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Dietmar Hexel Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstands Es gilt das gesprochene Wort! Rede zum 1. Mai 2007 in Köln

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Es gilt das gesprochene Wort!

Rede zum 1. Mai 2007 in Köln

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Köln ist eine der Metropolen des „rheinischen Kapitalismus“.

Bisher unterschied sich diese Spielart der Kapitalverwertung vom angelsächsischen Kapitalismus. Im „rheinischen Kapitalismus“ nach dem 1. Weltkrieg und nach 1945 haben die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften dafür gesorgt, dass Wirtschaft nicht „brutal“, sondern „sozial“ buchstabiert wurde. Auch Konrad Adenauer, der langjährige Oberbürgermeister musste das lernen.

Heute müssen wir den Unternehmern und der Regierung wieder beibringen, wie dieses Alphabet geht. Dabei ist es einfach.

Unsere Leitlinie für gutes Wirtschaften lautet:

Die Gesellschaft und wir Menschen sind nicht für die Wirtschaft da. Die Wirtschaft ist für uns da! Sie soll unser aller Leben erleichtern – und nicht Wenige reich und

mächtig machen!

Wenn wir eine solche Wirtschaft wollen, müssen wir uns noch stärker einmischen: An jedem Arbeitsplatz, in jedem Betrieb, in jeder Verwaltung, in Aufsichtsräten genau so wie in der Politik.

Vor 60 Jahren half die Androhung eines Massenstreiks, die gleichberechtigte Montan-Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei Kohle und Stahl einzuführen.

Die alten Visionen wie „Soziale Marktwirtschaft“ und „Wohlstand für Alle!“ klingen wie Geschichten aus einer längst vergangenen Zeit.

Obwohl das von uns allen geschaffene Bruttosozialprodukt ständig steigt, obwohl die Produktivität hoch ist, obwohl kein Mangel, sondern ein Überfluss an Waren und Dienstleistungen besteht, erleben wir eine neue soziale Frage und eine brutale Spaltung in Arm und Reich. Bei uns hier in Deutschland und in der ganzen Welt.

Gut zu wirtschaften – statt Geld anhäufen.

Dem Sozialstaat wird das Lied vom Tod gespielt, doch in Artikel 20 unseres

Grundgesetzes steht: Die Bundesrepublik ist ein sozialer Bundesstaat. Da steht nicht geschrieben: Die Bundesrepublik ist ein Casino, ein Monopoly-Brett für

Kapitalgesellschaften und Heuschrecken, genannt Hedgefonds.

Wir müssen uns an gutes Wirtschaften erinnern, dafür eintreten und die Gesellschaft und uns vor Ausplünderung und Hedgefonds schützen.

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Bei CeWe-Color, einem Unternehmen in Oldenburg ist dies letzte Woche gelungen.

Ein amerikanischer Raider, ein „Räuber“ wollte fünf Euro pro Aktie an Dividende kassieren – das Unternehmen sollte sich dafür verschulden und wäre verblutet.

Diese aggressive Heuschrecke wurde von einem mitbestimmten Aufsichtsrat, dem Management, einer engagierten Belegschaft und den politischen Repräsentanten der Kommune zurückgeschlagen. Die Arbeitnehmer, das Management und die Mehrzahl der Aktionäre haben sich gegen diese Heuschrecke gestellt – und gesiegt!

Globalisierung darf uns nicht erschrecken, sondern muss uns wach und handlungsfähig machen. Niemand ist der Globalisierung oder zweistelligen

Profitraten gegenüber hilflos ausgeliefert. Und unsere Regierung schon gar nicht!

Wenn auf dem nächsten G 8-Gipfel versucht wird, das Thema Finanzregulierung international anzugehen, ist das richtig. Doch wenn es nicht gelingt, gibt es auch nationale Möglichkeiten. Die deutsche Regierung könnte z. B. erstens, alle Fonds verbieten, die ihren Sitz in Ländern haben, die nicht demokratisch regiert werden.

Oder, zweitens, die Stimmrechte kurzfristiger Anleger beschränken, oder drittens, Fonds nicht zulassen, für die es keine Offenlegungspflicht gibt.

Räuber scheuen bekanntlich die Öffentlichkeit – doch Transparenz ist die Voraussetzung für Demokratie und Gerechtigkeit!

Es gibt kein Markt- und erst recht kein Naturgesetz, das zweistellige Profitraten vorschreibt. 12, 16 oder gar 20 Prozent Profit werden von verantwortungslosen Managern heute als Ziele genannt. Sie stellen sich als Getriebene dar. Dabei treiben sie selber, angefeuert von Aktienoptionen und anderer Bereicherungsinstrumenten.

Nein, die sogenannten Finanzmärkte und ökonomisch auf Dauer unsinniges Wirtschaften sind kein Naturgesetz, sondern von Menschen gemacht. Eine kleine Gruppe von Menschen bei uns und auf der Welt, die keinerlei demokratische Legitimation besitzen, bestimmt den Takt. Diese Menschen werden von einer unheimlichen Gier getrieben, auch wenn sie schon viele, viele Millionen und Milliarden besitzen.

In den USA haben fünf Manager von Hedgefonds in einem Jahr die unglaubliche Summe von einer Milliarde Dollar bekommen – fast hätte ich „verdient“ gesagt.

Finanzinvestoren und Kapitalbesitzer sind dabei, die Gesellschaft zu kapern und das Gemeinwohl ihren Profitinteressen unterzuordnen. Sie betrachten die Welt als ihr Eigentum. Sie betrachten die Welt als Reserveraum für billige Arbeitskräfte.

Das Wort „sozial“ kommt bei diesen Managern nicht vor. Dabei steht geschrieben:

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Das ist geltendes Verfassungsrecht, Artikel 14 Abs. 2 Grundgesetz, und keine Floskel zum 1. Mai! Wer sich an dieses Verfassungsgebot nicht halten will, der ist bei uns nicht willkommen. Nicht als Investor, nicht als Aktionär. Wir mögen solche

„Heuschrecken“ nicht!

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Es muss Schluss sein mit kurzfristigem Shareholder-Value-Kapitalismus, der die Gesellschaft spaltet. Unternehmen sind nicht dazu da, von einigen Wenigen ausgeplündert zu werden.

Die Shareholder-Value-Lehre ist eine Irrlehre. Sie zerstört die Unternehmen und die Gemeinschaft und macht wenige reich. Ein Shareholder- und Management-

Feudalismus aus einer unkontrollierbaren Geld- und Machtelite ist keine

erstrebenswerte Gesellschaft. Ein verantwortliches Management sorgt für gute Produkte und Dienstleistungen, nicht für zweistellige Profitraten. Organisches Wachstum, eine andere Verteilung von Wertzuwächsen der Unternehmen durch echte Teilhabe der Arbeitnehmer, zusätzlich zum Tarifeinkommen sind unsere Antworten.

Wir brauchen einen neuen wirtschaftspolitischen Konsens in Deutschland und Europa. Wirtschaften muss den Menschen dienen – und nicht anders herum!

Es ist unglaublich, dass Menschen entlassen werden, ihre Existenz verlieren, wenn - wie bei der Deutschen Bank – die Gewinne exorbitant explodieren, nur damit noch mehr Rendite kassiert werden kann. Oder wie hier in Köln bei der Allianz Herr Dieckmann nur zugunsten von noch mehr Rendite einen ganzen Standort schließen wollte. Das kann nicht Sinn des Wirtschaftens sein!

Telekom.

Oder das Beispiel Telekom.

Unglaublich: Da wird den Aktionären in der nächsten Woche eine Dividende gezahlt statt ins Unternehmen zu investieren und den Service zu verbessern. Insgesamt werden 3,1 Milliarden Euro ausgeschüttet. Das entspricht, beim derzeitigen Aktienkurs, einer Verzinsung von 5,7 Prozent! Dem Unternehmen werden so die Mittel zur Investition entzogen.

Stattdessen sollen 50.000 Beschäftigte bluten. Sie sollen künftig besser, härter und vor allem länger arbeiten – und dabei deutlich weniger verdienen als heute!

So etwas nenne ich ideenarmes Management!

Ich sage Herrn Obermann von der Telekom: Arbeitnehmer sind in einer Krise schon bereit, sich anzustrengen, sogar Opfer zu bringen – aber nur wenn es sich für das Unternehmen, die Kunden und vor allem die Beschäftigten auch lohnt. Sie sind nicht bereit zu bluten, um Aktionäre und Vorstände noch reicher zu machen!

Herr Obermann, wenn Sie es wirklich ernst meinen mit gutem Service für die Kunden, wenn sie diesen besseren Service wollen, dann demotivieren Sie die Belegschaft nicht weiter! Nehmen Sie ihre Pläne vom Tisch! Reden Sie mit den Beschäftigen auf gleicher Augenhöhe und nehmen Sie ihre Sorgen ernst – und provozieren Sie keinen Streik! Schaden Sie nicht dem Unternehmen – hören Sie auf Ihre Beschäftigten!

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Arbeitslosigkeit und Rente mit 67

In Berlin, unserer Hauptstadt, lebt jedes dritte Kind von Sozialhilfe. Die Eltern können sie allein nicht mehr ernähren, weil sie sehr lange ohne Arbeit sind.

Und das ist nicht nur in Berlin so. Eine Schande für unser Land.

Hartz IV und andere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen haben nicht dazu geführt, dass wieder mehr Menschen in Arbeit gebracht werden. Immer noch suchen rund fünf Millionen Menschen dauerhaft Arbeit. Jeder Mensch hat einen Anspruch auf Respekt, auf Anerkennung, auf die Möglichkeit, sich in der Gesellschaft sinnvoll zu betätigen – und nicht „nutzlos“ von Hartz IV leben zu müssen.

Die Arbeitslosenzahlen sinken in letzter Zeit leicht. Das ist gut, doch fast die Hälfte aller neuen Jobs finden sich im Niedriglohnbereich oder in der Zeit- und Leiharbeit wieder. Der Anteil von Beschäftigten im Niedriglohnbereich liegt in Deutschland bereits über dem EU-Durchschnitt. Die Folge ist: Die Menschen werden ärmer. Neue Arbeitsplätze, von denen man leben kann, hat es nicht gebracht.

Jeder vierte Arbeitslose ist 50 Jahre und älter.

Trotzdem hat die Große Koalition die Rente mit 67 beschlossen. Sie kommt erst in einigen Jahren – 2030 - mit voller Wucht. Doch heute schon ist klar: Außer einer faktischen Rentenkürzung wird sie nichts bewirken!

Unsere Wirtschaft produziert fünf Millionen Arbeitslose. Sie stellt nicht genügend Ausbildungs- und Arbeitsplätze für junge Menschen zur Verfügung. Unsere Regierung vergrößert durch eine längere Lebensarbeitszeit das Problem noch zusätzlich, statt es zu verkleinern.

Dass auch eine andere Politik möglich ist, ist bewiesen, z. B. bei ThyssenKrupp.

IG Metall und der Gesamtbetriebsrat haben die Weichen gestellt. Um der

demographische Entwicklung innerhalb des Betriebs wirksam entgegen zutreten, wurde die Arbeitzeit gesenkt. Auf diesem Weg entstanden 500 neue Arbeitsplätze und sehr viele Auszubildende konnten zusätzlich übernommen werden. Die

Belegschaft bei ThyssenKrupp ist stark und gut gewerkschaftlich organisiert. Das zeigt sich am Erfolg!

Die Regierung hat also beschlossen, nicht auf uns zu hören. Viele von uns sollen bis 67 arbeiten. Das ist eine ziemliche Provokation, weil die meisten um die sechzig ziemlich kaputt sind und sich nach dem Ruhestand sehnen. Das wird mit Renten unter 1.000 Euro allerdings ein Problem. Schon heute bekommen die Rentnerinnen in den alten Bundesländern im Durchschnitt nur noch 524 Euro, die Rentner 1.064 Euro.

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Nehmen wir die Herausforderung der Regierung an: Kümmern wir uns um unsere Arbeitsbedingungen im Betrieb, in der Verwaltung!

Das heißt konkret für jeden Betrieb:

- Bessere Arbeitsbedingungen, - wesentlich kürzere Arbeitszeiten, - weniger Arbeitshetze, mehr Pausen, - mehr Vorsorge für die Gesundheit, - regelmäßige Weiterbildung,

- sinnvolle Arbeit ,

- und einen sicheren Arbeitsplatz, auch für Arbeitnehmer über 50!

Die Herausforderung heißt also: Nicht kaputt mit 61 oder 63 Jahren in Rente, sondern gesund aufs Altenteil! Da gibt es für alle Betriebs- und Personalräte und auch für die Tarifpolitiker noch viel zu tun – und auch für den Gesetzgeber. Denn humanere Arbeitsplätze fallen nicht vom Himmel!

Gute Arbeit fördern – Mindestlöhne sichern

„Gute Arbeit“, menschenwürdige Bedingungen, waren schon immer ein Ziel der Arbeiterbewegung. Der Acht-Stunden-Tag, das ursprüngliche Ziel des 1. Mai – vor mehr als 120 Jahren – war dafür ein Symbol!

Heute bedeutet „Gute Arbeit“ mehr. Arbeit, die nicht kaputt und krank, sondern Sinn und Freude macht. Arbeit, die wir im Betrieb mitgestalten können, am Arbeitsplatz und gemeinschaftlich durch die Betriebs- und Personalräte.

Gute Arbeit, das ist auch und vor allem Arbeit, von der man leben kann.

Fast eine Million Menschen bekommen heute einen Zuschuss der Bundesanstalt, weil ihr Arbeitseinkommen nicht zum Leben reicht. Alleine das sollte ein guter Grund für die Regierung sein, sich endlich um den Mindestlohn zu kümmern.

Die Unternehmen müssen gezwungen werden, auskömmliche Löhne und Gehälter zu zahlen. Es kann doch nicht Aufgabe der Bundesanstalt oder des Staate sein, Unternehmen zu subventionieren, um Armutslöhne auszugleichen!

Natürlich: Lohnpolitik ist vor allem Kernaufgabe der Gewerkschaft. Unsere Tariflöhne sind die Mindestlöhne in einer Branche. Dabei muss es auch bleiben.

Doch in einigen Betrieben und Branchen ist es schwer, Tarifpolitik zu machen. Die Betriebe sind zersplittert, die Beschäftigten schlecht organisierbar – und die Arbeitgeber sind in keinem Arbeitgeberverband, z. B. in der Fleischindustrie. Da gleicht Gewerkschaftsarbeit einem Häuserkampf.

Löhne unter 5 Euro sind auch im Westen keine Seltenheit mehr. Leben kann davon keiner. Wir können in unserer Gesellschaft keine Hungerlöhne akzeptieren!

Nirgendwo!

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Nicht in der Zeitarbeitsbranche, nicht im Fleischereigewerbe, nicht bei den Friseuren und nicht bei den Altenpflegerinnen. Ebenso wenig bei Verkäuferinnen oder bei ungelernten Tätigkeiten im Bewachungsgewerbe.

CDU und die CSU müssen ihren Widerstand aufgeben. Sie müssen den Vorschlägen der Gewerkschaften und der SPD zustimmen und einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 dort einzuführen, wo keine Tarifverträge gelten!

Neben zu geringen Löhnen kehrt ein altes, bekanntes Übel zurück.

Durch Zeit- und Leiharbeit haben bestimmte Firmen eine unwürdige, moderne Tagelöhnerei wieder eingeführt.

Diese Firmen gliedern Abteilungen aus, bauen Stammbelegschaften ab und holen sich die Zeitarbeit ins Haus. Beschäftigte, die vorher zur Belegschaft gehörten und ordentliche Tariflöhne bekamen, sind plötzlich schlecht bezahlte Angestellte einer gegründeten Zeitarbeitsfirma. Sie machen den gleichen Job wie vorher, sind im gleichen Unternehmen – nur ihre Löhne wurden halbiert.

Equal Pay - Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - die alte Forderung der

Arbeiterbewegung ist heute leider wieder sehr aktuell. Auch weil Frauen immer noch schlechter bezahlt werden als Männer! Wir werden damit Schluss machen – und einige Betriebsräte haben damit schon erfolgreich begonnen.

Auch deshalb ist es eine gute Nachricht, wenn es seit Sonntagnacht Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie gibt. Die Bauarbeiter haben bereits einen Abschluss von 3,5 % Prozent herausgeholt – und das bei einer gebeutelten Branche. Auch die Kolleginnen und Kollegen der Chemie-Industrie sind mit 4,3 erfolgreich und liegen deutlich über 2,5 Prozent.

2,5 Prozent, dass ist das Angebot der Unternehmer im Metall-Konflikt. Ja. Spinnen die Unternehmer? Da kann ich nur sagen: So wird das nichts! Das geht anders – aber nicht von allein! Wir haben mehr verdient! Soziale Gerechtigkeit sieht anders aus!

Bei den DAX-30-Unternehmen erhöhten sich die Bezüge der Vorstandsmitglieder im letzten Jahr um gute 15 Prozent. Pro Vorstandsmitglied beträgt die durchschnittliche Jahresvergütung längst mehr als zwei Millionen Euro. In einem Jahr – nicht in einem Arbeitsleben! Bei den Vorstandsvorsitzenden wurde noch mehr bezahlt: Satte 4,7 Millionen Euro. Dafür müsste ein durchschnittlicher Arbeitnehmern über 150 Jahre arbeiten! Also nicht nur bis 67!

Dieses Jahr sind alle Zahlen auf unserer Seite.

Ich kann allen nur raten, die noch nicht Mitglied der IG Metall sind, jetzt einzutreten und Mitglied zu werden. Es kann ein langer Streik werden. Außerdem: Jeder der nicht Mitglied einer Gewerkschaft ist, nützt nur der anderen Seite. Das gilt nicht nur für Metaller, sondern auch für alle Arbeitnehmer. Gerechtigkeit gibt es nicht zum

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Jugendliche müssen eine Zukunft haben

Das gilt auch für ein anderes Feld. Über 100.000 junge Menschen sind in Deutschland ohne Ausbildung und Arbeit. Allein in Köln suchen über 4.000 Jugendlich eine Perspektive.

Jedes Jahr verlassen rund 80.000 Jugendliche die Hauptschule ohne Abschluss - hinein in die Arbeitslosigkeit. Es kann doch nicht sein, liebe Kolleginnen und

Kollegen, dass Jugendliche in der Schule bereits zweifeln, ob sie in der Gesellschaft gebraucht werden – oder ob sie arbeitslos und damit „unnütz“ sind.

Auch für diese Jugendlichen muss es Ausbildung und Arbeit geben. Es stimmt nicht, dass diese Jugendliche nichts können. Auch Hauptschüler haben Talente! Da, wo es Nachholbedarf gibt, ist es auch die Aufgabe von Unternehmen, dies zu ermöglichen.

Das ist ein sozialer Auftrag, nicht nur für Familien und Schulen!

Wir bleiben deshalb dabei: Jeder junge Mensch hat einen Anspruch auf einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz. Und: Wer als Unternehmen nicht ausbildet muss zahlen!

Welcher junge Mensch kann denn ohne eine Hoffnung auf eine eigene Zukunft eine Familie gründen, optimistisch ins Leben gehen und an die Demokratie glauben?

Die Rechtsradikalen und die Nazis sind mit einfachen Sprüchen schon unterwegs – nicht nur in den Schulen. Selbst in der Herzkammer der Sozialdemokratie – heute in Dortmund – haben sie zu ihrem Spuk aufgerufen. Wir als Gewerkschafter sagen ihnen: Es gibt keine einfachen Wahrheiten!

Rechte Politik wendet sich gegen die Freiheit, gegen den Respekt gegenüber anderen Menschen, gegen die Emanzipation des Einzelnen und die

Meinungsfreiheit.

Ich sage: Soziale Gerechtigkeit ist niemals rechts – sondern immer links!

Mitbestimmung

Vor 56 Jahren starb Hans Böckler hier in Köln. Er war der erste Vorsitzende des DGB. Hans Böckler stand für die Einheitsgewerkschaft. Er stand für gutes

Wirtschaften und er hat mit Konrad Adenauer die gleichberechtigte Mitbestimmung der Arbeitnehmer vereinbart.

Die Idee der Mitbestimmung ist eine erfolgreiche Zukunftsgeschichte.

Mitbestimmung hat viel mit Freiheit und Eigenverantwortung zu tun. Wenn es die Mitbestimmung in Europa und Deutschland nicht gäbe, müssten wir sie aus mindestens zwei Gründen neu erfinden:

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Eine wissensbasierte Industriegesellschaft der Zukunft braucht mündige Bürger und Arbeitnehmerinnen. Talente lassen sich nicht kommandieren!

Wandel und Innovation lassen sich nicht verordnen! Wirtschaftliche Macht ohne demokratische Kontrolle führt zu Willkür, Korruption und Management.

2.

Die europäische Botschaft, das Motto der französischen Revolution, lautet immer noch: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Mitbestimmung steht für Freiheit auf gleicher Augenhöhe. Sie verkleinert Herrschaft.

Sie führt im Aufsichtsrat dazu, dass sich Manager vor Arbeitnehmern rechtfertigen müssen und nicht einseitig bestimmen können. Freiheit und demokratische

Legitimität ist untrennbar!

Denn: Unter einem Herren ist niemand frei!

Mitbestimmung ist nicht nur eine Sache für die private Wirtschaft. Gerade der

öffentliche Dienst braucht Beschäftigte, die verantwortlich, motiviert und mit Rechten ausgestattet sind.

Wenn Herr Rüttgers, der hier an die Regierung gekommen ist, weil andere eine Lücke hinterlassen haben, wenn Herr Rüttgers jetzt das Mitbestimmungsrecht bei Kündigungen im öffentlichen Dienst und bei der Einführung neuer Technologien fast vollständig abschaffen und auch sonst die Personalräte mit neuen und ungünstigen Regeln beglücken will, dann sage ich:

Eine Kommandowirtschaft ohne Mitbestimmung der Beschäftigten ist das Letzte, was wir im öffentlichen Dienst brauchen.

500 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst haben mehr Respekt und mehr Achtung vor ihrer Leistung verdient. Wer sie entmündigen will, wie Herr Rüttgers, wer

Anhörungsrechte bei Organisationsplänen und Stellenstreichungen beseitigen will, der hat nicht verstanden, wie eine funktionsfähige Verwaltung funktioniert!

Deutschland – ein reiches Land

Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt! Das verpflichtet uns zu Verbesserungen. Sie sind vor allem in der Bildung, in der Energiepolitik, in der

Gesundheitspolitik und der Entwicklungspolitik nötig. Hier müssen wir Vorreiter sein.

Wir brauchen mehr Geld für die Bildung und keine Studiengebühren.

Wir brauchen mehr Erbschaftssteuern für große Vermögen.

Was wir nicht brauchen, sind Geschenke an Unternehmen. Auch nicht in Form einer Steuerreform, die bis zu 8 Milliarden Euro in die Schatullen der Unternehmen lenkt.

Geld, das letztlich dem Staat für Kitas, Erziehung und Bildung heute schon fehlt!

Wir brauchen mehr Kitas und bessere Gemeinschaftsschulen für unsere Kinder,

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Und wir brauchen eine effektive und effiziente Energiepolitik.

Sagt es allen, die es noch nicht wissen: Nicht Personalkosten sind das Problem.

Energie- und Materialkosten sind in den Betrieben wesentlich höher. Hier kann sinnvoll gespart werden!

Nachhaltige Beschäftigung, zum Beispiel in der Energie- und Automobilindustrie, wird in den nächsten Jahren möglich sein, wenn wir intelligente Autos entwickeln und bauen, die im Einklang mit den ökologischen Notwendigkeiten stehen, hier bei Ford in Köln und anderswo.

Wasser, Energie und Rohstoffe werden weltweit knapp. Mit unserer Technologie in Deutschland können wir mit dafür sorgen, dass es trotzdem für alle in der Welt langt.

Wir leben im Wandel von der Arbeits- zur Wissensgesellschaft. Wir brauchen eine Vision für unser Leben und Arbeiten in der Zukunft. Unsere Zukunft ist nicht von Mangel, sondern von Überfluss geprägt. Wir müssen das nur anders organisieren.

Dazu gehören eine andere Wirtschaftspolitik, gute Ausbildung für alle, Sicherheit vor Armut im Alter sowie ein Mehr an Mitbestimmung.

Jeder von uns kann etwas für die Verbesserung der Welt, für Gemeinsinn und gegen

„Heuschrecken“ tun:

1. Sich dort engagieren, wo unsere gesellschaftliche Solidarität gefragt ist.

2. Alle Arbeitnehmern helfen, die noch keinen Betriebsrat haben, einen zu wählen – gerade in Kleinbetrieben. Selbstbewusst mitzubestimmen und die Freiheit

verteidigen.

3. Sich seiner eigenen Würde bewusst sein, sich weigern, für einen Stundenlohn unter 7,50 Euro zu arbeiten und sich mit seiner Gewerkschaft dagegen wehren.

4. Diejenigen ansprechen, die noch zögern und abseits stehen. Jeder von Ihnen / von euch kennt jemanden, der noch nicht in der Gewerkschaft ist.

Sagt, warum ihr dabei seid. Sagt, warum wir auch ihre Ideen und ihre Solidarität brauchen. Nehmt sie in unsere starke Gemeinschaft auf – und bringt sie nächstes Jahr zum 1. Mai mit – hier nach Köln! Wir stehen für eine soziale Gesellschaft, gegen Egoismus und Eigennutz. Wir sind als Gewerkschaften eine Gemeinschaft für

Gemeinsinn und soziale Gerechtigkeit. Wir sind ein gutes Mittel gegen ungezügelten Kapitalismus!

Wir stehen für soziale Marktwirtschaft!

Für Menschenwürde, für Freiheit, Mitbestimmung und Teilhabe!

„Glück auf“!

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