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Opiod-Therapie beichronischen Schmerzen

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NE W EN G L A N D JO U R N A L O F

ME D I C I N E

Opioid-haltige Medikamente sind zwar während Jahrtau- senden gegen Schmerzen ein- gesetzt worden, gerieten jedoch im Umfeld des Kriegs gegen Drogen in Verruf und erleben jetzt eine Renais- sance, nicht mehr nur beim terminalen Krebsschmerz, sondern auch bei chronischen Schmerzsyndromen.

Die Erkenntnis, dass eine Opioid-Behand- lung bei vielen Patienten mit chronischen Schmerzen die Schmerzen lindern, den Gemütszustand heben und den Funkti- onsstatus verbessern kann, hat Schmerz- spezialisten weltweit zur Empfehlung be- wogen, solchen Patienten Opioide nicht zu verweigern. Einige Ärzte argumentie- ren allerdings, dass Opioide in der Be- handlung chronischer Schmerzen nur marginal nützlich seien, nur einen mini- malen Effekt auf das Funktionsniveau hät- ten und sogar den Verlauf ungünstig be- einflussen könnten. Dies sei jedoch eine Minderheitsmeinung, schreiben Jane C.

Ballantyne und Jianren Mao vom Schmerz- zentrum am Massachusetts General Hos-

pital in Boston in ihrer Übersicht im «New England Journal of Medicine».

Unumgänglich:

standardisiertes Vorgehen

Zur Opioid-Behandlung chronischer Schmerzen gibt es verschiedene Konsens- papiere führender Organisationen, die alle betonen, dass ein standardisiertes Vorgehen unbedingt wichtig ist.

Diese standardisierte Praxis sollte mit einer umfassenden Anamnese und körperli- chen Untersuchung beginnen und auch klar belegen, dass die Schmerztherapie mit Nicht-Opioiden nicht ausgereicht hat.

Weiter sind Therapieziele festzulegen, und mit dem Patienten oder der Patientin sind Behandlungsvorteile und mögliche Nachteile der Langzeiteinnahme von Opioiden ausführlich zu besprechen. Mit dazu gehört auch, eine umfassende Be- treuung zu sichern. Ziel des langfristigen, in regelmässigen Abständen durchgeführ- ten Follow-ups ist es, den Behandlungs- nutzen zu erfassen und zu dokumentie- ren, nach Zeichen für einen Opioid- Missbrauch zu suchen und begleitende Therapien nicht aus den Augen zu verlie- ren. Schliesslich muss auch der Wille vor- handen sein, auf eine Opioid-Therapie zu verzichten, wenn die Behandlungsziele nicht erreicht werden.

Klinische Studien

Der Hauptharst der Literatur besteht aus Berichten von Erhebungen und unkon- trollierten Fallserien. Sie stimmen darin überein, dass Patienten mit chronischen Schmerzen, die nicht mit einer terminalen Erkrankung assoziiert sind, bei minimalem Abhängigkeitsrisiko mit stabilen (nicht fortschreitenden) Opioid-Dosen eine zu- frieden stellende Analgesie erlangen kön-

nen. Die Behandlungserfahrungen reichen bis zu sechs Jahre.

In den meisten Fällen sind die Dosen im mässigen Bereich (bis zu 195 mg Morphin oder Morphinäquivalent pro Tag). Ballan- tyne und Mao erwähnen aber auch zwei Berichte, in denen höhere Dosen (bis 360 mg/Tag bei 52 Patienten und bis zu 2 g/Tag bei 23 Patienten) eingesetzt wur- den. In einigen Studien ist der Funktions- zustand untersucht und nach Einschät- zung der Patienten als verbessert taxiert worden.

Von praktischer Bedeutung sind auch einige Studien, die nachgewiesen haben,

Opiod-Therapie bei

chronischen Schmerzen

M M M

M e e e e r r r r k k k k -- --

s ä t z e s ä t z e

●Die derzeitigen Richtlinien zur Behandlung chronischer Schmer- zen mit Opioiden empfehlen ein vorsichtiges Vorgehen bei Dosis- erhöhungen und das Absetzen der Therapie, wenn die Behand- lungsziele nicht erreicht werden.

●Während man früher annahm, dass die nach oben nicht be- grenzte Dosiseskalation zumin- dest ungefährlich sei, spricht die heutige Evidenz dafür, dass eine langfristige Opioid-Therapie in hohen Dosen weder sicher noch effektiv ist.

●In der chronischen Schmerzthera- pie sind unbedingt individuell eintitrierte, mässig hohe und sta- bile Opioid-Dosen anzustreben.

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A R S M E D I C I 92 0 0 4 4 5 1

E n t s c h e i d u n g s p h a s e

Diagnose stellen

Nichtausreichen von Nicht-Opioden und Begleittherapien bestätigen Risiko-Nutzen-Verhältnis: Überwiegt der Nutzen?

Nutzen, Risiken und Therapieüberwachung erklären Falls nötig: schriftliche Zustimmung, Behandlungsvertrag

D o s i s a n p a s s u n g s p h a s e ( b i s z u 8 W o c h e n )

Beginn der Therapie mit einer niedrigen Standarddosis und Dosis- steigerung (soweit vertragen), bis eine akzeptable Analgesie erreicht ist.

Opioid absetzen, wenn eine befriedigende Analgesie nicht erzielt wird oder die Nebenwirkungen nicht tolerabel sind.

S t a b i l e P h a s e

stabile, mässige Dosis aufrechterhalten

M o n a t l i c h e s R e z e p t

Verlangen, dass Pat. das Rezept persönlich abholt Schmerzscore und Nebenwirkung des Opioids bestimmen und dokumentieren

Nebenwirkungen behandeln

Pat. für umfassendes Follow-up überweisen, falls nötig

U m f a s s e n d e s F o l l o w - u p

Mindestens 1 x pro Jahr, optimalerweise alle 3 Monate Erfassung der Schmerzlinderung, des Schmerzes auf das Wohlbefinden, des Erreichens der Behandlungsziele, des funktionellen Status und der Lebensqualität

Falls indiziert: toxikologisches Screening

B e h a n d l u n g e r f o l g r e i c h

Erfolgskriterien – 1 oder mehrere der folgenden: Schmerzlinderung, die das Wohlbefinden verbessert; Fortschritt in Richtung Behandlungsziel; verbesserte Lebensqualität.

Stabile Dosis fortsetzen und Follow-up

D o s i s s t e i g e r u n g g e s c h e i t e r t

Opioid-Rotation versuchen: anderes Opioid in tieferer Dosis beginnen oder:

Entwöhnen und Absetzen: Opioid nach einer Abstinenzphase wieder beginnen, falls notwendig

D o s i s s t e i g e r u n g

Fortschreiten der Erkrankung erfassen oder ausschliessen

Hospitalisation, falls notwendig Dosisanpassungsphase wiederholen Neue, stabile, moderate Dosis anstreben

T h e r a p i e v e r s a g e n

Kriterien für Versagen – 1 oder mehrere der folgenden: Erfolg nicht erreicht;

Belege für Abhängigkeit; Noncom- pliance.

Entwöhnung und Absetzen der Therapie

Ve r l ä u f e

Opiod-Therapie bei chronischen Schmerzen

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dass bei Patienten unter stabilen, mässigen Opioid-Dosen die kognitiven Funktionen, insbesondere auch die Fähigkeit, ein Auto zu lenken oder Maschinen zu bedienen, erhalten bleiben. Wichtig ist aber die Be- tonung auf stabilen Dosen, denn nach ei- ner Dosissteigerung kann die kognitive Funktion für bis zu sieben Tage beein- trächtigt sein. Der Effekt hoher Opioid- Dosen auf die Kognition ist unbekannt.

Kontrollierte Studien mit Einzeldosen oder Kurzinfusionen von Opioiden bestätigen, dass verschiedenste Schmerzsyndrome, auch der neuropathische Schmerz, auf Opioide ansprechen. Der neuropathische Schmerz, als Folge einer Nervenverlet- zung, einer neurologischen Erkrankung oder eine Nervenmitbeteiligung bei ande- ren Krankheitsprozessen, ist traditionel- lerweise als Opioid-resistent betrachtet worden. Neuere Studien scheinen jedoch zu zeigen, dass auch neuropathische Schmerzen mit adäquaten Dosen behan- delt werden können. Dem entsprechen Tierexperimente, die die Opioid-resistenz beim neuropathischen Schmerz als relativ und nicht absolut erscheinen lassen.

Eine beachtliche Zahl anderer kontrollier- ter Studien belegt die Nützlichkeit einer Langzeit-Opioid-Therapie bei chronischen Schmerzzuständen. Die Autorinnen er- wähnen, dass 15 von 16 Studien eine sig- nifikante analgetische Wirksamkeit bei chronischem Schmerz inklusive neuropa- thischem Schmerz dokumentieren. Die Auswirkungen auf den Funktionszustand waren jedoch unterschiedlich; in einigen Studien wurde zwar der Schmerz gebes- sert, nicht aber die Funktionsfähigkeit. Als Endpunkt wird von der Opioid-Therapie die Schmerzlinderung erwartet, ob sie allein bei chronischen Schmerzsyndromen ein vernünftiges Therapieziel sein kann oder ob auch weitere Aspekte günstig beein- flusst werden müssen, wird kontrovers diskutiert. Im Allgemeinen lagen die in kontrollierten Studien eingesetzten Dosen im mässigen Bereich, also bis zu 180 mg/Tag Morphin oder Morphinäqui- valent; in zwei Studien wurden auch hö- here Dosen eingesetzt. In 14 von 16 Stu- dien war die Behandlungsdauer mit weniger als 32 Wochen relativ bescheiden.

Die publizierten Studien, so Ballantyne und Mao, lassen zwei wichtige Fragen of- fen: Ist die Opioid-Therapie langfristig – über Jahre, nicht bloss Monate – nützlich?

Und: Hat die Dosis einen Effekt auf die Langzeitwirksamkeit und -sicherheit?

Eines der Grundprinzipien des Schmerz- managements ist es, dass die Dosis eines Opioids bis zur maximalen Analgesie bei minimalen Nebenwirkungen gesteigert werden soll. Experten raten dazu, die in- itialen Dosissteigerungen innerhalb von einigen Wochen vorzunehmen, mässige Dosen zu verschreiben und weitere Dosis- zunahmen nur mit grösster Vorsicht ein- zusetzen. In ihrer Erfahrung käme in der Praxis aber immer wieder ein viel largerer Umgang mit Dosissteigerungen vor, schreiben die Autoren. Einige Patienten mit chronischem Schmerz erhielten Tages- dosen von 1 g Morphin (oder Morphin- äquivalent), was dem Fünf- oder Mehr- fachen der in der Literatur validierten Dosen entspreche. Anekdotische Evidenz weise demgegenüber darauf hin, dass Pa- tienten unter derart hohen Dosen selten über eine zufrieden stellende Schmerz- linderung und Verbesserung der Funk- tionsfähigkeit berichten würden. Obwohl klinische Studien zu Wirksamkeit und Sicherheit einer hoch dosierten Langzeit- therapie mit Opioiden fehlen, mehren sich die Hinweise, dass die Dosis bei chroni- schen Schmerzsyndromen aus Wirksam- keits- und Sicherheitsüberlegungen be- grenzt werden muss.

Mechanismen für Therapiever- sagen und ungünstige Verläufe

Im letzten Jahrzehnt sind viele neue Er- kenntnisse zu neuromodulatorischen, zel- lulären und molekularen Mechanismen von Schmerzbehandlung und Sucht zu- sammengekommen. Viele Befunde stam- men aus der Forschung an Drogenabhän- gigen und müssen daher cum grano salis auf die Gegebenheiten der chronischen Schmerztherapie übertragen werden.

Opioid-Toleranz

Die Opioidtoleranz ist ein pharmakologi- sches Phänomen, das sich nach wieder-

holtem Gebrauch einstellt und dazu führt, dass die Dosis gesteigert werden muss, um äquipotente analgetische Effekte zu erzielen. Auf zellulärer Ebene kommt es zu einem Adaptationsprozess mit Down- regulation und/oder Desensibilisierung der Opioid-Rezeptoren. Bei der Desensi- bilisierung spielt die N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezeptorkaskade eine Rolle. Im Gegensatz dazu beruht die assoziative, er- lernte Toleranz auf Umwelt- und psycho- logischen Faktoren und wird auch durch andere Neurotransmitter vermittelt.

Opioid-Induzierte abnormale Schmerzempfindlichkeit

Eine abnormale Schmerzwahrnehmung kommt bei neuropathischen Schmerz- zuständen und während der entzündlichen Phase einer Nervenschädigung vor. Bei der klinischen Untersuchung berichten die Be- troffenen von verstärktem Schmerz nach nozizeptiven Stimuli (Hyperalgesie) oder von Schmerz bei zuvor harmlosen Stimuli (Allodynie). Auch der Langzeitgebrauch von Opioiden kann die Schmerzwahrneh- mung ungünstig verändern, wobei offen- bar ähnliche zelluläre Mechanismen spie- len wie beim neuropathischen Schmerz.

In Tierversuchen waren daran durch NMDA-Rezeptoren hervorgerufene Ver- änderungen auf spinaler und supraspina- ler Ebene massgeblich beteiligt.

Die wiederholte Zufuhr von Opioiden führt zur Toleranz (Desensibilisierung), aber auch zu pronozizeptiven Prozessen (Sensibilisierung). Beide zusammen kön- nen die Notwendigkeit der Dosissteige- rung bedingen. Beim Bedarf höherer Do- sen – einer anscheinenden Toleranz – ist also an eine pharmakologische Opioid- Toleranz, an eine Opioid-induzierte abnor- male Schmerzempfindlichkeit oder an ein Fortschreiten des Krankheitsprozesses zu denken.

Opioid-induzierte hormonelle Veränderungen

Opioide beeinflussen mindestens zwei Hormonsysteme, die Hypothalamus-Hypo- physen-Nebennieren- und die Hypotha- lamus-Hypophysen-Gonaden-Achse. Für Morphin wurde eine ausgeprägte, pro-

Opiod-Therapie bei chronischen Schmerzen

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gressive Abnahme der Plasmakortisolspie- gel bei Erwachsenen dokumentiert. Auf der Gonadenachse führen Opioide zum Anstieg von Prolaktin und zu Abnahmen bei luteinisierendem und follikelstimulie- rendem Hormon sowie Testosteron und Östrogen. Bei chronischer intrathekaler Opioid-Applikation zur Schmerzbekämp- fung sind eine klinisch relevante Testoste- ronverarmung und der Nutzen einer Tes- tosteron-Ersatztherapie dokumentiert. Zu vergleichbaren Auswirkungen bei syste- mischer Opioid-Langzeitbehandlung feh- len Studien.

Opioid-induzierte Immun- modulation

Exogene Opioide können die Immunität durch neuroendokrine Effekte oder durch dirkte Wirkung auf das Immunsystem be- einflussen. Aus präklinischen Forschun- gen ist bekannt, dass Opioide die Ent- wicklung, Differenzierung und Funktion verschiedenster Immunzellen verändern.

In tierexperimentellen Untersuchungen unterdrückt die langfristige Exposition die Immunfunktion eher als die kurzzeitige Opioid-Gabe, und auch der abrupte Ent- zug kann immunosuppressiv sein.

Beim Menschen fehlen Studien zu den Auswirkungen der Langzeit-Opioid-The- rapie auf das Immunsystem. Bei HIV-Infi- zierten scheinen Opioide die Immunsup- pression zu verstärken, was zu gewissen Befürchtungen hinsichtlich der Therapie bei gefährdeten Personen geführt hat.

Dem halten Ballantyne und Mao entge- gen, dass Schmerz selbst die Immunfunk- tion beeinträchtigen kann, sodass Beden- ken am ehesten bei Patienten angebracht wären, die hohe Opioid-Dosen ohne eine zufrieden stellende Schmerzlinderung er- halten.

Klinische Implikationen

Mit Blick auf die Praxis weisen die Autoren auf zwei wichtige Konzepte hin:

1. Die scheinbare Toleranz ist nicht iden- tisch mit der pharmakologischen Toleranz.

2. Eine langfristige, hoch dosierte Opioid- Therapie kann schwer wiegende negative Auswirkungen haben.

Ob es sich beim Bedürfnis nach zuneh- menden Opioid-Dosen um eine durch das Medikament induzierte abnormale Schmerzempfindlichkeit oder um eine pharmakologische Toleranz handelt, lässt sich in der Alltagspraxis ohne schwierige Tests nicht bestimmen. Unklar bleibt auch, ob die ungünstige Veränderung der Schmerzwahrnehmung auf einen be- stimmten Opioid-Wirkstoff, auf die Appli- kationsart, die Behandlungsdauer oder andere Faktoren zurückgeht. Man muss jedoch in gewissen Fällen, bei denen zu- nehmender Schmerz nicht auf steigende Opioid-Dosen anspricht, an dieses Phäno- men denken, da die Therapie dann nicht zum Ziel führen kann.

Aus klinischen und präklinischen Studien lässt sich schliessen, dass langfristig einge- setzte Opioide verschiedene ungünstige Auswirkungen haben, die von Toleranz- phänomenen über hormonelle Effekte mit Fertilitäts-, Libido- und Spannkraftverlust bis zur Immunsuppression bei empfängli- chen Personen reichen können. In wie- weit diese Auswirkungen wirklich klinisch relevant sind, ist noch nicht bekannt. Die derzeitigen Behandlungsrichtlinien haben zum Ziel, chronische Schmerzpatienten vor solchen Effekten zu schützen sowie ein sorgfältiges Follow-up und die Beendi- gung der Therapie sicherzustellen, wenn die Behandlungsziele nicht erreicht wer- den können. Der Kasten bietet den Vor- schlag eines Protokolls für die schrittweise Durchführung einer Langzeit-Opioid-The- rapie.

Solchen Behandlungsrichtlinien zu folgen, ist für die Ärzte so lange relativ einfach, als sie es mit Patienten zu tun haben, die auf stabile Opioid-Dosen gut ansprechen.

Schwieriger wird es, wenn die Behand- lungsprobleme komplex und das Anspre- chen ungenügend sind. Dann kommt auch ein Zeitfaktor ins Spiel, weil die Be- treuung komplexer Schmerzpatienten sehr aufwändig ist und durch den Einsatz von Opioiden zur Bekämpfung des chro- nischen Schmerzproblems paradoxer- weise noch komplizierter wird. Nach den Erfahrungen der Autoren tendieren Ärzte dann dazu, die Behandlungsprinzipien über Bord zu werfen und dem Patienten-

wunsch nach immer höheren Opioid- Dosen nachzugeben, selbst wenn so die Behandlungsziele nicht erreicht werden.

Beschränkung der Opioid-Dosis Das Konzept der Maximaldosis für Opioide in der Behandlung des chroni- schen Schmerzes gewinnt zwar an Boden, welches die empfohlene Maximaldosis sein soll, bleibt aber schwierig zu bestim- men, schreiben Ballantyne und Mao. Ver- mutlich kann es auch keine einheitliche Maximaldosis geben, da verschiedene Menschen auf Opioide unterschiedlich ansprechen. Noch wichtiger als die Dosis selbst dürfte der gehäufte Bedarf für Dosisanpassungen nach der eigentlichen Titrationsphase (z.B. nach den ersten 8 Wochen) sein.

Auf welches Präparat und auf welche ga- lenische Formulierung die Wahl fällt, sollte vom Schmerzmuster des Patienten, von seinem Lebensstil und seinen Präferenzen abhängig gemacht werden, da es keine Evidenz gibt, dass die Formulierung oder das Dosierungsschema die Entwicklung einer Toleranz beeinflussen, schreiben Bal- lantyne und Mao. Die Erfahrungen mit Kombinationspräparaten, die zum Bei- spiel Paracetamol oder Aspirin enthalten, sind begrenzt. Dosissteigerungen können hier besondere Nebenwirkungsgefahren bewirken. Bei häufigem oder konstantem Schmerz sind lang wirkende Opioidformu- lierungen nützlich. Nach einem Konsens- papier der amerikanischen Anästhesiolo- gengesellschaft sind bei der ambulanten Schmerztherapie Formulierungen mit ver- zögerter Freisetzung (Morphin [MST Con- tinus®] oder Oxycodon [Oxicontin®]) einer Methadon-Behandlung vorzuziehen.

Angesichts der verschiedenen µ-Rezep- torvarianten ist von einer unvollständigen Kreuztoleranz zwischen verschiedenen Opioiden, die am µ- und κ-Opiod-Rezep- tor wirken, auszugehen. Daher kann mit dem Wechsel zu einem anderen Opioid versucht werden, die analgetische Wirk- samkeit wiederherzustellen, wenn das erste Opioid auch nach Dosissteigerung nicht wirkt. Das zweite Opioid ist dann in halber Dosierung zu beginnen, da die To- leranz des Patienten geringer sein wird.

Opiod-Therapie bei chronischen Schmerzen

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Wenn notwendig, kann später die Dosis auch gesteigert werden. Das Konzept der Opioid-Rotation ist zunächst bei Krebs- schmerzen eingesetzt worden, die auch unter hohen Dosen vor allem wegen mas- siver Sedation oder schmerzhaftem Myo- klonus unkontrollierbar blieben. In der Behandlung chronischer Schmerzen er- scheint die Opioid-Rotation als viel verspre- chend, muss aber noch validiert werden.

In manchen Situationen versagen die Massnahmen zur Begrenzung der Opioid- Dosis. Dann ist unbedingt die Frage zu stellen, ob das eingesetzte Opioid beim Schmerz des gegebenen Patienten wirk- lich effektiv ist. Manchmal lässt sich dies nur beantworten, wenn der Patient vom Opioid entwöhnt wird. Es können zwei bis drei Monate ohne Opioid nötig sein, um

eine wirkliche Standortbestimmung zu er- möglichen. Wenn nötig können während der Detoxifikation Nicht-Opioid- und unter- stützende Therapien verstärkt eingesetzt werden. Einige Patienten entscheiden sich, auf Opioide zu verzichten, wenn sie einmal ihre Angst vor einem Leben ohne Opioide überwunden haben. Einige kön- nen sogar eine Schmerzreduktion erfah- ren. Bringt der Verzicht keine Verbesse- rung, kann ein erneuter Versuch mit wesentlich tieferen Opioid-Dosen erfolgen.

Ein auffälliges Opioid-Begehrungsverhalten kann eine gescheiterte Therapie kompli- zieren. Dem kann gelegentlich tatsächlich eine inadäquate Analgesie zugrunde lie- gen, häufiger handelt es sich jedoch um ein Anzeichen für Sucht oder Noncompli- ance. Die Noncompliance teilt viele Eigen-

schaften mit der Sucht, ist aber nicht per se ein Anzeichen für Substanzabhängig- keit. In jedem Fall müssen Hinweise auf Noncompliance, etwa gehäufte Rezept- begehren, die Alarmglocken läuten lassen und Anlass sein zu besonders sorgfältiger Therapie- und Verlaufskontrolle. ●

Jane C. Ballantyne, Jianren Mao (Pain Center, Department of Anesthesia and Critical Care, Massachusetts General Hos- pital und Harvard Medical School, Bo- ston/USA): Opioid therapy for chronic pain. New Engl J Med 2003; 349:

1943–1953.

Halid Bas Interessenkonlikte: keine deklariert

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