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1 Dietmar Hexel Mitglied des Geschäftsführenden DGB Bundesvorstandes _______________________________________________________________________

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Dietmar Hexel

Mitglied des Geschäftsführenden DGB Bundesvorstandes

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Es gilt das gesprochene Wort!

Thesen für eine verantwortliche Unternehmensführung

Anlässlich der 2. DAX/MDAX-Konferenz für Arbeitnehmervertreter/innen im Aufsichtsrat, 25. Oktober 2005, Berlin

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

verantwortliche Unternehmensführung ist stets notwendig, unabhängig, ob es sich um einen kleinen oder großen Betrieb handelt, ob um ein Familienunternehmen oder eine börsenno- tierte Kapitalgesellschaft. Die Hans-Böckler-Stiftung und der DGB haben Sie heute eingela- den, um das Thema „Verantwortliche Unternehmensführung in börsennotierten Kapitalge- sellschaften“ zu thematisieren. Diese Konferenz soll dreierlei bewirken:

• Sie soll für eigenes Handeln Anregungen für die eigene Arbeit im Aufsichtsrat geben und insoweit lernender Reflexionsrahmen sein.

• Zweitens soll sie Plattform für einen Austausch über die Unternehmens- und Kon- zerngrenzen hinaus sein. Dialoge, besonders in den kreativen Pausen, sind aus- drücklich erwünscht.

• Drittens soll sie ein Signal an die Managereliten und auch an die Koalitionäre der neuen Bundesregierung sein - letzteres war allerdings bei der Planung der Konferenz noch nicht intendiert.

Das Signal lautet:

Unternehmen sind keine Privatangelegenheit, vor allem nicht der Finanzmärkte. Sie sind in einer Demokratie als Organisationen weit mehr als eine ökonomische Einheit. Wenn von Globalisierung - besser von Amerikanisierung - die Rede ist, dann muss auch stets von De- mokratie, Menschen- wie Bürgerrechten und den ethischen Werten einer menschlichen und republikanischen Gesellschaft gesprochen werden.

Teilhabe und Mitbestimmung der Arbeitnehmer hat also nicht nur mit guter Unternehmens- führung zu tun, sondern auch mit der Entwicklung der Demokratie.

Nur eine verantwortliche Unternehmensführung, die gesunde und prosperierende Unterneh- men vor Augen hat, wird auch einen nützlichen Beitrag für die demokratische Gesellschaft leisten. Eine Gesellschaft die das wünscht, muss wiederum Regeln und Institutionen fördern, die einseitiger Macht und der Gefahr von Willkür Grenzen setzen.

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Eine demokratische Gesellschaft muss Freiheit und Gleichberechtigung der Menschen för- dern, damit Herrschaft und Unmündigkeit verkleinert oder aufgehoben werden - oder besser noch gar nicht erst entstehen kann. Denn unter Herrschaft ist der Mensch nicht frei.

Dieses Führungsthema, der respektvolle Umgang miteinander, die Förderung von Eigenver- antwortung und die Beachtung menschlicher Bedürfnisse wird uns noch eine Weile beschäf- tigen. Ich bin sicher, in Zukunft werden sich immer mehr Menschen selber managen. Sie brauchen Unterstützung und Beratung, keine einseitigen Vorschriften oder Befehle.

Schon gar nicht einsame Vorgaben unternehmensferner und in keiner Weise öffentlich oder gar demokratisch legitimierter Analysten.

Ich begrüße Sie alle recht herzlich zu unserer 2. DAX/MDAX-Konferenz. Besonders freut es mich, Herrn Prof. Wieland hier zu begrüßen, der das Hauptreferat halten wird. Nachmittags werden wir dann in Arbeitsgruppen unser Wissen vertiefen und austauschen können.

Die Berliner Zeitung kämpft gegen feindliche Übernahmen, die Samsung-Belegschaft eben- so wie AEG, Grundig oder Infineon gegen die Schließung. Alternative Vorstellungen der Ar- beitnehmer - auch im Aufsichtsrat konnten sich hier nicht durchsetzen.

Am Rande der großen Proteste gegen den Krieg im Irak konnte man in Berlin auf einem Transparent lesen:

„Der Kapitalismus hat nicht gesiegt, er ist nur übrig geblieben“.

Für diese trotzige Botschaft gibt es eine Reihe von Indizien:

• Das unverändert große Vertrauen der Deutschen in die soziale Marktwirtschaft, die nicht mit Kapitalismus verwechselt werden darf.

• Die große Zustimmung zur jüngst von Franz Müntefering angestoßenen Diskussion über die soziale Verantwortung der Wirtschaft, Stichwort Heuschrecken.

• Und nicht zuletzt das Wahlergebnis vom September – die Bürger haben sich klar ge- gen eine neoliberale Wirtschaftspolitik ausgesprochen, die den Einzelnen sich selber überlässt und die solidarische Kraft des Sozialstaates opfern will.

Für Angriffe auf die Tarifautonomie, die Gewerkschaften, den Kündigungsschutz und die Mitbestimmung gibt es keine demokratische Mehrheit in diesem Land. Es bleibt also bei dem sozialen Grundkonsens und damit bei einem wichtigen Rahmenfaktor für die bisherige posi- tive Entwicklung deutscher und auch europäischer Unternehmen.

Gerade in großen Kapitalgesellschaften erzählt die Mitbestimmung eine überaus positive Story.

Mitbestimmung ist dabei als Institution nicht vom Himmel gefallen - und auch nicht der Ein- sicht der Mächtigen geschuldet, mögen wir auch noch so viele unstrittig positive Aspekte der Mitbestimmung aufzählen. Für das Unternehmen schädliche Folgen der Mitbestimmung sind bis heute nicht gefunden worden.

Doch Mitbestimmung hat - ebenso wie verantwortungsvolle Unternehmensführung und die Arbeit eines Aufsichtsrates - nicht nur argumentative Aspekte; Mitbestimmung und Aufsichts- ratsarbeit haben auch immer mit dem Thema „Interesse und Macht“ zu tun.

1848 konnten die sozialen Bewegungen in der Paulskirche noch keine Beteiligung der Arbei- ter durch Arbeiterausschüsse in der Fabrik durchsetzen. Die Bergarbeiterstreiks 50 Jahre später, der Zwang der Eliten, sich 1916 mit den Gewerkschaften im „Burgfrieden“ zu arran- gieren, die Kraft der revolutionären Arbeiter- und Soldatenräte 1918, die Diskussion um Wirt-

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schaftsdemokratie in der Weimarer Republik, die Einführung der Montanmitbestimmung 1951 unter der bürgerlichen Adenauer-Regierung, die sozialliberalen Reformen unter dem Motto „Mehr Demokratie wagen“ mit den Mitbestimmungsgesetzen 1972 und 1976 sowie die 1979 abgewiesene Verfassungsklage von 30 Arbeitgeberverbänden - all diese Stationen zeigen unterbrochen vom Faschismus dreierlei:

• Erstens: Der Staat handelt unter dem Druck sozialer Bewegungen, mögen sie heute auch andere Formen und Träger haben als früher. Den Gewerkschaften sind Partei- en, NGO und Bürgerbewegungen zur Seite getreten. Stets sind Gesetze und Normen Ergebnisse bestimmter gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse.

• Zweitens: Über einhundert Jahre Geschichte einer erfolgreichen Entwicklung, vom Untertanen zu gleichberechtigten, selbstbewussten Arbeitnehmer und als demokrati- scher Bürger, diesem Prozess der Freiheit und Gleichberechtigung, steht das Ansin- nen weniger, einer kleinen, wenngleich mächtigen Elite entgegen.

Diese wollen ihre Verfügungsrechte wieder ungeteilt wahrnehmen und die Herrschaft im Unternehmen alleine ausüben, ohne die rechtliche Verpflichtung, demokratische Rechenschaft abzugeben und ihr Handeln zu legitimieren. Die Forderung, Arbeit- nehmer auf ein Drittel im Aufsichtsrat zu reduzieren oder nur noch Informationen in so genannten Konsultationsräten“ zu geben ist schon ziemlich frech und ein Angriff auf unsere republikanischen Bürgerrechte. Ihr Angriff auf die deutsche Mitbestim- mung, auf die Gewerkschaften und die Betriebsräte ist indes am 18. September ge- scheitert - vorläufig wenigstens.

• Drittens: die Geschichte ist in Europa noch nicht zu Ende. Wer wie wir auf eine wis- sensbasierte Industriegesellschaft setzt, muss den „Wissensträger“ Mensch ernst nehmen und ihn beteiligen, vor allem an Entscheidungen. Unabhängig von den histo- rischen Erfolgen ist Teilhabe und Mitbestimmung ein Schlüsselfaktor für alle Unter- nehmen, die zukünftig vorne sein wollen.

Letztlich geht um die Frage, wie wir Wirtschaften begreifen und welche demokratischen Mehrheitsentscheidungen fallen. Volkswirtschaftlich betrachtet ist ein Unternehmen eine Wirtschaftseinheit, die das Ziel hat, Güter bzw. Dienstleistungen zu erstellen, die auf dem Gütermarkt nachgefragt werden.

Einfacher gesagt:

Wirtschaften muss dem Menschen dienen -und nicht anderes herum. In einer demokrati- schen, republikanischen Gesellschaft muss Wirtschaften den Menschen das Leben erleich- tern und ihren Bedürfnissen entsprechen, nicht nur einer kleinen Elite.

Wenn Sie dem allgemein zustimmen können, sind wir bei den für Aufsichtsräte entscheiden- den Fragen:

- Was ist dann Zweck eines Unternehmens?

- Worauf muss verantwortliche Unternehmensführung achten?

- Welche Aufgaben haben wir im Aufsichtsrat?

Besteht der Zweck des Unternehmen in der Maximierung von Gewinnen, der Steigerung des Shareholder-Value- wie es die Wirtschaftszeitungen suggerieren?

Bildet der Börsenkurs den wirklichen Wert eines Unternehmens ab?

Hat der amerikanische Nobelpreisträger Milton Friedman Recht, wenn er behauptet, dass die soziale Verantwortung der Unternehmen allein darin besteht, Gewinne zu erwirtschaften?

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Meine erste These für eine verantwortliche Unternehmensführung lautet:

Der Zweck eines Unternehmens besteht nicht darin, eine maximale Rendite für die Shareholder zu erzielen. Zweck eines Unternehmens ist es, gute Produkte und Dienst- leistungen herzustellen.

Charles Handy, der bekannte Management-Philosoph hat zu Recht darauf hingewiesen: der Gewinn ist nicht Zweck und Ziel eines Unternehmens. Und der bekannte Managerberater Prof. Malik schlägt vor, Gewinn als Ergebnis der Geschäftstätigkeit zu betrachten, nicht als deren treibende Kraft. Er stellt fest, dass Gewinn als oberstes Ziel die Ertragskraft eines Un- ternehmens zerstört und zwangsläufig zu seinem Ruin führt.

Folgerichtig nennt er das Credo des Shareholder-Value einen „Primitiv-Kapitalismus“.

Der Zweck eines Unternehmens ist es nicht, Aktionäre reich zu machen oder Top-Managern die Taschen zu füllen. Zweck eines Unternehmens ist nicht der Gewinn. Gewinn ist nötig als Ergebnis, aber nicht Zweck eines Unternehmens. Ein Blick in die Einträge beim Handelsre- gister bestätigt das. Da steht alles Mögliche: Waren aller Art herstellen, Autos bauen, Ener- gie produzieren, Gebäude reinigen, Krankenhäuser betreiben etc.

Eine aktuelle Studie der Commerzbank nennt die folgenden Motive für die Aufnahme einer Selbstständigkeit:

• Die Fortführung einer Familientradition

• Chancen und Zufälle (ein passendes Angebot zur richtigen Zeit)

• Ökonomische Notlagen

• Oder das Streben nach Selbstverwirklichung und Ansehen

Keiner der Befragten gab als Motivation eine Umsatzrendite von 15% oder ähnlich auf Dauer unrealistische Zielvorstellungen der Kapitalmärkte an, die sich immer weiter von der Wirk- lichkeit der Menschen entfernen und in einer Blase enden werden - wenn wir sie nicht regu- lieren.

Fragen wir also in den Aufsichtsräten nicht nach Renditezielen oder Gewinn, sondern nach dauerhafter Lebensfähigkeit des Unternehmens, nach Eigenkapitalerhöhung, nach Investiti- onen und Strategien, wie Qualität und Marktanteil, Innovationsfähigkeit und Ausbildung, kurz wie die Attraktivität des Unternehmens wirklich gesteigert werden kann.

Das Aktienrecht fordert uns auf, vom Unternehmensinteresse auszugehen. Dies bedeutet sowohl für Vorstand wie Aufsichtsrat im Sinne einer verantwortungsvollen Unternehmensfüh- rung zu handeln:

1. Ein Unternehmen muss zu aller erst auf seinem Gebiet wettbewerbsfähig sein, eine gute Marktstellung haben und diese möglichst behutsam ausbauen. Mit anderen Worten: die Kunden müssen von den Produkten und Dienstleistungen überzeugt sein. Sie müssen mit dem Unternehmen und seinen Produkten zufrieden sein.

Das gilt auch für die Art und Weise, wie sie hergestellt werden. Kinderarbeit oder Be- triebe ohne Arbeitsschutz oder mit Dumpinglöhnen unterstützt die Gesellschaft nicht.

2. Das Unternehmen muss für die Arbeitnehmer, die eigentlichen Wertschöpfer und auch für Zulieferer attraktiv sein. Nur wer auch langfristig eine Perspektive sieht und den Zweck des Unternehmens akzeptiert, wird mit Begeisterung und loyal bei der Sache sein.

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3. Beschäftigte sind bereit, sich zu engagieren, sogar zu verzichten und Opfer zu brin- gen. Aber es muss sich lohnen. Für das Unternehmen, für den eigenen Arbeitsplatz, für die Familie, für die Region, in der man lebt. Niemand ist auf Dauer bereit, sich an- zustrengen, sein Bestes zu geben, mit anderen zusammen zu arbeiten, eine

Durststrecke durchzuhalten - nur damit Reiche noch reicher werden oder Vorstands- mitglieder höhere Vergütungen erhalten.

4. Ein Unternehmen muss behutsam prosperieren und dies aus eigener Kraft. Fusionen und Übernahmen scheitern meistens. Das Unternehmen muss eine nachhaltige, in- nere Wertsteigerung in Form von Innovationskraft, Kapazität und Wissen aufweisen.

Verantwortungsvolle Unternehmensführung hat dafür zu sorgen, dass dies passiert.

Dazu gehört auch die Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten und ein schonender Umgang mit natürlichen Ressourcen. Nur dann entsteht als Rendite eine sichere Wert- und Kapitalanlage, die auf innerem Wachstum und dem Reichtum der Res- sourcen des Unternehmens aufbaut.

Ein so geführtes Unternehmen bleibt gesund und lebensfähig. Es kann seine Kapitalkosten bedienen und auch seiner sozialen Verpflichtung nachkommen, Steuern zahlen und eine Organisation sein, die als Teil einer Gesellschaft dem Gemeinwesen in der Region und dar- über hinaus nützt.

Mitbestimmung ist das wichtigste und vielleicht sogar das einzige Instrument, um eine schäd- liche und ausschließliche Fixierung der Unternehmen auf den Shareholder-Value zu verhin- dern.

Die zweite These lautet:

Verantwortungsvolle Unternehmensführung ist dem Unternehmensinteresse verpflich- tet, nicht Einzelinteressen. Unternehmenspolitik ist das Ergebnis eines Aushand- lungsprozesses.

Die Interessen eines Unternehmens sind nicht gleichzusetzen mit den Interessen der Share- holder. Bereits Oswald von Nell-Breuning (1969), der Nestor der katholischen Soziallehre, hat herausgearbeitet, dass die Unterordnung der Arbeit unter die Herrschaft des Kapitals kein Naturgesetz, sondern ausschließlich ein Produkt unserer Rechtsordnung ist. Friedhelm Hengsbach, der Nachfolger Nell-Breunings fasst zusammen:

„Eine Aktiengesellschaft, die als Publikumsgesellschaft betrieben wird, ist eine juristische Person, die keine Eigentümer hat. Die Aktionäre sind lediglich Eigentümer der Aktien und Mitglieder der Gesellschaft.“

Die Annahme, die Unternehmen gehören den Aktionären, ist aus mindestens zwei Gründen falsch.

Erstens: Aus den Grund- und Menschenrechten ergibt sich: Unternehmen, vor allem große Unternehmen, sind nicht nur private Angelegenheiten, sondern auch eine Sache des Staa- tes, der demokratischen Bürgergesellschaft. Die demokratische Gesellschaft ermöglicht es erst, dass Unternehmen sicher existieren und arbeiten können. Die bürgerliche Gesellschaft ist deshalb auch ein „Investor“, ein „Eigentümer“ mit eigenen Interessen und Werten.

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Zweitens - und dies ist ein ganz entscheidender Gedanke:

Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem „Investor“ Aktionär und dem In- vestor Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer investiert seine Ideen, seine Kraft, einen we- sentlichen Teil seines Leben in das Unternehmen. Der Aktionär investiert lediglich Geld für ein Papier, meistens nur einen Teil seines Geldes. Oft kennt er das Unter- nehmen gar nicht. Er kauft und verkauft Aktienpapiere, keine Unternehmensteile. Ihn interessieren Geld-Maximierung, nicht bessere Produkte und Dienstleistungen.

Wir wissen alle: Lebendige Arbeit ist allemal mehr wert als der größte Haufen Geld, den man im Gegensatz zum unwiderruflich verbrauchten Leben wieder ersetzen kann. Deshalb ist der Investor Arbeitnehmer etwas Besonderes. Sein unwiderruflich verbrauchtes Leben ist auch nicht mit dem Lohn oder Gehalt abgegolten.

Die Unternehmenspolitik sind das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses zwischen den unterschiedlichen internen und externen Gruppen.

Der Schlüssel für langfristiges Wachstum und Überleben eines Unternehmens liegt nach Edgar H. Schein, dem bekannten MIT-Professor für Management darin, die Bedürfnisse der Gruppen in einer Art Gleichgewicht zu halten. Konzentriert man sich überwiegend auf einen Interessenskreis, kommt es zwangsläufig zu Fehlentwicklungen

Die Anspruchsgruppen sind

• die Kunden

• die Arbeitnehmer/innen

• die Eigentümer, ggf. die Aktionäre

• das Management

• die Kommune/die Region, in der das Unternehmen seinen Sitz hat

• bestimmte gesellschaftliche Gruppen, z.B. Gewerkschaften oder NGOs

Bei aller Balance darf ein Management und vor allem ein Aufsichtsrat niemals vergessen:

Entscheidend ist die langfristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens als Organismus.

Dritte These:

Mitbestimmung unterstützt verantwortliche Unternehmensführung und legitimiert Handeln gegenüber der Gesellschaft

Zunehmend müssen sich Unternehmen in der kritischen Öffentlichkeit legitimieren. Mit der Öffnung globalisierter Märkte hat dies zugenommen. Es wird gefragt nach:

• Standortentscheidung und Investitionszuschuss

• Nach gerechter Entlohnung, für die im Interesse des Unternehmens geleistete Arbeit

• Nach menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzsicherheit

• Nach der Beteiligung der Arbeitnehmer am Gewinn und Vermögen

• Nach der Qualität der Vorprodukte und der Standards ihrer Herstellung

• Nach den Folgen für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen als Produzent und Konsument.

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Die Befolgung solcher, eher weicher Unternehmensziele ist keine reine Mildtätigkeit der Un- ternehmensleitungen: Sie entspringen im zunehmenden Maße der Legitimitätskrise beson- ders anonymer Kapitalgesellschaften.

• Es macht für ein Unternehmen Sinn, kostenträchtige Konflikte mit Anspruchsgruppen zu vermeiden. Gerade das Image von Markenfirmen kann durch gesellschaftliche Konflikte erheblich beschädigt werden. Man denke nur an die Auseinandersetzung zwischen Shell und Greenpeace. Außerdem sichert ein gutes Image die Kundenbin- dung und langfristig die Zukunftssicherung des Unternehmens.

• Arbeitnehmer wollen nicht für ein Unternehmen arbeiten, das in der Öffentlichkeit schlecht angesehen ist. Arbeitnehmer wollen stolz auf ihr „Unternehmen“ sein.

Es macht ökonomisch durchaus Sinn, wenn auch Unternehmen sich an den gleichen Grundsätzen und Werten messen lassen, wie sie in einer wohlgeordneten demokratischen Gesellschaft für alle Bürgerinnen und Bürger gelten.

Moderne Management-Systeme wie Corporate Citizenship oder Corporate Social Responsibility (CSR) betonen die soziale Verantwortung der Unternehmen in der Gesell- schaft. Sie sind entstanden, weil globales unternehmerisches Handeln und anonymer Kapi- taleinsatz sich legitimieren muss. Diese freiwilligen Ansätze bleiben jedoch ohne institutionel- le Absicherung unsicher.

Im Gegensatz zu freiwilliger CSR ist Mitbestimmung ein über einhundert Jahre gewachsenes Recht, das gleichzeitig unternehmerisches Handeln, besonders bei anonymen Kapitalgesell- schaften legitimiert. Da Mitbestimmung national entstanden ist, die Kapitalmärkte zunehmen international arbeiten, bleibt die Frage, wie sich Mitbestimmung in den unterschiedlichen Rechtskulturen der europäischen Länder zukünftig entwickelt.

Der Start der Allianz SE und der Strabag SE als europäische Aktiengesellschaften wird zei- gen, welche Wirkungen entstehen.

Fest steht: Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer - die sowohl Produzenten wie Konsumen- ten sind - sieht sich stets dem Unternehmen und dem Gemeinwohl verpflichtet.

So gesehen liefert Unternehmensmitbestimmung eine zusätzliche, demokratische und siche- re Legitimation für Entscheidungen, die allein aus Kapitalsicht nicht zu gesellschaftlich ak- zeptablen Ergebnissen führt.

Die Einbeziehung von sozialen und ökologischen Belangen in das Wirtschaften eines Unter- nehmens wird von der ganz überwiegenden Mehrheit der befragten Führungskräfte der Wirt- schaft unterstützt, wie eine Befragung der Bertelsmann Stiftung unter 500 Geschäftsführern und Vorständen deutscher Unternehmen zeigt:

„Die vorliegende Befragung zeigt eindrucksvoll, dass die Rolle des Unternehmens als reiner Profitmaximierer von den Managern sehr deutlich abgelehnt wird. Die immer wieder bemühte These, dass Unternehmen in erster Linie dazu da sind, um Gewinne zu machen, wird dem- nach von einer deutlichen Mehrheit nicht geteilt. Vielmehr scheint ein eher integriertes Ver- ständnis der Wirtschaftstätigkeit vorzuherrschen, das auch soziale und ökologische Belange umfasst“.

Ein solches integriertes Verständnis von Wirtschaftstätigkeit ist der Schlüssel für die Zukunft unserer Unternehmen.

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Treffen aktuelle Prognosen zu, dann werden schon in näherer Zukunft vier Fünftel der Arbei- ten aus Tätigkeiten bestehen, bei denen die Daten alleiniger Rohstoff, Werkzeug und auch das Resultat sind.

Vierte These:

Im Wandel von der Arbeits- zur Wissensgesellschaft wird Wissen zum wichtigsten Rohstoff für Unternehmen. Mitbestimmung ist ein Erfolgsfaktor für diesen Prozess.

Wir stehen im Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft; freilich immer noch mit einer nennenswerten und auch weiter nötigen industriellen Basis.

• Der Dienstleistungssektor gewinnt an Bedeutung.

• Wir haben heute durch das Internet einen grenzenlosen Zugang zu Informationen.

• Unsere Arbeitsplätze sind weltweit vernetzt.

• Die Informations- und Kommunikationstechnik wird immer leistungsfähiger,

• und die Grenzen nationaler Märkte werden überschritten, die 3. Globalisierung hat begonnen.

Dieser Strukturwandel gelingt nur dann, wenn der Wissensträger Mensch den Wandel ak- zeptiert und mitgestaltet.

Die neuen Wertschöpfungsketten, schneller Informationsaustausch und Komplexität der Be- triebsorganisation stellen wachsende Anforderungen an die Eigenverantwortung und Ent- scheidungsmöglichkeit des Einzelnen. Ohne oder gar gegen qualifizierte und sachkompeten- te Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist ein Unternehmen im globalen Wettbewerb und der zukünftigen Wissensgesellschaft nicht mehr effektiv und effizient zu führen.

Nur Unternehmen, die es verstehen, menschliche Talente zu fördern und zu entwickeln wer- den ökonomische Erfolge verbuchen können und vorne sein. Intelligente Innovation und Forschung setzt voraus, dass die Schöpfer dieser Produkte ernst genommen – und an den Entscheidungen beteiligt werden.

Talente lassen sich nicht kommandieren. Sie wollen mitentscheiden.

Mitbestimmung unterstützt und fördert eine Unternehmenskultur gegenseitiger Achtung und Anerkennung. Mitbestimmung hat so gesehen einen doppelten Nutzen:

1) Der eine Nutzen ist gesellschaftlicher Natur. Mitbestimmung ist ein Beitrag zu einer umfassenden Demokratisierung und zu einem akzeptablen, friedlichen Ausgleich un- terschiedlicher Interessen. Nicht ohne Grund sagte der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau:

„Mitbestimmung ist ein ganz wesentlicher Beitrag zur Zivilisierung des Kapitalismus.“

2) Der zweite Nutzen besteht in qualitativ besseren Entscheidungen und erhöht dadurch den ökonomischen Nutzen für die mitbestimmten Unternehmen, in Folge auch für ih- re Arbeitnehmer/innen und Eigentümer.

Natürlich ist Mitbestimmung kein Allheilmittel gegen falsche Managemententscheidungen.

Doch der ökonomische Nutzen der Mitbestimmung kann sich sehen lassen. Hier sind die wichtigsten ökonomischen Erfolgsfaktoren:

Erfolgsfaktor 1:

Das hohe Maß an Arbeitsfrieden stellt für deutsche Unternehmen einen ganz entscheiden- den wirtschaftlichen Vorteil der Mitbestimmung dar. Alle neuen ökonometrischen Studien sind sich einig, dass die Mitbestimmung - und zwar sowohl die betriebliche als auch die Mit- bestimmung im Aufsichtsrat - einen positiven Einfluss auf die Produktivität von Unternehmen hat.

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Erfolgsfaktor 2:

Die Transaktionskosten sind deutlich geringer. Kostspielige individuelle Verhandlungen zwi- schen Unternehmen und Beschäftigten werden durch Betriebsrat und Arbeitnehmervertre- tung im Aufsichtsrat gebündelt und ermöglichen eine sehr schnelle Umsetzung nötiger Pro- duktionsveränderungen und einen effektiven Interessenausgleich.

Erfolgsfaktor 3:

Mitbestimmung begünstigt insgesamt einen kooperativen Modernisierungspfad und unter- stützt aktiv den Strukturwandel. Denken wir an die Stahl- und Kohleindustrie - aber auch an die Autoindustrie, die Deutsche Bahn oder Telekom der letzten 10 Jahre.

Erfolgsfaktor 4:

Mitbestimmung sichert die Personalinvestitionen. In mitbestimmten Unternehmen gibt es (beiderseitig) weniger Kündigungen und damit einen stabileren Stamm an Beschäftigten.

Dies stärkt die Identifizierung mit dem Unternehmensziel und es fördert die Bereitschaft der Beschäftigten wie auch des Unternehmens, in Fort- und Weiterbildung zu investieren.

Abschließend:

Der Aufsichtsrat ist das einzige Unternehmensorgan, in dem wir die Strategie des Unter- nehmens maßgeblich beeinflussen können. Wir müssen es tun.

Die demokratisch legitimierten Vertreter/innen der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften sind offenbar die einzige Gruppe, die sich traut, sich einer falschen Logik der Finanzmärkte in den Weg zu stellen.

Einige von euch werden jetzt zu Recht anmerken, dass die Kapitalseite in den Aufsichtsräten außerhalb der Montanmitbestimmung immer das letzte Wort hat.

Das ist leider zweifellos richtig - muss aber nicht so bleiben! Außerdem gibt es auch kluge Vertreter der Anteilseigner.

Im Zeitalter grenzüberschreitender Finanzmärkte ist es die Aufgabe der Mitbestimmung, eine reine Ausrichtung der Unternehmenspolitik an den Renditezielen eines nicht-demokratischen Finanzmarktes zu verhindern.

Wirtschaften muss dem Menschen dienen, unser Leben erleichtern. Dieses Ziel gehört ganz vorne auf die Agenda jedes Aufsichtsrates.

Wir sollten alle Möglichkeiten nutzen und in jedem Aufsichtsrat darauf hinwirken, dass

• stets eine Unternehmenspolitik im langfristigen Interesse des Unternehmens betrie- ben wird. Die Politik eines Unternehmens die sich an den Kunden orientiert, aber auch die Interessen seiner Arbeitnehmer/innen, ihrer Familien, der Wirtschaftsregion und unseres Gemeinwesen berücksichtigt und nicht nur die einseitigen Interessen der Aktionäre.

• die Unternehmenspolitik langfristig und nachhaltig ausgerichtet wird – dazu gehört untrennbar ein ausreichendes Investitions- wie Ausbildungsbudget ebenso wie eine hohe Eigenkapitalquote um den spekulativen Finanzinvestoren das Leben schwerer zu machen.

• bei jeder Entscheidung im Aufsichtsrat auch diskutiert wird, in welchem Interesse und zu welchem Nutzen eine strategische Entscheidung fällt. Performancezahlen sagen allein nichts aus und motivieren keine Menschen zu Hochleistungen.

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So kann ein mitbestimmter Aufsichtsrat einen entscheidenden Beitrag für eine verantwortli- che Unternehmensführung und eine demokratische Gesellschaft leisten.

Letztlich geht es auch um eine Pfad-Entscheidung. Führen uns globalisierte und unregulierte Finanzmärkte zurück in die Zukunft des Industrie-Feudalismus – oder führen wir durch echte Mitbestimmung Teilhabe beim Sagen und Haben ein. Dies ist eine der Voraussetzungen für entwickelte Demokratie.

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