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16. Dezember 2011 drücklich begrüßt), gilt dies für Au-to- und Zugverkehr mit Einschrän- kungen und Flugverkehr gar nicht.
Die in den letzten Jahren erzielten Lärmminderungen im Flugverkehr durch Mantelstromtriebwerke, opti- mierte An- und Abflugverfahren (derated take-off, verschobene Landeschwellen , adaptierte vertika- le und horizontale Flugstreckenfüh- rung), Ausschluss nicht lärmredu- zierter Maschinen vom Nachtflug- verkehr sowie an kleineren Plätzen vom Platzrundenverkehr (Lande- platz-Lärmschutz-Verordnung) und durch Staffelung der Landegebüh- ren nach Lärmemission sind ge - waltig. Drei dB Lärmminderung bedeuten übrigens bereits eine Hal- bierung des Lärmpegels.
Anstelle den Nachtflug zu verbie- ten, wäre es sinnvoller, ihn aus- drücklich zuzulassen und Anwoh- nerklagen zu erschweren, wenn sich der Nachtflugverkehr flugbe- trieblich begründen lässt (zum Bei- spiel Interkontinentalflüge, ungüns- tige Zeitvorgaben [slots], Lärm- schwellen [zum Beispiel 40 dB, entspricht etwa dem Weckerticken]
nicht überschritten werden und pro Stunde abhängig vom Geräuschpe- gel eine gewisse, durchschnittliche Ereigniszahl nicht überschritten wird). Ein Schlafen bei geöffnetem Fenster sollte durchaus möglich sein – das wäre übrigens auch für Anwohner von allen stark frequen- tierten Straßen und Zugstrecken sinnvoll. Leider werden oft Lande- und Startbahnverlängerungen ver- hindert, obwohl sich gerade hiermit auch Lärmeinsparungen (derated take-off, versetzte Schwellen / s. o.) ergeben – vom Sicherheitsaspekt ganz zu schweigen . . .
Priv.-Doz. Dr. med. Ernst Eising, 45657 Recklinghausen
In der früheren DDR
Unter Bezugnahme auf Ihren Arti- kel weise ich darauf hin, dass im Referenzlaboratorium für kommu- nalen Lärmschutz der früheren DDR am Bezirkshygieneinstitut Er- furt, das unter meiner ärztlichen Leitung stand, bereits in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhun- derts Untersuchungen zum Stellen-
wert des Straßenverkehrslärms als Risikofaktor im multifaktoriellen Bedingungsgefüge von Herz-Kreis- lauf-Krankheiten durchgeführt und publiziert wurden. Dabei erfolgten unter anderem über 13 Jahre Längs- und Querschnittsuntersuchungen zur Morbidität bei Hypertonien und koronarer Herzkrankheit, Schlafstö- rungen, Kopfschmerzen und zum Verbrauch an Hypnotika, Analgeti- ka, Antihypertensiva und Koronar - pharmaka bei Bewohnern unter- schiedlich durch Verkehrslärm be- lasteter Straßen, die bezüglich ihres soziokulturellen Hintergrundes und ihrer übrigen Risikofaktoren keine Unterschiede aufwiesen. Besonders eindrucksvoll war der Rückgang der Rate an Herz-Kreislauf- und Hypertoniekranken nach erfolgter Verkehrsberuhigung. Aus den Er- gebnissen dieser Untersuchungen musste damals bereits der Schluss gezogen werden, dass ausgehend von einer Lärmbelastung durch den Straßenverkehr von 50 bis 60 dB (AI) ein Pegelanstieg um zehn dB (Al) zu einer Erhöhung des Erkran- kungsrisikos für kardiovaskuläre Erkrankungen führen kann.
Diese Untersuchungen, die nach der politischen Wende in der DDR mit dem Institut für Wasser-, Bo- den- und Lufthygiene des BGA zur Bedeutung des Kommunallärms für
die Pathogenese des Herzinfarktes geplant und zum Teil bereits ausge- arbeitet waren, mussten infolge der Auflösung des Referenzlaboratori- ums für kommunalen Lärmschutz und der dort tätigen Arbeitsgruppe eingestellt werden.
Literatur beim Verfasser
MR Dozent Dr. med. habil. Bernd Schulze, 99097 Erfurt
Die Zeit drängt
Darf die Brandenburger Landesre- gierung unter Matthias Platzeck diese Studienlage weiter ignorieren und an den Planungen für den Großflughafen Schönefeld festhal- ten? Prof. Kaltenbach, bitte teilen Sie ihre Erkenntnisse dem wirt- schaftsaffinen Ministerpräsidenten und seiner Gesundheitsministerin aus der SED-Nachfolgepartei in Brandenburg direkt mit, damit er später nicht behaupten kann: „Ich habe von den Zahlen und Krank- heitsbildern noch nie etwas ge- hört!“ Die Zeit drängt, denn im Juni 2012 soll der neue Großflughafen von Herrn Platzeck und Herrn Wo- wereit aus Berlin, gegen den massi- ven Widerstand der brandenburgi- schen Bevölkerung, eröffnet wer- den.
Jan Ludwig, Sanitätszentrum Schwielowsee, 14548 Schwielowsee
HIV-PO SITIV
Eine Ansteckungs- gefahr für Patienten kann es nur geben, wenn ein HIV-positi- ver Operateur sich bei einem Eingriff selbst verletzt (DÄ 42/2011: „Kein Karriereende für Chirur- gen“ von Jens Jarke, Jacob Hösl und Hubertus von Schwarzkopf).
Der Betriebsarzt hat Schweigepflicht
Aus der Tatsache, dass der Betriebs- arzt Mitarbeiter nach dem Arbeits- schutzrecht untersucht, darf nicht geschlossen werden, dass er beliebi- ge Untersuchungen oder sogar Mit- teilungen an den Arbeitgeber durch-
führen darf, selbst wenn sie für den Patientenschutz sinnvoll wären. Für einen Nachweis der Eignung im Hinblick auf Patientenschutz gibt es nach Arbeitsschutzrecht keine Rechtsgrundlage. Regelungen hier- zu müssen innerhalb des Arbeits- rechts und außerhalb des Arbeits- schutzrechtes gesucht werden.
Arbeitsmedizinische Vorsorge durch den Betriebsarzt dient dem Zweck, die Beschäftigten über die Wechselwirkungen zwischen Arbeit und Gesundheit aufzuklären und sie entsprechend zu beraten. Die ar- beitsmedizinische Beurteilung darf sich laut geltendem Recht nur auf die Gesundheit der Beschäftigten und nicht auf Patientenschutz bezie- hen. Die Untersuchungen nach der ArbmedVV sind also weder im
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E g k w v b s 42/2011: Kein Karri
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16. Dezember 2011 A 2725 Hinblick auf den Zweck noch inBezug auf die Häufigkeit (in der Regel alle drei Jahre) geeignet, das Risiko im Sinne des Patientenschut- zes einzudämmen. Laut BGH ist es vielmehr persönliche Pflicht eines operativ tätigen Arztes, sich we- nigstens einmal pro Jahr auf seinen Infektionsstatus untersuchen zu las- sen (AZ. 2 StR 239/02). Dieses be- rührt die Arbeitsmedizin nicht!
Betriebsärzte sind auf andere Weise wichtig. Die Aufgaben liegen (wie es das Gesetz wünscht) bei Beratun- gen der Arbeitnehmer und gegebe- nenfalls auch Führungskräfte im Rahmen von Vertrauensverhältnis- sen im Bereich Arbeitsschutz, das heißt stets ohne Mitteilung an den Arbeitgeber beim Patientenschutz.
Nur die Beschäftigten selbst müss- ten sich gegebenenfalls dem Arbeit- geber offenbaren. Die Schweige- pflicht des Betriebsarztes und das Vertrauensverhältnis ermöglichen einen geschützten Raum und kön- nen effektiv zu einem sicheren Ein- satz infektiöser Beschäftigter bei - tragen, wenn sich die Betroffenen im Vertrauen öffnen und beraten lassen dürfen.
Es gibt Möglichkeiten, diese Dinge im Unternehmen zu regeln. Dazu müssen alle beteiligten Partner an einen Tisch und Lösungen im Ar-
beitsrecht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer suchen. Uner- lässlich sind Juristen, die sich im Arbeitsrecht und zugleich im Ar- beitsschutzrecht auskennen.
Dr. Bettina Osebek, Leitende Ärztin des Arbeitsmedizinischen Dienstes der Kreiskliniken Reutlingen GmbH, 72764 Reutlingen
AUTI SMU S
Ärzte sollten die Be- sonderheiten beim Umgang mit autisti- schen Patienten be- rücksichtigen (DÄ 44/2011: „Menschen mit Autismus: Bar- rierefreier Zugang zur Versorgung“ von Tanja Sappok und Sebastian Dern).
Realitätsnah
Herzlichen Dank für den äußerst gelungenen und realitätsnahen Beitrag . Ergänzend möchte ich anführen , dass es durchaus Ärzte, Pädagogen, Psychologen und andere Berufsgruppen gibt, die mit lang- jähriger Erfahrung mit Autisten ar- beiten und dabei die andere Art der Wahrnehmung und Kommunikation weitestmöglich berücksichtigen.
Besonders in der Somatik tätige Ärzte stoßen allerdings schnell an
die Grenzen des derzeit Diagnosti- zier- und Therapierbaren. Es wird zunehmend deutlich, dass viele Au- tisten nicht nur die von Ihnen im Artikel benannten Wahrnehmungs- und Kommunikationsveränderun- gen haben, sondern gleichzeitig von meist multiplen somatischen Verän- derungen betroffen sind. Für einige dieser sogenannten Autismussyn- drome sind die Zusammenhänge (zum Teil auch die genetischen Ver- änderungen) bereits beschrieben (zum Beispiel Fragiles-X-Syndrom, Smith-Magenis-Syndrom, Angel- mann-Syndrom, Phenylketonurie, Rett-Syndrom, Cornelia-de-Lange- Syndrom, tuberöse Sklerose . . .).
Bei anderen Syndromen ist be- kannt, dass sie regelmäßig gemein- sam mit Autismus vorkommen (zum Beispiel Down-Syndrom, Kli- nefelter-Syndrom, Prader-Willi- Syndrom . . .). Die meisten der er- wachsenen Autisten sind allerdings bisher keinem dieser erforschten Autismussyndrome zuzuordnen, wenngleich bei ihnen eine Häufung somatischer Begleiterkrankungen zu bestehen scheint . . .
Fundierte Grundlagenforschung in diesem Bereich ist dringend nötig, um den Betroffenen nicht nur eine Diagnostik und Therapie der psych - iatrischen Folgeprobleme zu er-
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