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er Gast steht gewöhnlich vor einem spärlich deko- rierten Fenster: Nur eini- ge Getränkedosen schmücken das kleine Schaufenster. Ge- grüßt wird nicht. Eine Be- gegnung durch Düfte: Frit- tiergeruch, Ketchup, Rauch, Abgase. Schnelle Bestellung, schnelle Bedienung, schneller Genuss – ein Imbiss. Die Berliner Statistiker zählten in der Bundeshauptstadt 2 000 Buden. Die erste Imbissbude Deutschlands soll 1134 in Regensburg errichtet worden sein.Das Freilichtmuseum Do- mäne Dahlem in Berlin zeigt noch bis zum 15. Dezember die Ausstellung „Imbissbuden – Essen ohne Grenzen“. Der Ausstellungsverbund der Ber- lin-Brandenburgischen Agrar- museen präsentiert dort auch eine virtuelle Terminalschau mit Quizfragen und Filmaus- schnitten zu den Hintergrün- den europäischer Esskultur.
Mit der Exposition „Imbiss- buden“ will Ausstellungskura- tor Jon von Wetzlar „die Im- bissbude aus ihrer Anony- mität herausholen“. Für von Wetzlar ist die Bude ein Teil des Alltags, ein Bauwerk, bei dem kein Architekt Hand an- legte, ein „Baukörper im Stadtraum, der Beachtung verdient“.
Dirk Lodder, Bildhauer aus Berlin, zerlegte eigens für die Ausstellung eine Imbissbude.
Von der Decke des Aus- stellungszimmers bau- melt eine zerlegte Kaffeemaschine. Der Betrachter entdeckt noch andere Acces- soires der Bude wie Wachstischdecke, Verkaufs- schiefertafel, Friteuse und ein Pappschild mit der Aufschrift
„Snackeria“. Das Architek- tenpaar Chikalov/Hampel- Chikalov fotografierte und zeichnete mehr als 100 Kioske in Petersburg. „Kioske gibt es fast an jedem Punkt der Stadt“, sagte Birgit Hampel- Chikalov. Sogar Medikamente kann der Petersburger an ei- ner Kiosk-Apotheke kaufen.
Kulinarisch bevorzugen die Menschen dort an den Kios- ken unter anderem Blinis (fei-
ne Crêpes mit pikanten oder süßen Füllungen) oder frische heiße Puischkis (den Donuts ähnliches Gebäck). Gegessen wird auf der Straße. Jedoch seien die Tage der Buden in Petersburg ge-
zählt. Aus Man- gel an Laden-
raum sind sie einst entstanden.
„Jetzt gibt es genug davon, es mehren sich auch die Super- märkte, und so steht der Ab- riss vieler Buden bevor“, be- schrieb Hampel-Chikalov die Situation in Petersburg.
In einem anderen Raum der Ausstellung erfährt man etwas über Asiens Garküchen: In Bangkok rollen mindestens 50 000 Garküchen auf den Straßen. „Jedoch sind die
thailändischen Kollegen der Berliner Pommesbude mobi- ler und vari- antenrei-
cher, für
den allerkleinsten Happen scheut man die Mühe der kom- plizierten Zubereitung nicht“, sagte Anne-Katrin Fenk, Stu- dierende der Kunsthochschule Weißensee, die den Raum
„Asiens rollende Kochstuben“
gemeinsam mit Dr. Günter Nest, Dozent der Kunsthoch- schule Weißensee, gestaltete.
„In Öl“ gemalte Bilder von Frikots (flämisch Frittenstall, was soviel wie Frittenbude
heißt) sind von dem flämi- schen Maler Gillis Houben zu sehen. Er zeigt einige Bilder seiner mehr als hundert Stück umfassenden Frittenbuden- sammlung.
Sicherlich nicht einfach nachzuhäkeln sind die Fast- Food-Produkte von der Künst- lerin Patricia Waller. Sie häkelte unter anderem Pizza- stücke, Hamburger und Bier- flaschen für die Ausstellung.
Um einen „Fisch“ zu häkeln, braucht die Künstlerin eine Woche, ein „Häkelbüfett“
nimmt ein halbes Jahr in An- spruch.
Die Ausstellung bietet auch
„Geruchszonen“, die in Zu- sammenarbeit mit einer Pro- jektgruppe für Geruchsdesign der Fachhochschule für Kunst und Design Burg Giebichen- stein, Halle, realisiert wurden.
In den Ausstellungsräumen hängen Gewürzdosen, die beim genauen Schnuppern Duftkompositionen wie „Kal- ter Kaffee“, „Würzklang“
(frischwürziges Aroma mit orientalisch-asiatischen Kom- ponenten) oder „Großstadt- grau“ entfalten. Die Gerüche stehen stellvertretend für die Markt- und Imbissbuden aus verschiedenen Kulturkreisen.
Sie spiegeln nach Auskunft von Dr. Peter Luckner, Pri- vatdozent der Fachhoch- schule, nicht abstrakte Kul- turbilder wider (beispiels- weise: Wie riecht Italien?), sondern eine konkrete Situati- on dieser Kultur (Wie riecht eine Pizzeria?). Die Aus- wirkungen regelmäßigen Fast- Food-Konsums an Imbiss- buden auf den menschlichen Körper und deren mögli- che gesundheitlichen Schäden wurden nach Meinung von Dr.
Peter Lummel, wissenschaftli- chem Leiter des Freilichtmu- seums Domäne Dahlem, bei dieser Ausstellung nicht the- matisiert. Susanne Lenze V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4431. Oktober 2003 AA2885
Freilichtmuseum Domäne Dahlem
Imbiss zum Anschauen
Eine Berliner Ausstellung will „die Imbissbude aus ihrer Anonymität herausholen“.
Die Ausstellung läuft bis zum 15. Dezember und ist außer diens- tags von Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Informationen:
Freilichtmuseum Domäne Dahlem, Königin-Luise-Straße 49, 14195 Berlin, Telefon: 0 30/6 66 30 00 Hamburger, Pommes
und Hot Dog, Patricia Waller. Hambur- ger: Wolle, Styropor; Häkelarbeit, 1998. Pommes: Wolle, Holz; Häkel- arbeit, 1998. Hot Dog: Wolle, Watte, Styropor; Häkelarbeit, 2003. Besitz der Künstlerin Pizzaschnitte, Patricia Waller, Wolle, Watte, Styropor; Häkelarbeit, 2003. Besitz der Künstlerin Fotos: Freilichtmuseum Domäne Dahlem
Chickencenter in Berlin, Christoph Buckstegen, Fotografie, 2003.
Besitz des Künstlers