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Eine staatsrechtliche Formel des Altsabäischen.
(Zu Zeitschr. Bd. 74, S. 220.) Von
N. Rhodokanakis.
Sie lautet in Gl. 904 = Hal. 51+650+638, Z. 2f.:i)
I (3) ohVn I m<D I iH)*XAHhhHoa> I
und in Gl. 1571, Z. 1:
II ohvn I i w)*XAH i mo i
Diesen Text wird man also hinnehmen und versuchen müssen, ihn,
wie er dasteht, zu deuten. In „Der Grundsatz etc." S. 18 f. und
19, Note 7 habe ich übersetzt und erklärt: „und zu dem, was ver¬
kündet und im einzelnen bestimmt worden ist, sind sie gelangt für
immerwährende Zeiten". In Gesetzestexten, wie es Gl. 904 und
1571 sind*), kann das unschwer auf die dort genannten, mit dem
König beratenden und beschließenden Faktoren bezogen werden
und würde besagen: der Entschluß (Grundsatz, S. 19), welcher
in der Inschrift kundgemacht wird, ist unabänderlich.
Zur Schreibung: ""H I ihH«® I bzw. ""H I IhH« I vgl.
I XHTH I Gl. 485 (CIH. 374), Gl. 1413, s; | «iHTH 1 Gl 1396 pass.
(Präposition + Pronomen) ; H I 'lh ist pron. relativum = L^; so
auch ohne H; vgl. | O^hA I 1h I Hrtl Gl. 1571,2«); desgleichen
1) Die Kopien Haldvy's und Glaser's gleichlautend.
2) Das Verhältnis beider Inschriften zueinander und zur Bodengesetzgebung wird in „KatabBnische Texte zur Bodonwirtscbafl' (SBWA., 194. Band, 2. Abh.
1919, die zur Zeit in Druck ist,) ausführlicher besprochen.
3) .Betreff dessen, was anfordern die . . . .'" vgl. Hal. 51 (Gl. 904), Z. 4f.:
I ^-^llO I ^IXj^Hfll Nomen anstatt des Relativsatzes. Hin¬
gegen möchte ich jetzt die iu Studien I, S. 68 (SBWA., 178. Bd., 4. Abh.) ge- äuSerte Auffassung der Verbindung | in Gl. 509 und ähnlichen Stellen zurücknehmen uud, statt des Umweges über eine Ellipse des Nachsatzes, Y[ \ ^h unmittelbar als Negation, auch vor einem Nomen, oder vor substantiviertem*
Satze (negativer Ausruf jj«-*-»- ^^^) ansehen. (Dort ist auch das Zitat Marseille X. zu streichen.)
Mhodokanakis, Eine staatsrechtliche Formel des Altsabäischen. 357
im Mehri: hei ydumer ,was er auch sagt' neben hei d' dymel
,was immer er tuf^).
Ich kann jetzt den Sinn dieser staatsrechtlichen Forrael viel¬
leicht genauer bestimmen. In Gl. 1606 (katabänisch, s. »Der Grund¬
satz etc.' S. 33 ff.) heißt es Z. 4, 6, 9: &
^ I I möt I HHh I hxinoi r?h^*iv!
„aufrichtig ergeben und gefügig*) und folgsam^) dem Befehle ihres
Herrn §HR (d. i. des Königs)'. Diese Aussage bezieht sich an,
allen drei Stellen auf die beratenden und beschließenden Körper¬
schaften des katabanischen Staates und die von ihnen gefaßten Be- lo
Schlüsse. Sie bedeuten nicht etwa bloß, daß die Abgeordneten vom
König zu den Versammlungen einberufen worden sind (Z. 8, 9), die
erst dadurch zu legalen Zusammenkünften wurden*); sondern
auch, daß die gesetzgebende Versammlung sich als solche der
Initiative und der Sanktion des Königs fügt (Z. 4, 6)*). 15
Es liegt nahe in der aus Hal. 51 und Gl. 1571 mitgeteilten Formel
eine Parallele zur katabanischen in Gl. 1606 zu vermuten.
Die Stellung der mit {x) bezeichneten altsabäischen Formel ist
in den genannten Texten diese: Hal. 51: So hat entschieden
N. N., der König von Saba (x) und die beratenden m
Körperschaften. In Gl. 1571 steht sie mitten unter diesen:
. . . . N. N., der König von Saba, und Sabai mahnn'') (x)
und die beratenden Körperschaften^). Bezieht man also,
was mit der Stellung des x als Parenthese durchaus vereinbar ist,
die Verba im Singular: | i'l'^® | h)^Xl'lH auf den König«), ss
den Plural OftVIl auf die beratenden Körperschaften, so ergibt
1) M. Bittner, Studien zur Laut- und Formenlehre dor Mehri-Sprache III. 68.
2) Bzw I o^)V^ .... I WhXo I
3) Entgegenkommend:
4) Glaser „sich ganz widmend', Altjemen. Nachr. 169. 181. — Das
Wort dürfte eine Verpflichtung gegeuüber dem Könige bezeichnen.
5) . Die Formel folgt hier (nach dem Datum) den Worten „sich wieder versammelnd und wendend nach TMNs', der katabanischen Hauptstadt, wo in einem Tempel des Hauptgottes die Versammlung tagte (Z. 4. 6).
6) Die in der vorangehenden Note mitgeteilten Worte fehlen hier; es ist von der Tagung und gesotzgebenden Tätigkeit des Parlaments die Rede. -.- Über Verfassung und Verwaltung der altsüdarabischen Staaten habe ich zusammen¬
hängende Mitteilungen in einer für die Grazer soziologische Gesellschaft bestimmten Schrift niedergelegt, die leider immer noch des Druckes harrt.
7) Die Hauptschicht (Erbpäcbler, Besitzer) des führenden Stammes SabaS (wie es scbeint einschließlich der msnd), also ungefähr gleicbbedeutend dem Uatabänischon tbnn, das sicb aber auf alle Katabänstämme beziehen k'ann.
8) Diese sind denen von Hal. 51 bis auf die je letzten gleich.
9) In „Der Grundsatz etc.' S. 18 hatte ich sie passivis aufgefaßt.
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das folgende Auffassung: ,und zu dem, was er (sc. der König) aus¬
zurufen verlangt und was er bestimmt hat, haben sie (die beraten¬
den Körper) sich bekannt (oder sich, ihm gefügt)*) für immer";
d. h. die Zustimmung ist unwiderruflich. So würde dem Sinne
s nach die altsabäische Formel der katabanischen sehr nahe kommen;
in beiden Fällen fügen sich die beratenden Gruppen der Initiative
des Königs und binden sich (nach dem sabäischen Text) damit auch
für die Zukunft; Die Auffassung „immer"- statt „dauernd,
für immer' ist sprachlich möglich , wäre aber in einem Gesetze
10 (selbst die größte Unterwürfigkeit vor dem König vorausgesetzt)
• lächerlich. Diese Formeln besagen auch nur, daß nach der Tbeorie
der König allein die gesetzgebende Gewalt hat. In Wirklichkeit
werden wohl verschiedene Umstände dabin gewirkt haben, daß die
beratenden Körper nicht lediglich „Stimmvieh' waren. Ich erinnere
16 nebenbei noch daran, daß im alten Österreich die Gesetzeseinleitung
lautete : „Mit Zustimmung beider Häuser des Reicbsrates finde Ich
anzuordnen wie folgt*. Also auch hier bloß die Zustimmung neben
der Anordnung des Herrschers.
1) Vgl. aJiÄ lb „jemandes Recht (die eigene Verpflichtung) anerkennen".
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Arabische Metrik.
Von Gustav Hölscher.
I.
Das Versmaß ragaz.
§ 1. Die Entstehung des ragaz aus dem sag'. Die
älteste uns bekannte Form der Dichtung bei den Arabern war die
Reimrede {sag'), eine Folge kurzer gereimter Sätze ohne Regelung
der Silbenzahl oder der Silbenquantität. Den Späteren galt diese
Reimrede nicht mehr als „Dichtung", aber sie verwandten sie mit
Vorliebe als rednerischen Schmuck des gehobenen Prosastils. Schon
im zweiten Jahrhundert der Hedschra nahm die Reitnrede im Kanzlei¬
stil überhand ; seit Mitte des dritten Jahrhunderts ist sie mit der i
fortschreitenden Entwicklung des berufsmäßigen Predigeramtes iü
die öffentliche Ansprache eingedrungen, und seitdem wurde sie immer
mehr däs Kennzeichen für jede Form der Beredsamkeit bis auf den
heutigen Tag (vgl. I. Goldziher, Abhandlungen zur arabischen
Philologie I, S. 59—7-6).
Ehe sie aber zum Element der Rhetorik wurde, war die Reim¬
rede' ein Merkmal des arabischen Zauberspruchs. Wie noch heute
die sog. raque, die gegen den bösen Blick u. a. gesprochen wird,
in ungeregelten rhythmischen Reimsprüchen verläuft, wie auch sonst
im Islam Heilsprüche und besondere, dem Propheten zugeschriebene
wirksame Schutzgebete in diese Form gekleidet sind , wie in der
Legende Beschwörungssprüche und in der Literatur selbst Bettel¬
sprüche sich der Reimrede bedienen , so war schon zur Zeit der
gähiliiia die Reimrede das Merkmal aller inspirierten Rede , wie
sie der kähin und seine Genossen vorzutragen pflegten. Alle über¬
natürliche Rede geschah im sag', — ein Ausdruck, der ursprüng¬
lich das geheimnisvolle Murmeln der Wahrsprüche bezeichnete. Noch
Muhammed und seine Nebenbuhler hielten sich an diese Form des
alten Wahrspruchs, was die islamische Theologie vergebens zu be¬
streiten versucht hat (I. Goldziher, a. a. 0., S. 68 ff.).
Die Ansicht der arabischen Gelehrten , welche den sag' als
Prosa betrachten, war nicht die Auffassung der altarabischen