Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 51–52⏐⏐25. Dezember 2006 A3501
T E C H N I K
D
urch die telemedizinische An- bindung regionaler Kranken- häuser an überregionale Schlagan- fallzentren kann die Überlebens- chance von Schlaganfall-Patienten in ländlichen Gebieten gesteigert und das Risiko auf Behinderung erheb- lich verringert werden. Dies ist das Ergebnis eines telemedizinischen Pi- lotprojektes zur integrierten Schlag- anfallversorgung „TEMPiS“ in der Region Süd-Ost-Bayern. Aufgrund der ausgewiesenen Erfolge ist das Projekt bereits seit Januar 2006 in die Regelversorgung des Flächenstaates Bayern übernommen worden.Im neuen High-Tech-Versor- gungssystem sind zwölf regionale Kliniken mit den beiden Schlagan- fall-Zentren in München-Harlaching und der Universität Regensburg per Video- und Bildübertragung mitein-
ander vernetzt. Jedes der Kranken- häuser wurde im Aufbau einer Schlaganfall-Schwerpunktstation un- terstützt. Für eine erste Auswertung wurden 22 Monate lang die Behand- lungsergebnisse aus fünf TEMPiS- Kliniken und fünf vergleichbaren re- gionalen Krankenhäusern ohne ent- sprechende Einrichtung verglichen.
Das Resultat: Für die TEMPiS- Patienten hat sich eine hoch signi- fikante Prognoseverbesserung für das kombinierte Behandlungsergebnis Sterblichkeit, Pflegeheimversorgung und schwere Behinderung gezeigt.
Die Ergebnisse wurden in der Fach- zeitschrift Lancet Neurology veröf- fentlicht. TEMPiS ermöglicht ein schnelleres Eingreifen nach einem Schlaganfall, sichert die Verfügbar- keit von Experten und spart Kosten im Gesundheitssystem ein.
Die Stiftung Deutsche Schlagan- fall-Hilfe fordert deshalb eine bun- desweite Einführung für Regionen, die noch nicht ausreichend durch Stroke Units abgedeckt sind. Ge- meinsam mit den bayerischen Kran- kenkassen, dem bayerischen Sozial- ministerium und den beteiligten Kli- niken hat die Stiftung das neue Ver- fahren vor drei Jahren initiiert. In- zwischen stößt das Projekt auch auf internationales Interesse. So kom- men Anfragen aus dem europäischen Ausland, Kuba und den USA. EB
TELEMEDIZIN
Verbesserte Schlaganfall-Prognose
B
ei der Diagnostik von Hirntu- moren versagen herkömmli- che bildgebende Verfahren häufig:Ob eine Signalveränderung in der Kernspintomographie auf ein aggres- sives Glioblastom oder auf die Ab- siedlung eines noch nicht entdeckten Tumors zurückzuführen ist, lässt sich oft nicht sicher sagen. Auch entartete Zellen des Lymphsystems siedeln sich gelegentlich im Gehirn an und sind schwer von anderen Tumoren zu unterscheiden. Ebenfalls ungenügend gelingt die Abgrenzung der aggressi- ven von weniger bösartigen Gliomen.
Radiologen des Deutschen Krebs- forschungszentrums haben gemein- sam mit Ärzten aus den Universitäts- kliniken Heidelberg geprüft, ob funktionelle Magnetresonanz(MR)- Techniken eine präzisere Diagnose- stellung ermöglichen als herkömm- liche bildgebende Techniken. Funk- tionelle MR-Methoden stellen be-
stimmte physiologische Funktionen oder Gewebeparameter bildlich dar.
In ihrer Untersuchung verglichen die Ärzte die MR-Spektroskopie, die die Verteilung tumorspezifischer Stoffwechselprodukte innerhalb des Gewebes sichtbar macht, mit ver- schiedenen Methoden, die die Per- fusion des Gewebes darstellen. 79 Patienten, bei denen eine CT-Unter- suchung den Verdacht auf einen Hirntumor begründet hatte, nahmen an der Studie teil. Ihnen wurden aus den verdächtigen Arealen Gewebe- proben entnommen und die Ergeb- nisse der funktionellen MR-Techni- ken mit den histologischen Befun- den abgeglichen.
Die Studie ergab, dass bei der Dia- gnose von Hirntumoren die Messung der Durchblutung dem Nachweis tumorspezifischer Stoffwechselpro- dukte in der Aussagekraft überlegen ist. So lassen sich Glioblastome über
ihre stärkere Durchblutung mit großer Sicherheit von den schwach durchbluteten Lymphomen abgren- zen. Um Zellabsiedlungen aus Tu- moren anderer Organe von Glioblas- tomen zu unterscheiden, hilft ein Blick auf die Gewebezone direkt um den Tumor. Der Gewebesaum, der Metastasen umgibt, ist deutlich we- niger durchblutet als das Areal um Glioblastome. Auch die Differenzi- aldiagnose von höher- und nieder- gradigen Gliomen gelingt über die Messung der Gewebeperfusion bes- ser als über die gängige Bildgebung.
Von diesen Unterscheidungen hängt das weitere therapeutische Vor- gehen ab. Die frühzeitige Einordnung einer Gehirnläsion entscheidet zum Beispiel darüber, ob der Patient vor einer Gewebebiopsie bestimmte Me- dikamente wie Glucocorticoide ein- nehmen darf oder ob nach der Opera- tion eine weitere Strahlen- oder Che- motherapie sinnvoll ist. Trotzdem können aber die nichtinvasiven MR- Untersuchungen eine Gewebeunter- suchung des Tumors zur Absicherung des Befunds nicht ersetzen. EB
STUDIE ZUR FUNKTIONELLEN MRT
Bessere Diagnostik von Hirntumoren
Telemedizinischer Arbeitsplatz,wie er im bayerischen Projekt TEMPiS ein- gesetzt wird
Foto:Städtisches Klinikum München GmbH