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Diese dauern in der Regel 12, in besonderen Fällen aber auch bis zu 61 Tage

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(1)

ZUM URSPRUNG DER SATTRA-OPFER*

Von Harry Falk, Freiburg

Somaopfer lassen sich je nach der Anzahl ihrer Presstage in drei Grup¬

pen einteilen. Die erste Gruppe bilden die eÄ;äAa-Opfer, die, wie etwa der

Agnistonia, nur einen einzigen Presstag kennen. Eine Reihe von Opferprie¬

stern vollzieht die Riten zum Nutzen eines einzelnen, häufig nicht-brahma- nischen Opferherrn. Ahnlich verhält es sich zweitens mit den oAfna-Opfern,

bei denen gleichfalls fiir einen einzelnen Yajamäna gearbeitet wird, doch

im Unterschied zu den Ekähas mit mindestens zwei und maximal zwölf

Presstagen.

Ganz anders steht es um die dritte Gruppe der saUra-Opfer. Diese dauern

in der Regel 12, in besonderen Fällen aber auch bis zu 61 Tage. Die neuere

Literatur charakterisiert diese Sattras einheitlich mit vier Leitsätzen:

1. Als Teilnehmer kommen nur Brahmanen in Betracht.

2. Es fehlt der klassische Opferherr. Einer der brahmanischen Opferer

überninunt die Rolle des Yajamäna immer dann, wenn nach dem ekäha-

Paradigma der Opferherr tätig werden muß. Trotz dieser Sonderrolle fallen

aber alle Früchte des Opfers allen Teilnehmern gemeinsam zu.

3. Da der beauftragende Opferherr fehlt, gibt es auch keine Däksinä.

4. Grundform des Sattras ist der Dvädasäha.

Über den Zweck derartiger Veranstaltungen herrscht größte Unsicher¬

heit. Hillebrandt (S. 155) vermutete dahinter eine Art Wunschzauber,

Oldenburg^ dagegen Reste alter „gentilicischer" Opfer. In neuerer Zeit

führte Heestermann^ 1962 die Sattras auf ein ursprüngliches Ritual der

Vrätyas zurück, um nur zwei Jahre später" eine andere Lösung anzubieten:

* Folgende Abkürzungen werden verwendet:

AB Aitareyabrähmana, ÄpSS Äpastambasrautasütra, AV/P Atharvaveda (Sauna-

kiya)/Paippaläda, JB Jaiminiyabrähmana, JMS Jaiminiyamimärnsäsütra, KA Kau¬

tiliya Arthasästra, KB KauSitakibrähmana (Ed. Sarma [Ed. Lindner / Ubers.

Keith]), KS Käthakasaiphitä' MS Maiträyapisaiuhitä' PB PancavirpSabrähmana, RV Rgvedasaiphitä' TS Taittiriyasaiphitä' VS Väjasaneyisamhitä

' A. Hillebrandt: Ritual-Literatur. Vedische Opfer und Zauber. Strassburg:

Trübner 1897. S. 154 ff. A. B. Keith: The Religion and Philosophy of the Vedas and

Upanisads. Cambridge: Harvard University Press (HOS 31+32). S. 349-352.

P. V. Kane: History of Dharmasästra n,2. Poona: Bhandarkar Oriental Research

Institute 1941. S. 1239-1246. L. Renou: Vocabulaire du Rituel Vedique. Paris:

Klincksieck 1954. S. 156. Ch. Sen: Dietionary of Vedic Rituals. Delhi: Concept Publ.

Co. 1978. S. 115.

^ H. Oldenburg: Die Religion des Veda. Berlin: W. Hertz 1894. S. 371.

' J. C. Heesterman: Vrätya and Sacrifice. In: IIJ 6 (1962), S. 34.

"* J. C. Heesterman: Brahmin, Ritual and Renouncer. In: WZKS 8 (1964),

S. 21.

(2)

Da Brahmanen durch das Annehmen von Gaben ihrer rituellen Reinheit

verlustig gehen, hätte es nahegelegen, die Dak^inä und deren Verteiler

vom Opfer auszuschließen. Wenn dieser Gedanke so einleuchtend wäre:

Warum geschah dieser Ausschluß dann nicht auch bei den so viel häufige¬

ren Ekähas?

Will man zum ursprünglichen Zweck der Sattras vorstoßen, dann darf

man sich nicht auf die Beschreibungen dieser Opfer in den Brähmanas und

Sütras verlassen. Mit Hilfe von Vishvabandhus Index lassen sich unter

satträ und sattrm eine Reihe von Stellen in Sarphitäs und Brähmanas aus¬

findig machen, wo Sattras nicht in ihrem Ablauf beschrieben, sondern aus

den verschiedensten Gründen mehr oder minder beiläufig erwähnt werden.

Sammelt man diese Erwähnungen und gruppiert sie nach ihren inhaltli¬

chen Aussagen, dann gewinnt man ein ganz anderes Bild, das die Vier-

Punkte-Definition sehr in Frage stellt.

1. Gegenüber der festen Zahl von 17 Priestern bei einem srawto-Somaop-

fer schwanken die Angaben in den Erwähnungen zwischen drei und

sieben^. Vor allem werden immer wieder' die sieben R§is als Vollzieher von

Sattras genannt. Die MS (12.4 [147 :6]) und das AB (2.19) kennen die R^is

in diesem Zusammenhang, TS (2.3.3,1) und AB (6.1,1) ersetzen sie nicht

selten auch durch die Devas. Daß nur Brahmanen einem Sattra zu Erfolg

verhelfen können, widerlegt AB 2.19, wo Kavasa Ailü^a als Sohn einer

Sklavin und abrähmana erfolgreicher ist als die anderen Teilnehmer.

2. In den ältesten Texten läßt sich kein Hinweis auf eine Gleichrangig¬

keit der Opferer finden. AV 5.6 bittet die Götter herbei zu einem Sattra, um

einem einzigen Menschen zu Pferden, Vieh und Erfolg zu verhelfen. Von

einer Gleichheit wird man auch deshalb nicht sprechen wollen, weil das JB

und andere Brähmanas die Sattrins immer nach ihrem Führer, dem Grha¬

pati' , benennen. Sabara zitiert zu JMS 10.6,56 eine sniti mit den Worten:

„Wer den vielen Opferherren als Grhapati gilt, der ist der Vertrauensmann des Sattras, denn er erlangt den meisten Erfolg"*. Dies zeigt deutlich, daß

die Früchte des Opfers nicht zu gleichen Teilen unter die Sattrins kommen.

Die TS kennt 7.1.4,1 zwei Teilnehmer, die im Gegensatz zu allen anderen

überhaupt keinen Erfolg erringen, und die bekannte Geschichte vom Sattra

der Kühe' berichtet von zwei Gruppen von Teilnehmern, einer ganz und

einer teilweise erfolgreichen.

3. Der dritte Leitsatz vom Fehlen der Dak§inä im Sattra ist nur bedingt

richtig, denn die Opferer beschenken sich selbst mit ihrem ätman. ätmddak-

ßinaifi vai satträm heißt es TS 7.4.9 und KB 15.1.

' Drei Opferer: MS 2.1.4 [5:9]; 4.5.9 [76:17]; TS 2.3.3,1. Vier: MS 4.2.12

[34:8]. Sieben: AV 12.1,39; AVP 16.103,11.

" AV 17.1,14; VS 34,55; TS 4.7.13,2.

' JB 2.299 sthüragrhapatayaJ}, 2.387 ayaslhüTiagrhapcdayah, KB 23.8 [23.5] jäftö- lagrhapatayah.

* yo vai bahünärji yajamänänärii gxhapatih sattrasya pratyetä sa hi bhüyißlhäm rddhim ärdhnoti.

' TS 7.5.1-1-2; AB 4.17; JB 2.374; PB 4.1,1-2; KS 33.1.

(3)

4. Zur Dauer des Sattras läßt sich den Erwähnungen nichts Genaues ent¬

nehmen. AufTällig ist nur, daß zwei Texte'" von einem zweitägigen Ritual zu handeln scheinen.

Die gängige Vier-Punkte-Definition der Sattras zeigte sich somit als in

allen entscheidenden Punkten anfechtbar. Sehen wir uns weiter um, dann

werden in den Erwähnungen Züge erkermbar, die man bei einem klassi¬

schen Somaopfer nicht erwartet hätte:

1. Ganz ungewöhnlich ist der Ort des Geschehens. Klassische Somaopfer

finden normalerweise an Flußufem statt, eine gewisse Öffentlichkeit ist

beabsichtigt. Man „geht" zu einem Yajna. Nicht so im Falle der Sattras, wo

auf das Verb upa-gam als zweites upä-syand (KB 26.5; 28.8[28.5]) folgt,

also ein „Hinzukriechen". Die selbe Bewegung ist gemeint, wenn das JMS

10.2,37 die Besucher eines Sattras präsarpika nermt. Auch aus dem srauta-

Opfer ist ein prasarpana bekannt, wobei die Priester im Gänsemarsch in

gebückter Haltung über den Opferplatz schleichen und jeder sich an der

Kleidung des Vordermanns festhält '. Das PB gibt dazu die Erklärung, das

Opfer gliche einer Gazelle, die man nicht durch lautes Auftreten verscheu¬

chen dürfte'^ Richtig daran ist die Lokalisierung in wildreicher Gegend:

Das Hinkriechen zum Sattra (upä-syand, upa-srp) ist nötig, weil sich die

Opferer in schwer zugänglichem, waldigem Gebiet niedergelassen haben.

Der prasarpana-^itns im s'rowia-Opfer ist nichts als pantomimischer Nach¬

vollzug eines einstmals unbeguemen Ganges durch Unterholz.

Ein Sattra wäre damit der Öffentlichkeit verborgen, fände in einem Ver¬

steck statt. Diese Interpretation wird gestützt durch das Wort sattra, so vrie

es im KA (7.17,56; 10.2,15) verwendet vrird. „Sich verstecken" heißt dort

sattram grhnite. Harsakirti gibt in der Anekanämamäla" für sattra die

Bedeutung ächädana „Sich verbergen". Auch wird nun verständlich, warum

der Räjanighantu''' unter den Wörtern für 'Wald' auch sattra aufzählt.

2. Das PB'' legt Wert auf die Feststellung, daß ein Sattra kein Yajna sei.

Der Terminus selbst dürfte etwas wie „Sitzung" bedeuten. Man sitzt ein

Sattra, sattram äste, oder läßt sich zu einem Sattra nieder, sattram

nisidati^^, das Verb ud-sthä bezeichnet das Ende einer solchen Sitzung. Da

im klassischen Opfer allein bei den Oberpriestern zumindest Hotr und Adh-

TS 7.1.4,1 haben zwei Teilnehmer keinen AnteU am Erfolg der anderen Sat¬

trins und vollziehen daraufhin ein dvirätrOrOpi'er. AB 4.32,7 scheitern die Ahgiras am zweiten Tag. Ein Gast bringt ein Sükta bei und das Sattra hat (sofort?) Erfolg.

" PB 6.7,9-12; ÄpSS 22.17,1-4.

PB 6.7,10 tsaranta iva sarpanti mxgadhamvmo vai yajno yajnasya säntyä apra- Iräsäya.

" Har^akirti's Anekärthanämamälä. A hamonymic dietionary of Sanskrit. Ed. by Claus Vogel. Nachrichten der Akad. d. Wiss. in Göttingen. PhU.-Hist. Kl. 1981,

Nr. 6. Göttingen: Vandenhoek + Rupprecht 1981. S. 154.

Räjanighantusahito dhanvantariyanighantuh. Ed. by V. G. Apte. Poona:

ÄnandäSrama 1925. S. 324 unter känanam.

PB 22.3,2; 23.8,2 anyasmai vai kämäya satram anyasmai yajno na tat satrenä' 'pnoti yasmai karfi yajno na tad yajnenä' 'pnoti yasmai kam satram.

" AV 17.1,14; ÄB 6.1,1.

(4)

varyu häufig oder vorwiegend im Stehen ihren Aufgaben nachkommen,

kann man sich schwer vorstellen, die srauta-Yorm der Soma-Opfer hätte

den Sattras als Grundlage gedient. Eine andere Tätigkeit als der Feuerguß

muß bei den im Sitzen vollzogenen Sattras im Vordergrund gestanden

haben.

3. Ein srauta-Opfer lebt vom Einverständnis zwischen Yajamäna und

Priestern. Er verteilt die Däksinä und hofit, daß die Opferer ihrerseits kei¬

nen Fehler machen. In einem Sattra ist mangels Dak^inä auch kein Bünd¬

nis zu erwarten. Und doch kommt gerade beim Sattra einer Absprache

ganz besonderes Gewicht zu: Die Erwähnungen gehen davon aus, daß das

Sattra Gewinn bringt, aber als selbstverständlich gilt auch, daß der Gewinn

zum Hervorragendsten unter den Opferern geht. Wer primus inter pares

ist, scheint allen Teilnehmern bekannt zu sein. Sie schließen mit ihm einen

Vertrag darüber ab, jeden Gewinn mit ihnen zu teilen". Dieser Kopf der

Gruppe erscheint unter den Bezeichnungen mukha (MS 4.5,9), sre^tha (KB

12.3,20), varmtha (AB 6.3) und grhapati.

4. Ein s'raM<a-Opfer ist durch Saiphitäs, Brähmanas, Sütras und Vedäh-

gas bis ins Detail festgelegt. Bei einem Sattra dagegen kann von einem

gesicherten Ablauf keine Rede sein. Häufig werden unvollendete Sattras

erwähnt, gestörte, unterbrochene, die den Zeitpunkt ihres Abschlusses ent¬

weder nicht erreichen oder überschreiten. Wichtig ist in diesem Zusam¬

menhang der elfte Tag, der aviväkyä genannt wird. Bis zu diesem Tag

haben Besucher Gelegenheit, die Sattrins mit Fragen zu belästigen und den

Verlauf des Opfers zu kritisieren. Offenbar hat man gerne von dieser

Möglichkeit Gebrauch gemacht. MS 3.3.9, KB 26,5 berichten von solchen

Rätselfragen. Die größte Gefahr besteht, wenn die Sattrins den Besuchern

keine Antwort geben können und schweigen müssen. Im KB (23.8[23.5])

wird dieser Ausgang in letzter Minute verhindert: „Anicin Mauna setzte

sich zu den Sattrins unter Jäbäla und fragte sie: 'Seid ihr vom Tag oder von

Parucchepa abgewichen?' Da waren sie still. Da kam von der nördlichen

Hälfte des Platzes Citra Gausräyani und sprach: 'Wir sind weder vom Tag

noch von Parucchepa abgewichen'". Es folgt seine Beschreibung ihres

Opferganges.

Nicht nur Besucher konnten den Sattrins die Grenzen ihrer Fähigkeiten

aufzeigen. Zumeist scheiterte man an sich selbst: Den Ahgiras wird der

zweite Tag zum Verhängnis. Sie sind verwirrt und bringen ihn nicht zu

Ende. Ein Besucher steuert ein Sükta bei und es kann weitergehen (AB

4.32,7). Am sechsten Tag muß ihnen Näbhänedistha im AB (5.14,3) gar

zwei Süktas liefem. Die Devas scheitern AB 6.1,1, weü sie ein Hotr-Amt

nicht kennen, das ihnen ein Schlangen-Rgi nachliefert, der ausdrücklich

mantrakrt genannt wird. Auch ist hier daran zu erinnern, daß der abräh¬

mana Kavasa Ailü^a im AB 2.19 den Gewinn des Sattras erwirkt, indem er

ein Lied an die SarasvatI sieht.

In all diesen Fällen fehlen den Sattrins zeitweise die rechten Worte. Hät¬

ten sie sie selbst sehen können, dann wäre das Opfer problemlos zu been-

" MS 2.1.4 [5:9]; 4.5.9 [76:17]; KS 10.2.

(5)

den gewesen. Wie schon gezeigt, sind im AV immer die Rsis mit dem

Begriff sattra verbunden, und R.§is sind jene Wesen, die Rcas formuheren

konnten, die Verse des Rgveda. Formuherungskünste sind es, von denen

der Ablauf eines Sattras abhängt. Die Unsicherheit des Verlaufs rührte

vom Zwang der Teilnehmer, in einem bestimmten Zeitraum den Göttern

gefällige Worte zu schöpfen und menschlichen Besuchern in dieser Zeit

diu-ch Beantworten von theologischen Fragen ihre Kompetenz zu bewei¬

sen. Gelang dies nicht, dann brach das Unternehmen zusammen.

Als Ziel des Sattras neimt AVP 2.52,1 Kühe und Pferde, auch die R§is

sollen sich nach AV 12.1,39 damit Kühe verschafft haben. Diese materiel¬

len Ziele sind aus den Süktas des RV bestens bekannt. Der Yajurveda

bringt Sattras zumeist mit Regen, Speisenbesitz und Ruhm in

Verbindung'*.

Viele Stellen zeigen, daß man sich aus bitterer Not heraus zum Sattra

zusammensetzte. Im AB (6.1,1) saßen die Devas ein Sattra, waren aber

unfähig, ihr päpman loszuwerden. Auch das JB (2.299) kennt eine Gruppe

von Sattrins, die einstmals als elender Haufen {päpagrämatara) bezeichnet

worden war. Man unternimmt die Weihe zum Sattra im Sisira (AB 4.26),

denn in dieser Zeit wird das Vieh dünn und struppig, was als das typische

Aussehen eines Diksita betrachtet wird. Die TS (7.4.11,2) sagt ausdrück¬

lich, daß Hunger ein Charakteristikum der Sattrins ist: k^tsambädhä wa

hi sattrino - „Sattrins sind in gewisser Weise von Hunger bedrängt".

Ganz besonders aufschlußreich für die Mechanik eines Sattras ist eine

Stelle in der TS (7.5.9,1): „Werm der ar%d-Säman Verwendung findet,

dann schaffen sich die Opferherren damit die Geschöpfe, und beim üända-

Säman verschaffen sie sich, was die geschaffenen Geschöpfe sich an Nah¬

rung geschrütten haben. Deswegen sind in einem Jahr, in dem das Sattra

erfolgreich ist, die Geschöpfe hungrig, denn die Kraft und Stärkung neh¬

men sie (= die Sattrins) ihnen weg. In einem Jahr, in dem das Sattra nicht

Erfolg hat, sind die Geschöpfe ohne Hunger, denn sie (die Sattrins) nehmen

ihnen nicht die Kraft und Stärkung weg".

Die Stelle zeigt in aller Deutlichkeit, wie das Sattra den Sattrins Ver¬

fügungsgewalt über die landwirtschaftlichen Produkte des Volkes ver¬

schaffte. Der Erfolg des Sattras, also die gelungene Formulierung, erlaubte

es ihnen, anderen Nicht-Opfernden Lebensmittel abzuverlangen. Das Kä¬

thakam 10,6 bewahrt einen Text, der uns schildert, wie dieser Gabeneinzug

vonstatten ging:

„Die Rsis aus dem Naimisa-Wald saßen einst ein Sattra. Als sie geendet

hatten verschafften sie sich im Lande der Kurupancälas 27 junge Rinder.

Vaka Dälbhi (ihr Grhapati) sprach zu ihnen: 'Teilt ihr euch diese. Ich werde

zu Dhrtarästra Vaicitravirya gehen, der wird mir Häuser bauen'. Zu dem

ging er, doch der scherte sich nicht um ihn, sondem trieb ihn vor sich her

mit den Worten: 'Du unstudierter Brahmane! Paäupati tötet mein Vieh.

Gehe und koche die Kühe, wenn sie gestorben sind' ... Er (Vaka Dälbhi)

" Regen; TS 1.6.11.3; AB 2.19. Speisenbesitz: TS 7.5.9; AB 4.16,6. Ruhm: MS 2.1.4; TS 2.3.3,1.

(6)

legte einen Purodäsa aus schwarzen Reiskörnern für Agni Rudravat auf

acht Scherben ab. Alles was Dhrtarästra gehörte, war bei Sonnenaufgang

ausgeschüttet und weggelaufen. Die Wahrsagerinnen befanden: 'Dieser

Brahmane verhext dich. Stelle dich in seinen Schutz!' Er (der König) rief

ihn herbei und schenkte ihm viel". Vaka zauberte daraufhin mit weißen

Reiskörnern und der Spuk versehwandt".

Wir haben hier zuerst den normalen Verlauf: Durch ihr Sattra fühlen

sich die Opferer berechtigt, sich von den Kurupancälas Kühe auszubitten,

womit sie auch Erfolg haben. Vaka Dälbhi als Grhapati will klüger sein als

die anderen und sich Häuser bauen lassen. Doch Dhrtarästra hegt keine

sehr hohe Meinung von ihm und jagt ihn davon. Es bleibt ihm nur die Zau¬

berei, um den König gefügig zu machen.

Doch wenn letztendlich nur schwarze Magie den unfreundlichen König

umstimmen kann, wozu dann vorher noch ein Sattra abhalten? Wir fmden

in dieser Erzählung ein Motiv für den Niedergang der ursprünglichen Sat¬

tras: Die Legitimation zum Gabeneinzug, das Formulieren von theosophi¬

schen Wahrheiten, wird von der Spenderschicht nicht mehr anerkannt. Ein

abgewiesener Sattrin aber kann seinen Hunger nicht stillen. Es bleibt ihm

keine andere Wahl als der Tod oder die radikale Änderung seines Lebens¬

stils. Die erste Lösung wurde in den Yätsattras der Sämavedins einge¬

schlagen, wo der Sattrin zu einem Tirtha an der Yamunä zieht, um dort aus

der Welt zu scheiden (PB 25.13,4)^°. Die zweite Möglichkeit, die Änderung

des Lebensstils, kann in vielfältiger Weise erfolgen: Vaka griff zur Hexerei,

aber er könnte auch seine Erfahrung als Ritualist in den Dienst der Spen¬

derschicht stellen und sein altes Opfer, nun ohne den Zwang zu immer

neuer Dichtung, zur Förderung der Herrschermacht verwenden. Bei einem

Opfer aber, das als Auftragsarbeit gegen Lohn verrichtet wird, haben wir

die Stufe des klassischen srauta-Kituals erreicht.

Vergleicht man nun noch einmal rückblickend irottto-Opfer und das

Sattra der Erwähnungen, dann ergibt sich eine Reihe von Gegensatzpaa¬

ren: Das Sattra findet in der Wildnis statt, das srauta-Opfer in aller Öffent¬

lichkeit. Der Sattrin leidet unter dem Zwang, den Göttern gefällig formulie¬

ren zu müssen, der sVawto-Opferer reproduziert nur noch, was in älterer Zeit

entstanden war. Das Sattra ist unsicher in seinem Ausgang, der moderne

Yajnika dagegen läßt sich den Erfolg im Voraus vom Yajamäna garantie¬

ren. Ihn treibt kein Hunger mehr zur Selbstaufgabe.

In all diesen Punkten stellt das Sattra die Quelle dar, aus der das srauta-

Opfer schöpft, und in all diesen Punkten erinnert das Sattra an die Süktas

des RV. Auch dort wird das Erlebnis der spontanen Dichtung betont^',

ebenso die Unsicherheit der momentanen Lage, und auch im RV scheint

" Die sprachliclien und inhaltlichen Schwierigkeiten dieses Textes werden aus¬

fuhrlich in meiner Arbeit über das Würfelspiel im Veda behandelt.

^° Rituelle Selbsttotung in Verbindung mit einem Sattra behandeln in verschie¬

dener Form auch TS 7.4.9; 7.2.10,2; KB 23.9,3-6 [23.8].

2' Vgl. die Anfänge der Lieder RV 6.8, 6.32, 6.49.

(7)

sich an die Dichtung der Auszug gegen die Nicht- oder Schlechtcr-Dichten-

den anzuschließen .

Wenn diese Assoziation wirklich berechtigt sein sollte, dann ließe sich

eine Erkenntnis fiir den RV gewirmen. Seine Süktas wären daim nicht ein¬

fach Lieder an die Götter oder Auftragsdichtung fiir kunstsinnige Mäzene,

sondern auch Beweis dafiir, daß die Götter mit den Dichtenden sind und es

ihnen erlauben, sich unter Berufung auf die Dichtung von anderen Men¬

schen das zu nehmen, was ihnen gefällt. In den Erwähnungen der Sattras

läuft dieser Prozeß der Aneignung immer ohne Waffen ab und unterbleibt

selbstverständlich, wenn sich die Dichtung nicht einstellen will.

Ein einziges Mal erscheint das Wort satrc^^ im RV, und hierbei erfahren

wir, daß Vasistha bei einem Sattra zum Rsi vmrde: iätojätdm r^im ähur

väsißtham - „Da nannten sie Vasistha einen neugeborenen R^i". Gibt es

nach dem Gesagten einen geeigneteren Anlaß, sich als R§i zu präsentieren

als ein Sattra?

So möchte ich zur Frage nach dem Urspmng der Sattra-Opfer folgende

Antwort vorschlagen: Die Sattras, so wie sie aus den verstreuten Erwäh¬

nungen rekonstmiert werden müssen, fiihren die Tradition jener Feierlich¬

keiten fort, bei denen ein Großteil der Dichtung des RV entstanden war.

Die vergleichsweie jungen sraMto-Sattras hingegen haben aus der alten Zeit

nur die Dauer des Rituals übernommen: Man preßt nun mehrere Tage lang,

aber ohne Dichtung produzieren zu müssen. Die gefährlichen Fragen der

herbeigeschlichenen Besucher sind verkommen zum vorgefertigten brah¬

modya ". Vom Zweck her unterscheiden sie sich nicht mehr von den eintä¬

gigen Kämyestis, und dies macht verständlich, warum sie jüngeren Sütra-

käras keine Erwägung mehr wert sind.

Dichtung und Kampf sind untrennbar verbunden z.B. in RV 6.35, 8.6.

" Eindeutig die ältere Form ist salrä, wie in RV und PB zu finden. In KS und AV erscheint daneben auch satträ, wobei dieses den jüngeren Teilen zuzugehören scheint, z.B. KS 10,2 saträ, aber 33.1 sattra. Vgl. AV 12.1,39 und 17.1,14. AiGr. 1 Nachträge S. 62 zu 114,13 vergleicht Skt. patrd aus pat+tra und jAw. hastra.

PB 4.9,12; AB 5.25,22; ÄpSS 21.11. Dazu L. Renou: LaNotion de Brähman.

In: Journal Asiatique 1949, S. 7-46. Ders. : Le Passage des Brähmana aux Upanisad.

In: JAOS 73 (1953), S. 141 ff.

(8)

BEMERKUNGEN ZU VAISE§IKA-SUTRA 6.1.1-3 (Resümee)

Von Albrecht Wezler

Vorgetragen wurden erste Ergebnisse einer umfangreicheren, noch nicht

abgeschlossenen Arbeit, die unter dem Titel „Textkritische und exege¬

tische Untersuchungen ziun Vaisesikasütra. 1. Der 6. Adhyäya" in nicht

allzu femer Zukunft, voraussichtlich in den „Alt- und Neu-Indischen Stu¬

dien", publiziert werden soll.

Diese Ergebnisse betreffen die sütras 6.1.1-3, deren ursprünglicher

Wortlaut sich wie folgt wiedergewinnen läßt:

buddhipürvä väkyakrtir vede //l

TWL cäsmadhuddhibhyo lingam r^eh //2, sowie

brähmanmamjnäkarma siddhilingam //3.

Exegetisch gilt es, den Schleier zu durchstoßen, den die Kommentatoren insofern über diese Textaussagen gelegt haben, als sie den offensichtlich erst später vom Valäe^ika adaptierten isvaraväda in diese sütras hineinpro- jizierten. Aus dem Wortlaut selbst ergibt sich nämlich unmißverständlich,

daß hier eine ältere, d.h. noch nicht theistisch umgestaltete, insgesamt

bemerkenswert altertümliche Form der Sprachentstehungstheorie des Vai¬

sesika bezeugt ist, in der mit Gründen dargelegt wird, daß die Sprache,

d.h. für den Verfasser natürlich: das Sanskrit, vrie sie/es zuerst im Veda

belegt ist, von den (vedischen) R^is geschaffen wurde, nachdem sie die ein¬

zelnen zu benennenden Gegenstände aufgmnd ihres besonderen, dem

unseren überlegenen Erkenntnisvermögens sinnlich wahrgenommen hat¬

ten.

Die bei Prasastapäda etc. bezeugte Sprachenentstehungstheorie läßt

sich damit als sekundäre theistische Umformung einer Lehre erweisen, die

in ihrer ursprünglichen, stark vedisch geprägten Gestalt im VS selbst noch

greifbar ist.

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