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Judentum und Hellenismus

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Agora 2/2015

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F O R S C H U N G

N A C H R I C H T E N L E H R E B Ü C H E R & P E R S O N E N

Judentum und Hellenismus

Welchen Einfluss die Ausbreitung des Hellenismus auf das vorchristliche Judentum hatte, dokumentiert das alt- testamentliche Buch „Jesus Sirach“, welches im Mittel- punkt eines von der DFG geförderten Forschungsprojektes des Lehrstuhls für Alttestamentliche Wissenschaft steht.

konstruierten Texten gründen, den Blick auf den jeweiligen spezifischen Charakter der einzelnen Überliefe- rungsstränge, der für eine Interpreta- tion des Textes maßgeblich ist. Da- her ist die synoptische Gegenüber- stellung der antiken Textfassungen in den vier wichtigsten Sprachen und den jeweiligen unterschiedlichen Überlieferungssträngen ein wichti- ges Desiderat. Darüber hinaus ist es hilfreich, ihnen für diejenigen, die der betreffenden Sprachen nicht oder nicht ausreichend kundig sind, Übersetzungen beizufügen, die die spezifischen Varianten verdeut- lichen.

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ie Erstellung einer solchen Synopse hat sich ein von der Deutschen Forschungsgemein- schaft gefördertes Projekt: „Sirach- Synopse“ (SirSyn) zum Ziel gesetzt.

Getragen wird es von drei alt- bzw.

neutestamentlichen Lehrstühlen:

Prof. Dr. Wolfgang Kraus, Saarbrük- ken, Prof. Dr. Heinz-Josef Fabry, Bonn und Prof. Dr. Burkard M.

Zapff, Eichstätt, unter maßgeblicher Beteiligung weiterer acht kompeten- ter Mitarbeiter verschiedener Univer- sitäten. Folgende Texttraditionen sind dafür relevant: Wie erwähnt, ging die hebräische Textüberliefe- rung des Sirachbuches bereits im Mittelalter verloren. Daher war es ein Glücksfall, als im Jahr 1896 in ei- nem vermauerten Seitenraum einer alten Synagoge - der Kairoer Geniza - hebräische Fragmente von mittelal- terlichen Sirach-Handschriften ge- funden wurden, die wohl auf antiken Vorlagen fußen. Seit 1947 wuchs die Textmenge durch – nun sogar origi- nale antike – Funde aus Qumran und aus Massada (1964) weiter an, so dass heute wieder 68% des ur- sprünglichen hebräischen Textbe- standes durch Handschriften be-

kannt sind. Dabei sind weitere Text- funde nicht auszuschließen. Der griechischen Übersetzung, die aus- weislich ihres Prologs Sirachs Enkel um das Jahr 138 v. Chr. anfertigte, kommt eine besondere Bedeutung zu, da sie Eingang in die Septuaginta und damit die Bibel der griechisch- sprachigen Christen fand. Innerhalb dieser Übersetzung lassen sich zwei Textformen unterscheiden, von de- nen die kürzere – meist als Gr 1 be- zeichnet – von der Kirche als kano- nischer Text übernommen und breit überliefert wurde. Daneben war eine umfangreichere Fassung im Umlauf, die im Allgemeinen unter der Be- zeichnung Gr 2 zitiert wird. Der griechische Text liegt in zwei kriti- schen Editionen mit unterschiedli- chem Umfang vor, nämlich der gro- ßen Göttinger Edition und der Stutt- garter Handausgabe. In keiner ist je- doch der Text der Version Gr 2 voll- ständig erfasst.

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u den wichtigen frühen Überset- zungen ist außerdem die syri- sche Übersetzung zu rechnen, die in der syrischen Bibel, der soge- nannten Peschitta, vorliegt. Vermut- lich ist sie im 3. Jhdt. n. Chr. auf der Grundlage einer hebräischen Text- fassung entstanden. Da eine durch das Leidener Peschitta-Institut ge- plante kritische Edition noch nicht erschienen ist, werden der Codex Ambrosianus (7h1), der Londoner Codex (7h3) – beide aus dem 7.Jhdt.

– und die von Brian Walton (1600- 1661) editierte Londoner Polyglotta (siehe Abbildung), die wiederum Paul Lagarde 1861 unter Einbezie- hung des Londoner Codex neu her- ausgegeben hat, als Textgrundlage herangezogen und durch die Varian- ten weiterer Manuskripte aus dem 8.- 10.Jhdt. ergänzt. Von herausragen- der Bedeutung ist auch die lateini- sche Übersetzung, die auf der länge- ren griechischen Fassung (Gr 2) oder einer dieser nahe stehenden Version beruht. Sie ist wohl im 2./3. Jhdt. n.

Chr. in Nordafrika entstanden und schon in den Schriften des Cyprian von Karthago († 258) nachzuweisen.

Eine leicht überarbeitete Fassung dieser altlateinischen Übersetzung

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as Buch Jesus Sirach gehört zu den späten alttestamentlichen Weisheitsbüchern und ist nicht nur hinsichtlich seiner Theologie, sondern auch der in ihm dokumen- tierten Auseinandersetzung zwi- schen jüdischer Tradition und helle- nistischem Denken von großer Be- deutung. Entstanden im 2.Jhd. v.

Chr., ist es zugleich ein bedeutendes Zeugnis für frühjüdisches Denken und Selbstverständnis. Doch ist die Überlieferung dieses Buches mit großen Problemen behaftet. Da nämlich das Sirachbuch, wiewohl es im Judentum durchaus geschätzt wurde, niemals offizieller Teil des jü- dischen Kanons war, ging seine he- bräische Fassung im Laufe der Jahr- hunderte verloren, so dass es bis En- de des 19.Jhdts. ausschließlich in Form von alten Übersetzungen überliefert wurde. Diese aber weisen aus verschiedenen Gründen gravie- rende Unterschiede auf. So ist der heutige Leser mit der Frage konfron- tiert, von welcher Fassung er ausge- hen soll.

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ede Beschäftigung mit diesem Buch erfordert es daher, dass man sich für eine der Versionen als Ausgangstext entscheidet oder sie nebeneinander stellt und vergleicht, sofern man nicht auf Mischtexte, wie sie in den meisten modernen Bi- belübersetzungen (z.B. der Einheits- übersetzung) üblich sind, zurück - greifen möchte. Entscheidet man sich, eine einzelne Sprachversion zu verwenden, muss man sich bewusst sein, wie sehr man allein dadurch die Charakteristika dieser Fassung im Vergleich zu den anderen betont.

Dagegen verwischen sog. Misch- übersetzungen, die auf hypothetisch aus verschiedenen Traditionen re-

Von Burkard M. Zapff

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nahm der Kirchenvater Hieronymus in die Vulgata auf. Darüber hinaus wurde der Text in einer nach der Septuaginta (Gr 1) rezensierten Fas- sung überliefert und liegt somit in zwei Haupttexttypen mit mehreren Untergruppen vor.

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er so skizzierte Überblick über die Texte des Sirach-Buches lässt die außerordentlich hohe Komplexität der Textüberlieferung erkennen: Wir haben vier Hauptfas- sungen in unterschiedlichen Spra- chen vor uns, die zum Teil in mehre- ren Rezensionen vorliegen, wobei diese voneinander abhängen, aber auch erhebliche Unterschiede auf- weisen. Dies betrifft sprachliche Ei- genheiten der Versionen, aber auch inhaltliche Aspekte, da die einzelnen Versionen unterschiedliche theologi- sche Konzepte widerspiegeln. Darü- ber hinaus differiert der Textumfang der Versionen erheblich, wodurch sich unterschiedliche Vers- und Ka- pitelzählungen ergeben. Durch eine synoptische Darstellung wird man Übereinstimmungen und Unter- schiede sowohl in der Wortwahl und Syntax als auch im Textumfang und in der Textabfolge nachvollziehen können. Die zuvor schon angedeute- ten Verwendungsmöglichkeiten einer solchen Synopse lassen sich weiter präzisieren. So wird gerade im Kon- text der großen Codices des 4. Jahr- hunderts n. Chr. das Buch Jesus Si- rach exemplarisch wichtige Hinweise auf die biblische Textgeschichte bie- ten. Insbesondere wegen der Textzu- sätze der Vetus Latina gegenüber ih- rer griechischen Vorlage lassen text- kritische Beobachtungen Rück - schlüsse auf die griechischen Text- fassungen zu und können schließlich Hinweise auf den ursprünglichen hebräischen Text bieten. Die Abhän- gigkeitsverhältnisse der verschiede- nen Übersetzungstraditionen unter- einander lassen sich mehr und mehr nachzeichnen, so auch mögliche Be- ziehungen der griechischen oder la- teinischen Versionen zu der syri- schen Übersetzung.

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ufgrund solcher rein textge- schichtlicher Beobachtungen lassen sich Erkenntnisse über die dahinterliegenden theologischen Konzepte erzielen. Selbst in Fragen der kulturhistorischen Entwicklun-

gen in hellenistisch- jüdischen Beziehun- gen oder auch der christlichen Rezep- tion des Sirach-Bu- ches können charak- teristische Überset- zungen oder Revi- sionen des Textes Aufschluss geben.

Es ist zu erwar- ten, dass die synop- tische Präsentation der Texte in vielen Forschungsgebieten neue Impulse gibt, z.B. bei Fragen des Einflusses griechi- scher Philosophie auf die jüdische und christliche Religion oder in Fragen anti- ker Anthropologie.

Religionsgeschicht- lich dürften sich Er- kenntnisse über das Wechselspiel der aufeinanderstoßen- den religiösen Grup- pen im antiken und spätantiken Mittel- meerraum gewinnen lassen. Die Gegen- überstellung der

griechischen Textfassungen mit Tex- ten aus Qumran wird Fragen zur Ge- schichte des antiken Judentums nä- her beleuchten. Und auch für kultur- geschichtliche Untersuchungen bie- tet das Sirach-Buch reichlich aus- wertbare Informationen.

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er entscheidende Fortschritt, den die synoptische Darstel- lung des Textes ermöglicht, liegt darin, dass mit ihrer Hilfe sprachliche, kulturelle und religiöse Differenzen oder Übereinstimmun- gen zwischen den Sprachgruppen genau zu beobachten sind. Die ange- strebte synoptische Darstellung der vier Sprachversionen des Sirach wird nebst Übersetzungen in Form einer digitalen Edition veröffentlicht. Dar- über hinaus werden auf insgesamt drei internationalen Fachtagungen erste Forschungsergebnisse vorge- stellt und in Tagungspublikationen veröffentlicht. Die erste, ebenfalls DFG geförderte Tagung mit dem Thema „Texte, Kontexte, Lebens- welten: Textformen des Sirach-Bu-

ches im geistes- und kulturgeschicht- lichen Horizont des Hellenismus“

fand bereits im September 2014 in Eichstätt statt. Ihre Beiträge werden in Kürze in einem Sammelband un- ter Herausgeberschaft von Gerhard Karner, Frank Ueberschaer und Bur- kard M. Zapff erscheinen. Eine Fol- getagung, die sich mit theologischen und anthropologischen Aspekten der verschiedenen Versionen des Si- rachbuches beschäftigen wird, ist für den 6.-8.Oktober 2017 – wiederum in Eichstätt – geplant.

Eine Detailaufnahme aus der 1657 in Lon- don erschienenen Polyglottbibel zeigt ei- nen Ausschnitt aus dem Text des Buches

„Jesus Sirach“ in grie- chischer, syrischer, und lateinischer Überset- zung. (Repro: Universi- tätsbibliothek Eich- stätt)

Prof. Dr. Burkard M. Zapff ist seit 2001 Professor für alttestamentliche Wissen- schaft der KU. Zu seinen Arbeitsschwer- punkten gehört die Adaption griechischen Denkens im Alten Testament unter Profilie- rung spezifisch jüdischen Glaubensgutes in der Weisheitsliteratur des Alten Testaments sowie Schriftgelehrsamkeit im Jesajabuch und im Dodekapropheton.

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