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Sergej Esenin

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Verlag Otto Sagner München ∙ Berlin ∙ Washington D.C.

Digitalisiert im Rahmen der Kooperation mit dem DFG-Projekt „Digi20“

der Bayerischen Staatsbibliothek, München. OCR-Bearbeitung und Erstellung des eBooks durch den Verlag Otto Sagner:

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Christiane Auras

Sergej Esenin

Bilder- und Symbolwelt

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Slavistische Beiträge

Unter Mitwirkung von M. Braun, Göttingen • t Paul Diels, München י J. Holt husen, Würzburg • E. Koschmieder, München • W. Lettenbauer, Freiburg/Br.

J. Matl, Graz * F. W. Neumann, Mainz * L. Sadnik-Aitzetmüller, Saarbrücken J. Schütz, Erlangen

HERAUSGEGEBEN VON A. SCHMAUS, MÜNCHEN

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Sergej Esenin

Bilder- und Symbolwelt

V E R L A G O T T O S A G N E R • M Ü N C H E N 1 9 6 5

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Referent : Prof. Dr. A. Schmaus Korreferent: Prof. Dr. E. Koschmieder Tag der mündlichen Prüfung: 27. Februar 1964

tfünctv

( c ) 1965 by Verlag O tto Sagner/Münchcn Abteilung der Fa. Kubon & Sagner, München

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M e i n e n E l t e r n

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I N H A L T Scite

Sergej E s e n i n ... 9

K apitel I: Z u r T h eo rie des B i l d b e g r i f f s ... 33

K apitel II: Die sprachliche Verwirklichung des Bildes . . 47

K apitel I I I : Die ländlich-bäuerlichen B i l d e r ... 74

A. Bilder aus der D i n g w e l t ...77

B. Bilder aus der T i e r w e l t ...91

C. Die P f l a n z e n b i l d e r ...103

Kapitel IV : Kirchlich-religiöse B i l d e r ...113

A. Die religiösen Bilder vor 1 9 1 7 ...115

B. Die religiösen Bilder der Revolutionslyrik . . . 122

C. Liturgiesprachliche E le m e n te ...143

Exkurs: Die E rneuerung der Kunst durch die Revolution ( I n o n i j a ) ...148

Kapitel V: Die Farben in der Dichtung Esenins . . . . 159

Kapitel V I: Die Entwicklung der Lyrik Esenins (T hem en und F o r m e n ) ...172

L i t e r a t u r v e r z e i c h n i s ...207

N a c h w o r t ...211

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S E R G E J E S E N I N

D er m it Esenin in den 20er Jahren befreundete Dichter V. Erlich h a t einen Ausspruch überliefert, der Esenins Verhältnis z u r eigenen Biographie z w a r stilisiert, in dieser Stilisierung aber einen G rundzug trifft: ״ W enn du jemals über midi schreiben willst, so schreibe: er lebte n u r durch seine Kunst, un d n u r mit ihr ging er durchs Leben.“1 Stationen seines Lebensweges kennzeichnen in gewisser Weise auch die Stationen seiner E n tfaltu n g als Dichter. Moskau bedeutet die Zeit unselbständiger Suche nach den eigenen Ausdrucksmitteln und -formen, Petrograd gleichzeitig den Einfluß des literarischen Symbolismus und der Bauerndichterbewegung, aber auch die erste Phase der unverwech- selbar eigenen Sprache. Im Moskau der Revolutionsjahre vollzieht sich der bewußte Versuch einer Loslösung von der literarischen T radi- tion und — durch das Medium des Imaginismus — die sprachliche A nnäherung (keine programmatische) an den Futurismus M aja- kovskijs.

Den eigentlichen Bruch für das W erk bedeutet der über ein Ja h r dauernde A ufenthalt in W esteuropa und den Vereinigten Staaten.

Was Esenin danach schreibt, wieder in Moskau und auf Reisen inner- halb der Sowjetunion, ist literarisch gesehen Reminiszenz. Die Rück- kehr z u r klassischen und teilweise symbolistischen T radition bleibt der gescheiterte Versuch, sich selbst wieder einzuholen.

Weder naives N a tu rta le n t noch poeta doctus wie viele der Sym- bolisten, ist Esenin — als Dichter in seiner Empfänglichkeit fü r das geformte W ort eine fast weiblich zu nennende Begabung — E klektiker im besten Sinne des Wortes (nicht Epigone!). Sein W erk bildet auf seinen H öhepunkten eine glückliche Synthese literarischer und folklo- ristischer Tradition.

Sergej A. Esenin, der ״ letzte Dichter des Dorfes״ , der ״ P ro p h e t“

einer neuen Zeit, der ״ H o o lig a n “ und Rebell, der ״ feurigste M itläufer 1 E r l i c h , VoFf: Pravo na pesn\ L. 1930, S. 82.

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der Sowjetmacht“2, ist am 4. O k to b e r (21. September) 1895 im D o r f K onstantinovo (Gouv. R ja z a n ’) geboren. E r stam m t nicht aus dem einfachen Bauerntum, sondern aus der begüterten und gebildeten länd- liehen Oberschicht. Sein G ro ß v a te r mütterlicherseits — wie auch d e r G ro ß v a te r und V ater des Bauerndichters N . Kljuev* — w a r ein

״ načetčik“, also bibelkundig, in den Legenden belesen und, wie viele Altgläubige, ein Bew ahrer der altrussischen, vorpetrinischen K ultur.

Wegen schwieriger häuslicher Verhältnisse v e rläß t der V ater Esenins die Familie, die M u tte r übergibt den zweijährigen Sergej ihrem V ater z u r Erziehung und geht selbst in die Stadt, um G eld zu verdienen.4 Im H ause der G roßeltern verlebt der Junge eine sehr glückliche K ind- heit. 1909, nach Beendigung der Dorfschule, besucht er das kirchliche Lehrerseminar in Spas-Klepiki in der N ä h e von K onstantinovo, eine Schule z u r Ausbildung von Lehrern kirchlicher Gemeindeschulen.

Im H erbst 1912 v e rläß t Esenin das Lehrerseminar un d geht nach Moskau, aber nicht, wie seine V erw andten wünschen, um d o rt am Pädagogischen In stitu t weiterzustudieren. Sein V ater verschafft ihm einen Arbeitsplatz in dem Geschäft, w o er selbst als H andlungsgehilfe arbeitet. Wegen persönlicher D ifferenzen m it der Besitzerin des Ge- schäfts w ird Esenin aber bald entlassen.

Nach diesem wenig erfolgreichen D e b u t in der G ro ß s ta d t kehrt er vorläufig nach K onstantinovo zurück. Im M ärz 1913 ist Esenin wieder in Moskau un d bekom m t in der Sytinschen Druckerei eine Stelle als H ilfskorrektor. E r arbeitet d o rt bis zum Sommer 1914. A uf den Photographien aus jener Zeit sieht man einen hübschen, städtisch ge- kleideten jungen M an n ; einziges Anzeichen ״ ländlicher“ E x trav a g a n z sind die fast bis auf die Schultern fallenden blonden Ringellocken.

In Moskau veröffentlicht Esenin die ersten Gedichte. Die K inder- Zeitschrift ״ P r o t a l i n k a “ druckt im J a n u a r 1914 das Gedicht ״ Bereza“

(I 88) ab, ein seiner Bestimmung entsprechend freundlich-harmloses und unausgeprägtes Gebilde. Es folgen Veröffentlichungen im ״ Mi- r o k “, ebenfalls einer Kinderzeitschrift, dann im ״ Ezemesjaünyj zur- n a l“, im ״ Żurnal dija vsech“ и. а.

Ä E s e n i n , Sergej: Sobranie sočinenij v pjati tomach. M. 1961 — 1962.

Bd. II, S. 97, 36, 99, 206.

Im folgenden werden die Dichtungen, Briefe, Autobiographien und theoretischen Aussagen Esenins nach dieser Ausgabe zitiert mit Band- angabe in römischen und Seitenangabe in arabischen Ziffern.

3 R o z a n o v , I.: Esenin i ego sputniki. In: Esenin — ž iz n \ ličnost\ tvor- čestvo, Pod red. E. F. N ikitinoj. M. 1926, S. 85.

4 N a u m o v , E. I.: Sergej Esenin. 2izn* i tvorčestvo. L. 1960, S. 3.

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Zu seinen literarischen Anfängen schreibt Esenin: ״ Früh fing idi an, Gedichte zu schreiben, ungefähr mit neun Jah re n ; aber mein bewußtes Schaffen setzte erst m it 16— 17 Jahren ein.“5 N eben seiner Arbeit besucht e r die ״ Šanjavskij-Volksuniversitāt“6, vergleichbar etw a einer Volkshochschule. Eine Zeitlang lebt er mit einer jungen Arbeiterin, A. Iz rja d n o v a , zusammen, verläßt aber die Frau und den kleinen Sohn Jurij bald.

G roße Bedeutung für ״ die literarische und gesellschaftliche Erzie- hung Esenins“7 hat der ״ literarisch-musikalische Surikov-K reis“, dem der Dichter seit 1913 angehört. Es ist eine Vereinigung junger Schrift- steiler u n d Dichter aus dem Arbeiter- und Bauernstand, die den So- zialrevolutionären nahestehen. D er Kreis w a r in den 80er Jahren des 19. Jah rh u n d e rts von dem Bauerndichter I. Surikov gegründet w or- den. Zu Esenins Zeit leitete ihn der Dichter und K ritik e r G. Deev- Chomjakovskij. Zu dem Kreis gehört ein junger Dichter, A. Širjaevec, mit dem Esenin bis zu dessen Tode 1924 befreundet bleibt.

Ab 1914 geben die Mitglieder des Surikov-Kreises die Zeitschrift

״ D rug n a r o d a “ heraus, un d Esenin w ird ihr M itarbeiter als R edak- tionssekretär.

In die Moskauer Zeit fällt auch Esenins ״ K o n ta k t zu revolutionär gesonnenen Arbeitern; er setzt sich sogar einer Haussuchung aus.“8 Im Dezem ber 1914 v e rläß t Esenin die Sytinsche Druckerei, w o er seit dem September als K o rre k to r gearbeitet hatte, um sich ganz der Dichtung zu widmen. Noch in diesem J a h r lernt er einige Schrift- steiler aus Petrograd kennen, die seinen schon ein J a h r früher ge- äußerten Wunsch, nach Petrograd überzusiedeln, wieder lebendig wer- den lassen.® Denn diese S tadt ist immer noch der magnetische Mittel-

5 Autobiographie von 1925 (V 21).

• Begründet wurde die Schule von dem liberalen General A. L. Sanjavskij (1837— 1905). Sie hatte einen naturwissenschaftlichen und einen geistes- wissenschaftlichen Zweig, existierte bis 1918.

7 Z e 1 i n s к i j, K.: Sergej Alcksandrovič Esenin (Kritiko-biografiČeskij oíerk) (I 10).

8 a.a.O.

® de G r a a f, Francisca: Serge Esénine. Sa vie et son oeuvre. Leyde 1933, S. 11. — Siehe auch Esenins Brief an G. A. Panfilov von 1913(?): ״ Mein Leben hier isi auch nicht beneidenswert. Ich will um jeden Preis nach P iter ausreißen. Moskau ist eine Stadt ohne Seele, und fast alle, die nach Sonne und Licht streben, fliehen aus ihr fort. Moskau gibt der literari- sehen Entwicklung keinen Auftrieb, es nimmt nur alles Fertige aus Peters- bürg“ (V 108).

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punkt der L iteratu r und des Literaturbetriebs, ob w o h l d e r Symbolis- mus sich schon selbst überlebt h a t un d offiziell v o m A km eism us10 e n tth ro n t worden un d obwohl in Moskau d e r F uturism us als echte Gegenbewegung entstanden ist. Aber mit den M oskauer Futuristen w ird Esenin erst 1918 in der Person V, šeršenevičs11 K o n t a k t bekom - men; und M ajakovskij als sein größter K o n k u rre n t in d e r Gunst des breiten Publikums — v o r allem zu A n fan g d e r 20er J a h r e — bleibt ihm zeitlebens fremd.

O b Esenin schon vor 1915 in P etro g rad w ar, wie vo n Zeitgenossen und Forschern behauptet wird, ist aus dem veröffentlichten M aterial nicht zu ermitteln.12 Jedenfalls fä h rt er im M ä rz 1915 dorthin un d lernt als ersten Dichter den Symbolisten A. B lok13 kennen. Diese Be- gegnung sollte der A u fta k t werden fü r den kometengleichen Aufstieg Esenins in den Petrograder literarischen Salons. ״ Als ich m it achtzehn Jahren den Zeitschriften meine Gedichte einsandte, w a r ich darüber erstaunt, d a ß sie nicht gedruckt w urden, und fu h r nach Petersburg.

D o rt nahm man mich äußerst freundlich auf. D e r erste, den ich d o rt erblickte, w a r Blok, der zweite — Gorodeckij. Als ich Blok ansah, tro p fte m ir der Schweiß von der Stirn, weil ich z u m ersten Male einem lebenden Dichter gegenüberstand.14״

Von der Begegnung mit Blok ist ein Brief erhalten, in dem Esenin seinen Besuch ankündigt. Blok hat a u f dem Zettel eine N o tiz hinzu- gefügt: ״ Ein Bauer aus dem Gouv. R ja z a n ’, neunzehn Ja h re . Frische, reine, klangvolle Verse, reiche Sprache. Besuchte mich am 9. M ärz

“ . ״ 1915

Das Verhältnis Bloks zu Esenin blieb aber w eiterhin distanziert, vermutlich entgegen den E rw artungen des Jüngeren. D a ß diese Distanz von Blok bew ußt gew ahrt w ird, zeigt ein B rief von ihm an Esenin: ״ Im Augenblick herrscht in meinem In n e rn g ro ß e Müdigkeit, dazu habe ich viel Arbeit. D ah er meine ich, d a ß es vorläufig keinen

10 Um 1912 entstandene literarische Richtung, deren Ziel es w ar, den Sym- bolismus zu reformieren. Begründer w aren die Dichter N . Gumilev und S. Gorodeckij; den letzteren lernte Esenin 1915 in P e tro g ra d kennen.

״ V. G. SeršeneviČ (1893— 1942) stam m te aus K a z a n ’. Seine ersten Verse erschienen 1911 in einer Moskauer Zeitung.

lt Die Angaben in den verschiedenen Erinnerungen an Esenin sind wider- sprüchlich und schwanken zwischen 1913 und 1915.

15 (1880— 1921). G ehört zur sog. zweiten Generation der russischen Sym- bolisten.

14 Autobiographie von 1925 (V 21).

15 N a u m o v , a.a.O., S. 25.

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Sinn hat, w enn w ir uns treffen. W ir werden einander nichts wesentlich Neues sagen . . . Es ist z w a r schwer, etwas vorauszusagen; und was Sie betrifft, so fällt es m ir sogar schwer, überhaupt darüber nachzu- denken, so verschieden sind w ir beide. Dennoch meine ich, d a ß Ihnen wahrscheinlich ein langer Weg bevorsteht, und um nicht von ihm ab- zuirren, dürfen Sie nicht eilen, nicht unruhig werden. Ober jeden Schritt m u ß m an frü h e r oder später Rechenschaft ablegen, und gegen- w ärtig ist das G ehen schwierig, in der L iteratur vielleicht am mei- sten.“ 16

Im m erhin gibt Blok Esenin bei der ersten Begegnung eine Emp- fehlung an den D ichter S. Gorodeckij mit auf den Weg. Gorodeckij ist begeistert von Esenin und nim m t ihn bei sich in seiner W ohnung auf. E r selbst, einer d e r Begründer des Akmeismus, ״ kultivierte einen oberflächlichen un d glänzenden Opernstil à la russe“, wie В. F ilippo'׳

boshaft, aber treffend schreibt.17 Gorodeckij w a r gewissermaßen der Exponent einer volkstüm elnden Strömung im kulturellen Leben nach der Jah rh u n d e rtw e n d e, deren Einfluß m an z. B. auch auf den frühen Bildern Kandinskijs beobachten kann und die teilweise auch die Sym- bolisten ergriffen h a tte .18 D a h e r ist die Begeisterung Gorodeckijs für einen echten V ertreter bäuerlicher K u ltu r n u r natürlich.

K urz nach der A n k u n ft Esenins in Petrograd veröffentlicht die Dichterin Z. G ippius10 unter dem Pseudonym R om an Arenskij in der literarisch-politischen Wochenschrift ״ Golos žizni“ einen kleinen Ar- tikel, ״ Zemlja i kamen*“ ; er wird der erste Anstoß z u r literarischen Legendenbildung von dem dichtenden Bauernjungen aus Rjazan*.

״ V or uns steht ein schlanker 19jähriger Bursche, blondhaarig, beschei- den, mit vergnügten blauen Augen. V or ungefähr zwei Wochen kam er aus dem G ouvernem ent Rjazan* nach ,Piter‘, begab sich vom Bahn- hof geradewegs zu Blok, — wollte zu Gorodeckij und hatte dessen

18 N a u m o v , a.a.O ., S. 25.

17 F i l i p p o v , Boris: N ikołaj Kljuev. M ateriały к biografii. — In: Nikołaj K l j u e v : Polnoe sobranie sočinenij. Red. Borisa Filippova, New York

1954. Bd. I, S. 25.

18 Gorodeckij h atte 1907 seinen ersten Gedichtband veröffentlicht mit dem Titel ״ J a r,w. — »)Jar*1 byla porazitel״ nej i neožidannej, no v celom

— biednej i neuverennej“, schreibt Blok nach dem Erscheinen des zweiten Gedichtbandes ״ P e ru n “ von Gorodeckij. Siehe seine Rezension dieses Gedichtbandes in: A. B l o k : Sobranie sočinenij v vos’mi tomach. M.-L.

1960 ff. M V , S. 145 ff.

19 Z. N . Gippius (1869— 1945) gehörte zur ersten Generation der russischen Symbolisten.

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Adresse verloren . . . M an begriff schnell, d a ß der junge D ichter aus Rjazan* ein wirklicher Dichter ist. U n d die Begeisterung einiger Zeit- genossen für den Stil echter, ,erdhafter‘ Dichtung ist geradezu erstaun- lieh. D er 19jährige S. Esenin erinnert stark an N . Kljuev, d e r wie er ein junger Dichter ,aus dem V olk‘ ist, ebenfalls sehr talentiert, ob- wohl ihre Gedichte ganz verschieden sind . . . Erstaunlich, d a ß trotz des Fehlens unm ittelbarer V erbindung z u r Literatur, tro tz der Anders- artigkeit des Stils Esenin ein echter m o d e r n e r Dichter ist. D e n n er ist — wiewohl ahnungslos — schon ein ,Schilderet (opisatel*), er ,sieht‘ v o r allem, un d das ist nicht seine persönliche Eigenart, sondern die aller modernen Wortschöpfer, D ichter.“20

l n dem Artikel w ird bereits der N a m e erw ähnt, der fü r Esenin in den nächsten J a h re n eine große Rolle spielen sollte: N ikołaj Kljuev.

E r ist ein Bauernsohn aus dem N o rd en , aus dem G ouv. Olonec. 1887 geboren, wächst er in der einsamen, abgelegenen W elt nordrussischer Sektierer auf. Einige J a h re v o r Esenin w ird er fü r die L ite ra tu r ent- deckt, das V o rw o rt zu seinem ersten G edichtband ״ Sosen perezv o n “ (1912) v erfaß t V. Brjusov, der darin das Bild des Dichters a u f ähn- liehe Weise stilisierend festlegt wie Z. Gippius das Bild Esenins.21

Am 24. A pril 1915 schreibt Esenin an Kljuev, der zu dieser Zeit gerade in seiner H e im a t ist: ״ Ich habe Ihre Gedichte gelesen, m it Gorodockij viel über Sie gesprochen u n d m u ß Ihnen nun einfach schreiben. Umso mehr, als w ir beide viel Gemeinsames haben. Ich bin auch ein Bauer und schreibe ebenso wie Sie, n u r in meiner R jazaner Sprache. Meine Gedichte sind in P iter gut aufgenommen w orden . . . Wenn Sie meine Gedichte einmal lesen, schreiben Sie m ir doch kurz etwas über sie. Im H erb st w ird Gorodeckij meinen Band ״ R a d u n ic a “22 herausgeben.“ (V 114).

In dem Brief kom m t zum Ausdruck, was sich indirekt schon vorher andeutete: Esenin scheint sich das E tik e tt ״ krest’ja n in “ (Bauer) zu eigen gemacht zu haben.

Ende A pril 1915 kehrt Esenin nach K onstantinovo zurück und bleibt d o rt bis zum H erbst. Erst dann lernt er in P etrograd Kljuev kennen, wahrscheinlich im Zusam m enhang mit der G rü n d u n g der

20 A r e n s k i j , Rom an: Zemlja i kamen*. — In: Golos žizni 1915, N r. 17.

11 F i l i p p o v , a.a.O., S. 25.

гг Dieser erste Gedichtband Esenins erschien noch 1915 mit der Jahresangabe 1916. Radunica — ״ Totenfeier in der ersten Woche nach O ste rn “ (Pav- lovskij), ״ navij-den’, roditel’skaja, den״ pominovenija usopšich na kiad- bišče, na Fominoj nedele“ usw. (Dal*).

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kurzlebigen Bauerndichtergruppe ״ K ra sa ״ . A ußer ihrem Initiator Gorodeckij gehören ihr die Bauerndichter S. Klyčkov, A. Širjaevec, P. K a rp o v , P. Orešin, der Schriftsteller A. Remizov u. a. an. In sei- nen Erinnerungen an Esenin schreibt Gorodeckij über die G ruppe:

״ N u r einm al traten w ir gemeinsam öffentlich auf, im ,Teniševskoe učilišče‘ — A bend der G ru p p e ,K rasa4. Es sprachen: Remizov, Kljuev, Esenin u n d ich. Esenin rezitierte seine Gedichte, sang außerdem ,častuSki* z u r H a rm o n ik a un d gemeinsam m it Kljuev ,stradanija*. . .23״

Im N o v em b er 1915 v e rlä ß t Esenin Gorodeckij — erst nach fünf Jah re n w erden sie sich wieder begegnen — und schließt sich eng an Kljuev an. Er ist jetzt völlig in dessen Bann und w ird allgemein für einen Schüler Kljuevs gehalten. Im Mai 1916 schreibt der Literar- historiker P. N . Sakulin einen Aufsatz ״ über den gegenwärtigen Z ustand d e r Volksdichtung (narodno-poéticeskoe tvorčestvo)״ . D arin stellt er d e r These vom Verfall des Volksliedes seine These der W and- lung un d Entwicklung neuer Formen gegenüber. In diesem Zusam- menhang behandelt er das Problem der Wechselwirkung von Volks- diditung u n d Literatur. Zwei Dichter, die das Ideal einer fruchtbaren Synthese beider Bereiche verkörpern, sind für ihn Kljuev und Esenin.

N u r kom m t zur begeisterten A ufnahm e ihrer W erke die vereinfa- chende Sicht der Biographie: ״ Sie leben a u f dem Lande und führen einen bäuerlichen H a u s h a lt.24״

U ber Esenin schreibt Sakulin: ״ Kljuev v e rw a n d t ist ein junger zw anzigjähriger Dichter, S. A. Esenin, der gerade sein Büchlein ״ Ra- dunica״ herausgegeben hat. Manchmal scheint es fast, er habe seine eigene Sprache noch nicht gefunden und singe nicht selten, wie es ihm sein reiferer Bruder eingibt.26״ Den schon erw ähnten ersten Gedicht- band Esenins hatte Gorodeckij noch v o r ihrer Trennung im W inter

1915 herausgebracht. Die hier von Sakulin formulierte Rolle des jün- geren Bruders, von Esenin zuerst widerspruchslos hingenommen, wird bald zum Keim ihres Zerwürfnisses und seines ״ Abfal l s2.״ ® Aber 1916 sind Kljuev und Esenin noch gemeinsam ״ beliebte Gäste in den Pe­

23 F i l i p p o v , a.a.O., S. 46.

24 S a k u l i n , N . P.: N arodnyj zlatocvct. — In: Vestnik Evropy 1916, N r. 5, S. 200.

*5 S a k u l i n , a.a.O., S. 204.

26 Vgl. das Gedicht ״O Rus״, vzmachni krylam i . . .*״ (I 290 ff.) und I. Ro- zanovs Kommentar dazu: ״ Êtom u stichotvoreniju očen* povezlo: ego Často citirovali pri charakteristike Esenina, a sam on uže otkazyvactsja ot takoj cepi“ (Rozanov, a.a.O., S. 85).

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tersburger und Moskauer literarischen Salons, . . . im H ause der Me- režkovskijs, bei Vjačeslav Ivanov, in verschiedenen Klöstern der H a u p ts ta d t und bei den zukünftigen linken Sozialrevolutionären27.״

D er K ritik e r I. R ozanov berichtet von einem dieser literarischen Abende, an denen Esenin gemeinsam mit Kljuev auftrat, — ein bild- hübscher, stilvoll gekleideter ״ Bauernjunge״ , der bei den Zuhörern n u r die extremen Reaktionen heftiger Zuneigung oder Ablehnung hervorrief.28 An diesem Abend las Esenin u. a. seine Tiergedichte:

״ Es scheint, d a ß zum erstenmal in der russischen L iteratu r ein Dichter der T rau e r einer K u h A ufm erksam keit verschafft hat t e. 2״ ® Im übrigen kritisiert R ozanov die M askerade der beiden Dichter, die vom Publi- kum aber begeistert aufgenommen wurde.

1916 ist Esenin auch häufig bei Michail Kovalev, dem ״ N effen einer hochgestellten Persönlichkeit״ , der später unter dem Pseudonym R. Ivnev als Imaginist bekannt werden w ird .30 D e r Dichter G. Iv a- nov, der ihn als engen Freund Esenins bezeichnet, macht ihn und Kljuev nahezu verantwortlich fü r Esenins spätere A nnäherung an die Bolschewiken.31

Die Einberufung z u r Armee kann Esenin bis 1916 umgehen, dann w ird er in die sogenannte Kriegsbeutekommission (trofejnaja kom- missija) beordert, in der die Schriftsteller, M aler un d Musiker Kriegs- dienst leisten mußten. Esenin kom m t nicht an die Front, sondern als Rotkreuzhelfer nach Carskoe Selo. D o r t w ird er auf die Empfehlung des A djutanten Loman hin einmal der Z arin vorgestellt und liest ihr seine Gedichte vor.32

H ie r lernt Esenin durch die V erm ittlung Kljuevs den Literaten und Publizisten Iv a n o v -R az u m n ik 33 kennen, unter dessen Führung sich 1917 die G ru p p e ״ Skify“ um den gleichnamigen Almanach bildete.

Es w a r ein halb literarisch, halb politisch orientierter Kreis, dessen Mitglieder zum Teil der Partei der Sozialrevolutionäre angehörten oder — wie Iv a n o v -R az u m n ik — mit ihr sympathisierten.34

27 F i l i p p o v , a.a.O., S. 54.

28 R o z a n o v , a.a.O., S. 76.

29 R o z a n o v , a.a.O., S. 77.

30 F i l i p p o v , a.a.O., S. 54.

31 I v a n o v , Georgij: Esenin. — In: Sergej Esenin: Stichotvorenija 1910—

1925. Pariž o. J., S. 8.

32 Autobiographie von 1923(?) (V 13).

33 Pseudonym für Razum nik Vasil’evič Ivanov (1878— 1946).

34 R a d к е у, О. N .: T h e A grarian Foes of Bolshevism. Promise and Default of the Russian Socialist Revolutionaries 1917. New Y ork 1958, S. 195.

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Bestimmt bildete sich die Sprache religiöser Symbolik fü r die Revo- lution bei Esenin auch u n te r dem Einfluß dieses Kreises und der in ihm herrschenden Stimmung, die sich allgemein religiös-pathetisch äußerte. D ie W urzeln dieser Ausdrucksweise liegen aber doch wesent- lieh tiefer. W ir verweisen hier n u r auf einen ״ Flügel“ des Symbolis- mus, den Kreis um Merežkovskij, aus dem bald nach der J ah rh u n d e rt- wende die ״ Religiös-philosophische Gesellschaft“ entstand. H ie r ״ ver- einigten sich die ,Gottsucher4 (bogoiskateli) unter den symbolistischen Dichtern . . . mit den ehemaligen ,legalen M arxisten4“ .36 F ür sie ist religiöses Pathos noch keine Metaphernsprache, sondern Ausdruck einer — w enn auch n u r subjektiven — geistigen Wirklichkeit. D a ß schließlich die Revolution selbst als ein religiöses un d eschatologisches Ereignis e rw arte t und bei ihrem Ausbruch von vielen so empfunden wurde, 1st inzwischen zu einem Gem einplatz geworden.

Die Februarrevolution erlebt Esenin teilweise in P etrograd: ״ W äh- rend der Revolution verließ ich eigenmächtig die Kerenskij-Armee un d war, eine Zeitlang als Deserteur geltend, M itarbeiter der Sozial- revolutionäre, nicht als Mitglied der Partei, sondern als Dichter.“37 Was er in der autobiographischen Skizze von 1925 über sein Verhält- nis z u r O ktoberrevolution sagt, gilt wohl ebenso für die Februarrevo- lution: er ״ nahm sie a u f seine Weise, aus der Perspektive des Bauern (s krest’janskim ukłonom) a n “ .38

Im Kreis um Iv a n o v -R az u m n ik gilt Esenin schon länger als der Führer der ״ volksverbundenen Bauerndichtung“ .3® U n d wie v o r allem aus seinem 1918 entstandenen Aufsatz ״ Ključi M arii“ (V 27 ff.) her- vorgeht, erw artet er von der R evolution eine echte Erneuerung der bäuerlichen Kultur. Esenin . . . ״ träum te im G ru n d e n u r davon, im Gefolge der Revolution die ursprüngliche, altrussische K u ltu r zu neuem Leben zu erwecken.“40 Rozanov, von dem diese Aussage

33 R o z a n o v , a.a.O., S. 79.

36 S t ö к 1, G ünther: Russische Geschichte. S tuttgart 1962, S. 623.

87 Autobiographie von 1923(?) (V 13).

38 Autobiographie von 1925 (V 22).

39 B l a g o j , D.: M ateriały к charakteristike Sergeja Esenina. — In: Kras naja N o v 1926 ״, N r. 2, S. 200.

40 R o z a n o v , a.a.O., S. 90.

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stam m t, verschiebt den A kzent vom ״ Bäuerlichen“ a u f das allgemei- nere ״ Altrussische41.״

D en Sommer 1917 verbringt Esenin in der H e im a t un d kehrt im H e r b s t nach Petrograd zurück. Schon in diesem J a h r zerbricht die

״ literarische Ehe“ mit Kljuev. In einem Brief an Iv a n o v -R a z u m n ik vom J a n u a r 1918 finden w ir die erste kritische Ä u ß eru n g Esenins über Gedichte Kljuevs und dessen A postrophierung als ״ ersten tiefgründi- gen Volks-Dichter“ (pervyj glubinnyj n a rodn yj poèt). So hatte Iv a n o v -R a z u m n ik Kljuev in dem A ufsatz ״ Poéty i revoljucija“42 genannt, bei der E rw äh n u n g Esenins dagegen betont, d a ß jener noch sehr jung sei und seine Entwicklung erst begonnen habe.

A ber Esenins literarisches Geltungsbedürfnis ist m it seinem Selbst- bewußtsein gewachsen und w ird jedesmal empfindlich getroffen, wenn die K ritik e r nach alter G ew ohnheit ״ Esenin als ,den jüngeren Bruder K ljuevs‘ preisen“.43

Kljuev, der noch im ersten Band der ״ S k ify “44 über ein Gedicht eine überschwengliche W idm ung an Esenin setzte, schreibt sich nun seine T ra u e r über die T rennung von der Seele:

״ Belyj cvet-Sereza, S Kitovrasom schožij, Razljubil moj skaz!“45 Die helle Blume Sereia, Dic dem K itovras gleicht,

Liebt meine Erzählung nicht mehr.

U n d Esenin, der ihm im zweiten Band des Almanachs m it dem freien L erm ontovzitat ״ J a verju: pod odnoj zvezdoj/ S toboj my byli ro z d e n y “ (Ich glaube: unter einem Stern / Geboren beide, du und ich)46 geantw ortet hatte, schreibt 1918 das Gedicht:

״ T eper’ ljubov’ moja ne ta . . (II 76) Doch meine Liebe ist nicht mehr . . .

%

Dieses m erkw ürdige literarische Zwiegespräch zieht sich noch lange hin, fragmentarisch, in Andeutungen, bis 1922 die Veröffentlichung

41 Vgl. auch den Brief Esenins an den mit ihm befreundeten Bauerndichter A. Širjacvec vom 24. Juni 1917 (V 126 ff.).

4* I v a n o v - R a z u m n i k : Poéty i revoljucija. — In : Skify. Sbornik 2-j. Petrograd 1918, S. 1.

43 M a r i e n g o f , Anatolij: Roman bcz v ran ’a. L. 1928 (2. Auflage), S. 21.

44 Skify. Sbornik 1-j. Petrograd 1917, S. 105.

45 K l j u e v , Sobr. soČ. Bd. I, S. 329.

« Skify II, S. 178.

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v o n Kljuevs ״ C etvertyj R im “47, einer polemischen und bösen P a r a - phrasierung der ״ Ispoved’ chuligana“ (II 85 ff.) von Esenin, den Bruch besiegelt.

A ber die brieflichen Ä ußerungen Esenins über Kljuev nach ihrer T re n n u n g zeugen von der gleichen U nfähigkeit zur O bjektivität, wie er ü b e rh au p t seinen dichtenden Zeitgenossen keine Gerechtigkeit wi- d erfahren lassen konnte, ob sie nun Blok, Kljuev o der M ajakovskij hießen.

Im F rü h ja h r 1918 siedelt Esenin nach Moskau über. D o rt nähert er sich in der ersten Zeit dem neugegründeten ״ P ro le tk u lt“, einer O rganisation z u r H eb u n g der Arbeiterbildung und z u r Förderung d e r spezifisch proletarischen Literatur. Zu den M itarbeitern gehören in den ersten J a h re n nach der Revolution so prom inente Schriftsteller wie A. Belyj, V. Brjusov, N . Gumilev und E. Zam jatin. In Moskau befreundet sich Esenin m it dem Dichter Sergej Klyčkov, den er schon in P etro g rad im Kreise der ״ Bauerndichter“ kennengelernt hat. I. R o- zan o v überliefert, d a ß beide sogar eine neue literarische G ru p p e grün- den wollten. ״ D am als schrieb ich ,Ključi M arii‘ und wollte mich ge- meinsam mit ihm (K lyčkov) als A nhänger einer neuen Richtung, des

»Aggelismus* mit zwei g, nicht ,Angelismus‘, ausgeben. A ber dann ge- standen w ir uns ein, d a ß weder Idee noch Bezeichnung glücklich ge- w ä h lt waren, und die Sache verlief im Sande.“48 Die einzige S p u r jener Pläne, die sich erhalten hat, ist die Bezeichnung ״ angeliceskij o b ra z “ (Engelsbild) in der Bildtheorie Esenins, wiewohl nun doch n u r m it einem g!40

S ta tt dessen kom m t es im W inter 1918/19 zur Begründung des

״ Imaginismus“ . Schon im Sommer h a t Esenin den Dichter A. M a - riengof, der unter den Literaten noch ganz unbekannt ist, und ein wenig später den ehemaligen Futuristen V, Seršenevič kennengelernt.

In langen D ebatten, mehr oder weniger ernstgemeinten und ernstzu- nehmenden Diskussionen beschließt man, eine neue literarische Schule zu gründen, die ״ die W eltrevolution des Geistes“50 einleiten soll, aus- gehend von einer ״ R evolution“ der künstlerischen Methode.51 I h r Schlagwort ist das dichterische Bild, ״ das Bild, n u r noch das Bild. D as

47 K l j u e v , Sobr. soč. Bd. II, S. 85ff.

48 R o z a n o v , I.: Esenin о sebe i drugich. М. 1926, S. 17.

*9 s s. 42 f.

50 S e r š e n e v i č , Vadim : 2 X 2 = 5. M. 1920, S. 17.

51 S e r š e n e v i č , a.a.O., S. 4.

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Bild — stufenweise ansteigend vo n Analogien und Parallelismen zu Vergleichen, A ntithesen, k o m p rim ierten und offenen E pitheta . . .“52 So heißt es in ihrem M anifest, das am 30. J a n u a r 1919 veröffentlicht w ird, unterzeichnet vo n den D ichtern S. Esenin, R. Ivnev, A. M a- riengof, V. Šerženevič un d den M alern N . E rd m an und G. Jakulov.

D ie A nregung z u r Bezeichnung ״ Imaginismus“ stammte, wie Esenin auch in einem Brief e r w ä h n t53, aus dem im Almanach ״ Strelec“ (1915) abgedruckten A u fsa tz ״ Anglijskie fu tu risty “ von Z. Vengerova. Sie e n tw irft d a rin ein flüchtiges Bild d e r Dichtergruppe um E zra Pound, den sie w ä h re n d einer E nglandreise kennenlernte, und gibt eine kurze D arste llu n g seines literarischen Program m s. Dabei zitiert sie eine Aus- sage Pounds: ״ W ir sind ,V ortizisten4 und in der Dichtung ,Imagisten4 (imazisty). Unsere A ufgabe k o n z e n trie rt sich auf Bilder, die das U r- element der D ichtung darstellen, ih r Pigment, das, was in sich alle Möglichkeiten, alle Folgerungen un d Beziehungen enthält, was aber noch nicht in einem bestim m ten Verhältnis, einem Vergleich Gestalt angenom m en h a t un d dadurch noch nicht erstarrt ist.“54 D e r Begriff

״ V o rtizisten “ (von engl, vortex, Wirbel, Strudel) bezieht sich, was hier nicht zum Ausdruck k o m m t, a u f die bildende Kunst. D e r ״ Vor- tizismus“ ließe sich zunächst als ״ Übersetzung der imagistischen G ru n d s ä tz e in die Sprache d e r M alerei un d P lastik“55 definieren. Das

״ image“ selbst ist fü r P o u n d — vo n ihm stam m t übrigens die Bezeich- nung ״ imagism“56 — ״ etwas, das einen intellektuellen und emotio- nalen K om plex in n erh alb eines Augenblicks d arstellt“.57 Deutlicher als die psychologische Definition Pounds ist folgende Umschreibung der ״ Lehre vom ,reinen B ild4. K eine der Schattierungen, die das Bild barg, d u rfte durch schwache A djek tiv e oder überflüssige Vergleiche verflüchtigt w erden. Alle h in zu tre ten d e n Emotionen, alle intellek- tuellen E rw ägun gen sollten ausgeschieden bleiben“.58

Wie diese k u rz e Gegenüberstellung der Begriffe andeuten sollte, ließen die Russen sich hauptsächlich vom N am en inspirieren, ohne sich 52 D eklaracija (V 221).

55 Brief an Iv an o v -R a zu m n ik vom Mai 1921 (?) (V 150).

M V e n g e r o v a , Z in aid a: Anglijskie futuristy. — In: Strelec. Sbornik pervyj. P etro g rad 1915, S. 93.

55 H e s s e , E va: E zra Pound. — In E zra P o u n d : Dichtung und Prosa.

Berlin 1956, S. 153.

se H u g h e s , G lenn: Imagism and the Imagists. N ew York 1960 (repr.), S. 12.

57 P o u n d , a.a.O., S. 144.

M P o u n d , a.a.O., S. 152 f.

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wirklich mit Pounds K onzeption auseinanderzusetzen. D ie D arstel- lung Z. Vengerovas h ä tte auch kaum als G r u n d la g e einer Theorie genügt.

D as M anifest hatte provozierend ״ das A b le b en “ des zehnjährigen Futurism us verkündigt un d die Im aginisten zu seinen Erben erklärt.

N u n beginnt der K a m p f der Erben m it dem keineswegs toten F u tu - rismus um die G unst des Publikums. H a u p t q u a r t i e r der Imaginisten w ir d das C afé ״ Stoilo Pegasa“ a u f der T v e rsk aja ; au ß erd em gehören ihnen zwei Buchläden. Diese Läden haben z w a r keinen großen U m - satz, sind aber sehr beliebt als T r e ffp u n k te von Literaten un d Dichtern.

Solche improvisierten Buchhandlungen w a re n ein Ausdruck für die Selbsthilfe der Schriftsteller, die wie die übrige B evölkerung in jenen J a h re n ein armseliges Leben führten. Sie gehörten literarischen oder politischen Organisationen, da P riv atp e rso n en keine Konzession be- kamen. Besonders schwierig w a r es, die D ruckerlaubnis fü r Bücher zu erh alten ; sie m ußte vom Staatsverlag (G osizdat) und von d e r Kriegs- Zensurbehörde erteilt werden. T ro tz d e m gelang es den Imaginisten — w enn auch manchmal nur durch eine List — , ihre kleinen Gedicht- b än d e zu publizieren.59

In diesen Jahren lebt Escnin m it M arien g o f zusammen, arbeitet gemeinsam mit ihm, w ird endgültig b e k a n n t durch öffentliche Dichter- lesungen, durch literarische und a n d ere Skandale. Seine ״ skythische“

Begeisterung für die R evolution weicht einer tiefen Skepsis; er will z w a r noch der ״ allerbeste D ichter“60 R u ß lan d s, aber nicht m ehr der

״ P r o p h e t “ des Bauernparadieses sein. N u r seine politische Ahnungs- losigkeit ist die gleiche geblieben, obw ohl er 1919 sogar den A n tra g stellt, in die Kommunistische Partei aufgenom m en zu w erden. Dieser A n tra g w ird allerdings abgelehnt.

Zu seiner H a ltu n g bemerkt F. de G r a a f richtig: ״ W ä re Esenin ganz ehrlich und konsequent in seinen Anschauungen gewesen, h ä tte er in den Jahren 1920— 1923 K o n te rre v o lu tio n ä r w erden müssen.“61

Als ״ lyrisches Ich“ flüchtet Esenin nun in die H a l t u n g des ״ C huli- g a n “, v eranlaßt auch vom spektakulären E rfolg des gleichnamigen Gedichts (II 99), dem in kurzer Zeit ״ Ispoved* chuligana“ (II 101)

59 Š e r Š e n c v i Č , Vadim: O druge. — In : Escnin — žizn ״, liČnost״, tv o r- čestvo, S. 56.

e0 Siehe das Gedicht ״ Ispoved* chuligana“ (II 101 ff.).

e1 de G r a a f, a.a.O., S. 31.

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folgt.®2 F. de G r a a f charakterisiert das Bild des ״ chuligan“ als ״ Syn- these aus dem ,Imaginisten‘, dem extravaganten D a n d y un d dem et-

was groben, aber lyrischen Bauern, der er immer geblieben ist“ .®3 D er Imaginist und der D a n d y — das sind vorübergehende Mode- haltungen, wesentlicher ist das Element des Bäuerlichen, in dem sich die neue H a ltu n g Esenins zeigt, eine H altu n g , die im allgemeinen in die Jah re nach der großen Auslandsreise verlegt w ird, deren Ansatz sich — als N egation — aber schon jetzt abzeichnet. Esenin hat z w a r erkannt, d a ß die W elt des bäuerlichen, alten R ußlands zum U nter- gang verurteilt ist — aus welchen G ründen auch immer — , und die Verherrlichung des ״ m u ž ik ״ und ״ pachar’“®4 w ird nun von der nüch- ternen Anrede abgelöst:

״ Bednye, bednye krest’jane!

Vy, navernoe, stali nekrasivymi,

T a k že boites* boga i bolotnych n e d r.“M

E r fühlt sich aber dieser Welt zugehörig, d aher hat er allein das Recht, sie und ihren U ntergang zu besingen:

״ Rus* moja, derevjannaja Rus״!

J a odin tvoj pevec i glašataj.“®6

Ende 1921 taucht in Moskau die berühm te B arfu ß tän zerin Isadora D uncan auf, die hier auf die Einladung des Volkskommissars für Bil- dungswesen A. Lunačarskij hin eine Tanzschule einrichten wollte. Im Atelier des Malers Jak u lo v lernt Esenin sie kennen; d a m it beginnt die Liebesgeschichte der alternden, aber immer noch anziehenden Tänze- rin und des viel jüngeren ״ blauäugigen, blondlockigen“ Russen. D er Klatsch blüht, und nicht ohne G rund. Ein solches Verhältnis zweier dermaßen verschiedener Menschen, dazu noch kom pliziert durch Sprachschwierigkeiten, w a r notwendig heftigen Schwankungen aus- gesetzt. Bestimmt ist es falsch, I. D uncan allein die Schuld am ״ U n- tergang“ des Dichters zuzuschieben. Ähnlich wie Zelinskij u. a. wird Erenburg in seinen Memoiren dieser Frau gerechter als ihre sitten- strengen Ankläger: ״ In Berlin tr a f ich ihn (Esenin) ö fte r mit Isadora

вг M a r i e n g o f , a.a.O., S. 64.

63 de G r a a f , a.a.O., S. 33.

u Siehe die Gedichte I 243 f. und I 273 ff.

65 Ih r armen, armen Bauern!

Sicher seid ihr unansehnlich geworden,

Fürchtet noch immer G o tt und die einsamen Sümpfe (II 102).

ee Mein Rußland, mein hölzernes Rußland!

Ich allein bin dein Sänger und V erkünder (II 99).

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D uncan. Sie verstand, d a ß er es sehr schwer hatte, wollte ihm helfen und k o n n te es nicht. Sie w a r fast doppelt so alt wie Esenin, besaß nicht nur ihre große Begabung, sondern auch Menschlichkeit, Zärtlichkeit und T aktgefühl. Er w a r ein heimatloser Zigeuner, und am meisten fürchtete er Seßhaftigkeit des H erzens.“67

Nach dem Scheitern ihrer Moskauer Pläne kehrt I. D uncan nach W esteuropa zurück, heiratet vorher Esenin, der schon 1918 nach ein- jähriger Ehe seine Frau Zinaida Rajch verlassen hat, und nimmt ihn mit sich. D e r Abschied von Moskau bedeutet auch die tatsächliche Auflösung der G ru p p e der Imaginisten. Die formelle w ird erst 1924 bekanntgegeben. D er bisher noch nicht erw ähnte Dichter A. Kusikov, mit dem Esenin sehr befreundet war, emigriert nach Berlin, šeršenevič geht zum Theater, und Esenin will ״ W esteuropa zeigen, was ein rus- sischer Dichter ist“.68

W enn Esenin wirklich die Absicht gehabt hat, sich und seine dich- tenden Freunde im Westen bekanntzumachen, so zweifelt er bald am Erfolg und schreibt resigniert an M ariengof: ״ In Moskau mein- ten wir, d a ß E uropa der größte A bsatzm arkt für unsere Ideen sei, aber von hier aus sehe ich erst: Mein G ott, wie herrlich und reich ist Ruß- land in dieser Beziehung. Solch ein Land gibt es bestimmt nicht noch einmal und — kann es auch nicht geben.“69

D er Ausschnitt zeigt die ganze Enttäuschung des jungen literari- sehen ״ Welteroberers“, seine subjektive Verkennung des Westens und das H eim w eh nach dem geliebten R ußland. U nd dieses Heimweh läßt ihn nicht z u r Ruhe kommen, läßt ihn anscheinend blind durch Europa reisen, läßt ihn alkoholsüchtig werden und sich in Skandale und Aus- einandersetzungen mit russischen Emigranten verwickeln, die er in Berlin und Paris trifft. Eine der wenigen erfreulichen Begegnungen ist die mit M. G o r ’kij, zuerst in Berlin, später in Italien, wo G o r’kij ihn sehr herzlich aufnimmt.

Nachdem I. D uncan mit Esenin durch halb E uropa gereist ist, er auf diese Weise Deutschland, Belgien, Frankreich und Italien gesehen hat, schiffen sie sich nach den Vereinigten Staaten ein, wo sie von Okt. 1922 bis zum Febr. 1923 das gleiche W anderleben führen, Esenin immer im Gefolge der berühmten Tänzerin. Im Frühjahr 1923 kehren

*7 E r e n b u r g , ITja: Ljudi, gody, žizn*. M. 1961, S. 587 f.

e8 S c r š e n e v i č , О druge, S. 59.

69 Brief aus Ostende vom 9. Juli 1922 (?) (V 160).

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sie nach Paris zurück; in diese Zeit fällt der erste A u fe n th alt Esenins in einer N ervenheilanstalt, der seine durch das unregelmäßige Leben u n d den Alkohol zerrüttete Gesundheit wiederherstellen soll. A b er

״ Is a d o ra w ußte sehr wohl, d a ß die einzige Möglichkeit völliger H e i- lung fü r Sergej seine Rückkehr nach R u ß la n d sein wü r d e 70.״ D a h e r k e h rt Esenin im August 1923 nach Moskau zurück.

O b w o h l Esenin ״ durch ganz E uropa und A m erika jagte un d über- h a u p t nichts w a h r n a h m71״ , bedeutet diese Reise in mancher Hinsicht einen entscheidenden Einschnitt für ihn. D en T ra u m vom bäuerlichen, patriarchalischen R u ß lan d , den die Entwicklung der R evolution im G r u n d e schon zerstört hatte, begräbt er endgültig angesichts d e r in- dustrialisierten Zivilisation des Westens un d erkennt die N o tw e n - digkeit einer gleichen Entwicklung fü r R u ß lan d , obwohl voller Re- signation fü r sich selbst:

D u Felderrußland! H ö r auf,

Den H akenpflug über die Äcker zu schleppen!

Dein Elend zu sehen schmerzt Sogar Birken und Pappeln.

Ich weiß nicht, was aus m ir werden w ird . . . Vielleicht tauge ich nicht für das neue Leben, U n d dodi möcht ich als stählernes sehen Mein armes, elendes R u ß lan d .72

N ach seiner Rückkehr in die H e im a t tre n n t Esenin sich nicht nur von Imaginisten und Bauerndichtem, sondern entdeckt auch, d a ß die Zeit seiner Abwesenheit ihn vom Publikum isoliert hat, d a ß die K ri- tik er dem verw öhnten Liebling des Ruhms nicht m ehr stillschweigend seine gesellschaftlichen Sünden verzeihen.

Esenin befreundet sich z w a r jetzt mit einigen K om m unisten73, macht im H erbst 1923 die Bekanntschaft von A. Voronskij, einem R e d a k te u r der Monatszeitschrift ״ K rasnaja no v ’״ un d w ird freier M itarbeiter dieser Zeitschrift. Voronskij berichtet in seinen E rin n e ־

70 de G r a a f , a.a.O., S. 43.

71 E r e n b u r g , a.a.O., S. 583. — Vgl. die Aussage Voronskijs: ״On byl na- cionalen i umel pisat״ tol’ko о rossijskom. N edarom poezdka v Evropu i v A m eriku prošla bessledno dlia poòtiíeskogo tvorčestva Esenina.“ — V o r o n s k i j , A.: O b otošeašem. — In: Sergej Esenin: Sobranie sti- chotvorenij. Tom I— IV. M.-L. 1926— 1927. Bd. I, S. X V II.

72 Siehe das Gedicht ״ N eujutnaja židkaja lunnost״ . . (III 68 f.).

73 Ein typisches Beispiel d afür ist der Journalist N . Veržbickij. Vgl. seine Erinnerungen an Esenin: Vstreči s Sergeem Eseninym. — In: Zvezda 1958, N r. 2.

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rungen a n Esenin von ihrem ersten Gespräch und zitiert folgenden Ausspruch Esenins, der f ü r seine H a ltu n g dieser J a h re bezeichnend ist: ״ W ir werden m iteinander arbeiten un d uns befreunden. N u r be- d enken Sie eins: ich weiß, Sie sind Kommunist. Ich bin auch fü r die Sowjetmacht, aber ich liebe R u ß la n d (Rus’). Ich liebe es auf meine Weise. E inen M aulkorb lasse ich m ir nicht anlegen, und nach Ih re r Pfeife w e rd e ich auch nicht tanzen. Das gibt es nicht.“74

Im G r u n d e künstlerisch un d menschlich heimatlos, setzt Esenin das im A usland begonnene W anderleben in der H eim at fort. Im H e rb s t 1924 ist er in Tiflis, um die Jahreswende in Batum am Schwarzen Meer. Z w eim al reist er nach Baku. Eine Reise nach Persien, die w ohl m ehrm als geplant war, w ird aber nicht verwirklicht.75

Im J u n i 1925 macht d e r Staatsverlag Esenin den Vorschlag, seine Gesam m elten W erke herauszugeben. Bisher w aren Esenins Gedichte immer n u r in Einzelausgaben erschienen, bis auf zwei etwas um fang- reichere Auswahlausgaben. Ein V ertrag mit fü r Esenin sehr günstigen Bedingungen wird abgeschlossen, von Esenins Seite aber nachlässig eingehalten. Wieder unterbrechen Reisen die Vorbereitung der Aus- gäbe, an d e r übrigens die dritte Frau Esenins, S. A. Tolstaja, regen Anteil nim m t. Er hat die Enkelin L. Tolstojs im Frühsommer 1925 kennengelernt70 und im September geheiratet.77 Ein letzter Versuch, seßhaft zu werden!

Im N o v e m b e r muß Esenin sich einem Sanatorium saufenthalt u n te r- ziehen, dessen H in te rg rü n d e u n k la r sind. E r leidet unter H a llu z in a - tionen, vielleicht sogar an Verfolgungswahn.78 Erst um den 20. D e- zem ber w ird er aus dem Sanatorium entlassen, v e rläß t kurz d a r a u f Moskau, um Freunde in Leningrad zu besuchen. Die Angaben über seine persönlichen Absichten bei dieser Reise sind widersprüchlich;

man weiß nicht, ob Esenin n u r vorübergehend in Leningrad bleiben oder d o rt für längere Zeit arbeiten wollte. Er q uartiert sich im H otel

״ A ngleterre“ ein, wo z u r gleichen Zeit der mit ihm schon seit 1918 74 V о г о n s к i j, A.: Pam jati о Esenine. — In: K rasnaja N o v 1926 ״, Nr . 2,

S: 208־.

75 Ein strittiger Punkt in der Biographie Esenins war lange die Frage, ob Esenin jemals in Persien gewesen ist. Vgl. seine eigene irreführende Aus- sage in der Autobiographie von 1923 (?) (V 13). Inzwischen steht fest, d aß Esenin diese Reise nie gemacht hat. Vgl. V 229 f.

7• d e G r a a f , a.a.O., S. 50.

77 Siche die Anmerkung zu dem Brief N r. 105 (V 380).

78 de G r a a f , a.a.O., S. 52 f.

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b e k a n n te J o u rn a list G. U stin o v m it seiner F rau w o h n t. S ogar ein T reffen m it K ljuev k o m m t zustande, bei dem Esenin Gedichte vor- liest, die Kljuev angeblich m it den W o rten q u ittiert: ״ G u te Gedichte, Sereža, sehr gute sogar! W enn m a n sie sammelte u n d als Goldschnitt- ausgabe herausbrächte, w ären sie eine w u n d erb are Nachttischlektüre fü r empfindsame Seelen. 7״ ®

Am 27. D ezem b er übergibt Esenin beim Abschied seinem Freunde V. Erlich das (mit seinem eigenen B lut geschriebene) b e rü h m t gewor- dene Gedicht ״ D o s v id a n ’ja, d ru g m o j״ mit der Bitte, es später, wenn er allein sei, zu lesen. Als E rg ä n z u n g zu dieser E pisode berichtet die F rau Ustinovs, Esenin sei am M orgen desselben Tages zu ihr gekom- men un d habe sich beschwert, d a ß keine T inte im H o te lz im m e r gewe- sen sei; d a r a u f habe er sich die P u lsa d er der linken H a n d aufschnei- den müssen, um schreiben zu k ö n n e n .80 Aber Erlich erin n ert sich erst an den Zettel m it dem Gedicht, als es schon zu sp ät ist. Esenin hat sich in d e r N ac h t vom 27. a u f den 28. D ezem ber in seinem H otel- zim m er erhängt.

D er Selbstmord b rin g t dem toten Dichter noch einmal den Ruhm, d e r ihn in den letzten J a h re n im Stich gelassen hatte. E r lä ß t aber auch, heftiger als zu Lebzeiten Esenins, die Polem ik fü r un d w ider den Dichter d e r ״ M oskva k a b ac k aja ״ , des K neip en ru ß lan d s, auf- flammen.

U n d plötzlich erin n ert m an sich d a ra n , daß Esenin schon 1915 ge- schrieben habe:

Am grünen A bend u n term Fenster

W erde ich mich an meinem Ärmel a u fh än g e n .81

M an sucht G rü n d e fü r den Selbstmord, man versucht, die Epoche, das soziale Milieu, die literarische Bohème, die K om m unisten da f ür ver- antw ortlich zu machen.

Erst E renburg h a t es gew agt, die ״ Tragödie Esenins“ nicht von außen zu begründen, sondern vo n seinem Wesen her zu deuten und das U nerklärliche a u f sich beruhen zu lassen: ״ Ich habe o f t gelesen, 78 U s t i n o v , G.: Moi vospom inaniia ob Escnine. — In: S. A. Esenin.

Vospominanija. Pod red. I. V. E vaokim ova. M.-L. 1926, S. 164.

8 0 U s t i n o v a , E.: C etyre d n ja Sergeja A lcksandroviča Esenina. — In:

S. A. Esenin. V ospom inanija, S. 236.

81 Vgl. das Gedicht ״ U stal ja iit* v rodnom kraju . . . “ (I 200 f.) und K r u i e n y c h , A.: C ernaja tajn a Esenina. M. 1926.

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d a ß Esenins T ra g ö d ie in seinem K onflikt m it d e r Epoche bestanden habe. M einer M einung nach ist das nicht d e r G r u n d 82 . . . Esenin w a r vor allem Dichter; historische Ereignisse, Liebe, Freundschaft — alles tr a t fü r ihn in den H in te rg ru n d angesichts d e r D ichtung.“83

Ein ausführliches Verzeichnis der Gedichtausgaben, die zu Lebzeiten des Dichters erschienen sind, befindet sich im fünften B and der neuen Gesamtausgabe (S. 403 ff.). W ir nennen hier n u r die wichtigsten Titel und das J a h r ih rer Ersterscheinung:

1916 (erschienen schon 1915) — R a d u n ic a

— G o lu b e n ’

— P reobraženie

— Sel’skij časoslov

— T rerja d n ic a

— Triptich

— Isp o v ed ’ chuligana

— Iz b ra n n o e

— Sobranie stichov i poém

— Stichi skandalista

— M o sk v a kabackaja

— Stichi (1920— 1924)

— R us' sovetskaja

— S tra n a sovetskaja

— Berezovyj sitec

— О Rossii i revoljucii

— Persidskie m otivy

Die erste umfassende Ausgabe d e r W erke Esenins erschien 1926—

1927 in Moskau im ״ S taa tsv e rla g “ . Sie w u rd e von Esenin zum Teil noch selbst vorbereitet. Es w a r geplant, eine A uswahl des Werkes in drei Bänden herauszugeben, dessen E inteilung in lyrische Gedichte, kleine Poeme und große Poeme Esenin vorgeschlagen hatte. Nach dem Tode Esenins w urden die drei B ände seiner A n o rd n u n g gemäß ge- druckt, aber um einen vierten Band ergänzt, der die ausgeschlossenen Teile des Werks (L yrik und Prosa) enthielt. In diesem B and finden wir außer den V arianten zu einzelnen Gedichten eine ausführliche 1918

1918 1918 1920

1920 (erschienen in Berlin) 1921

1922

1922 (erschienen in Berlin) 1923 (erschienen in Berlin) 1924

1924 1925 1925 1925 1925 1925

8׳ E r e n b u r g , a.a.O., S. 582.

83 E r e n b u r g , a.a.O ., S. 584.

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Bibliographie der meist in A ufsatzform erschienenen S e k u n d ä rlite ra tu r bis 1927.

D ie zweite, bisher vollständigste Ausgabe in fünf Bänden ist 1960—

1961 im ״ Staatsverlag für Schöne L ite ra tu r“ erschienen. In dieser Ausgabe sind die Gedichte und kleinen Poeme, das M aterial unserer A rbeit, rein chronologisch angeordnet. D er fünfte Band e n th ä lt neben einer Reihe von bisher n u r verstreut erschienenen A rtikeln u n d Auf- sätzen Esenins eine Sammlung seiner zum Teil v orh er nicht veröffent- lichten Briefe. Außerdem finden w ir in diesem B and als Beilage das wichtigste theoretische M aterial (Manifeste usw.) zum Imaginismus.

D ie Geschichte der Eseninkritik und -forschung w ü rd e allein schon ein ganzes Buch füllen und ergäbe in ihrer Analyse ein interessantes Spiegelbild der Entwicklung der russischen L ite ra tu rk ritik von 1920— 1960. Aus der Fülle des in seinem W ert unterschiedlichen Ma- terials können w ir daher n u r einige Beispiele und N a m e n anführen.

G o r ’kij w a r nicht der einzige Dichter, den Esenin zu einer Ä uße- rung, sei sie begeistert zustimmend oder kritisch abw ertend, heraus- forderte. Aber sein U rteil über Esenin — er hat es nach dessen Tode 1926 veröffentlicht — ist eines der berühmtesten und meistzitierten:

״ Nach dem V ortrag dieser Verse dachte m an unwillkürlich, d a ß Esenin nicht so sehr ein Mensch als ein O rg a n ist, das die N a t u r allein für die Dichtung geschaffen hat, um dam it die unerschöpfliche ״ Schwermut der F eld er“ auszudrücken, die Liebe zu allem Lebendigen a u f der Welt un d das Mitleid, das — m ehr als alles andere — die W ü rd e des Men- sehen ausmacht.“84

Was bei diesem Z itat n u r häufig nicht berücksichtigt w ird, um die Absolutheit der Aussage zu suggerieren, ist sein Anfang, d e r es auf eine bestimmte Situation bezieht und auf den V o n r a g einiger weniger Gedichte.

Ähnlich bekannt geworden ist das Gedicht M ajakovskijs ״ Sergeju Eseninu“85, das er ein J a h r nach dem T ode Esenins schrieb, um gegen die Auswüchse der ״ eseninžčina“, der kritiklosen Verherrlichung und N achahm ung Esenins in der Pose des ״ chuligan“ un d poète maudit, zu käm pfen. M ajakovskj hat die Entstehung des Gedichts in dem A ufsatz ״ K ak d elat’ stichi“ beschrieben. D o r t ä u ß ert er sich sehr

84 G о г״ к i j, M.: Sergej Esenin. — In: M. G o r’kij о literature. Literaturno- kritičeskie sta t’i. M. 1955, S. 253.

85 M a j a k o v s k i j , Vladim ir: Polnoe sobranie soČinenij v trinadcati to- mach. M. 1955— 1961. Bd. V II, S. 100 ff.

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nüchtern über Esenins Dichtung: ״ Seine sehr begabten und sehr lä n d - liehen Verse waren uns Futuristen natürlich v e rh a ß t.“86 Nicht ganz so k n a p p , aber im G ru n d e auch unbeteiligt schreibt der Dichter und K ri- tiker V. Brjusov 1922 über Esenin, den er z w a r als Imaginisten, aber literarisch a u f dem H in te rg ru n d seiner bäuerlichen Abstammung sieht: ״ . . . Esenins Gedichte haben scharfumrissene Bilder, klangvolle Verse und mühelose, wiewohl eintönige R hythm en; doch alle genann- ten Vorzüge widersprechen dem Imaginismus und im G ru n d e w a r sein Einfluß auf die Dichtung Esenins schädlich.“87

D er frühe T od des Dichters rief eine w ahre Flut von Artikeln und Aufsätzen hervor, die sich v o r allem m it der Biographie, und mit dem W erk n u r in ihrem Zusammenhang, beschäftigen. Typisches Beispiel einer liebevollen Stilisierung von Leben un d W erk Esenins ist das kleine Buch von S. V inogradskaja: ״ K ak zil Esenin“ (M. 1926). Sie vollzieht auch unbefangen die Identifizierung von Werkaussage und Biographie: ״ W ahrhaftigkeit ist einer der hervorstechendsten Züge im W erk Esenins. D er künftige Biograph w ird die außergewöhnliche, unm ittelbare V erbindung der Gedichtthemen mit den Ereignissen im Leben des Dichters feststellen.“88 Wichtiger als diese oft wiederholte Meinung ist die Aussage: ״ Die Dichtung (stichi) erfüllte ihn ganz, Gedichte waren sein eigentliches Leben. A ußer ihnen interessierte ihn im G ru n d e nichts.“8®

Neben biographischer Legendenbildung steht die Auseinanderset- zung um die Einordnung Esenins in die Epoche des Umbruchs. D e r Dichter N. Aseev macht in seinem ursprünglich ״ Klage um Esenin“

(Plač po Eseninu) genannten Aufsatz Esenins menschliche und lite- rarische Umgebung verantwortlich für seine reaktionäre Neigung zu religiöser Ausdrucksweise. E r sieht ihn als O p fe r der Vergangenheit, nicht der Gegenwart: ״ Esenin w ar Dichter seiner Zeit. Sein W erk w urde durch den Zusam m enprall m it der Vergangenheit, nicht mit der Z u k u n ft zerstört. Beweint nicht Esenin wie das alte R u ß la n d !“80 Alle Veröffentlichungen dieser Jah re tragen das M erkm al unm etho- discher, im guten Sinne dilettantischer Beschäftigung m it Esenin und

86 M a j a k o v s k i j , Poln. sobr. soč. Bd. X II, S. 94.

87 B r j u s o v , V.: Včera, segodnja i zavtra russkoj poezii. — In: P ečat״ i revoljucija 1922, N r. 7, S. 59.

88 V i n o g r a d s k a j a , S.: K ak žil Esenin. M. 1926, S. 13.

88 V i n o g r a d s k a j a , a.a.O., S. 32.

*° Neuabdruck dieses Aufsatzes in: A s e e v , N ikołaj: ZaČem i komu nužna poēzija. M. 1961, S. 178 ff.

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seinem Werk. Erste Ansätze einer sachlichen Analyse d e r Bildersprache bilden die beiden gleichzeitig erschienenen Arbeiten von N . K ravcov und B. N ejm an, auf die w ir in Kapitel I I I eingehen (s. u.). Aber diese Arbeiten finden keine Fortsetzung. D enn — wie es in dem (anonymen) V o rw o rt zu einer Ausgabe der Gedichte Esenins 1931 heißt — ״ jetzt ist die Unsinnigkeit der voreiligen Versuche, Esenin nach seinem Tode als ,national1 und ,urbäuerlich‘ zu deklarieren, offen- b a r gew orden.“91

Eine Auseinandersetzung der Literaturwissenschaftler m it dem W erk Esenins beginnt erst in der zweiten H ä lfte der 50er Jahre, nachdem die ideologischen Grenzen der Eseninbetrachtung neu abge- steckt worden sind. Im O k to b e r 1955 erscheint in der Wochenzeit- schrift ״ O go n ek “ zum 60. Geburtstag Esenins ein Artikel, der als Auf- ta k t dazu gelten kann. T ro tz der ״ Begrenztheit seiner Weltanschau- ung, tro tz der Idealisierung der patriarchalisch-dörflichen Lebens- weise“92 ist die Dichtung Esenins noch lebendig, lebensfähig und ernst- hafter Auseinandersetzung wert. Im folgenden J a h r erscheint dann die erste größere Ausgabe der Dichtung Esenins in zwei Bänden. D er Herausgeber K. Zelinskij schreibt eine ausführliche biographische Ein- leitung, deren G ru n d te n o r die U m w ertung Esenins zum ״ Sowjet- dichter“ ist. ״ Die gesamte Lyrik Esenins ist eine E rzählung des Dich- ters, eine Erzählung von sich selbst, von seinem schweren Weg in die neue Zeit (novoe).“03 Abgesehen von der neuen Akzen- tuierung einzelner Fakten im Leben des Dichters, z. B. seiner revolutionären Tätigkeit, w ird das Schwergewicht der Werkbe- trachtung auf die Gedichte der 20er Jah re verlagert. A ber die wich- tigste Rechtfertigung Esenins spricht Zelinskij am Schluß seines Arti- kels aus: ״ Welche Seite seiner Dichtungen w ir auch aufschlagen, auf jeder finden w ir das lebendige Zeugnis der grenzenlosen Liebe des Dichters zu unserer schönen H eim at, deren treuer Sohn er w a r .“94

Ein ähnliches Beispiel der A uf- und U m w ertu n g Esenins ist der Artikel von A. Dymšic in einer Ausgabe seiner Gedichte, die eben- falls 1956 in der ״ G roßen Reihe“ der ״ Dichterbibliothek“ erschien.

91 E s e n i n , Sergej: Stichi i poćmy. M. 1931, S. VI.

92 V a s i P e v, S.: 2ivaja poēzija. К 60-letiju so dnja rozdenija Sergeja Ese- nina. — In: Ogonek 1955, N r. 40, S. 12.

93 Z e l i n s k i j , K.: Poēzija Sergeja Esenina. — In: Sergej Esenin: Sočine- nija v dvueh tomach. M. 1956, Bd. I, S. 5.

94 Z e 1 i n s к i, a.a.O., S. 37.

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zieht sich in der Dichtung Esenins in den 20er J a h r e n 96.״

Fast treffender als ausführliche Einleitungen umschreibt eine knappe Tagebuchnotiz (veröffentlicht 1956) des Schriftstellers D. Furm anov die P roblem atik und Situation Esenins: ״ E r steht zwischen Kljuev un d M ajakovskij, zwischen dem alten D o rf und der S tadt . . . Sein Ü b erm u t un d sein R o w d y tu m (chuliganstvo) sind gar nicht schlimm, in ihnen spiegelte sich die Stimmung der vorrevolutionären Bauern- jugend.97״

Allmählich beginnt auch die Beschäftigung mit Einzelproblemen.

Eine der Legenden um Esenin, die nun zerstört werden soll, ist die vom u n b e w u ß t schaffenden Dichter. 1957 erscheint ein Artikel von A. Kulinič: ״ K ak rabotai Esenin“, der die sprachlichen und literāri- sehen Probleme aber n u r andeutet. G enauer und materialreicher be- a n tw o rte t diese Frage ein Artikel von V. Zemskov und I. P rav d in a :

״ V tvorčeskoj laboratorii Eseni na98.״ W ieder steht im M ittelpunkt das Schaffen der J a h re 1924— 25. D ah er beziehen sich die angeführ- ten V arianten und E n tw ü rfe zu Gedichten hauptsächlich auf das Werk dieser Zeit. Sie sind zum großen Teil im A nm erkungsapparat der neuen Gesamtausgabe verw ertet worden.

D e r Forscher A. Z avoronkov veröffentlicht Einzeluntersuchungen über die großen Poeme ״ A nna Snegi na״, ״Pesn* о velikom pochode״

usw., bringt auch das komplizierte Verhältnis zwischen Esenin und Kljuev wieder z u r Diskussion in seinem Artikel: ״ D v a pis’m a Ese- n in a ״ . Leider dient ihm der Artikel hauptsächlich dazu, Esenins fo rt־

schrittliche H a ltu n g gegenüber dem reaktionären Kljuev zu betonen.

Aber 1957 m uß es schon als positiv verzeichnet werden, d a ß der N am e Kljuevs überhaupt wieder in der Biographie Esenins genannt wird.

D er erste Aufsatz über Esenin, der sich nur mit dem W erk ohne Bevorzugung einer bestimmten Epoche beschäftigt, w ird 1959 von 95 D у m š i c, A.: Sergej Esenin. — In: Sergej Esenin: Stichotvorenija i

poćmy. L. 1956, S. 40.

M D y m š i c, a a.O., S. 41.

97 F u r m a n o v , D. in: Russkie pisateli о literaturnom trude. M. 1956.

Bd. IV, S. 7C8.

98 Z e m s k o v , V. i P r a v d i n a , I.: V tvorčeskoj laboratorii Esenina. — In: Russkaja literatura I960, N r. 1.

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A. M arčenko veröffentlicht: ״ Zolotaja slovesnaja g ru d a “ . E r setzt sich m it der Dichtung Esenins unter dem Aspekt d e r Bildtheorie und d e r Verwirklichung der Bilder in den Gedichten auseinander.

Eine ausführliche Sonderuntersuchung über den Einfluß d e r Volks- dichtung auf Esenins Dichtung bildet die Arbeit vo n P. Vychodcev:

״ N arodno-poetičeskie tradicii v tvorčestve Sergeja Esenina“ . Pole- misch gegen N ejm an gerichtet (s. K ap. III), geht Vychodcev von der These aus, d a ß Esenins Aneignung der Volksdichtung tiefer und ur- sprünglicher als die seiner Zeitgenossen Bednyj, Blok, M ajakovskij u. a. gewesen sei. E r zeigt, wie sich die A ufnahm e der Volksdichtung im W erk Esenins in den verschiedenen Perioden seines Schaffens w an- delt.

D ie bisher umfangreichste Arbeit und K om pilation d e r Forschung d e r Nachkriegszeit stellt das Buch E. N aum ovs ״ Sergej Esenin. Zizn*

i tvorčestvo“ (1960) dar. Leider ist es — wie die meisten Arbeiten v o r ihm — eine K om bination von Biographie und W erkdarstellung.

T r o tz der dogmatischen Grundeinstellung des A utors ist das Buch interessant geschrieben und verw ertet zum Teil unveröffentlichtes, zum Teil erst kurz vorher (wieder) entdecktes Material.

Als Gegenbeispiel zu dem Buch von N a u m o v sei die Arbeit von Francisca de G r a a f erw ähnt, die z w a r auch Leben u n d W erk ge- meinsam behandelt, aber in zwei großen Abschnitten gesondert be- trachtet. Die 1933 geschriebene Biographie ist auch heute noch lesens- w ert, weniger die W erkdarstellung, die sich hauptsächlich a u f Inhalts- angaben beschränkt.

D ie übrigen westlichen Beiträge z u r Eseninforschung w erden jeweils in der Untersuchung angeführt. Sie sind auch meist zu allgemein ge- halten oder wie der Artikel V. M arkovs zu polemisch formuliert, um fü r unsere Untersuchung in Betracht zu kommen.

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