e eher der Schlaganfall ange- messen behandelt wird, desto besser ist die Aussicht, Folge- schäden gering zu halten. Hierzu be- nötigt man jedoch Diagnoseverfah- ren, die schnell und genau das Aus- maß der entstandenen Hirnschäden zu erfassen vermögen. Jetzt ist es ei- ner Magdeburger Forschergruppe der Sektion Neuropsychologie der Neu- rologischen Klinik mit Hilfe von bio- chemischen Markern gelungen, nicht nur das Ausmaß der geschädigten Gehirnregion zu bestimmen, sondern auch Aussagen über die Entwicklung neuropsychologischer Schäden nach einem Schlaganfall treffen zu können.
Zum Beurteilen eines solchen Ereignisses werden in der Regel die Computertomographie und Magnet- resonanztomographie herangezogen.
Doch beide Verfahren sind in ihrer Aussagekraft beschränkt. Zwar lassen sich mit den bildgebenden Verfahren Ausmaß und Ort des betroffenen Hirnareals erkennen; die Schwere der zu erwartenden neurologischen oder neuropsychologischen Auswirkungen wie Lähmungserscheinungen oder Gedächtnisstörungen sind jedoch nur unzureichend vorhersagbar.
In ihrer Studie (Stroke Vol. 30/6) konzentrierten sich Prof. Manfred Herrmann und Kollegen auf die neu- ronspezifische Enolase (NSE) und das Protein S-100B. Von beiden Ei- weißverbindungen ist seit längerem bekannt, daß sie bei Hirnverletzungen freigesetzt werden und sich immuno- logisch im Liquor und Blut nachwei- sen lassen. So gelangt das hauptsäch- lich in Neuronen vorkommende NSE nur in den Liquor und die Blutbahn, wenn die Nervenzelle zerstört wird.
Tritt auch das für Gehirnstützgewebe weitgehend spezifische Protein S-
100B im Blut oder Liquor auf, ist dies ein Hinweis auf eine gestörte Ner- venzellfunktion. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, daß die Konzen- tration beider Substanzen im Blut eng mit der Schwere des Schlaganfalls korreliert. Dabei spielt offenbar der zeitliche Verlauf der Freisetzung über mehrere Stunden und Tage hinweg ei- ne entscheidende Rolle. So war zwei Wochen nach dem Schlaganfall der klinische Status bei jenen Patienten schlechter, die in den ersten vier Ta- gen hohe Konzentrationen an NSE und besonders an S-100B aufwiesen.
Pilotstudie: Maligner Infarkt
Dies sagt jedoch nicht nur etwas über eine zu erwartende Behinderung aus – beispielsweise ob eine Lähmung oder Sehstörung vorliegt. Erstmals konnte auch ein Zusammenhang mit neuropsychologischen Beeinträchti- gungen nachgewiesen werden. Denn Aufmerksamkeitsstörungen oder die verminderte Fähigkeit zum Planen und Handeln fallen dem Therapeuten und Patienten nicht sofort auf, son- dern bedürfen in der Regel dif- ferenzierter Untersuchungsmetho- den. Häufig treten die Defizite sogar erst im Alltag des Betroffenen hervor.
Biochemische Marker werden in Zukunft bei der Schlaganfalldiagnose eine wichtige Rolle spielen, prognosti- ziert auch der Neurologe Thomas Büttner von der Ruhr-Universität Bo- chum. In einer Pilotstudie an einem kleinen Patientenkollektiv konnte er zeigen, daß sich mit Hilfe des Protein S-100B im Blut auch der gefürchtete maligne Infarkt bereits innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Ereignis vorhersagen ließ. Thomas Ziegler A-2964
P O L I T I K
(32) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 46, 19. November 1999 MEDIZINREPORT
ringerung postoperativer Schmerzen konnte durch neuere Untersuchun- gen des Schweizer Schmerzforschers Prof. Oliver H. G. Wilder-Smith er- härtet werden. Während bei schmerz- freien Patienten, die sich einer Opera- tion unterziehen müßten, periopera- tiv eine Aktivierung der körpereige- nen Schmerzhemmung eintrete, finde sich bei jenen, die schon im Vor- feld starke Schmerzen hatten, ei- ne weitere Aktivierung des ohnehin schon schmerzsensibilisierten Nerven- systems. Damit werde durch noch- malige Applikation von Schmerzrei- zen im Verlauf der Operation die Schmerzabwehr überfordert und das Risiko einer Chronifizierung gestei- gert, so Wilder-Smith.
Konsequente Analgesie für Neugeborene
Wird jedoch das Operations- gebiet mehrere Tage vor dem Ein- griff ausreichend präventiv analge- siert, könne man dieses Risiko min- dern, wie Wilder-Smith bei Patien- ten mit Bandscheibenoperationen und Beinamputationen beobachtet hat.
Jetzt sei es Aufgabe klinischer Stu- dien, die Risikopatienten für eine postoperative Schmerzchronifizierung zu erkennen und vorbeugend zu be- handeln.
Eine konsequente Analgesie für Früh- und Neugeborene, die intensiv- medizinisch behandelt beziehungs- weise operiert werden müssen, for- derte auch Prof. Bernhard Roth von der Universitäts-Kinderklinik zu Köln. Oft werde Analgesie mit bloßer Ruhigstellung verwechselt, kritisierte er. Daß Früh- und Neugeborene be- reits ab der 24. Gestationswoche eine Schmerzwahrnehmung hätten, sei in- zwischen bekannt. Überdies zeigten Untersuchungen, daß das schützende, schmerzhemmende System bei diesen kleinsten Patienten noch gar nicht ausgebildet sei. In einer eigenen Un- tersuchung über spätere Schmerzre- aktionen bei Kindern zwischen drei und neun Jahren, die als Neugebo- rene intensivmedizinisch behandelt worden waren, hat man eine stärkere Sensibilität gegenüber Schmerzreizen wie zum Beispiel Impfungen festge- stellt. Ingeborg Bördlein