• Keine Ergebnisse gefunden

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :"

Copied!
31
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

1030 Wien Tel: +43 1 601 49 – 0 Fax: + 43 1 711 23-889 15 41 E-Mail: einlaufstelle@bvwg.gv.at www.bvwg.gv.at

Entscheidungsdatum 19.03.2021

Geschäftszahl

L524 2199845-1/11E L524 2199838-1/11E

L 5 2 4 2 1 9 9 8 3 9 - 1 / 1 2 E

I M N A M E N D E R R E P U B L I K !

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B.

über die Beschwerden der (1.) XXXX , geb. XXXX , StA Irak, der (2.) XXXX , geb. XXXX , StA Irak und der (3.) mj. XXXX , geb. XXXX , StA Irak, alle vertreten durch die BBU GmbH, Leopold- Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 28.05.2018, Zl. (1.) XXXX , (2.) XXXX und (3.) XXXX , betreffend Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Status der Asylberechtigten, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.02.2021, zu Recht:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen und nunmehr volljährigen Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Sie sind irakische Staatsangehörige und stellten nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 09.08.2015 Anträge auf internationalen

(2)

Schutz. Am 10.08.2015 erfolgte die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Am 14.06.2017 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

Mit Bescheiden des BFA vom 28.05.2018, Zl. (1.) XXXX , (2.) XXXX und (3.) XXXX , wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Gegen die Spruchpunkte I. dieser Bescheide richten sich die fristgerecht erhobenen Beschwerden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 24.02.2021 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der alle Beschwerdeführerinnen als Parteien teilnahmen. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerden.

II. Feststellungen:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die leibliche Mutter der zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen und nunmehr volljährigen Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Sie sind irakische Staatsangehörige und gehören der Volksgruppe der Araber an. Die Erstbeschwerdeführerin ist sunnitische Muslimin; die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen sind schiitische Musliminnen. Die Beschwerdeführerinnen stammen aus Bagdad. Die Erstbeschwerdeführerin besuchte im Irak zumindest sieben Jahre die Grundschule. Ob die Erstbeschwerdeführerin darüber hinaus noch weiter die Schule besuchte, kann nicht festgestellt werden. Die Erstbeschwerdeführerin war als Sekretärin in einem Unternehmen in Bagdad beschäftigt.

Es kann nicht festgestellt werden, wo die Eltern und der Bruder der Erstbeschwerdeführerin leben. Im Irak leben jedenfalls der Onkel väterlicherseits der Erstbeschwerdeführerin samt Familie, die Familie der Mutter der Erstbeschwerdeführerin sowie die Familie des Vaters der Erstbeschwerdeführerin. Im Irak lebt auch der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. der Vater der Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführerin. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin geschieden ist.

Die Beschwerdeführerinnen verließen am 27.07.2015 legal über den Flughafen Bagdad den Irak. Sie reisten illegal in Österreich ein, wo sie jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz

(3)

stellten. Die Kosten für die Ausreise betrugen € 6.000,−. Zum Zeitpunkt der Antragstellung hatte die Erstbeschwerdeführerin € 1.601,20 bei sich.

Der von der Erstbeschwerdeführerin vorgebrachte Fluchtgrund, dass sie nach der Scheidung von ihrem Mann mit einem Cousin ihres Vaters hätte verheiratet werden sollen, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt. Es kann mangels Glaubhaftigkeit auch nicht festgestellt werden, dass der Zweitbeschwerdeführerin eine Zwangsheirat droht oder sie ein Kopftuch tragen müsste. Für die minderjährige Drittbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

Die Beschwerdeführerinnen sind strafrechtlich unbescholten.

Zur Lage im Irak:

Der Irak hat zwischen 38 und 40 Millionen Einwohner, von denen beinahe 60 Prozent jünger als 25 Jahre alt sind. Etwa 70 Prozent der Einwohner leben in städtischen Gebieten. In der Hauptstadt Bagdad, der größten Stadt des Landes, leben zwischen sechs und sieben Millionen Menschen. Die Städte Basra und Mossul haben jeweils mehr als zwei Millionen Einwohner. In Erbil, Kirkuk, Suleymania und Hilla leben jeweils mehr als eine Million Menschen. Der größte Teil der Einwohner lebt im Norden und Osten des Landes sowie im Zentralirak. Die größten städtischen Gebiete befinden sich entlang des Euphrat und des Tigris. Der Großteil des Westens und des Südens des Irak ist Wüste und dünn besiedelt bzw. unbewohnt.

Etwa 97 Prozent der Bevölkerung sind Moslems, davon gehören 55 bis 60 Prozent der schiitischen Glaubensrichtung an, die überwiegend Araber sind, und ca. 40 Prozent der sunnitischen Glaubensrichtung. Etwa 60 Prozent der sunnitischen Moslems sind Araber, ca.

37,5 Prozent sind Kurden und der Rest sind Turkmenen. Schiiten leben überwiegend im Süden und Osten des Landes und stellen die Mehrheitsbevölkerung in Bagdad dar. In den meisten Teilen des Landes gibt es schiitische Gemeinden. Sunniten bilden die Mehrheit im Westen und im Zentralirak. Kurden sind die Mehrheitsbevölkerung in der Autonomen Region Kurdistan (KRI) im Norden des Landes.

Gemischte sunnitisch-schiitische Viertel in Bagdad gibt es in den Bezirken Rusafa und XXXX sowie kleinere gemischte Viertel auch in den Bezirken Doura, Rasheed, Karkh, XXXX und Kadhimiya. Schiitische Viertel dominieren die Vororte Sadr City, Abu Dashir und Al Doura.

Bedeutende sunnitische Viertel gibt es in Abu Ghraib, A’adamia, Rusafa, Za’farania, Doura und Rasheed. Konfessionsgebundene Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten hat seit Mitte der 2000er Jahre beträchtlich abgenommen, auch wenn sie noch immer gelegentlich vorkommt.

(Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 17.8.2020)

(4)

Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an: Gemäß Art. 2 Abs. 1 ist der Islam Staatsreligion und eine Hauptquelle der Gesetzgebung, in Abs. 2 wird das Recht einer jeden Person auf Religions- und Glaubensfreiheit sowie das Recht auf deren Ausübung garantiert; spezifisch genannt werden Christen, Jesiden und Sabäer-Mandäer. Art.

3 legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung Iraks fest, betont aber auch den arabisch-islamischen Charakter des Landes. Art. 43 garantiert die Ausübung religiöser Riten und verpflichtet den Staat zum Schutz der religiösen Stätten. Die meisten religiös-ethnischen Minderheiten sind im Parlament vertreten.

Zahlreiche religiöse Gruppen werden vom Personenstandsregister anerkannt. Etwa Muslime, Chaldäer, Assyrer, Syrisch-Orthodoxe, Armenisch-Katholische, Römisch-Katholische, Anglikanische, Evangelisch-Protestantische Assyrer, Siebenter-Tags-Adventisten, Koptisch- Orthoxe, Jesiden, Sabäer-Mandäer und Juden. Die Anerkennung ermöglicht, dass gesetzliche Vertreter ernannt und rechtliche Transaktionen, wie Kauf und Verkauf von Immobilien, durchgeführt werden können.

Es gibt drei Diwans (Verwaltungsorgane), die für die Verwaltung der Angelegenheiten der anerkannten religiösen Gruppen im Land zuständig sind: die sunnitische Stiftung Diwan, die schiitische Stiftung Diwan und die Stiftung der christlichen, jesidischen und sabäisch- mandäischen Religionen. Die drei Stiftungen arbeiten unter der Autorität des Amtes des Premierministers, um staatliche Mittel für die Aufrechterhaltung und den Schutz religiöser Einrichtungen auszuzahlen.

Die Konversion zum Islam ist nach dem Gesetz ein einfacher Vorgang. Es ist jedoch verboten, vom Islam zu einer anderen Religion zu konvertieren. Minderjährige Kinder sind Muslime, wenn ein Elternteil Moslem ist oder zum Islam konvertiert.

Es gibt Islamunterricht an öffentlichen Schulen, aber nichtmuslimische Schüler müssen nicht daran teilnehmen. Einige nicht-muslimische Schüler haben berichtet, dass sie unter Druck von Lehrern und Klassenkameraden unter Druck gerieten, an den islamischen Unterrichtsstunden teilzunehmen. In den meisten Regionen des Landes umfassen die Lehrpläne für Grund- und Sekundarschulen drei Klassen pro Woche Islamunterricht, einschließlich des Studiums des Korans, als Abschlussvoraussetzung für muslimische Schüler. Der christliche Religionsunterricht ist in den Lehrplänen von mindestens 150 öffentlichen Schulen in Bagdad, Ninewah und Kirkuk enthalten.

Es gibt irakische Gesetze und langjährige Praktiken, die der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung zugutekommen und dazu neigen, Nicht-Muslime zu diskriminieren. Das Ausmaß

(5)

dieser Diskriminierung kann je nach geographischem Gebiet variieren und Gewalt oder die Androhung von Gewalt gegen Angehörige religiöser Minderheiten umfassen, die sich beispielsweise nicht an islamische Kleidungsstandards halten. (Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 17.8.2020)

Es gibt kein Gesetz welches die Heirat zwischen Sunniten und Schiiten verbietet. Die Anzahl der Mischehen ist in dem Ausmaß gestiegen, wie konfessionsbezogene Spannungen abgebaut wurden. Es gibt aber Bedenken und Widerstände der Familien zu solchen Ehen. Mischehen zwischen sunnitischen und schiitischen Paaren sind Berichten zufolge häufiger als Mischehen zwischen arabischen und kurdischen Paaren. Das Zivilstandsgesetz erlaubt nicht-muslimischen Frauen, muslimische Männer zu heiraten, verbietet jedoch muslimischen Frauen, nicht- muslimische Männer zu heiraten. Personenstandsangelegenheiten, wie etwa Ehe, Scheidung, Verlassenschaften und Schenkungen werden entweder von einem zivilen oder einem religiösen Gericht entschieden.(Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 17.8.2020)

Die Regierung hat das Ministerium für Frauenangelegenheiten im Jahr XXXX im Zuge einer Budgetreform abgeschafft. Es gibt jedoch eine Direktion zur Stärkung der Frauen im Ministerrat, welche jetzt die federführende Regierungsbehörde für Frauenprobleme darstellt.

Die autonome Republik Kurdistan unterhält einen Hohen Rat für Frauenangelegenheiten und ein Monitoringboard zur Überwachung der Frauenrechte.

Rund 28 Prozent der Frauen sind Analphabeten, mehr als doppelt so viele wie Männer. Frauen sind in Sicherheitsbehörden fast komplett abwesend. Artikel 49 Absatz 4 der Verfassung, der auf das Wahlgesetz abzielt, führt zu einem Minimum von 25 Prozent Frauen im Parlament;

vorher besetzten die Frauen weniger als 2 %. Allerdings sind weibliche Wahlkandidaten geschlechtsspezifischer Einschüchterung und Misshandlung ausgesetzt; Parteien setzen häufig auch Frauen ein, die für die parlamentarische Arbeit nicht qualifiziert sind.

Frauenaktivistinnen berichten, dass Frauen von einflussreichen Positionen ausgeschlossen bleiben. Allerdings besteht die Regierung, die im Mai 2020 konstituiert wurde, aus zwei weiblichen Ministern. In der autonomen Republik Kurdistan sind zwei von 27 Ministern weiblich.

Nur 14 Prozent der Frauen arbeiten oder suchen aktiv Arbeit, verglichen mit 73 Prozent der Männer. Der Prozentanteil steigt bei jungen Frauen auf 27 Prozent und ist in städtischen Gebieten deutlich höher als in ländlichen Gebieten, wo Frauen hauptsächlich in der Landwirtschaft beschäftigt sind. Im ganzen Irak (einschließlich der KRI) ist die überwiegende Mehrheit der erwerbstätigen Frauen (94 Prozent) im öffentlichen Sektor tätig, hauptsächlich im Finanz-, Bildungs- und Bankensektor. Berichten zufolge entscheiden sich Frauen dafür, für

(6)

den öffentlichen Sektor zu arbeiten, weil dies Stabilität bringt und weil arbeitsrechtliche Rechte im privaten Sektor nicht garantiert oder durchgesetzt werden können. Frauen im Irak sehen sich einer Reihe von Hindernissen für eine stärkere Beteiligung am Privatsektor gegenüber, darunter: wirtschaftliche Hindernisse; Zugang zu Gesundheitseinrichtungen;

gesetzliche Regeln und Prozesse; mangelnde Sicherheit udgl. Kulturelle und soziale Hindernisse sind die anderen Faktoren, die Frauen daran hindern, im privaten Sektor zu arbeiten, wie zB Bewegungseinschränkungen und die Notwendigkeit, die Zustimmung eines Mannes zur Arbeit einzuholen.(Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 17.8.2020)

Damit eine Ehe legal ist, braucht es die Zustimmung beider Ehepartner. Das gesetzliche Alter für die Ehefähigkeit beträgt 18 Jahre für Männer und Frauen (mit Zustimmung der Eltern und richterlicher Erlaubnis kann das Alter auf 15 Jahre gesenkt werden). Zwangsheirat ist gesetzlich verboten. Menschenrechtsbeobachter berichten jedoch, dass Frauen und Mädchen sexueller Ausbeutung durch sogenannte „vorübergehende Ehen“ ausgesetzt sind, dh. bei denen der Mann der Familie der Frau oder des Mädchens Mitgiftgeld gibt und zwar als Gegenleistung für die Erlaubnis, sie für eine Ehe zu heiraten – eben für einen bestimmten Zeitraum.(Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 17.8.2020)

Zwangs- und Kinderehen sind insbesondere im Zusammenhang mit Vertreibung und Armut weit verbreitet. Vor allem in Lagern lebende mittellose Binnenvertriebene sind Berichten zufolge besonders anfällig für diese Form von Ausbeutung. NGOs haben berichtet, dass einige Familien sich dafür entschieden haben, ihre minderjährigen Töchter im Austausch gegen Mitgiftgeld zu verheiraten, in der Überzeugung, dass die Ehe echt ist, nur um das Mädchen, sobald es schwanger ist wieder zurücknehmen zu müssen. Menschenrechtsbeobachter haben auch über die traditionelle Praxis der Fasliya berichtet, wobei Familienmitglieder (einschließlich Frauen und Kinder) zur Beilegung von Stammesstreitigkeiten eingetauscht werden; dieses Problem besteht vor allem in südlichen Landesteilen (DFAT, 17.8.2020). Im sunnitischen Islam sind Zwangsehen nicht erlaubt, auch wenn manche sunnitische Geistliche eine ähnliche Form der Ehe auf Zeit, misyar, gestatten (BBC 4.10.2019).

- BBC News (4.10.2019): The teenager married too many times to count, https://www.bbc.co.uk/news/extra/iuKTEGjKgS/teenage_iraq_brides,

- DFAT Report, Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 17.8.2020

Die Familien- und die individuelle Ehre wird ausschließlich von Männern gehalten und kann verloren oder wiedergewonnen werden. Frauen dagegen können nur eine Quelle der Familien- oder individuellen „Schande“ sein und können nicht aktiv Ehre in ihre Familie oder ihren Stamm bringen (TCF 7.11.2019). Sogenannte Ehrenverbrechen sind Gewalttaten, die von Familienmitgliedern gegen Verwandte ausgeübt werden, weil diese „Schande“ über die

(7)

Familie oder den Stamm gebracht haben. Ehrenverbrechen werden oft in Form von Mord begangen, obwohl sie auch andere Arten der Gewalt umfassen können wie z.B. körperliche Misshandlung, Einsperren, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Entzug von Bildung, Zwangsverheiratung, erzwungener Selbstmord und öffentliche Schändung bzw. „Entehrung“.

Ehrendelikte werden überwiegend von männlichen Familienmitgliedern gegen weibliche Familienmitglieder verübt, obwohl gelegentlich auch Männer Opfer solcher Gewalt werden können. Ehrenverbrechen werden meist begangen, nachdem eine Frau eines der folgenden Dinge getan hat bzw. dessen verdächtigt wird: Freundschaft oder voreheliche Beziehung mit einem Mann; Weigerung, einen von der Familie ausgewählten Mann zu heiraten; Heirat gegen den Willen der Familie; Ehebruch; Opfer einer Vergewaltigung oder Entführung geworden zu sein. Solche Verletzungen der Ehre werden als unverzeihlich angesehen. In den meisten Fällen wird die Tötung der Frau, manchmal auch die des Mannes, als der einzige Weg gesehen, die Ehrverletzung zu sühnen (MRG 11.2015).

Ehrenverbrechen finden in allen Gegenden des Irak statt und beschränken sich nicht auf bestimmte ethnische oder religiöse Gruppen. Sie werden gleichermaßen von Arabern und Kurden ausgeübt, von Sunniten und Schiiten, wie auch von einigen ethnischen und religiösen Minderheiten. Es ist schwer, das wahre Ausmaß von Ehrenverbrechen und Ehrenmorden im Irak zu erfassen, da viele Fälle nicht angezeigt werden bzw. oft als Selbstmord oder Unfall angeführt werden (MRG 11.2015). Ehrenmorde bleiben auch weiterhin ein ernstes Problem im ganzen Land (USDOS 11.3.2020).

Das Strafgesetzbuch sieht für Gewalttaten aus „ehrenhaften Motiven“, inklusive Ehrenmorde, milde, reduzierte Strafen vor (FH 4.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020). In der Regel werden Ehrenverbrechen nicht angezeigt und auch nicht strafrechtlich verfolgt. Von der Polizei und den zuständigen Behörden werden die Fälle in der Regel als Familiensache erachtet, die dem Ermessen männlicher Familienmitglieder obliegt (MRG 11.2015). In Fällen von Gewalt gegen Frauen erlaubt das irakische Recht zudem den Grund der „Ehre“ als rechtmäßige Verteidigung.

Wenn ein Mann des Mordes an einer Frau angeklagt wird, die er getötet haben soll, weil sie des Ehebruchs verdächtigt worden war, begrenzt das Gesetz seine mögliche Strafe auf maximal drei Jahre Gefängnis (USDOS 11.3.2020). Strafen für Ehrenverbrechen sind selten (FH 4.3.2020). Täter werden oft freigesprochen oder zu sehr milden Strafen verurteilt, selbst wenn eindeutige, belastende Beweise vorliegen (MRG 11.2015).

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom- world/2020,

- HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2022678.html - MRG - Minority Rights Group (11.2015): The Lost Women of Iraq: Family-based violence during armed conflict,

https://minorityrights.org/wp-content/uploads/2015/11/MRG-report-A4_OCTOBER-2015_WEB.pdf,

(8)

- TCF - The Century Foundation (7.11.2019): Tribal Justice in a Fragile Iraq, https://tcf.org/content/report/tribal-justice- fragile-iraq/?agreed=1,

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html,

Die hohe Anzahl an Todesopfern in den Konfliktjahren, die meisten davon männlich, hat zu einem hohen Anteil an Haushalten mit weiblichen Familienoberhäuptern geführt (IOM 4.2019). Einer Studie zufolge haben etwa 8,9 % der Haushalte einen weiblichen Haushaltsvorstand (UNICEF 6.12.2018). Gemäß einer anderen Quelle sind allein 10% der irakischen Frauen Witwen und viele davon Alleinversorgerinnen ihrer Familien (AA 12.1.2019).

Weiblich geführte Haushalte haben nicht unbedingt Zugang zu Finanzanlagen, Sozialleistungen oder dem öffentlichen Verteilungssystem (PDS). Viele sind auf Unterstützung durch ihre Familien, Behörden und NGOs angewiesen. Während theoretisch die meisten Frauen im Irak theoretisch Anspruch auf öffentliche oder NGO-Hilfe haben, erhalten in der Praxis nur 20-25% von ihnen diese Hilfe. Darüber hinaus deckt die Hilfe nur einen Teil des jeweiligen Haushaltsbedarfs ab (FIS 22.5.2018). Haushalte mit weiblichen Familienoberhäuptern sind besonders anfällig für Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung (UNHCR 11.2018). Aufgrund vieler Hindernisse beim Zugang zu Beschäftigung müssen Frauen auf andere Mittel zurückgreifen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, wie Geld leihen, Essen rationieren und ihre Kinder zur Arbeit schicken (FIS 22.5.2018;

vgl. UNHCR 11.2018).

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-

abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- FIS - Finnish Immigration Service (22.5.2018): Overview of the status of women living without a safety net in Iraq, https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/Plib/Report_Women_Iraq_Migri_CIS.pdf,

- IOM - International Organization for Migration (4.2019): reasons to remain: an in-depth analysis of the main districts of displacement, http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/IDP_Districts_of_Displacement_Factsheets.pdf,

- UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (11.2018): Humanitarian Needs Overview 2019, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/67416;

Das Gesetz erlaubt Frauen ein Scheidungsverfahren gegen ihre Ehepartner einzuleiten; ein Unterhalt steht der Frau nicht zu, sehr wohl jedoch Unterhaltszahlungen für die Kinder und eventuell eine zweijährige finanzielle Unterstützung. Eine geschiedene Frau muss gelegentlich ihre Mitgift ganz oder teilweise zurückgeben oder auf andere Weise einen Geldbetrag an den Ex-Ehemann zahlen. Nach dem Gesetz ist der Vater der Vormund der Kinder in Scheidungsfällen. Eine geschiedene Mutter kann das Sorgerecht für ihre Kinder bis zum Alter von 10 Jahren erhalten (von einem Gericht bis zum Alter von 15 Jahren verlängerbar). Ab diesem Zeitpunkt kann das Kind wählen, mit welchem Elternteil es leben möchte. (Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 17.8.2020)

2018 wurde ein Anstieg von Scheidungsanträgen, insbesondere durch Frauen verzeichnet.

Obwohl nicht verfolgt wurde, ob es sich dabei um IS-bezogene Scheidungen handelte, wurde

(9)

insbesondere in sunnitischen Regionen unter vormaliger IS-Herrschaft, wie Anbar und Ninewa, ein Anstieg verzeichnet (NBC 5.7.2018). Das gesellschaftliche Klima gegenüber Geschiedenen ist nicht offen repressiv. Üblicherweise werden geschiedene Frauen in die eigene Familie reintegriert. Sie müssen jedoch damit rechnen, schlechter bezahlte Arbeitsstellen annehmen zu müssen oder als Zweit- oder Drittfrau in Mehrehen erneut verheiratet zu werden. Im Rahmen einer Ehescheidung wird das Sorgerecht für Kinder ganz überwiegend den Vätern (und ihren Familien) zugesprochen (AA 12.1.2019). Nach anderen Angaben bleibt eine Scheidung im Irak weiterhin mit starkem sozialen Stigma verbunden (MRG 11.2015; vgl. FIS 22.5.2018).

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-

abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf,

- FIS - Finnish Immigration Service (22.5.2018): Overview of the status of women living without a safety net in Iraq, https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/Plib/Report_Women_Iraq_Migri_CIS.pdf,

- MRG - Minority Rights Group (11.2015): The Lost Women of Iraq: Family-based violence during armed conflict, https://minorityrights.org/wp-content/uploads/2015/11/MRG-report-A4_OCTOBER-2015_WEB.pdf,

Artikel 29 und 30 der irakischen Verfassung enthalten Kinderschutzrechte. Der Irak ist dem Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten beigetreten (AA 12.1.2019). Nach dem Gesetz ist der Vater der Vormund der Kinder, auch wenn eine geschiedene Mutter das Sorgerecht für ihre Kinder bis zum Alter von zehn Jahren erhalten kann. Dies kann per Gerichtsentscheid auch bis zum Alter von 15 Jahren verlängert werden, zu welchem Zeitpunkt das Kind wählen kann, mit welchem Elternteil es leben möchte (USDOS 11.3.2020). Das irakische Familienrecht unterscheidet zwischen zwei Arten der Vormundschaft (wilaya und wasiya), sowie der Pflege bzw. Sorge (hanada). Dem Vater kommt immer die Vormundschaft (wilaya) zu. Wenn dieser nicht mehr lebt, dem Großvater bzw. nach Entscheidung eines Shari‘a-Gerichts einem anderen männlichen Verwandten. Nur ein Mann kann demnach wali sein. Die Fürsorgeberechtigung (hanada), d.h.

die Verantwortung für die Erziehung, Sicherheit und Betreuung eines Kindes, kommt im Falle einer Scheidung der Mutter zu. D.h. die Kinder leben bei der Mutter, im Falle von Knaben bis zum 13. Lebensjahr und im Falle von Mädchen bis zum 15. Lebensjahr (Migrationsverket 15.8.2018).

Einem Bericht aus 2018 zufolge sind fast alle irakischen Kinder (92 %) in der Grundschule eingeschrieben, aber nur etwas mehr als die Hälfte der Kinder aus ärmeren Verhältnissen absolvieren die Grundschule (UNICEF 19.11.2018). Dabei ist die Grundschulbildung für Kinder mit irakischer Staatsbürgerschaft in den ersten sechs Schuljahren verpflichtend und wird für diese kostenfrei angeboten. In der Kurdischen Region im Irak (KRI) besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren; auch dort kostenfrei. Der gleichberechtigte Zugang von Mädchen zu

(10)

Bildung bleibt eine Herausforderung, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten (USDOS 11.3.2020). Die Sicherheitslage und die große Zahl zerstörter Schulen verhindern allerdings mancherorts den Schulbesuch, sodass die Alphabetisierungsrate in den letzten 15 Jahren drastisch gefallen ist (aktuell bei 79,7 %), besonders in ländlichen Gebieten. Im Unterschied dazu sind in der KRI fast alle Menschen des Lesens und Schreibens mächtig (AA 12.1.2019). Mindestens 70 % der Kinder von IDPs haben mindestens ein Jahr Schulunterricht verpasst (USDOS 11.3.2020). Mehr als 3,3 Millionen Kinder im Irak benötigen Unterstützung im Bildungsbereich (UNICEF 31.12.2019).

Die Verfassung und das Gesetz verbieten die schlimmsten Formen von Kinderarbeit. In den Gebieten, die unter die Zuständigkeit der Zentralregierung fallen, beträgt das Mindestbeschäftigungsalter 15 Jahre. Versuche der Regierung Kinderarbeit z.B. durch Inspektionen zu überwachen, blieben erfolglos. Kinderarbeit, auch in ihren schlimmsten Formen, kam im ganzen Land vor (USDOS 11.3.2020).

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-

abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf,

- Migrationsverket (Schweden) (15.8.2018): Irak - familjerätt och vårdnad, https://www.ecoi.net/en/file/local/1442095/4792_1535708243_180815601.pdf,

- UNICEF - United Nations International Children's Emergency Fund (31.12.2019): Iraq 2019 Humanitarian Situation Report, https://www.unicef.org/appeals/files/Iraq_Humanitarian_Situation_Report_End_of_Year_2019.pdf, UNICEF - United Nations International Children's Emergency Fund (19.11.2018): Deep inequality continues to shape the lives of children in Iraq, https://www.unicef.org/press-releases/deep-inequality-continues-shape-lives-children-iraq,

- UN News – United Nations News (19.1.2018): One in four Iraqi children impacted by conflict, poverty; education key for lasting peace – UNICEF, https://news.un.org/en/story/2018/01/1000811,

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html,

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den Beschwerdeführerinnen, zu ihrer Herkunft, zu ihrem Verwandtschaftsverhältnis und zu ihrer Volksgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus den Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerinnen ergeben sich aus den eingeholten Strafregisterauszügen.

Die Feststellungen, dass die Familie der Mutter der Erstbeschwerdeführerin und der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin im Irak leben, ergeben sich aus den Angaben vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht (AS 107 und Seite 4 des Verhandlungsprotokolls).

Die Feststellung zur Religionszugehörigkeit der Erstbeschwerdeführerin ergibt sich aus ihren gleichlautenden Angaben in der Erstbefragung (AS 53 im Akt 2199845), vor dem BFA (AS 109 im Akt 2199845) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht

(11)

(Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). Hinsichtlich ihrer Töchter, den Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen, behauptete die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung zunächst, dass diese auch sunnitische Musliminnen seien, revidierte diese aber sogleich und erklärte, dass im Irak die Kinder jener Religion angehören würden, die der Vater der Kinder habe. Demnach sind die Töchter aber schiitische Musliminnen, da ihr Vater Schiit ist. Auf die Frage, seit wann die Töchter wieder sunnitische Musliminnen seien, meinte die Erstbeschwerdeführerin, dass es darüber nichts Schriftliches gebe, sondern ihre Töchter ihr bloß gesagt hätten, sie seien Sunnitinnen (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). Damit ist aber klar, dass die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerinnen weiterhin der schiitischen Glaubensrichtung des Islam angehören, zumal sie nicht offiziell zum sunnitischen Islam übergetreten sind. Es erfolgte daher eine dementsprechende Feststellung.

Hinsichtlich ihrer Schulbildung gab die Erstbeschwerdeführerin in der Erstbefragung an, acht Jahre die Grundschule in Bagdad besucht zu haben (AS 53 im Akt 2199845). In der Einvernahme vor dem BFA erklärte sie, von 1990 bis 1997, also sieben Jahre die Schule besucht zu haben. Weiters behauptete sie, dass sie danach geheiratet habe und die Schule abgebrochen habe (AS 107 im Akt 2199845). Letztere Behauptung, dass sie wegen der Heirat die Schule abgebrochen habe, lässt sich aber in zeitlicher Hinsicht nicht mit ihrem Vorbringen zur Heirat vereinbaren, da sie angab, erst XXXX geheiratet zu haben (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). In der mündlichen Verhandlung wurde versucht, die Lücke von vier Jahren aufzuklären. Die Erstbeschwerdeführerin behauptete nun nicht mehr, dass sie wegen der Heirat den Schulbesuch beendet habe, sondern sprach nur allgemein davon, dass Mädchen nach der Pflichtschule zu Hause bleiben oder heiraten müssten (Seite 5 Verhandlungsprotokolls). Zumal die Erstbeschwerdeführerin keinerlei Schulzeugnisse vorlegte, konnte im Ergebnis daher nur festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin zumindest sieben Jahre die Grundschule besucht hat. Weitere Feststellungen zu einem darüberhinausgehenden Schulbesuch waren nichtmöglich.

Die Erstbeschwerdeführerin gab auch an, in Bagdad berufstätig gewesen zu sein. Sowohl vor dem BFA als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte sie, als Sekretärin gearbeitet zu haben. Hinsichtlich der konkreten Dauer ihrer Berufstätigkeit machte sie jedoch widersprüchliche Angaben, so dass auch diesbezüglich nicht festgestellt werden konnte, wie lange die Erstbeschwerdeführerin tatsächlich berufstätig war. Vor dem BFA sprach sie noch davon, „ca. ein Jahr“ gearbeitet zu haben (AS 107 im Akt 2199845), während sie in der mündlichen Verhandlung angab, „ein- bzw. eineinhalb Jahre“ gearbeitet zu haben (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Es wurde daher nur festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin berufstätig war, nicht jedoch, wie lange sie gearbeitet hat.

(12)

Die widersprüchlichen Angaben der Erstbeschwerdeführerin sowohl zur Schulbildung als auch zur Berufstätigkeit lassen zwar keine Rückschlüsse auf eine Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens zu, geben allerdings einen ersten Einblick in das Aussageverhalten der Erstbeschwerdeführerin. Wenn die Erstbeschwerdeführerin schon zu derartigen Themenbereichen keine konkreten und vor allem gleichbleibenden Angaben machen kann oder machen will, weckt dies erhebliche Zweifel, ob sie zu ihren Ausreisegründen wahrheitsgemäße Angaben machen wird.

Die Feststellung zum Zeitpunkt der Ausreise aus dem Irak ergeben sich aus den entsprechenden Ausreisestempeln in den Reisepässen der Beschwerdeführerinnen (AS 129, 139 und 143 im Akt 2199845).

Anlässlich der Antragstellung der Beschwerdeführerinnen zu Erlangung internationalen Schutzes wurden bei der Erstbeschwerdeführerin Dokumente aus Griechenland und Nordmazedonien gefunden (AS 41 bis 51 im Akt 2199845). Diese Dokumente betreffen sämtliche Beschwerdeführerinnen und stammen vom 01.08.2015 bzw. 04.08.2015. Aus allen Dokumenten geht hervor, dass die Beschwerdeführerinnen zwar ihre richtigen Namen vor den griechischen und nordmazedonischen Behörden nannten, allerdings gaben sich die Beschwerdeführerinnen als syrische Staatsangehörige aus und gaben nicht ihre richtigen Geburtsdaten bekannt. Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin wurde nur das richtige Geburtsjahr angegeben. Zu den Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen wurden nicht einmal die tatsächlichen Geburtsjahre genannt. Der Erstbeschwerdeführerin wurde in der mündlichen Verhandlung auch vorgehalten, in Griechenland und Nordmazedonien falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht zu haben. Sie konnte aber keine plausible Erklärung abgeben, sondern behauptete bloß ohne nähere Ausführungen, sich nicht als Syrerin ausgegeben zu haben (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Dieser Behauptung widersprechen aber die eindeutigen Angaben in den Dokumenten. Diese Vorgehensweise der Erstbeschwerdeführerin, eine falsche Staatsangehörigkeit und falsche Geburtsdaten zu nennen und damit über die eigene Identität zu täuschen, führt schließlich zu einer persönlichen Unglaubwürdigkeit der Erstbeschwerdeführerin. Dass die Erstbeschwerdeführerin dann anlässlich der Schilderung zu ihrem Fluchtvorbringen von diesem Aussageverhalten abgehen und ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben machen wird, darf daher stark angezweifelt werden.

In der Erstbefragung gab die Erstbeschwerdeführerin als Fluchtgrund an, dass in Bagdad ein Milizenkrieg sowie eine unsichere Lage herrsche und für sie als alleinstehende Frau mit zwei Kindern das Leben dort fast unmöglich sei, weshalb sei den Irak verlassen habe (AS 61 im Akt

(13)

2199845). In der Einvernahme vor dem BFA änderte die Erstbeschwerdeführerin ihren Fluchtgrund ab und behauptete hier nun, dass sich ihr Ehemann von ihr habe scheiden lassen und der Stammesälteste daher geplant habe, sie mit einem Cousin ihres Vaters zu verheiraten, weshalb sie den Irak verlassen habe (AS 111 im Akt 2199845). Schon auf Grund dieser Auswechslung des Fluchtgrundes ist es nicht glaubhaft, dass es die vor dem BFA genannten fluchtauslösenden Ereignisse tatsächlich gegeben hat. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, allerdings ist eine generelle Aufnahme der antragsbegründenden Fluchtgründe auch im Rahmen der Befragung nach § 19 Abs. 1 AsylG möglich. Zweck der Bestimmung, bei Befragungen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht auf die näheren Fluchtgründe einzugehen, ist, dass gerade Flüchtlinge Schwierigkeiten haben könnten, sich hierzu gegenüber einem uniformierten Staatsorgan – vor dem sie möglicherweise erst vor kurzem aus ihrem Herkunftsstaat geflohen sind – zu verbreitern (vgl. Erläuterungen zur RV, 952 Blg NR XXII. GP). Dass dies hier der Fall ist, ist jedoch nicht erkennbar. Die Erstbeschwerdeführerin hat in der folgenden Einvernahme vor dem BFA nämlich keine Verfolgung seitens staatlicher Organe geltend gemacht, sondern vielmehr durch ihre Familienangehörigen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass die Erstbeschwerdeführerin in der Erstbefragung einen anderen Fluchtgrund darlegt als in der folgenden Einvernahme vor dem BFA. Die Erstbeschwerdeführerin konnte auch nicht plausibel erklären, weshalb sie die vor dem BFA genannten Gründe nicht schon bei der polizeilichen Befragung angegeben hat. Sie meinte dazu nur, dass dies die Schuld des Dolmetschers sei. Sie hätte ihren Grund nennen wollen, aber der Dolmetscher habe gemeint, sie solle jetzt nichts sagen, sondern erst beim nächsten Interview (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Dieser Erklärungsversuch überzeugt jedoch nicht. Wenn die Erstbeschwerdeführerin danach gefragt wird, warum sie ihr verlassen hat, dann muss davon ausgegangen werden, dass sie den tatsächlichen Ausreisegrund – wenn auch in wenigen Worten – nennt und sich nicht auf die unsichere Lage in Bagdad zurückzieht, die keinen konkreten Bezug zu ihrer Person aufweist. Außerdem wurde die Erstbeschwerdeführerin am Ende der Befragung bei der Polizei danach gefragt, was sie bei einer Rückkehr in ihre Heimat befürchte. Hier brachte sie vor, sie fürchte, dass ihre Familie und sie selbst von schiitischen Milizen umgebracht würden. Sie habe Angst um das Leben ihrer Kinder und ihr eigenes Leben (AS 63 im Akt 2199845). Die Erstbeschwerdeführerin hätte also – wenn schon nicht zur Frage nach ihrem Fluchtgrund – bei dieser Frage die Möglichkeit gehabt anzugeben, dass sie Angst vor ihren Familienangehörigen und einer Zwangsheirat habe, hat dies aber nicht getan. Wenn sich die Erstbeschwerdeführerin daher in der Erstbefragung auf die unsichere Lage in Bagdad und den Milizenkrieg als ihren Fluchtgrund zurückzieht, muss geradezu angenommen werden,

(14)

dass dies ihr tatsächlicher Ausreisegrund ist und die Angaben in der Einvernahme vor dem BFA, die zu einem Zeitpunkt erfolgten, wo die Erstbeschwerdeführerin bereits Kontakt zu anderen Asylwerbern hatte und daher über den Ablauf eines Asylverfahrens und über erfolgversprechende Angaben in einem Asylverfahren informiert ist, nicht den Tatsachen entspricht. Den in der Erstbefragung noch unbefangen gemachten Angaben kommt daher mehr Glaubwürdigkeit zu als jenen in der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Erstbeschwerdeführerin gab in der Einvernahme vor dem BFA an, dass im Jahr 2013 schiitische Milizen in das Haus ihrer Eltern gekommen seien und ihre Mutter und ihren Bruder zusammengeschlagen hätten. Der Vater sei zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen und die Erstbeschwerdeführerin habe mit ihrem Ehemann im Haus nebenan gewohnt. Nach diesem Ereignis seien ihre Eltern und ihr Bruder in die Türkei geflüchtet (AS 109 im Akt 2199845) und sie würden nun in den USA leben (AS 105 im Akt 2199845). Hinsichtlich dieses Vorfalls konnte die Erstbeschwerdeführerin jedoch keinen Zusammenhang zu ihrer Person herstellen. Es war ihr nicht einmal möglich anzugeben, welche Miliz für diesen Vorfall verantwortlich gewesen sei: „Ich weiß es nicht genau, es gibt unzählige Splittergruppen.“ (AS 113 im Akt 2199845). In ihrer Beschwerde brachte sie dieses Ereignis ebenso wenig als Fluchtgrund wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch hier erwähnte sie dieses Ereignis mit keinem Wort. Es ist daher nicht glaubhaft, dass dieser Vorfall – sofern dieser überhaupt stattgefunden hat – mit der Ausreise der Erstbeschwerdeführerin und ihrer Töchter in Zusammenhang steht.

Von Bedeutung in Zusammenhang mit diesem angeblichen Vorfall im Jahr 2013 sind die Angaben der Erstbeschwerdeführerin zu den Aufenthaltsorten ihrer Eltern und ihres Bruders.

Vor dem BFA gab sie nämlich an, dass ihre Eltern und der Bruder den Irak endgültig im Jahr 2013 verlassen hätten (AS 115 im Akt 2199845). Dies wiederholte sie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und über Nachfrage erklärte sie, dass ihre Eltern und der Bruder seit 2013 in den USA leben würden und seither nicht mehr im Irak gewesen seien, da sie nicht in den Irak fliegen dürften (Seite 4 des Verhandlungsprotokolls).

Etwas später in der Verhandlung behauptete sie dazu widersprüchlich – und zwar im Zusammenhang mit ihrer Scheidung und der drohenden Zwangsheirat –, dass ihre Eltern zum Zeitpunkt der geplanten Zwangsheirat im XXXX in der Türkei gewesen seien (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Auch in der Erstbefragung vom XXXX behauptete sie, ihre Eltern und ihr Bruder würden sich in der Türkei aufhalten (AS 57 im Akt 2199845). Auffällig ist, dass die Erstbeschwerdeführerin angibt, ihre Eltern seien seit 2013 in den USA, aber in Zusammenhang mit der Schilderung ihres Fluchtgrundes behauptet, sie seien XXXX noch in

(15)

der Türkei gewesen. Wegen dieser widersprüchlichen Angaben kann daher einerseits nicht festgestellt werden, wo die Eltern und der Bruder der Erstbeschwerdeführerin leben.

Andererseits wecken auch diese divergierenden Angaben Zweifel am Wahrheitsgehalt des Fluchtgrundes der Erstbeschwerdeführerin.

Darüber hinaus ist es der Erstbeschwerdeführerin auch nicht gelungen, die erstmals in der Einvernahme vor dem BFA zentral in den Raum gestellten Fluchtgründe glaubhaft zu machen, da sie diesbezüglich vor dem BFA andere Angaben machte als in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht, wie im Folgenden näher dargestellt wird:

Die Erstbeschwerdeführerin schilderte in der Einvernahme vor dem BFA – als sie aufgefordert wurde, ihre Fluchtgründe darzulegen – einen Vorfall vom 26.06.2015 auf Grund dessen die Familie umgezogen sei. Demnach habe sich an diesem Tag eine Tochter der Erstbeschwerdeführerin beim Spielen mit dem Nachbarskind die Hand gebrochen, weshalb die Nachbarin in die Wohnung der Erstbeschwerdeführerin und ihres Mannes in XXXX gekommen sei und dabei die Erstbeschwerdeführerin beim „Beten nach sunnitischer Tradition“ vorgefunden habe. Am nächsten Tag seien sie vom Vermieter gebeten worden, auszuziehen. Die Familie sei dann nach XXXX umgezogen (AS 109 und 111 im Akt 2199845).

Als die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht aufgefordert wurde, ihren Fluchtgrund zu schildern, erwähnte sie diesen Vorfall mit keinem Wort. Es ist daher schon aus diesem Grund nicht glaubhaft, dass sich dieser Vorfall überhaupt ereignet haben soll und die Familie deswegen umgezogen sein soll.

In der Einvernahme vor dem BFA schilderte die Erstbeschwerdeführerin dann auch einen Vorfall, der sich in der neuen Wohnung in XXXX ereignet haben soll. Dabei seien zwei Männer in die Wohnung gekommen, hätten die Familie bedroht und der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin habe dann vor den Männern die Scheidung von der Erstbeschwerdeführerin ausgesprochen, woraufhin die Männer zufrieden gewesen und gegangen seien (AS 111 im Akt 2199845). Die Erstbeschwerdeführerin konnte diesen Vorfall allerdings aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft machen:

Hinsichtlich des Zeitpunkts dieses Vorfalls in XXXX machte die Erstbeschwerdeführerin schon in der Einvernahme vor dem BFA Angaben, die nicht miteinander vereinbar sind und daher nicht dafür sprechen, dass sich der Vorfall tatsächlich ereignet hat. Anlässlich der Schilderung des Vorfalls behauptete sie, dass sie am 01.07.2015 nach XXXX gezogen seien und drei Wochen später seien zwei Männer in die Wohnung gekommen und hätten sie bedroht (AS 111

(16)

im Akt 2199845). Demnach hat die Erstbeschwerdeführerin mit ihrer Familie mindestens drei Wochen in XXXX gelebt. Als sie aber zu Beginn der Einvernahme nach ihren Wohnorten in Bagdad befragt wurde, behauptete die Erstbeschwerdeführerin, dass sie „nur eine Woche“ in XXXX gelebt habe (AS 103 und 105 im Akt 2199845). Diese unterschiedlichen Angaben zur Aufenthaltsdauer in XXXX sprechen nicht dafür, dass die Erstbeschwerdeführerin und ihre Familie tatsächlich dort gelebt haben und folglich auch dagegen, dass dieser Vorfall tatsächlich stattgefunden haben soll. Ein konkretes Datum, wann dieser Vorfall gewesen sei, nannte die Erstbeschwerdeführerin anlässlich der Schilderung des Fluchtgrundes nicht. Als die Erstbeschwerdeführerin aber nach ihrem Familienstand befragt wurde, gab sie an, dass sie seit dem XXXX traditionell geschieden sei (AS 105 im Akt 2199845) [laut Dolmetscher in der Einvernahme vor dem BFA könnte es sich dabei um einen akustischen Verständnisfehler gehandelt haben und es wäre das Jahr XXXX gewesen, nicht XXXX , AS 113 im Akt 2199845].

Demzufolge hätte sich dieser Vorfall am XXXX ereignet. Auch in der mündlichen Verhandlung nannte die Erstbeschwerdeführerin kein konkretes Datum, wann der Vorfall in der Wohnung gewesen sei. Es kann nicht nachvollzogen werden, dass die Erstbeschwerdeführerin, wenn sie ihren Fluchtgrund schildert, nicht angibt, wann sich jenes Ereignis zugetragen hat, das schließlich in Zusammenhang mit ihrer Ausreise aus dem Irak steht. Dass die Erstbeschwerdeführerin ein relativ unbedeutendes Ereignis, nämlich den Umzug in ein anderes Stadtviertel, konkret datieren kann – 01.07.2015 –, dagegen aber einen Vorfall, bei dem sie in der eigenen Wohnung von unbekannten Männern körperlich attackiert und bedroht worden sein soll, nicht konkret datieren kann, sondern nur vom Tag des Umzugs ausgehend eine ungefähre Zeitangabe machen kann – drei Wochen nach dem Umzug am 01.07.2015 –, lässt das Vorbringen zu diesem Vorfall nicht glaubhaft erscheinen.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde in der mündlichen Verhandlung auch aufgefordert, diesen Vorfall in der Wohnung näher zu beschreiben. Von einer lebensnahen Schilderung, die annehmen lässt, dass die Erstbeschwerdeführerin das tatsächlich erlebt hat, kann jedoch nicht gesprochen werden. Die Erstbeschwerdeführerin gab nur an, dass die Leute gekommen seien und gefragt hätten, weshalb sie [die Familie] da seien und warum sie hier wohnen. Ihr Mann habe sich dann gleich scheiden lassen. Die Leute hätten aggressiv geredet und die Erstbeschwerdeführerin habe Angst gehabt. Der entsprechende Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll lautet wie folgt (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls; um Rechtschreibfehler bereinigt):

„R: Können Sie mir beschreiben wie der Vorfall war, als die Mitglieder der Miliz zu Ihnen gekommen sind.

BF: Die sind zu uns gekommen und haben gefragt, wieso sind sie da, warum wohnen sie hier. Es gibt Namen an denen man erkennt, ob jemand Schiit oder Sunnit ist. Sie haben gesagt, dass wir Sunniten sind. Mein Mann hatte große Angst. Die Leute von der Organisation haben die ganze Straße und das Land in der Hand gehabt. Mein Mann hat sich gleich scheiden lassen, wegen den Umständen. Es ist nicht möglich, dass ein Sunnit mit einem

(17)

Schiiten heiratet. Nachdem die Leute bei uns waren, hat mein Mann die Wohnung verlassen. Ich habe meinen Vater angerufen und erzählt, dass sich mein Mann mich hat scheiden lassen. Ich darf als Frau nicht alleine leben.

R: Hat es sonst noch irgendwelche Vorfälle gegeben?

BF: Die waren keine normalen Menschen. Sie haben aggressiv geredet. Ich habe Angst gehabt, und mein Mann war ein anderer Mensch. Ich habe Angst gehabt. Ich wurde von den Leuten geschubst.“

Diese Schilderungen der Erstbeschwerdeführerin erwecken nicht den Eindruck, als habe dieser Vorfall tatsächlich stattgefunden. In ihren Schilderungen fehlt es an jeglichen Details, etwa zum Alter und zum Aussehen der Männer, ob sie bewaffnet waren, wo sich die Erstbeschwerdeführerin in der Wohnung aufgehalten hat, als die Männer in diese kamen, wo ihre beiden minderjährigen Töchter zu diesem Zeitpunkt waren. Es fehlt ebenso an der Schilderung von (unwichtigen) Nebenumständen. Die Erstbeschwerdeführerin machte vielmehr ausweichenden Angaben, indem sie Allgemeines zu Milizen angab. Anlässlich der Schilderung dieses Vorfalls in der mündlichen Verhandlung machte die Erstbeschwerdeführerin auch nicht den Eindruck, als würde sie von realen Begebenheiten sprechen. Es gelang ihr damit nicht, den behaupteten Vorfall glaubhaft zu machen.

In der mündlichen Verhandlung steigerte die Erstbeschwerdeführerin auch ihr Vorbringen und behauptete, dass diese Leute deswegen zu ihnen nach Hause gekommen seien, weil es eine Liste gebe, auf der stünde, dass ihr Mann Schiit sei und sie Sunnitin sei (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Derartiges behauptete sie weder vor dem BFA noch in der Beschwerde und ist ihr Vorbringen schon auf Grund dieser Steigerung unglaubwürdig. Zudem gibt es keine Berichte darüber, dass in Bagdad Listen über die Religionszugehörigkeit der Einwohner geführt würden. Die Erstbeschwerdeführerin wurde auch gefragt, woher sie wusste, dass die Männer zu der Miliz Asaib Ahl al-Haqq gehören würden. Zunächst wich sie auf diese Frage aus und behauptete neuerlich, dass man – wie in Österreich – bei der Gemeinde alle Auskünfte erhalten würde und dort gebe es eine Liste über die Religionszugehörigkeit. Nachdem ihr die Frage neuerlich gestellt wurde, meinte sie, die Leute hätten ein „extra Gewand“ und „Zeichen von dieser Gruppe“ [getragen] (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Vor dem BFA behauptete sie aber noch nicht, dass die Leute eine spezielle Kleidung hätten. Dort meinte sie nur, dass sie ein Abzeichen am Oberarm gehabt hätten (AS 113 im Akt 2199845). Auch diese vagen und zum Teil unterschiedlichen Angaben sprechen nicht dafür, dass tatsächlich Männer einer Miliz bei der Erstbeschwerdeführerin und ihrer Familie aufgetaucht sind und sie bedroht hätten.

Die Erstbeschwerdeführerin hat in ihrer Einvernahme vor dem BFA verschiedene Bezirke Bagdads, nämlich XXXX , XXXX und XXXX , als ihre Wohnorte in den Jahren bis XXXX und von 2011 bis XXXX genannt (AS 105 und 109 im Akt 2199845). Alle diese Bezirke weisen schiitische

(18)

Mehrheiten auf oder sind gemischte sunnitisch-schiitische Viertel. Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin ab XXXX mit ihrem Ehemann verheiratet war sowie ihrer eigenen Behauptung, dass es Listen mit der Religionszugehörigkeit von Einwohnern gebe, kann nicht plausibel nachvollzogen werden, dass es wegen der unterschiedlichen Glaubenszugehörigkeit der Erstbeschwerdeführerin und ihres Mannes erst XXXX zu Problemen gekommen sein soll.

Die Erstbeschwerdeführerin behauptete in der mündlichen Verhandlung auch, dass die Leute von der Miliz deswegen zu ihnen gekommen seien, weil Sunniten und Schiiten nicht heiraten dürften. Ihr Mann hätte die Erstbeschwerdeführerin nicht heiraten dürfen, weil er Schiit sei und die Erstbeschwerdeführerin Sunnitin sei (Seiten 7 und 8 des Verhandlungsprotokolls).

Diese Behauptung entbehrt jeglicher Grundlage. Wie sich nämlich den Feststellungen entnehmen lässt, gibt es keine Gesetze, die die Ehe zwischen sunnitischen und schiitischen Partnern verhindern. Diese gemischten Ehen nehmen sogar zu, da die interreligiösen Spannungen in den letzten zehn Jahren abgenommen haben (DFAT Country Information Report Iraq, 3.44). Mit ihrer Behauptung, Schiiten dürften Sunniten nicht heiraten, ist dann ihre weiters aufgestellte Behauptung, sie und ihr Mann hätten insgesamt drei Mal ( XXXX , XXXX und XXXX ) geheiratet, nicht vereinbar (Seiten 5 und 6 des Verhandlungsprotokolls). Wie es möglich sein soll, dass sie drei Mal einen Schiiten heiraten kann, wenn dies nicht erlaub sein soll, lässt sich beim besten Willen nicht nachvollziehen.

In Bezug auf die Ehe der Erstbeschwerdeführerin traten im Laufe des Verfahrens erhebliche Unstimmigkeiten auf. In der Einvernahme vor dem BFA gab die Erstbeschwerdeführerin zunächst an, am XXXX traditionell geschieden worden zu sein (AS 105 im Akt 2199845). Etwas später erklärte sie, dass die Scheidung erst XXXX gewesen sei und der beigezogene Dolmetscher merkte an, dass er von einem „akustischen Verständnisfehler“ ausgehe (AS 113 im Akt 2199845). Jedenfalls aber spricht die Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA bloß von einer einzigen Heirat und einer einzigen Scheidung (traditionell am XXXX ), die dann im XXXX offiziell erfolgt sei (AS 105 und 107 im Akt 2199845) und legte auch eine Scheidungsurkunde vor (AS 117ff im Akt 2199838). Die Angaben, die die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung tätigte, weichen von jenen vor dem BFA gänzlich ab. In der mündlichen Verhandlung behauptete die Erstbeschwerdeführerin, dass sie XXXX geheiratet habe. Dies kann jedoch mit den inhaltlichen Ausführungen in der Scheidungsurkunde, wo ein Ehevertrag vom XXXX erwähnt wird, nicht vereinbart werden. Dies wurde ihr auch in der mündlichen Verhandlung vorgehalten, worauf die Erstbeschwerdeführerin nun behauptete, dass es „kompliziert“ sei und sie ihren Mann drei Mal geheiratet hätte und sie sich drei Mal hätten scheiden lassen. Einmal behauptete sie, die Scheidungen seien nicht offiziell gewesen,

(19)

sondern sie und ihr Mann wären nur getrennt gewesen. Dann behauptete sie aber, dass die Scheidungen doch offiziell gewesen wären. Der entsprechende Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll stellt sich wie folgt dar (Seiten 5 und 6 des Verhandlungsprotokolls):

R: Wann haben Sie geheiratet?

BF: XXXX .

R: Laut der von Ihnen vorgelegten Scheidungsurkunde stammt Ihr Ehevertrag vom XXXX . Warum stammt der Ehevertrag von XXXX , wenn Sie bereits XXXX geheiratet haben?

BF: In diesem Zeitraum waren wir getrennt. Ich habe mich drei Mal getrennt und es war keine offizielle Scheidung.

R: Sie haben XXXX geheiratet, aber im Akt steht, dass ihr Ehevertrag von XXXX ist.

BF: Es ist kompliziert. Ich habe XXXX geheiratet. XXXX war die offizielle Scheidung. XXXX habe ich noch einmal geheiratet, mit demselben Mann. XXXX haben wir die Scheidung gehabt. Nach drei Monaten sind wir wieder zusammengekommen. XXXX war wieder die Scheidung und XXXX haben wir wieder geheiratet.“

Wenn die Erstbeschwerdeführerin tatsächlich drei Mal denselben Mann geheiratet haben soll, ist nicht erklärlich, weshalb sie dies nicht schon vor dem BFA so angab, zumal dort schon Unstimmigkeiten zum Zeitpunkt der Scheidung ( XXXX oder XXXX ) auftraten. Sie hätte also schon dort die Möglichkeit gehabt, darüber aufzuklären, wie oft und wann sie tatsächlich geheiratet hat und wieder geschieden wurde. Da sie dies aber nicht getan hat und anlässlich der Einvernahme vor dem BFA der Eindruck entstand, die Erstbeschwerdeführerin habe nur einmal geheiratet und sei einmal geschieden worden, ist die erstmals vor dem Bundesverwaltungsgericht aufgestellte Behauptung, sie habe drei Mal geheiratet und sie sei drei Mal geschieden worden, einerseits völlig unglaubwürdig und ein nicht überzeugender Versuch, der ihre mit der vorgelegten Scheidungsurkunde unvereinbaren Angaben erklären soll.

Die Ausführungen in der von der Erstbeschwerdeführerin vorgelegten Scheidungsurkunde sind schließlich nicht mit ihren Angaben vereinbar. Vor dem BFA behauptete sie nämlich, dass sie von ihrem Mann am XXXX traditionell geschieden worden sei (AS 105 im Akt 2199845) und im XXXX sei die offizielle Scheidung erfolgt (AS 107 im Akt 2199845). Die traditionelle Scheidung habe ihr Mann vor den zwei Männer der Miliz ausgesprochen, als diese in der Wohnung der Familie aufgetaucht seien (AS 111 im Akt 2199845). Aus der Scheidungsurkunde geht zwar, wie die Erstbeschwerdeführerin behauptet, der XXXX als Monat der offiziellen Scheidung hervor, allerdings finden sich zwei unterschiedliche Daten, wann die „traditionelle“

Scheidung gewesen sein soll, die überdies nicht mit dem von der Erstbeschwerdeführerin behaupteten Tag übereinstimmen. An einer Stelle ist vom XXXX die Rede („er hat sich am XXXX außerhalb des Gerichts scheiden lassen“) und an einer anderen Stelle vom XXXX („…

hat der Kläger die Scheidung öffentlich am XXXX vor dem Religionsmann gerufen“) (AS 117 im Akt 2199838). Zu beiden Zeitpunkten war die Erstbeschwerdeführerin allerdings nicht mehr im Irak aufhältig, sondern bereits in Österreich. Auf Grund der Angaben in der

(20)

Scheidungsurkunde ist es daher unmöglich, dass die Scheidung vom Ehemann – wie von der Erstbeschwerdeführerin behauptet – anlässlich eines Vorfalls mit zwei Milizangehörigen in der Wohnung der Erstbeschwerdeführerin und ihrer Familie ausgesprochen wurde. Außerdem geht aus der Scheidungsurkunden auch hervor, dass die „traditionelle“ Scheidung vor einem Scheich und zwei Zeugen ausgesprochen worden. Die Erstbeschwerdeführerin sprach aber nur davon, dass die Scheidung vor den zwei Milizangehörigen ausgesprochen worden sei, nicht jedoch auch vor einem Scheich. Auch diese Angaben der Erstbeschwerdeführerin sind mit dem Inhalt der Scheidungsurkunde nicht vereinbar. Schließlich wird in der Scheidungsurkunde angeführt, dass die zwei Zeugen, vor denen die Scheidung ausgesprochen worden sei, Sunniten gewesen seien. Dies ist nun mit der Behauptung, der Erstbeschwerdeführerin, ihr Mann habe die Scheidung vor zwei Milizangehörigen ausgesprochen, insofern nicht vereinbar, als es sich bei der Miliz, denen die Männer angehört hätten, um die schiitische Miliz Asaib Ahl al-Haqq (AS 113) gehandelt habe. Geht man von der inhaltlichen Richtigkeit der Scheidungsurkunde aus, kann der Vorfall mit den Milizangehörigen in dessen Zuge vom Ehemann die Scheidung verkündet worden sei, wegen der angeführten Unstimmigkeiten zwischen den Angaben der Erstbeschwerdeführerin und den inhaltlichen Ausführungen in der Scheidungsurkunde, nicht stattgefunden haben. Dies hat dann aber auch zur Folge, dass die wegen dieser Scheidung folgenden Ereignisse im Zusammenhang mit einer Zwangsheirat nicht stattgefunden haben können, da die Scheidung vom Ehemann der Grund für die beabsichtigte Zwangsheirat gewesen sein soll. Geht man davon aus, dass der Vorfall mit den Milizangehörigen stattgefunden hat, ist es dennoch nicht möglich, dass im Zuge dieses Vorfalls der Ehemann die Scheidung von der Erstbeschwerdeführerin ausgesprochen hat, da ansonsten in der Scheidungsurkunde ein anderes Datum bezüglich der traditionellen Scheidung (vor den Milizangehörigen) stehen müsste, nämlich ein Datum im XXXX und es müsste eine andere Glaubenszugehörigkeit der Zeugen angeführt werden, nämlich eine schiitische. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Erstbeschwerdeführerin in der Erstbefragung anlässlich der Datenaufnahme angab, traditionell und standesamtlich verheiratet zu sein (AS 53). Erst als sie nach ihren Familienangehörigen im Irak gefragt wurde, sprach sie von einem Ex-Ehemann (AS 57). Damit zeigt sich, dass die Erstbeschwerdeführerin schon vor der Polizei keine gleichbleibenden Angaben zur ihrem Familienstand machen konnte oder wollte. Dies alles hat in jedem Fall zur Folge, dass eine Zwangsheirat durch den Stamm der Familie der Erstbeschwerdeführerin nicht geplant worden sein konnte und die behaupteten Ereignisse in Zusammenhang mit der Zwangsheirat nicht stattgefunden haben können, da die Erstbeschwerdeführerin schon zum Zeitpunkt der „traditionellen“ Scheidung (laut Scheidungsurkunde) nicht mehr im Irak war. Wegen der unterschiedlichen Daten in der Scheidungsurkunde hinsichtlich der „traditionellen“ Scheidung sind zudem Zweifel an der

(21)

Richtigkeit der Scheidungsurkunde aufgekommen. Dies sowie die konstruiert wirkenden Angaben der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung zur dreimaligen Heirat mit ihrem Ehegatten (samt dreimaliger Scheidung) sowie die Behauptung der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA, dass sie die vor dem BFA vorgelegten Beweismittel (u.a.

Personalausweise, Staatsbürgerschaftsnachweise, Scheidungspapiere) von ihrem Ex- Ehemann aus Bagdad geschickt bekommen habe, lassen es nicht glaubhaft erscheinen, dass die Erstbeschwerdeführerin tatsächlich von ihrem Ehemann geschieden sein soll. Auf Grund der geschilderten Umstände bestehen trotz Vorlage der Scheidungsurkunde – deren Echtheit nicht beurteilt wird, jedoch deren Richtigkeit, wie oben dargelegt, angezweifelt wird – erhebliche Zweifel in Bezug auf eine tatsächliche Scheidung. Es konnte daher letztendlich nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin von ihrem Ehemann geschieden ist.

Die von der Erstbeschwerdeführerin behauptete drohende Zwangsheirat ist nicht nur wegen der dargelegten zeitlichen Unstimmigkeiten nicht glaubhaft, sondern auch aus folgenden Überlegungen:

Die Erstbeschwerdeführerin behauptete, ihren Ehemann insgesamt drei Mal geheiratet zu haben und drei Mal von ihm geschieden worden zu sein. Die erste Scheidung sei XXXX erfolgt und nach drei Monaten sei sie wieder mit dem Ehemann zusammengekommen. Die zweite Scheidung sei XXXX gewesen und XXXX hätten sie wieder geheiratet. Weshalb nach diesen ersten beiden Scheidungen (noch) keine Zwangsheirat vom Stamm gefordert wurde und die Erstbeschwerdeführerin mehrere Monate lang sogar ohne Ehemann leben konnte, während bei der letzten Scheidung noch im Monat der Scheidung eine Zwangsheirat geplant gewesen sein soll, kann nicht plausibel nachvollzogen werden. Im Zeitpunkt der zweiten Scheidung hätte die Erstbeschwerdeführerin bereits zwei Kinder gehabt und es ist vor dem Hintergrund ihrer Behauptung in der mündlichen Verhandlung, eine junge Frau die sich scheiden lasse, dürfe nicht alleine leben, sondern müsse heiraten (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls) unerklärlich, warum zu diesem Zeitpunkt keine innerfamiliäre Verehelichung angedroht wurde.

Die Erstbeschwerdeführerin meinte auf die Frage, weshalb es nach der letzten Scheidung derart schnell mit einer Zwangsheirat gegangen sei – während nach den ersten beiden Scheidungen keine Zwangsheirat geplant war –, dass zum Zeitpunkt der letzten Scheidung ihr Vater nicht im Irak gewesen sei und machte dann nur ausweichenden Angaben, die mit der Frage nichts zu tun haben (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Mit der Behauptung, dass zum Zeitpunkt der Scheidung ihr Vater nicht im Irak gewesen sei, stimmen aber die Angaben der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA nicht überein. Dort erklärte sie nämlich, dass sie ihre

(22)

Eltern angerufen habe, nachdem ihr Ehemann die Scheidung ausgesprochen habe. Sie sei dann vom Cousin des Vaters abgeholt worden und dieser habe sie und ihre Kinder in sein Haus gebracht. Daraufhin sei dann auch ihr Vater hinzugekommen und die beiden Männer hätten beraten, wie das Problem der Erstbeschwerdeführerin zu lösen sei (AS 111 im Akt 2199845).

Damit wäre der Vater sehr wohl im Irak gewesen, weshalb die Erklärung, sie hätte heiraten müssen, weil der Vater nicht im Irak gewesen sei, keinen Sinn ergibt. Es erscheint dem Bundesverwaltungsgericht auch nicht nachvollziehbar, warum der Vater die Flucht organisiert haben soll (AS 61 im Akt 2199845), wenn er zuvor die Verheiratung seiner Tochter (mit-)beschlossen haben soll.

Vor dem BFA behauptete die Erstbeschwerdeführerin auch, dass ihr Vater und der Cousin des Vaters geplant hatten, sie mit den Cousin des Vaters zu verheiraten und der Stammesälteste, das sei der Onkel des Vaters, das letztes Wort habe und sie mit seinem Sohn verheiraten habe wollen (AS 111 im Akt 2199845). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht stellte die Erstbeschwerdeführerin die Lage anders dar und meinte, dass nur die Verwandten des Vaters gewollt hätten, dass sie den Cousin ihres Vaters heirate. Sie hätten ihren Vater dazu überredet, dass sie den Cousin des Vaters heiraten solle.

Ihr Vater sei aber „intelligenter“ als die Verwandtschaft und habe ihr zur Flucht geraten (Seiten 6 und 7 des Verhandlungsprotokolls). Dass die Erstbeschwerdeführerin nicht gleichbleibend angeben kann, wer konkret nun die Zwangsheirat geplant hat, insbesondere ob auch ihr Vater die Zwangsheirat gewollt hat, lässt das gesamte Vorbringen zur Zwangsheirat nicht glaubhaft erscheinen.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht behauptete, sie hätte mit dem Cousin des Vaters verheiratet werden sollen (AS 111 im Akt 2199845 und Seite 6 des Verhandlungsprotokolls).

Demgegenüber äußerte sich die Erstbeschwerdeführerin in der Beschwerde widersprüchlich.

An einer Stelle führte sie aus, sie hätte mit ihrem Cousin verheiratet werden sollen. An einer anderen Stelle sprach sie vom Sohn des Onkels ihres Vaters, also dem Cousin des Vaters (AS 301 im Akt 2199845). Auch diese uneinheitlichen Angaben lassen ihr Vorbringen nicht glaubhaft erscheinen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde die Erstbeschwerdeführerin befragt, wann konkret sie aufgefordert wurde, den Cousin des Vaters zu heiraten, jedoch konnte sie keinen konkreten Tag nennen. Die Erstbeschwerdeführerin musste vom Tag der Ausreise zurückrechnen: „Ich habe am XXXX meine Heimat verlassen.

Zwei oder drei Tage vorher am XXXX oder XXXX [war der Vorfall]“ (Seite 7 des

(23)

Verhandlungsprotokolls). Wenn der Vorfall „zwei oder drei Tage“ vor der Ausreise gewesen sei, müsste dies einerseits der XXXX oder XXXX gewesen sein und nicht, wie von der Erstbeschwerdeführerin angegeben, der XXXX oder XXXX . Andererseits zeigt dieses Aussageverhalten der Erstbeschwerdeführerin, vom Tag der Ausreise zurückrechnen zu müssen, dass an diesem Tag [der Ausreise] ein für sie bedeutendes Ereignis – das Verlassen des Heimatlandes – stattgefunden hat. Wäre sie tatsächlich aufgefordert worden, einen Cousin des Vaters zu heiraten, was sie nicht wollte, so hätte sie sich wohl dieses Datum ohne Weiteres gemerkt, zumal es sich bei einer erzwungenen Heirat mit einer Person um ein doch einschneidendes Erlebnis handelt. Da die Erstbeschwerdeführerin dies aber nicht konnte, legt dies die Vermutung nahe, dass es die Aufforderung zur Eheschließung mit einem Cousin des Vaters gar nicht gab.

Gegen eine Glaubwürdigkeit einer drohenden Zwangsheirat spricht auch, dass die Erstbeschwerdeführerin unbehelligt ein paar Tage später mit ihren beiden Kindern das Haus des Cousins ihres Vaters verlassen konnte und legal mittels Flugzeug den Irak verlassen konnte. Die Erstbeschwerdeführerin sprach in diesem Zusammenhang weder vor dem BFA noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht davon, dass sie das Haus hätte heimlich verlassen müssen oder heimlich mit ihren Kindern zum Flughafen gelangt sei. Zudem kommen auch mit Blick auf die Reisekosten Zweifel an der Darstellung der Erstbeschwerdeführerin auf. Die Kosten wurden von der Erstbeschwerdeführerin mit ca. € 6.000,− beziffert; bei der ersten Anhaltung in Österreich hatte sie zudem noch Barmittel in Höhe von € 1.601,20 bei sich (AS 55 und 61 im Akt 2199845). Dass die Erstbeschwerdeführerin innerhalb kurzer Zeit eine derart hohe Summe aufbringen konnte, spricht gegen eine überstürzte Ausreise bzw. Flucht aus dem Irak.

Schließlich ist noch festzuhalten, dass die Erstbeschwerdeführerin ihre Fluchtgründe in der Befragung vor dem BFA noch um einen weiteren Punkt erweitert hatte, den sie allerdings in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr wiederholte. Sie gab an, sie sei in Österreich bei einer Feier ohne Kopftuch neben dem Politiker XXXX abfotografiert worden. Das Foto habe auch der Onkel im Irak gesehen, sie habe die Familie entehrt und deshalb trachte man ihr nach dem Leben (AS 111 und 113 im Akt 2199845-1). Auch in diesem Zusammenhang wurde keine direkte Bedrohung durch die Familie vorgebracht; die Familie wisse gar nicht, wo die Erstbeschwerdeführerin aufhältig sei und sie hätten keine Kontaktdaten von ihr. Sie habe von der „Bedrohung“ nur telefonisch von ihren Eltern in den USA erfahren (AS 113 im Akt 2199845-1). Diese völlig unkonkret gebliebene Bedrohungssituation ist nicht nur aus diesem Grund nicht glaubhaft, sondern auch weil die Erstbeschwerdeführerin in ihrer Beschwerde dieses Vorbringen nicht mehr wiederholte und

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 30.10.2017, Zahl: xxx, wurde die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der maßgeblichen

Nachdem der ursprünglich im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 11.06.2014 festgelegte maximal mögliche Schallleistungspegel von L WA = 84 dB(A) auf den ga-

Der darin vertretenen Rechtsmeinung, dass nicht der gesetzliche Vertreter, sondern der minderjährige Beschwerdeführer - durch eine alle Verfahrenshandlungen

§ 6 Abs 3 Z 2 VOEG merken die Materialien erneut an, dass vor dem Hintergrund, dass das VOEG für die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen aus

Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2017, FZ. XXXX , nach

a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. b) Die betroffene Person widerruft ihre

In der CaritasBox werden leer e Tonerkartuschen und Tinten- patronen gesammelt und später wiederaufbereitet – ein Beitrag für die Umwelt und für soziale Projekte der Caritas.

wiederholung erlaubt -2 Pkt. Abzug bleiben), andauerndes Locken des Hundes durch den HF (z.B. Leckerchen) (5 Pkt.), einmaliges Weglaufen des Hundes mit raschem Zurückkommen