, J)ASS-SÄTZE" MIT 'AN UND 'ANNA IM ARABISCHEN
von Wolfdietrich Fischer, Erlangen
Den Satzeinleitungspartikeln 'in, 'an und Ekin des Arabischen ist gemeinsam,
daß sie in zweierlei Form, einer kürzeren, 'in, 'an, läkin, und einer längeren, 'inna,
'anna, läkinna, auftreten können. Während aber bei läkin die Wahl zwischen der
Kurz- und der Langform allein durch die formale Struktur des folgenden Satzes
bestimmt wird, ist bei 'in die semantische Funktion des Satzes das entscheidende
Verteilungskriterium. Was sich bei 'inj'inna im wesentlichen während einer vor¬
historischen Periode des Arabischen abgespielt hat, nämlich die funktionale Diffe¬
renziemng der ursprünglichen Allomorphe, kann bei der dritten der eingangs
erwähnten Partikeln 'anj'anna im Verlauf der historischen Entwicklung des klassi¬
schen Arabisch beobachtet werden.
Die Partikeln 'an und 'anna führen substantivische Nebensätze ein und entspre¬
chen im Gebrauch weitgehend dem deutschen „daß". Über die Frage, wann ein
solcher „Daß-Satz" mit 'an und wann mit 'anna eingeleitet werden soll, geben we¬
der die arabischen Nationalgrammatiker noch die Grammatiken des klassischen
Arabisch der europäischen Arabistik ein klares Bild, 'an wird als Partikel definiert,
die den Konjunktiv nach sich zieht, wogegen 'anna ein Substantiv im Akkusativ
oder ein Pronomen nach sich haben muß, zwei formale Bestimmungen, die in kei¬
nem komplementären Zusammenhang stehen. Für Fälle, in denen 'an keinen Kon¬
junktiv nach sich hat, halten die arabischen Nationalgrammatiker zwei Termini
bereit, ohne daß damit für das Verteilungsproblem viel gewonnen ist:
1. 'an al-muhaffafa „das leicht gemachte 'ari\ das immer dann angesetzt wird,
wenn nach Auffassung der Grammatiker 'anna hätte angesetzt werden können.
2. 'an al-mufassira „das erklärende 'an", dessen Funktion H. Fleisch treffend
als die eines Doppelpunkts bezeichnet hat. Manche Grammatiker betrachten das
'an al-mufassira als eine Sonderfunktion des 'an al-muhaffafa.
Werfen wir einen Blick auf die Textbelege wie auch auf die von den National¬
grammatikern für gut befundenen Modellsätze, so können wir feststellen, daß zwar
'anna nur mit folgendem Substantiv oder Pronomen gebraucht wird, daß aber die
Sätze, die auf 'an folgen, keinerlei Beschränkungen unterworfen zu sein scheinen.
Hier sei auf die von Sibawaih (I 430, Kp. 276) angeführten Modellsätze hingewie¬
sen, um zu zeigen, daß der Gebrauch der Verbalformen nach 'an keinen Beschrän¬
kungen unterliegt.
katabtu 'ilayhi 'an lä taquldäka „ich schrieb ihm: sage das nicht!"
katabtu 'ilayhi 'an läyaqüla däka ,4ch schrieb ihm, daß er das nicht sagen solle"
katabtu 'ilayhi 'an lä taqülu däka ,4ch schrieb ihm, daß du das nicht zu sagen
pflegst".
Auf Gmnd der Modellsätze wie auch der koranischen Textbelege läßt sich die Ver¬
teilungsregel für 'an/'anna wie folgt formulieren:
XX. Deutscher Orientalistentag 1977 in Erlangen
„Dass-Sätze" mit 'an und 'anna im Arabischen 277
'anna leitet den Daß-Satz ein, wenn ein nominales Glied durch Anfangsstellung
(direkt hinter 'anna) hervorgehoben werden soll. In allen anderen Fällen, wo die
Satzstruktur eine solche Hervorhebung nicht erlaubt, lautet die Einleitungspartikel 'an.
In dieser Form gilt die Verteilungsregel jedoch nur ftir das vorklassische Ara¬
bisch; schon die Texte der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts zeigen für den Ge¬
brauch von 'an weitere Einschränkungen. Die VerteUung entspricht aber genau der
des formal verwandten lakin/läkinna, wie sie sich bei dieser Partikel bis in die
Schriftsprache der Gegenwart unverändert erhalten hat; vgl. Cantarino III 40 und
43.
Die klassisch-arabischen Texte seit dem ausgehenden 8. Jahrhundert zeigen
keine Fälle der Opposition Imperfekt : Konjunktiv mehr, wie sie in den SlbawaUi-
schen Modellsätzen vorliegt. Das Imperfekt wird nach 'an nicht mehr gebraucht. In
Fällen, wo es stehen muß, tritt statt dessen eine Ersatzkonstmktion mit 'anna ein.
Die Opposition Imperfekt : Konjunktiv im Daß-Satz ist in eine Opposition 'anna: 'an
verwandelt worden.
Diese furdctionale Differenzierung zwischen 'an und 'anna wurde in der Schrift¬
sprache der Gegenwart - vieUeicht auch schon früher; doch fehlen hierüber ein¬
schlägige Untersuchungen — konsequent weitergeführt:
'an mit folgendem Konjunktiv ist Daß-Sätzen vorbehalten, die ein nicht realisiert gedachtes Geschehen schUdern.
'anna leitet Daß-Sätze ein, die eine Tatsachenfeststellung treffen.
Die Entscheidung, ob 'an oder 'anna zur Einleitung des Daß-Satzes verwendet
wird, hat sich von der Opposition ,Jiervorgehoben : nicht hervorgehoben" im vor¬
klassischen Arabisch zur Opposition „realisiert : nicht realisiert" in der Schrift¬
sprache der Gegenwart verschoben. Hierbei war im vorklassischen Arabisch die
semantische Stmktur des Nebensatzes für die Wahl von 'an oder 'anna maßgebend,
während in der modernen Schriftsprache die semantische Struktur des Hauptsatzes
das entscheidende Kriterium bUdet. Nach Ausdrücken, die eine Wahrnehmung, eine
Darlegung, eine Meinung und Ähnliches ankündigen, folgt ein Daß-Satz mit 'anna,
nach Ausdrücken, die einen Wunsch, Zustimmung oder Ablehnimg, eine Möglich¬
keit und Ähnhches beinhalten, folgt ein Daß-Satz, mit 'an und obligatorischem
Konjunktiv:
qarrara 'annahu sa-yaqülu dälika „er berichtete, daß er das sagen werde"
qarrara 'an yaqüla dälika „er beschloß, daß er das sagen werde".
DIALEKTGEOGRAPHISCHE UNTERSUCHUNGEN IN DER BIQA^
UND IM ANTILIBANON'
von Heinz Grotzfeld, Münster
Wenn auch das syrisch-palästinensische Dialektgebiet zu den Teilen des arabi¬
schen Sprachraums gehört, die am besten erforscht und bekannt sind, so läßt sich
doch nicht verkennen, daß die räumliche Verteilung auch distinktiver Isoglossen
nur ungenügend bekannt ist. Bergsträssers Sprachatlas von Syrien und Palästina von
1915 gibt, wie wir wissen, ein zu summarisches Bild, das durch die Forschungen
anderer erst in Teilen weiter nuanciert wurde. Durch die Arbeiten von Cantineau
ist vor allem die Grenze zwischen den syrischen und den palästinensischen Dialek¬
ten klar geworden. Die Untersuchungen von Fleisch haben die Grenzen zwischen
markanten Untergruppen eines Teils der libanesischen Dialekte aufgedeckt, wäh¬
rend der Verlauf der Grenze zwischen den libanesischen Dialekten einerseits und
den syrischen des damaszener Typs andererseits weiterhin unbekannt ist.
Im Frühjahr und Sommer 1974 konnte ich eine erste Etappe dialektgeographi¬
scher Untersuchungen angehen. Die Feldarbeit war noch etwas beeinträchtigt durch
die Nachwehen des Oktoberkrieges und schon von den innenpolitischen Spannun¬
gen, die zum libanesischen Bürgerkrieg führten. Im großen Ganzen war ich auf den
Teil der Biqä'^ zwischen Chtaura und Baalbek verwiesen, in Syrien auf das obere
Barada-Tal, während Rachayya und Umgebung, wie überhaupt die südliche Biqä'^,
nicht zugänglich waren. In diesem Untersuchungsgebiet wurden die Grenzen zwi¬
schen zwei distinktiven Isoglossenpaaren vermutet.
baytu - beto
Die Isoglossen vereinen zwei Elemente: Erhalt der Diphthonge wenigstens in
offener Silbe gegenüber Monophthongisiemng; Suffix der 3 sg. m. nach Konsonant
■u (nicht verschieden von der Pluralendung -u) gegenüber -o (Bergsträsser, Atlas,
Karten 11 und 13). Zum baytu-Gehiet gehören - außer allen Aufnahmepunkten
der Biqä'- — eine Reihe von Antilibanon-Dörfem, die ganz oder teilweise christlich
sind: Blüdän, Zabadäni, '^En Hör/'^Ayn Hawr im Hochtal von Zabadäni; §ednäya/
§aydnäya. - Die rein muslimischen Dörfer des oberen Barada-Tales wie Sü' Wädi
Barada, 1-Hseniye, Kafr al-'^Awamid gehören zum beto-Gebiet.
Ilm -$tm
Die Realisation der alten ]^im entsprechenden Phonemeinheit als stunmhafter
Rauschlaut 5 gilt als ein Charakteristikum sowohl des Libanesischen wie der Da-
1 Der unbekürzte Text des Referats erscheint in der Zeitschrift für arabische Linguistik, Heft 1.
XX. Deutscher Orientalistentag 1977 in Erlangen