche in der Rin- de zwischen dem Holtz sich fort- fressen, zugleich kleinen Schmeiß als Eyergen, dessen Puncts. groß, von sich lassen, daraus weisse Mädigen hervor kriechen, die so gleich in der Schaale (Zweifels oh- ne ihrer Nahrung nach) hin und wieder fahren, auch binnen etli- chen Wochen mit einem braunen Köpffgen so groß als eine gemei- ne Käse-Made werden; so dann wachsen ihnen Flügel und Beine, und färben sich auch nach und nach braun, biß sie in Zeit von 4.5 biß 6. Wochen zur Vollkommen- heit gelangen; da denn der Baum gäntzlich dürr ist, darinn sich der- gleichen befunden. Wenn dieses geschehen, ziehen sie aus, ver- mutlich aus Mangel der Feuchtig- keit, zu ihrer Nahrung (denn man, wenn die Bäume, wie ietzt ge- dacht, dürre, hernach fast keinen mehr darinnen antrifft), fliegen hernach fort, und beissen sich in frischen Bäumen wieder durch, darinnen sie sich auf gleiche Wei- se fortpflantzen.

Diejenigen, so im October anfal- len, und sich einfressen, halten sich den Winter über stille, biß zum Frühjahr, da sie sich aufs neue bewegen, und ihr Verderben fortsetzen, wie wohl deren im Winter, sonderlich wenn es sehr nässet, viel todt bleiben. In einem eintzigen Stamm befinden sich deren viel Tausend von unter biß oben aus, alle in einerley Gestalt, nur, daß theils manchmahl etwas bräunlicher aussehen.

Nebst diesen finden sich auch kleine Maden in solchen Bäumen, welche sich, wenn diese gäntzlich dürre, wie jene verlieren, und wie man bemercket, denen Vögeln zur Nahrung dienen. Es hat sich das Absterben zu Ausgang des

Somers An. 1709 auch theils Orten an einigen zähen Tannen geäus- sert, darinnen man mehrerley Würmer, als in Fichten, mercket, worunter iedoch eine Art denjeni- gen, so vor in Fichten beschrie- ben worden, der Gestalt und den Flügeln nach gantz gleich, aber nur etwa halb so groß seyn; Das andere sind Maden, wie nur er- wehnet; die dritte Art aber ist der so genannte weisse Holtz-Wurm, oder eine grosse Made, so ein scharffes Gebeiß am Kopffe hat, und wohl die Länge eines Over- Fingers erreichet, auch wenn die- ser Wurm erst zwischen der Rinde und dem Holtz gewachsen, sich nachmahls im Holtz fast biß auf den Kern einfrißt; welche dreyer- ley Würmer, wie man zur Zeit be- obachtet, zwischen Holtz und Rin- de generiret werden, davon iedoch die ersten von Tannen wie an Fichten ausziehen und fortflie- gen können. Es giebt von diesem Wurm-Geschmeisse unterschied- liche Arten: Einige sind ein Rau- pen-Geschlecht, welches hernach zu einem Zwiefalter wird und wie- der junge Raupen ansetzt; andere sind nach Art der Holtz-Maden oh- ne Flügel.

Woher und durch was Ursachen dergleichen Gewürme und Ge- schmeisse generiret werde, ist nicht so leicht zu sagen; ob sie an- derswo etwan bey grossen Win- den herbeygeführet werden, oder ob solche die bösen Nebel, Thaue, grosse Dürre, oder Influen- zen des Himmels erzeugen. Man solte fleißiger bey erfahrnen Jagd- und Forst-Bedienten Erkundigung einziehen, was sie vor Anmer- ckungen hierinnen gemacht hät- ten. Man kan auch nicht recht ge- wiß determiniren, durch was vor Mittel und menschliche Vorsich- tigkeit dergleichen Unheyl könte abgewendet werden. Es stünde zu versuchen, ob es nicht gut thäte, wenn man an sumpffichten Orten besondere Sauer-Gräben aufwerf- fen liesse, daß das Terrain davon trocken gemacht, und also auch die entstehende Putrido, und folg- lich die Zeugung der Würmer ge- hindert würde." ❑ 1240 (32) Heft 17 vom 24. April 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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