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Archiv "Krebsprävention und Gesundheitsförderung: Was Hänschen nicht lernt..." (29.05.1998)

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rühzeitiger Tod durch Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkran- kungen, die beiden Hauptursa- chen der Frühsterblichkeit, kann durch einfache Präventionsmaßnah- men vermieden werden. Rauchen, be- stimmte Infektionen, Übergewicht, Fehl- und Mangelernährung, Bewe- gungsmangel, berufliche Belastungen und Sonnenlichtexposition sind die bedeutendsten Risikofaktoren für die Krebsentstehung (1). Alle Mittel der primären Prävention sollten ausge- schöpft werden. Dabei ist besonders eine Gruppe in der Bevölkerung prä- destiniert, besondere Aufmerksam- keit zu erhalten: die der Kinder und Jugendlichen.

In der Kindheit werden Lebens- gewohnheiten wie Eß-, Trink-, Kon- sum-, Arbeits- und Freizeitverhalten geprägt, die sich gravierend für den Rest des Lebens auswirken. Dies ist die Quintessenz aus Untersuchungen zur Jugendgesundheit in Deutsch- land, die maßgeblich durch Wissen- schaftler der Fakultät für Gesund- heitswissenschaften in Bielefeld (2), des Robert Koch-Instituts in Berlin (3) und in weiteren Instituten erarbei- tet wurden (4, 5).

Wichtigstes Resultat der Prä- ventionsforschung an Jugendlichen in Deutschland: Die Einflußnahmen und pädagogische Maßnahmen sind limi- tiert durch bereits in der frühen Kind- heit erlerntes gesundheitsförderliches oder gesundheitsschädigendes Verhal- ten. Dieses wird durch besondere Risi- kofreudigkeit in die eine oder andere Richtung verstärkt (2). Es sind also die Kinder in der Altersgruppe vor der Pubertät, die zunehmend in das Inter- esse der Medizin und Gesundheitswis- senschaften rücken, da ihre Zugäng- lichkeit und Formbarkeit durch gesundheitsförderliche Maßnahmen in Kindergärten und Grundschulen, jedoch auch durch besondere Sorgfalt

in den ärztlichen Praxen zu erwarten sind (6).

Das Deutsche Krebsforschungs- zentrum (Heidelberg) führte im No- vember 1996 eine Befragung von Schülerinnen und Schülern der vier- ten und fünften Klassen (Neun- bis Elfjährige) in Heidelberg und ausge- wählten Schulen des Rhein-Neckar- Kreises durch. Teilgenommen haben 3 828 Kinder in insgesamt 128 Klassen von 73 Schulen; 53 Prozent waren Jungen und 47 Prozent Mädchen, Teilnehmerquote: 90 Prozent.

Die Kinder wurden nach ihrer subjektiven Einstellung zur Gesund- heit, zu ihren Lebensformen, zu ihrem Wissen und zu ihrer Befindlichkeit hinsichtlich Alltagsbeschwerden und Medikamentengebrauch befragt. Die Zielsetzung der Studie – sie ist Teil ei- ner international angelegten Studie – bestand darin, einen möglichst genau- en Eindruck gesundheitsrelevanter Lebensformen von Kindern zu gewin- nen. Große Bedeutung wurde dabei den subjektiven Einstellungen und Verhaltensweisen der Kinder zuge- messen.

Wohlbefinden: Eine der wesent- lichsten Ergebnisse der Heidelberger Studie: Die große Mehrheit der neun- bis elfjährigen Kinder ist gesund und lebt gesund. Diese Kinder fühlen sich selbst gesund (49 Prozent) oder ziem- lich gesund (40 Prozent). Eine Diffe- renzierung zwischen den Schultypen zeigt jedoch bei den Antworten zu

„nicht gesund“ deutliche Unterschie- de zwischen Hauptschülern (5,04 Pro- zent der Jungen, 4,42 Prozent der Mädchen) und Gymnasiasten (1,90 Prozent der Jungen, 2,03 Prozent der Mädchen). Deutliche Unterschiede sind bei der Entscheidungsfähigkeit zu bemerken – keine Antworten zu ihrem Gesundheitszustand gab eine Gruppe von Jungen und Mädchen in Hauptschulen (12,769 Prozent der

Jungen, 8,84 Prozent der Mädchen) im Gegensatz zu eindeutigen Antwor- ten der Realschüler und der Gym- nasiasten.

Geborgenheit im Elternhaus ist für die Entwicklung von Selbst- bewußtsein und Selbstsicherheit ent- scheidend, beides anerkannte schüt- zende Faktoren der Gesundheit. Die Mehrzahl der Kinder fühlt sich zu Hause geborgen. Dennoch gibt es ei- ne Gruppe von Grund- und Haupt- schülern, die diese Frage deutlich ver- neint oder unentschieden ist – immer- hin 6,80 Prozent der Mädchen in Hauptschulen – oder gar keine Ant- wort geben kann wie fast 8,90 Prozent der Jungen in Hauptschulen.

Das Wohlbefinden in der Klasse und Schule stellt einen wichtigen so- zialen Faktor dar. Die Kinder konnten mehrfach antworten und verdeutlich- ten in der Mehrzahl, daß sie Spaß in der Schule haben, mit ihren Lehrern zufrieden sind und sich in der Klasse wohl fühlen. Das Wohlbefinden in der Klasse ist jedoch bei den Hauptschü- lern beiderlei Geschlechts bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei den Kin- dern in Gymnasien.

Bemerkenswert ist ein ge- schlechtsspezifischer Unterschied.

Während die soziale Kompetenz der Mädchen in allen Schulen gefestigt zu sein scheint, trifft dies für eine Grup- pe von Jungen gleichermaßen in allen Schulen nicht zu. Sie fühlen sich schlecht behandelt, empfinden sich als Außenseiter oder die Schule selbst als

„sinnlos“.

Ernährung und Bewegung: Die Mehrzahl der Kinder ernährt sich ver- nünftig mit ausreichend Obst, Salat und Gemüse. Fast Food, wie Hambur- ger, Pommes frites oder Chips, wer- den ab und zu, aber nicht täglich ge- gessen. Allerdings ist das Wissen um eine gesunde Ernährung sehr unter- schiedlich. Die Kinder wurden ge- fragt, wie oft am Tag sie Obst oder Gemüse essen sollten. Die dabei nach Empfehlungen der Deutschen Gesell- schaft für Ernährung richtige Antwort

„mehr als dreimal“ gaben in allen Schulen gleichermaßen nur 20 bis 30 Prozent der Kinder.

Auch bei allen Fragen nach den Ballaststoffen war die Unsicherheit groß. Fragen nach zuckerhaltigen Lebensmitteln wurden weitgehend A-1364 (36) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 22, 29. Mai 1998

T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE

Krebsprävention und Gesundheitsförderung

Was Hänschen nicht lernt...

Heidelberger Kinderstudie plädiert für alters- und

schulspezifische Beratung sowie Einbeziehung der Eltern.

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richtig beantwortet, jedoch zeigten sich auch hier Unsicherheiten. Wis- sensdefizite wiesen vor allem Kinder in Grund- und Hauptschulen auf.

Körperliche Bewegung ist ein zentra- les Bedürfnis bei Kindern, was in ihrem Aktivitätsverhalten deutlich wird. Die befragten Kinder fahren viel Fahrrad und Rollschuh, rennen her- um, die Jungen vor allem bevorzugen Ballspiele, es wird schwimmen gegan- gen, und viele andere Sportarten wer- den ausgeübt.

Hygiene- und Sicherheitsverhal- ten: 84,59 Prozent der Kinder putzen am Morgen und 88,71 Prozent am Abend regelmäßig die Zähne. Große Unterschiede wurden im Sicherheits- verhalten zwischen den Kindern in Hauptschulen und in Gymnasien er- kennbar. Nicht angeschnallt im Auto waren 15,51 Prozent der Haupt- schüler gegenüber 5,29 Prozent in Gymnasien. Einen Schutzhelm beim Fahrradfahren trugen nur 36,55 Pro- zent der Hauptschüler im Gegensatz zu 68,28 Prozent der Gymnasiasten.

Alkohol und Tabak: Alkohol- konsum ist für Mädchen nicht so at- traktiv wie für Jungen. Die meisten hatten noch nie Alkohol getrunken.

Dennoch gaben 49,26 Prozent aller Jungen an, bereits mehrfach Alkohol

„probiert“ zu haben, und 7,49 Prozent hatten mehr als fünfmal Alkohol getrunken. Dabei stehen die Jungen

in Hauptschulen an der Spitze auf niedrigem Konsumniveau.

Der Konsum von Zigaretten ist altersentsprechend niedrig. Dennoch hatten bereits 9,47 Prozent aller Jun- gen und 5,17 Prozent der Mädchen in Grundschulen im Alter von neun bis zehn Jahren eine Zigarette probiert.

Das Probieren einer Zigarette ist schultypabhängig und geschlechtsspe- zifisch. Während in den Hauptschulen bereits 20,47 Prozent der Jungen Raucherfahrung haben, waren dies in den Realschulen 14,77 Prozent und in den Gymnasien 13,02 Prozent. Die Mädchen waren in allen Schulen zurückhaltender.

Krankheit und Bildung: Die Kin- der wurden nach Gesundheitsbe- schwerden gefragt. Das Ergebnis läßt Beschwerdebilder erkennen, die bei den Kindern schultypspezifisch auftre- ten (Tabelle). Vor allem Mädchen in Hauptschulen klagten doppelt bis dreifach häufiger über Beschwerden als Mädchen in Gymnasien. Dasselbe trifft etwas abgeschwächter auf Jun- gen in Hauptschulen im Vergleich zu Jungen in Gymnasien zu. Zusammen- hänge von bestimmten Erkrankungen und der sozialen Lage sind bei Er- wachsenen bereits bekannt (7).

Elterliches Rauchverhalten:Rau- chende Eltern scheinen einen Risiko- faktor für die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Kinder dar-

zustellen. Ob nun die Fülle kanzero- gener oder anderer krankmachender Substanzen im Passivrauch die Ursa- che für gehäuftes Krankheitsemp- finden und deutlich häufigeres Miß- empfinden im Elternhaus ist und/oder die gesamte psychosoziale Situation einer Raucherfamilie zum Tragen kommt, muß noch weiter untersucht werden.

Beträchtliche Unterschiede beim Rauchverhalten bestehen zwischen den Eltern der Kinder aus Hauptschu- len und Gymnasien. Am wenigsten rauchen die Mütter von Gym- nasiasten (19,71 Prozent) im Ge- gensatz zu den Müttern von Haupt- schülern (46,36 Prozent), so wie die Väter der Gymnasiasten (30,36 Pro- zent) im Gegensatz zu den Vätern von Hauptschülern (57,75 Prozent). Die Eltern der Grund- und Realschüler liegen in ihrem Rauchverhalten in der Mitte.

Unabhängig vom Ausbildungs- stand leiden Kinder rauchender El- tern doppelt so häufig an Halsschmer- zen, Husten, Heiserkeit, Schwindel- gefühlen, Kopfschmerzen, Bauch- schmerzen, Unruhe oder Nervosität, Müdigkeit, Hautjucken oder Allergi- en, Konzentrationsschwierigkeiten, Rückenschmerzen und chronischen Krankheiten und dreimal so häufig an Schlafstörungen.

Schlußfolgerung: Propagierung eines gesunden Lebensstils, inklusive Ernährungs-, Freizeit-, Hygiene- und Sicherheitsverhalten, sollte auch von Ärzten in Praxen und in Krankenhäu- sern neben der Akutbehandlung als medizinische Prävention geleistet werden. Wenn die Prävention chroni- scher Krankheiten wie Krebs, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen ernsthaft wahrgenommen wird, muß sie am Lebensstil der Patienten anset- zen. Dafür müssen Eltern von Ärzten auch auf ihr Rauchverhalten ange- sprochen werden; es muß deutlich vermittelt werden, daß sie als Eltern Verantwortung auch für die Gesund- heit ihrer Kinder tragen.

Anschrift der Verfasserin

Dr. med. Martina Pötschke-Langer Deutsches Krebsforschungszentrum Stabsstelle Krebsprävention

Im Neuenheimer Feld 280 69120 Heidelberg

A-1366 (38) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 22, 29. Mai 1998

T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE

Tabelle

Auftreten von Beschwerden und Schultyp (n = 1 766)

Beschwerden, die in Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien,

den letzten vier Wochen Angabe Angabe Angabe

oft auftraten in Prozent in Prozent in Prozent

Mädchen Jungen Mädchen Jungen Mädchen Jungen (294) (337) (211) (264) (345) (315)

Halsschmerzen 6,80 4,78 6,64 1,89 3,48 3,81

Husten/Heiserkeit 11,56 10,09 11,37 9,85 6,09 8,57

Schwindelgefühle 11,56 5,04 5,69 3,79 4,64 4,44

Kopfschmerzen 18,03 10,39 9,48 10,61 8,70 7,94

Bauchschmerzen 14,97 6,82 11,37 5,68 7,54 3,81

Schlafstörungen 9,86 8,61 6,16 4,55 3,19 5,08

Unruhe/Nervosität 7,14 6,82 3,79 4,55 4,35 6,03

Müdigkeit 16,33 14,84 17,06 12,88 14,20 15,56

Hautjucken oder

Allergien 6,12 5,04 5,69 2,27 7,54 2,54

Konzentrations-

schwierigkeiten 8,16 6,23 4,27 5,68 3,19 3,49

Rückenschmerzen 6,80 4,45 5,69 4,17 3,19 2,22

chronische Krankheiten 1,70 2,67 2,84 1,52 2,03 2,54 Nach Schultyp und Geschlecht stratifiziertes Auftreten von Beschwerden

(Anzahl der Schüler in Klammern), insgesamt 1 766 auswertbare Fälle

Referenzen

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