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Die Grenzen der Personalisierung EDITORIAL

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www.b-i-t-online.de 20 (2017) Nr. 4 online

Bibliothek. Information. Technologie.

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EDITORIAL

In der Netz- und Lebensrealität werden aktuell zwei neue Produkte diskutiert: Die digitalen Allround-Helfer von Amazon und Google. Amazons „Echo“ und Googles „Home“ sind nichts anderes als Internetcomputer mit professioneller Spracherkennung in Form eines schönen Lautsprechers. Man kann allerhand Fragen stellen und Aufgaben verteilen, die dann sofort beantwortet und bearbeitet werden. Nachrichten werden vorgelesen, Routen herausgesucht, Pizza bestellt, die Rollos heruntergelassen, die Einkaufsliste geführt usw.

Egal, wo man sich in seiner Wohnung aufhält, die digitalen Assistenten verstehen natürliche Sprache und handeln sofort auf Anweisung.

Eine nette Spielerei auf der einen Seite, hilfreiche Unter- stützung und der Einstieg ins Smart Home auf der anderen.

Gewarnt wird allerdings davor, dass die Hersteller der Geräte (Google und Amazon) „mitlauschen“ und die Daten zu (Werbe)Zwecken archivieren und mitnutzen. Auf jeden Fall ein schönes Gadget, das zudem permanent dazu lernt und sich somit zu einem „personalisierten“ (oder wie man früher sagte

„persönlichen“) Assistenten entwickelt.

Die Verfügbarkeit digitaler Daten macht personalisierte Dienste heute schon fast zu einer Selbstverständlichkeit.

Vielfach unbemerkt und nebenbei, manchmal subtil und gesteuert, oder auch als offene „Anklickmöglichkeit“ sind personalisierte Angebote heute schon nahezu ubiquitär.

Dass sich Bibliotheken schon früh mit diesem Thema aus- einandergesetzt haben, spricht für die Kundenorientierung unserer Einrichtungen.

Dennoch stecken wir noch immer in einer (sinnvollen und notwendigen) Diskussionsphase, welche personalisierten Dienste wir unseren Kunden anbieten sollen, welche davon

„unbemerkt“ über Bibliothekssoftware eingespeist werden und wo die Grenzen etwa des Datenschutzes Schranken aufzeigen.

Dabei sind personalisierte Dienstleistungen eine besondere Hilfe in einem Massensystem wie dem Internet: rechts und links schauen ist nicht mehr erforderlich, die Ablenkung un- terbleibt und es werden keine unsinnigen und überflüssigen Treffer mehr angezeigt. Wo sich Menschen im Unüberschau- baren zu verirren drohen, sind „gelenkte, personalisierte“

Angebote eine echte Hilfe.

Die größte Gefahr dieser Systeme sehen Kritiker personali- sierter Umgebungen in der so genannten „Filter Bubble“: Wer immer nur das zu sehen und vorgelesen bekommt, was seiner

Welt entspricht, kann nicht mehr aussuchen und bewerten, er oder sie hat die Vorbewertung schon gemacht oder dem selbstlernenden System überlassen. Man bleibt unter sich und hat keine Chance mehr, Überraschendes und Unvorher- gesehenes zu entdecken. Die Blase in der man steckt wird immer enger, die Welt kleiner und der Fokus konzentrierter.

Bibliotheken liefern in der Regel das Gegenteil: Sie bieten alles für alle, ob es passt oder nicht, der ganze Bestand steht zur Verfügung, die ganze Palette der Inhalte und Dienste.

Sollten auch wir nicht den Benutzer an die Hand nehmen, ihn nach seinen ganz persönlichen Vorlieben und Gewohnheiten Stück für Stück in eine „Library Filter Bubble“ stecken, damit er und sie nur noch das zu sehen und zu lesen bekommt, was seinem oder ihrem ganz speziellen (wissenschaftlichen) Interesse entspricht? Sie oder ihn abschirmen vom Rest der Inhalte, die so gar nicht passen zum jeweiligen eigenen Interessenprofil?

Ja muss die Antwort lauten, denn wer fokussiert spezielle Inhalte für Studium oder Forschung sucht, ist dankbar für die Entlastung von Unpassendem.

Nein muss die Antwort lauten, weil gerade im akademischen Umfeld die kritische Reflexion und die Offenheit gegenüber Anderem Teil des Grundverständnisses von Wissenschaft und Forschung sind.

Es braucht also beides: den engen Fokus der personalisierten Angebote, die zur schnellen Nutzung der Inhalte beitragen und gleichzeitig die Möglichkeit, ungelenkt und frei die ganze Bandbreite des Angebotes durchsuchen, durchstöbern und nutzen zu können.

Diese (technische) Leistung muss die Bibliothek umsetzen, etwa durch sicht- und verstehbare „Knöpfe“ in den digitalen Bibliothekssystemen, die zeigen, ob man sich im „gelenkten“

oder „freien“ Modus befindet. Und vor allem durch einen Knopf, mit dem man bewusst und einfach die verschiedenen Modi an- und abschalten kann.

Diese Optionen sind Teil der Freiheit von Wissenschaft und Forschung. Dabei sind die Angebote der Bibliotheken alter- nativlos, ihre Suchsysteme hingegen müssen (anders als bei Google und Amazon) gerade jene Alternativen und Freiheiten der Selbstbestimmtheit bieten.

Herzlich Ihr Rafael Ball

Die Grenzen der Personalisierung

Chefredakteur Dr. Rafael Ball Direktor der ETH-Bibliothek Zürich

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