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25. Mai 2012 A 1089STUDIEN IM FOKUS
Modelle für die Vorhersage der Mortalität und der zu erwartenden Einschränkungen nach Schlaganfall sollen helfen, Faktoren für ein er- höhtes Apoplexrisiko und ein schlechtes Outcome nach Schlag- anfall zu identifizieren. So sind ein hohes Alter und Herzerkrankungen mit erhöhter Mortalität und Morbi- dität assoziiert. Die Fragestellung einer schwedischen populations - basierten Kohortenstudie war, ob kognitive Einschränkungen einen Vorhersagewert für das Überleben eines Schlaganfalls haben.
Basis für die Analyse waren Da- ten von 919 Männern (65 bis 75 Jahre), die im Rahmen der Uppsala Longitudinal Study of Adult Men einen Test zur kognitiven Leistung (Trail-Making-Test, TMT) absol- viert hatten. Dabei müssen so schnell wie möglich Punkte mit Strichen verbunden werden: Beim TMT-A sind es Zahlen in aufstei- gender Folge, beim schwierigeren TMT-B sind es alternierend Zahlen und Buchstaben in aufsteigender Folge. 155 Teilnehmer haben im Verlauf von 14 Jahren eine trans - iente ischämische Attacke (TIA) oder einen Schlaganfall erlitten, 84 sind in den ersten zweieinhalb Jah- ren nach Schlaganfall gestorben.
Bei 22 Teilnehmern trat der Tod innerhalb eines Monats ein. Dies legt einen Zusammenhang mit dem Hirninfarkt nahe.
Die Forscher fanden eine Korre- lation zwischen dem Ergebnis in den beiden Tests, die Jahre vor dem Schlaganfall erfolgt waren, und der Überlebensrate nach Insult. Das Drittel der Teilnehmer mit den schlechtesten Ergebnissen (unteres Tertil) hatte ein dreifach erhöhtes Sterberisiko (Hazard Ratio 2,90 für TMT A und 3,53 für TMT B, beides hochsignifikant). Die Zeichentests waren dem Standard Mini-Mental Health Examination in der Vorher- sagekraft überlegen.
Die Erklärung für die schlech- tere Prognose dürfte in den Vor- schädigungen des Gehirns liegen, die häufig Ursache von kogni - tiven Störungen im Alter sind.
Nach einem ischämischen Schlag- anfall stehen den Patienten dann weniger Reserven zur Verfügung als Patienten mit erhaltenen ko- gnitiven Fähigkeiten.
Fazit: Mit einem einfachen Zei- chentest auf kognitive Funktionen lässt sich die Prognose nach einem Schlaganfall vorhersagen. Dies sei, so die Autoren, für die Identifikati- on individueller Risiken nützlich, aber auch für den Umgang mit Pa- tienten und ihren Angehörigen nach Schlaganfall. Rüdiger Meyer
Wiberg B, Kilander L, Sundström J, Byberg L, Lind L: The relationship between executive dysfunction and post-stroke mortality: a popu- lation-based cohort study. BMJ Open 2; 2012:
e000458 doi: 10.1136/bmjopen-2011-000458.
SCHLAGANFALL
Prognose ist mit einfachem Zeichentest vorhersagbar
Lebenslanges Tropfen oder Opera- tion? Für Glaukompatienten, deren statistische Lebenserwartung sich in Jahrzehnten und nicht in Jahren bemisst, ist vor allem die langfristi- ge Prognose einer im Idealfall vi- susbewahrenden Behandlung von Bedeutung. Nachdem zahlreiche Kohortenstudien zu den Fünfjah- res- und Zehnjahresergebnissen der Trabekulektomie (nach wie vor der
„Goldstandard“ der Glaukomchir - urgie) erschienen sind, hat jetzt eine britische Autorengruppe beschrie- ben, welche Ergebnisse der fistulie- rende Eingriff, bei dem ein Abfluss des Kammerwassers nach außen
unter die Bindehaut angelegt wird, nach 20 Jahren hat.
Erfasst wurden 330 Eingriffe bei 234 Patienten, die zwischen 1988 und 1990 trabekulektomiert wurden und zum Zeitpunkt der Analyse noch lebten. Das Patientenkollektiv mit einem Durchschnittsalter von 65 Jahren litt unter einem Offen- winkelglaukom (62 % der Fälle) 9,8 % hatten ein Engwinkelglau- kom, 7,7 % ein uveitisches Glau- kom. Unter den anderen erfassten Glaukomformen fällt die mit 2,6 % recht niedrige Rate von Normal- druckglaukomen auf. Als Grund für die vergleichsweise seltene Dia - GLAUKOM
Hohe Langzeiterfolgsraten der Trabekulektomie
GRAFIK
Überlebensrate (Kaplan-Meier-Kurven) in Abhängigkeit von den Ergebnissen im Trail-Making-Test B
–––
1. Tertile (Drittel bestes Ergebnis)–––
2. Tertile–––
3. Tertile (Drittel schlechtestes Ergebnis)Überlebensrate
Zeitraum der Analyse (in Jahren)
modifiziert nach: BMJ Open 2; 2012: e000458 doi: 10.1136/bmjopen-2011-000458
M E D I Z I N R E P O R T
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25. Mai 2012 gnose eines Normaldruckglaukomswird vermutet, dass dieses vor fast einem Vierteljahrhundert wenig er- forscht war und seltener erkannt wurde. Als vollständigen Erfolg der Behandlung definierten die briti- schen Autoren das Erreichen eines intraokularen Druckwerts unter 21 mmHg bei Hochdruckpatienten und eine Senkung um mindestens 20 % des Ausgangswerts bei Nor- maldruckglaukomen.
Ein relativer Erfolg (qualified success) lag vor, wenn dieses The- rapieziel unter zusätzlicher Gabe topischer Antiglaukomatosa er- reicht werden konnte. Ein vollstän- diger Erfolg bestand nach immerhin 20 Jahren bei 57 % der trabekulek-
tomierten Augen. Zählt man jene hinzu, die früher oder später erneut Tropfen applizieren mussten, be- trägt die Erfolgsrate 88 %. Die Wahrscheinlichkeit eines Fehl- schlags der Trabekulektomie war für jüngere Patienten und für jene mit einem uveitischen Glaukom (für letztere um fast das Zehnfache) erhöht.
Auch Augen, die in den Jahren vor dem Eingriff mit zwei und mehr unterschiedlichen Augentropfen be- handelt worden waren, hatten eine eingeschränkte Prognose.
Fazit: Die Trabekulektomie ist eine langfristige Lösung, um über eine Kontrolle des intraokulären Drucks
die Progression einer glaukombe- dingten optischen Neuropathie zu bremsen. Dies hat eine Studie mit einer Beobachtungszeit von 20 Jah- ren ergeben. Die Resultate werden von den Autoren auch deshalb als hilfreich für die Suche nach einer effektiven Therapie eingeschätzt, weil Nebenwirkungen einer chro - nischen Therapie vor allem mit konservierungsmittelhaltigen Augen- tropfen auf Bindehaut und Horn- haut in den vergangenen Jahren vielfach publiziert wurden.
Dr. med. Ronald D. Gerste
Landers J, Martin K, Sarkies N, et al.: A twen- ty-year follow-up study of trabeculectomy:
Risk factors and outcomes. Ophthalmology 2012; 119: 694–702.
Die Einnahme von Protonenpum- penhemmern (PPI) ist weit verbrei- tet. Bei kurzzeitigem Gebrauch werden sie in der Regel sehr gut vertragen. Bei Langzeitanwendung gibt es jedoch seit längerer Zeit Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für proximale Femurfrakturen.
Die US-amerikanische Food and Drug Administration hat im Mai 2010 auf einen möglichen Zu - sammenhang zwischen der Einnah- me von Protonenpumpenhemmern und dem erhöhten Risiko einer pro- ximalen Femurfraktur hingewiesen, die hierzu vorliegenden Studien waren allerdings in der Aussage- kraft eingeschränkt. Nun wurde diese Fragestellung mit den Daten der Nurses’ Health Study erneut überprüft. Bei 79 899 postmeno- pausalen Frauen wurden während 565 786 Personenjahren 893 Hüft- frakturen dokumentiert. Das abso- lute Risiko für eine Fraktur bei PPI- Einnahme lag bei 2,02, ohne PPI- Einnahme bei 1,51 Ereignissen pro 1 000 Personenjahre. Bei regelmä- ßiger PPI-Einnahme erhöhte sich damit das Risiko für eine proximale Femurfraktur um 35 %. Dieser Wert änderte sich auch bei Adjustierung an den Körpermassenindex oder die Calciumzufuhr nicht wesentlich.
Keine Änderungen des Risikos er- gaben sich zudem durch die Be- rücksichtigung weiterer Faktoren wie körperliche Aktivität, Osteopo- rose, Hormonersatztherapie, Ein- nahme von Glukokortikoiden oder Thiaziddiuretika. Bei aktuellen oder früheren Raucherinnen stieg das Risiko allerdings um mehr als 50 %, während die Hazard Ratio bei Frauen, die nie geraucht hatten 1,06 betrug.
Je länger die Frauen einen PPI einnahmen, umso höher war ihr Risiko. Wurde der PPI abgesetzt, dauerte es zwei Jahre, bis sich das Risiko wieder normalisierte.
In einer Metaanalyse, in der in diese Daten die Daten von zehn früher durchgeführten Studien ein - geschlos sen wurden, ergab sich eine Odds Ratio von 1,30.
In der Studie wurde nicht be- rücksichtigt, welcher PPI einge- nommen wurde. Zudem basierte die Diagnose der proximalen Femur- fraktur auf Patientenberichten. Al- lerdings handelte es sich bei der untersuchten Gruppe um medizini- sches Personal.
Fazit: Insgesamt belegen die Ergeb- nisse dieser Studie, dass die Dauer- einnahme von PPI das Risiko für ei-
ne proximale Femurfraktur um fünf Ereignisse pro 10 000 Patientenjah- re erhöht.
Damit bestätigt diese Kohorten- studie nach Aussage von Prof. Dr.
med. Reiner Bartl, Osteoporosezen- trum München am Dom, den bishe- rigen Verdacht, dass die Langzeit- einnahme von PPI mit einem höhe- ren Risiko für Osteoporose und Hüftfrakturen verbunden ist.
Wie zu erwarten, seien höheres Alter und Rauchen zusätzliche Risi- kofaktoren. Bartl weiter: „Allen Pa- tienten, die über mehr als vier Jahre in höherer Dosierung PPI einneh- men müssen, sind – analog zu den Cortisonpatienten – calciumreiche Kost, ausreichende Versorgung mit Vitamin D (1 000–2 000 IE tgl.) und körperliche Aktivität zu emp- fehlen. Vorsorglich ist bei allen Patienten, die über mehrere Jahre PPI einnehmen müssen, eine DXA- Knochendichtemessung zum Aus- schluss einer bereits bestehenden oder beginnenden Osteoporose sinnvoll. Derzeit ist noch nicht ge- klärt, ab welchem Zeitpunkt des Knochenschwunds eine medika- mentöse Osteoporosetherapie zum Beispiel mit intravenösen Bisphos - phonaten angezeigt ist.“
Dr. rer. nat. Susanne Heinzl
Khalili H, et al.: Use of proton pump inhibitors and risk of hip fracture in relation to dietary and lifestyle factors: a prospective cohort study . BMJ 2012; 344: e372.
PROTONENPUMPENHEMMER