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Ein Versuch zur Beilegung eines literarischen Streites').
Vou 0. Böhtlingk.
Es ist in Indien zwischen den Professoren R. G. Bhandarkar und
Peterson ein heftiger Streit entbrannt über die Auffassung einer
Stelle im Mahäbhäshya, die schon Goldstücker zur Bestimmung des
Zeitalters von PataiigaU zu verwerthen gesucht hat. Goldstücker's
Uebersetzung der Stelle verwerfen beide Gelehrte, und hierin stimme
ich ihnen vollständig beiIch glaube aber, dass auch ihre Auf¬
fassung nicht den Nagel auf den Kopf trifft, und wenn ich es
versuche eine andere an die Stelle zu setzen, so hoflfe ich dadurch
ihre Aufmerksamkeit für den Augenblick auf mich abzulenken und
ihre gegenseitige Gereiztheit vieUeicht einigermaassen zu dämpfen.
Ehe ich die Stelle, um die es sich handelt, und meine Uebersetzung
derselben vorführe, muss ich zum bessem Verständniss die Regeln
Pänini's hersetzen, an die sich Patangali's Worte knüpfen. Hier
hei.sst es 5, 3, 96 fgg. : ft TfTOffl" (sc. ^) „das Suffix ^ (mit
dem Acut auf der ersten Silbe des Wortes) tritt in der Bedeutung
von '*n, wenn die Nachbildung eines Dinges bezeichnet werden
soU". Beispiel aus der Kä9ikä TT«I> „ein bildlich dargestelltes
Pferd'. 97. T^TTt T „desgleichen bei der Bildung eines Nomen
proprium". Beispiel aus der Kärikä TTTi Nom. pr. eines Mannes
1) Mir liegen Uber diesen Streit folgende Scln-ifton vor: 1) ein Separat¬
abdruck , betitelt „Tho Dato ol' Patanjali. A Keply to Professor Petersen ; by
Kamkrishna Gopal Bhandarkar, M. A. etc. — 2) The Aucliityalnmkara of
K.shomondra, with a note on the Date of Patanjali , and an Inscription from Kotah ; Two Papers read before the Bombay Branch of the Koyal Asiatic Society; with a preface in reply to Professor Bhandarkar. By Peter Peterson.
Bombay, 1885. -— 3) Date of Patanjali, No. II. being a second reply to Pro¬
fessor P. Peterson. By R. G. Bhandarkar. Bombay, 1885.
2) Auf einige Missgrifto Goldstiickor's hat znerst A Weber in seinen Ind. St. 5, 148 aufmerksam gemacht. Hier bespricht er ausführlich unsere Stello «nd kommt auch 13, 330 fg. auf sie wieder zurück. Mit meiner Auf¬
fassung ist Weber, wie er mir schreibt, nicht einverstanden.
Böhtlingk, ein Verauch zur Beilegung eines literar. Streites. 529
,der an ein Pferd erinnert". 98. „wenn ein Mensch bezeichnet
werden soll, findet Schwund des Suffixes statt". Beispiel Pataiigali's T^ST „Eohrwerk", so a. a. „Strohmann". 99. t^(t«*lW TTT^ „des¬
gleichen (findet Schwimd des Suffixes statt), wenn die Nachbildung
einen Erwerb bildet, vorausgesetzt, dass damit keiu Handel ge¬
trieben wird". Pänini versteht darunter ohne Zweifel von Künstlern
verfertigte Götterbilder, die in Tempeln u. s. w. zur Verehrung auf¬
gesteUt werden, während Idole, die in den Handel kommen, durch
Anhängung von Ti an den Gottesnamen bezeichnet werden. Bei
Gelegenheit dieses letzten Sütra lässt sich PataiigaU folgendermaassen
vemehmen: TTO TWTjt I Tlt^ A ftvrft fifT: ft-
jum ffH I fti «RTw: I «ft^twiftttTtr: Hi*f^fii: i
Tt-HiT T ^rr<i: I TT^^: ^rtt THiwifd ii ftr:
fehlt in einigen Handschriften, und darauf legt Peterson bei seiner
Auffassimg ein grosses Gewicht. Kielhom verbindet 4jnfrlM[JiHTtT:
zu einem Worte, was ich mit Bhandarkar und Peterson nicht für
richtig halte. Peterson's Uebersetzung lautet „In that case [if
is to be part of the mie] the following expression is not
obtained [i. e. must be declared to be bad grammar, while as a
matter of fact it is in common use, and so it is the correctness
of the sütra that is in peril.] *g<«^ rq»(i«g: ,A Skanda in act
to shoot". „Why ?" „It is for gain that the Mauryas make images" ').
TTT T ^nr. »Iet it be admitted that so far to them the rule
TT. should not apply, but that the affix ka should be used.
TT^TT'. trft Mflii'äi: But whatever images among these even,
are from the beginning intended for worship and not for sale,
TTT Tft^rft to them that rule wiU apply, and the affix ka wiU
be barred".
Bhandarkar hat, um seine Auffassung der Stelle dem Leser
recht klar zu machen , die Worte Pataiigali's in die Porm eines
Dialogs zwischen dem Doctor (fti'S ifniT.) und seinem Opponenten
(■jn^rftr.) gekleidet. Dieser Dialog lautet :
Op. Pänini inserts the condition that the image should not
be vendible. Then , the forms Sivah , Skandah , Visäkhah .are not
correct according to his rule. [These forms express images of
those gods, and .should have the suffix /r«].
1) Spi'itor vfibpsscrt In ..iinfigp? are made by the JIauryas fi>r gain", 3 i
530 Böhtlingk, ein Versuch zur Beilegung eines literar. Streites.
Boc. Why ?
Op. Because the Mauryas, desirous of raising money, used
as means the images of gods [i. e. they bartered them ; and these
are such images, and consequently belong to the class of vendible
objects].
Doc. Those images may not come under the rule [because
they bartered them, and consequently they may not drop ka].
But these [viz. , those in question] , which at the present day are
used for worship, come under the operation of the rule [and conse¬
quently the ka is dropped].
Ich übersetze, um verständlich zu sein, genau, aber nicht
wörtlich : „Da gesagt wird , so erweisen sich Qiva , Skanda
und ViQäkha (als Namen für Götterbilder) als nicht richtig. Woher
nicht? Weil die Maurja aus Begehr nach Gold Idole einführten.
Mag sein, dass die Regel auf jene Götterbilder nicht passt, wenn
aber diese heut zu Tage als Gegenstände ,der Verehrung dienen,
dann wird die Regel auf sie Anwendung haben".
Wenn ich mich nicht sehr irre, haben wir es hier einfach mit
einer uns auch sonst an Patangali bekannten Spitzfindigkeit zu thun.
Er will gern zugeben , dass jene Idole zu der Zeit , als sie zuerst
auftauchten, ihren kurzen Namen mit Unrecht führten, dass sie
aber jetzt, wo sie einem edlen Zwecke dienen, mit vollem Recht
Qiva, Skanda und Vi9äkha heissen.
Wenn Bhandarkar unter den Maurja die Dynastie versteht,
so muss ich ihm unbedingt beistimmen'). Vielleicht gehngt es mir
dieseu scharfsinnigen Gelehrten fiir meine Auffassung zu gewinnen,
wenn ich ihn auf das bei seiner Auffassimg überflüssige TPTi:
aufmerksam mache. tTTft ^Wt4t: hätte ja vollkommen
genügt die Triviahtät auszudrücken, die Bhandarkar dem Patangaü
in den Mund legt. Pflichtet der genannte Gelehrte mir bei, so
gewinnt er mit unserer Stelle eine noch stärkere Stütze für seine
auf die andern allgemein bekannten Beispiele im Mahäbhäshja ge¬
gründete Meinung über das Zeitalter des grossen Grammatikers.
Die ganze Expectoration Patangali's, die uns beim ersten Anblick
sonderbar vorkommen muss, wird nämlich nur dann ganz verständ¬
lich, wenn man annimmt, dass die Maurja nicht lange vorher vei"-
jagt worden waren, und dass Patangali der verhassten Dynastie
noch Etwas anzuhängen sucht. Die von ihnen eingeführten Idole
waren noch aUgemein bekaimt, so dass Patangali's boshafter Witz
^ ^ /
1) Da Patangali , wenn es gilt, keinen Königsnamen zu nennen, Kandra- gupta und Pusiipamitra anfülirt, so wird er doch die Maurja gekannt haben.
Hat er aber diese gekannt , so ist es doch nicht sehr wahrscheinlich , dass er hier Mnurja in einer anderen, uns ganz unbekannten Bedeutung gebraucht haben sollte.
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BöhtUngk, ein Versuch zur Beilegung eines literar. Streites. 531
verstanden werden konnte. Auch die drei genannten Idole ver¬
dienen Beachtung : Skanda ist ein Sohn Qiva's , und Vi9äkha wie¬
derum eine Manifestation Skanda's, die auch als dessen Sohn auf¬
gefasst wird. Dass Skanda und Vigäkha zu Pataiigali's Zeiten als
zwei innig mit einander verbundene Gottheiten aUgemein bekaimt
waren, sagt dieser Grammatiker in seinem Commentar zu Pänini
8, 1, 15 ganz ausdrücklich. Auf diese SteUe hat schon Bhandarkar
aufmerksam gemacht ; Preund Weber erinnert mich daran , dass
Skanda, Kumära und Vi9äkha auf den Münzen der Turushka-Pürsten
erscheinen (vgl. Ind. St. 17, 180). Dieses berechtigt uns vieUeicht
das Beispiel ^SA- in der von uns hier besprochenen SteUe für ein
späteres Einschiebsel zu halten und anzunehmen, dass die Maurya
den Cult des Kriegsgottes und seines Sohnes allgemein eingeführt
hätten. Auf welche Weise die Maurya durch die Idole zu Gelde
kamen, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Hätten sie vrirk-
Uchen Handel damit getrieben, so würde Patangali wohl einen
andem Ausdrack als ««lif^fl gebraucht haben. Vielleicht Uessen
sie an verschiedenen Orten diese Idole aufstellen und zogen aus
dem Besuche derselben einen Vortheil.
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Zur indischen Lexicographie.
Von 0. BShtiingk.
Dieser Tage beschenkte uns William Dwight Whitney, das
ehrwürdige Haupt der amerikanischen Sanskritologen mit einem
Anhange zu seiner Sanskrit-Grammatik , enthaltend die Wurzeln,
Verbalformen und primären Stämme der Sanskrit-Sprache. Dieses
gleichzeitig in enghscher und deutscher Sprache erschienene Werk
wird gewiss von allen Sanskritisten und Sprachvergleichem mit
dem grössten Danke aufgenommen werden, da es mit der uns am
Autor bekannten Akribie in übersichtUcher Weise die oben ge¬
nannten Formen der Sprache in möglichster Vollständigkeit auf¬
führt und zwar mit Angabe ihres relativen Alters, so weit sich
dieses nach der uns im Augenblick zugänglichen Literatur be¬
stimmen lässt. Die nachfolgenden Bemerkungen wird mein verehrter
Freund, wie ich hoffe, freundlich aufnehmen und bei einer zweiten
Auflage vielleicht hier und da berücksichtigen.
Die Wurzeln sind in der Form angesetzt, wie sie in des
Autors Sanskrit-Grammatik angenommen wurde. Darüber ob es
richtiger sei oder TS u. s. w. als Wurzel für „machen" u. s. w.
aufzusteUen, wird man lange streiten können ohne zum Ziele zu
gelangen. Practische Rücksichten scheinen mir für zu sprechen,
da Formen wie auTifn , T^TT und T^iT. sich leichter auf dieses
als auf W zurückführen lassen. Auf den Einwand , dass einem
flr^ nur nicht als Wurzel entsprechen würde, antworte
ich , dass einem W nur , nicht gegenübersteht. Formen wie
^T,j ^ sind nicht auf \5«rm^ und zurückzuführen, sondern
auf hutas und hnte , d. i. Ii mit folgender nasalis sonans. Auf¬
falleud ist es , dass neben T auch erscheint , während deu