Bücherbesprechungen
Bebteand Adams : Fragen altägyptischer FinanzverwaUung. Nach Urkunden
des Alten und Mittleren Reiches. (Erlanger Beiträge zur Reohtsgesohiehte, Reihe A Band II). München-Pasing: Filser-Verlag 1956. 109 S. 8".
Diese Erlanger Dissertation hat sich zum Ziel gesetzt, „einen weiteren
Baustein zur Darstellimg des antiken Rechtes zu geben" und zwar speziell
auf dem Gebiet des Finanzwesens, d.h. der „Beschaffimg, Erhaltung und
Verwendung der für öffentliche Zwecke bestimmten Mittel". Leider be¬
schränkt sieh Verf. nur auf das A. und MR., und auch dort auf einige be¬
kannte Urkunden. Natürlich ist es notwendig, die einzelnen Epochen streng
auseinanderzuhalten; jedoch erfordert gerade ein Gebiet wie das der ägypti¬
schen „Finanzverwaltung" durch die ungleichmäßige Verteilung der Ur¬
kunden innerhalb der einzelnen Epochen zunächst eine Betrachtung allen
Materials, um dadurch dem spezifisch ägyptischen Wesen nahe zu kommen.
Die Benutzung moderner Anschauungen und Begriffe ist dabei nur hinderlich
und läßt an den wirklichen Problemen vorbeigehen. Daß ferner für eine
solche Untersuchung alles Material herangezogen werden muß, ergibt sich
gleich in dem 4. Kapitel über die Zählungen, in dem des Problem des Privat¬
eigentums gestreift wird. Hier wäre es nötig gewesen, diese zentrale Frage
unter Ausnutzung der Einzelangaben in den Gräbern des A.R., der sog.
„Güteraufzüge", der Totenpriesterverfügungen, aber auch so wichtiger
Urkunden späterer Zeit wie des Papyrus Wilbour, Gaedinebs „Ramesside
Administrative Documents" u.a. anzugreifen. Gleichzeitig hätte das Problem
des Verhältnisses des Einzelnen zum König untersucht werden müssen, von
dem aus allein die Frage nach dem „Privateigentum" angegangen werden
kann. Dann wäre es Verf. nicht möglich gewesen, einfach das Vorhandensein
„freier Handwerker imd Händler" (!) als gegeben anzunehmen (p. 20 ii. 1).
So führt leider diese Arbeit über das bisher Bekannte nicht weiter. Im
Einzelnen mag auf folgende wichtigeren Punkte nooh hingewiesen werden :
Die Deutung der Stelle in der TFnj-Inschrift (p. 18) auf Einführung der ein¬
jährigen Zählung ist jetzt allgemein fallen gelassen; über die angeblichen
„Ringe" als Wertmesser vgl. jetzt Cebny in Cahiers d'Histoüe Mondiale I
p. 907ff., ein klarer Fall von „Holzsteuer" liegt vor im Pap. Mallet 5,lff.
(p. 38); die auf p. 41 vorgetragenen Vorstellungen von ,, Stadtbewohnern"
(Handwerkern) widersprechen allem, was wir über ägyptische ,, Städte" und
die soziale Stellung der Handwerker (als Angestellte von Tempeln bzw.
staatlichen Institutionen) wissen; die Frage des „privaten" Viehbesitzes p. 45 verlangt genau so wie die nach dem „privaten" Felderbesitz eine ein¬
gehende Abhandlung unter Benutzung aller Hinweise; die p. 66 ff. ange¬
führten Kabunpapyri haben nichts mit Steuererklärungen zu tun und alle
daran angeschlossenen Überlegungen über „Kopfsteuer", „gleitende Besteu¬
erungsskala" und „Freibetrag" entbehren jeglieher Grundlage (es handelt
sich um Akten für das Biuo des Menscheneinsatzes!); eine Sammlung aller
Erwähnungen der „w'rt des Kopfes von O.Ä." ergibt im Gegensatz zu
p. 81 klar, daß es sich um die Verwaltung des südlichen Lajidesteils handelt;
zu dem ebendort angeführten angebhchen „Büro, dessen was die Leute geben"
vgl. die eindeutige Klärung des Begriffs als ,,Biu-o des Menscheneinsatzes"
dmch Haybs, A Late Middle Kingdom Papyrus p. 54ff. ; bei den angeblichen
„freiwilligen" Zuwendungen im Pap. Boulaq 18 dm-ch hohe Beamte handelt es sich, wie wieder mehrere N.R.-Quellen erkennen lassen, um festgesetzte
Lieferungen bestimmter Beamtenhaushalte, bei denen es sich eben nicht iun
„Privatbesitz" in imserem Sinne handelt, sondern um Zuweisungen, die an
der Ausführung des Amtes hingen.
Wolfgang Helck, Hamburg
Wolfgang Helck : Zur Verwaltung des Mittleren und Neuen Reiches. (Pro¬
blome der Ägyptologie, hrsg. von Hermann Kees, 3. Bd.). Leiden: Brül
1968. VIII, 550 S., 8». 110.— Gld.
Das öffentliche Recht des Mittleren und Neuen Reiches Ägyptens war
bisher ein nahezu unbearbeitetes Gebiet. Die Schwierigkeit, es darzustellen,
liegt darin, daß es an guten Quellen mangelt, also auf Grund einer schier
unübersehbaren Menge kleiner Quellen, wie Erwähmmgen von Titeln in
Grabinschriften und auf Stelen, und nur wenigen Rechtsurkunden eine Über¬
sicht hergestellt werden muß. Dieser mühevollen Arbeit hat sich nun Helck
unterzogen und damit zum ersten Male eine Grundlage für die rechts¬
geschichtliche Forschung geleistet: ein Verdienst, das man gar nioht hoch
genug veranschlagen kann. Deshalb zerfällt das Buch auoh in zwei Teile.
S. 1—284 nirmnt die einzelnen Ämter durch, die das Pharaonenreieh in dieser Epoche aufwies; der zweite Teil bringt ,,prosopographisohe Notizen", d. i.
die Zusammenstellung und Würdigung des Materials, aus dem die Schlüsse
des ersten Teiles zu gewinnen waren, also die Begrimdung für ihre Richtigkeit.
Die Fülle des durchgearbeiteten Stoffes, die uns der zweite Teil ausbreitet, ist überwältigend und zeigt mit aller Deutlichkeit, daß nur ein Ägyptologe,
der die vollständige Bibliothek eines ägyptologischen Seminars an seiner
Seite hat, überhaupt imstande war, diese schwierige Aufgabe in Angriff zu
nehmen.
Doch hat sich Helck nicht ein rechtsgeschichtliches Ziel gesteckt, sondern.
Avie er in der Einleitung sagt, ein soziologisch-historisches: nämlich, das
ägyptische Beamtentum in seiner Bedeutung als Machtfaktor der ägyp¬
tischen Geschichte darzustellen. Die historischen Ergebnisse faßt der ,, Rück¬
blick" (S. 534—547) zusammen. Vom alten Reich trennt, nach Helck's
eigenen Worten, eine tiefe Kluft den Staatsaufbau des MR, der durch die
Herkunft der neuen Königsgeschlechter aus Gaufürstenfamilien nach einem
völligen Zusammenbruch der zentralen Verwaltung bedingt ist. So werden
Titel, die im AR zu reinen Ehrentiteln geworden waren, im MR wieder in
ihrem alten ursprünglichen Sinne verwendet. Die Vorsteher der Städte
spielen sich zwar zunächst so auf, als ob sie Abkömmlinge der alten Gau¬
fürsten wären, doch hört das bald auf, und die Beamten tragen um- noch
ihren Amtstitel, zu dem etwa noch ein reiner Hofrangtitel dazutritt. In der
13. Dyn. schafft eine Landesteilung in zwei Hälften mit je einem Wesir an
der Spitze eine neue Grundlage. In der Hyksoszeit kommt es wiederum zu
einer Neuordnung der Verwaltung. Bis zu Thutmosis III. sieht man, daß
hohe Ämter mehrere Generationen lang in Händen derselben Familien sind;
erst Amenophis II. gibt die Ämter an üim persönlich bekannte „neue"
Leute. Es entstehen Spannungen zwisohen den Thebanern und den Ägyp-
404 Bücherbesprechungen
tern aus dem Norden, die unter Echnaton zum Ausbruch kommen. Haremheb
kann die Ämter nur mehr mit Leuten aus dem Heer, der einzigen intakt ge-
bhebenen Gruppe, besetzen, darunter oft mit Ausländern.
Vom Standpunkt dieser Ergebnisse aus hat Hblok die gestellte Aufgabe voll erfüllt. Doch wird es ihm nioht unerwünscht sein, in die Diskussion darüber
einzutreten, wieweit das von ihm aufbereitete Material eine Geschichte des
öffentlichen Rechts in Ägypten rechtfertigt. Da ist ims schon die Bemerkung S. 1 wertvoll, daß es im Ägyptischen keinen Ausdruck für ,, Staat" gibt, sondern daß alles, was „staatlich" ist, mit ,,des Königs" bezeichnet wird.
Das ist auch in späteren Zeiten so geblieben; bekanntlich war nicht etwa
Ptolemaios Lagi König von Ägypten, sondern Ägypten gehörte zmn König¬
reich des Ptolemaios. Das Land ist in zwei große Verwaltungseinheiten ge¬
teilt: Ober- und Unterägypten; die Grenze liegt bald nördlich, bald südlich von Assiüt. Das erste Amt, das uns geschildert wird, ist das des Wesirs, des
höchsten Beamten, der unmittelbar unter dem Pharao, und im Range über
allen anderen Beamten steht. Er ist ein maior domus, ein alter ego des
Pharao. Zunächst bekleiden nur Prinzen dieses Amt; aber von der 5. Dyn.
ab (also noch AR) sind die Träger Angehörige anderer Familien; dafür
nehmen sie in ihre Titulatur die Vorstandschaft anderer Büros auf. Nach
der 5. Dyn. streben Gaufürsten nach dem Titel, um damit nichts weiter als
ihre Unmittelbarkeit unter dem Pharao zu erreichen. In der 12. Dyn. (also
eben mit Beginn des MR) ist Wesir ein Rangtitel geworden. In der 43. tritt
die Landesteilung, die wir schon erwähnt haben, ein, und jeder Landesteil
erhält seinen eigenen Wesir an die Spitze. So ist es aueh in der 18. (NR)
wieder.
Es folgt ein Kapitel über die Dienstvorschrift des Wesirs, einer juristisch
höchst wertvollen Quelle. Helck datiert ihre Entstehung in die 13. Dyn.,
die Zeit, als das Amt verdoppelt wurde. Doch könnte es m. E. auch schon
frühere entsprechende Dienstordnungen gegeben haben. Einige Bemer¬
kungen seien eingefügt. S. 35 (§ 11) imj.t-pr möchte ich nicht als „Testa¬
ment" übersetzen, weil damit auch Rechtsübertragungen unter Lebenden
beurkundet werden können (P. Kahun 11,1. mid die gleich zu erwähnende
Karnak-Stele ed. Lacau). § 13: Den ersten Satz hat Helck mit einer ganz
neuen Übersetzung verständlich gemacht: ,, Betreffend jede Mine und jede
Expedition zu ihr um in ihr nach Erz zu suchen". Doch ist es kein Fort¬
schritt, wenn er den zweiten Satz hier ameiht: „Da soll man jede Eingabe
schriftlich eimeichen. Nicht lasse man zu, daß er nur mündlich seine Bitte
vorträgt". Das zeigt der nächste Satz: ,,Ihm meldet man jeden, der eine
Bittschrift an den Herrscher richtet, nachdem er sie schriftlich eingereicht haben soll". Beides sind allgemeine Vorschriften, die nicht nur dann gelten,
wenn es sich um eine Expedition nach Erz handelt. Im Kommentar faßt
auch Helck diese zwei Sätze als einen neuen selbständigen § auf, wenn er
meint: ,,Hier soll doch aber gesagt werden, daß der Bittsteller sein Gesuch nicht einem vortragen soll, der es nur anhört und nioht schriftlich entgegen¬
nimmt." Die ratio legis ist eine andere: alle ,,Enteuxeis" müssen schriftlich
gemacht werden, — zur geordneten Aktenführung und späteren Kontrolle
der Rechtmäßigkeit des Verfahrens; wenn einer klagt, ohne die Klage
schriftlich abzufassen, darf üin der Wesir nicht anhören. S. 37: „Wenn einer mit einem anderen in eine Auseinandersetzung geraten ist" — der Ausdruck
ist zu schwach; nach dem Kontext handelt es sich zweifellos um einen Pro¬
zeß. § 22: würde ioh übersetzen: ,,Er macht jede Aussage-Verlesung", d. h..
er muß im Prozeßverfahren jede der schrifthch vorgelegten Aussagen, die
er seinem Urteil zugrunde legen will, auch mündlich verlesen, und muß dies
selber tun. Es sei aber gesagt, daß die vorgetragenen abweichenden Mei¬
nungen in der Verwertung dieser Quelle für die Tätigkeit des Wesirs in
öffentlichen Angelegenheiten das von Helck gezeichnete Bild nur unwesent¬
lich verändern.
Sodann wird im fünften Abschnitt die tatsächliche Überlieferung des NR
für die Tätigkeit der Wesire durchgenommen, im folgenden die für das
W^esirbüro. Dabei geht Helck S. 58 auf die Karnak-Stele ed. Lacau ein. Es
fragt sich sehr, ob die dort wiedergegebene ,, richtige Reihenfolge" der Er¬
eignisse die richtige ist. Die Stele gibt deutlioh zwei Urkunden wieder, von
denen die eine Zeile 4, die andere Zeile 13 beginnt. Beide Urkunden weisen
dasselbe Datum auf: 4. Monat der Übersehwemmungszeit, letzter Tag (des
Königs Sw;d-n-R'). Es ist also höchst unwahrscheinlich, daß die zweite dem
König Hw-bik zuzuteilen wäre (auf denselben Tag!), die Urkunden sind
schon uno actu abgefaßt worden (vgl. Stiidi in onore di Vincenzo Arangio-
Buiz, Napoh 1953, 1, 47 ff.). Aber für die Darstellung der Beamtenfunktionen,
auf die es in diesem Buche ankommt, ist zum Glück auch das nioht ent¬
scheidend.
Das 7. Kapitel bespricht die ,, Wache". Ihren Vorsteher setzt der Wesü
ein; dort werden auch beschuldigte Beamte festgehalten. Der Türhüter der
Wache meldet, was drinnen ist, nach außen, und was draußen geschieht, dem
Wesir. Der Sprecher der Wache beaufsichtigt den Geschäftsgang im Palast
•und das Zeremoniell. Er nimmt Abgaben in Empfang und hat bei Gerichts¬
sitzungen eine Strafvollstreckungs- oder Sitzungspolizei-Funktion, wie wir
aus einer Grabschrift entnehmen können. Das 9. Kapitel ist der Polizei, dem
Polizeiinspektor und den einfachen Polizisten des MR gewidmet, während
für das NR auf desselben Verf. früher erschienenes Werk über die Militär¬
führer verwiesen wird. Es folgen noch Kapitel über den Schatzmeister des
MR, die Verwaltung des Landes und seiner Einkünfte, die Rinderverwaltung, das Schatzhaus, den ,,der die Leute verteilt", die Verwaltung der Stadt-
bezirke,die Pyramidenstädte des MR, die Palastverwaltungen, die ,, Truch¬
sesse", das königliche Sekretariat und die „Wedelträger zur Rechten des
Königs".
Also ist nun, dank diesem Buche, die Zeit gekommen, die Geschichte des
öffentlichen Rechts für das Mittlere Reioh und Neue Reioh zu schreiben.
Einiges wird man dabei freilich beachten müssen. Wieweit soll man der
"Übersetzung der Titel folgen ? Da stehen heute nebeneinander : der Wesir,
der Graf, der Wedelträger zur Bechten des Königs, der Truchseß, der
Sprecher. Jeder Titel weckt in uns Assoziationen an ganz andere Welten:
Tausend-imd-eine-Naeht, die Zeit bei uns vor 1918, die eines afrikanischen Häuptlings vergangener Zeit, deutsches Mittelalter, englisches Vereinswesen
der Gegenwart. Natiulich ist in diesen so gewählten Übersetzungen stets
ein Körnohen Richtigkeit enthalten, aber das Ganze gibt kein einheitliches
Bild. Am besten wäre es wohl, wenn man sich bei den Titeln mit den Trans¬
skriptionen begnügen wollte, allenfalls einfach vokalisierten Transskriptionen, oder mit möglichst farblosen Translationen ,, Oberbeamter", ,, Vorsteher einer
Stadt". Oder aber, man müßte sämtliche Übersetzungen einer sehr bekannten
"Verwaltimgshierarchie entnehmen. Daß der oberste Beamte ,, Wesir" ge¬
nannt wird, stammt aus der alten Tradition der Ägyptologie, und wird sich
nicht mehr ausrotten lassen; aber man braucht ihn deshalb nioht ,, Vezir"
406 Bücherbesprechungen
schreiben (enghsch vizier, franz. vizir, dazu das Substantiv vizirat, maskuhn, auch im Deutsehen wie ,,der" Prinzipat und ,,der" Pontifikat).
Nicht immer die von Helck gewählte TJbersetzung, wohl aber häirfig der
wörthche ägyptische Sinn findet eine Entsprechung in Titeln der ptole¬
mäischen und der seleukidischen Verwaltimg. So wird es für die Rechts¬
geschichte eine lockende Aufgabe sein, diese Titel und ihre Funktionen auch sonst im alten Orient (bei Hethitern, Assyrern und Babyloniern) zu suchen.
Bleiben wir in Ägypten und vergleichen wir die ptolemäische Verwaltung. Es
gibt dort reine Hoftitel: ,, Verwandter des Königs, von den ersten Freunden des Königs, Erzleibwächter des Königs". Daneben gibt es reine Hofämter, ,, Briefschreiber des Königs, Eingabenschreiber des Königs". Sodann gibt es
eine politische Verwaltung des Landes: Gaustratege, Toparch, Komaroh.
Getrennt davon eine Finanzverwaltung : Dioiketes, königlicher Grammateus,
Topogrammateus, Komogrammateus. Wenn wir nun für das MR und NB
dank Helck eine gute Untersuchung über die Titel und die Funktionen
haben, wird der nächste Schritt der sein, die „Hierarchie" zu untersuchen,
insbesondere, ob sich auch in dieser Epoche etwa eine Trennung der Finanz¬
verwaltung von der politischen annehmen läßt ■— wie es die Staatsklugheit
an sich nahelegt. Für das MR findet sich darüber einiges bei Adams, Fragen
altägyptiacher Finanzverwaltung., München-Pasing 1956, insbesondere S. 82.
In der ,, Dienstordnung" § 4 (S. 31ff.) hat der ,, Schatzmeister" neben dem Wesir eine fast gleichgeordnete Stellung; darin könnte eine der ptolemäischen
entsprechende Verwaltungsteilung angedeutet sein.
Künftige Forschung wird auch die benützten Quellen verschieden zu
bewerten suchen. In Selbstbiographien und Grabinschriften kann ihrem
Zwecke nach leicht die Tätigkeit des Beamten übertrieben werden ; Quellen
wie die Dienstordnung, die Lacau-Stele oder die Kahim-Papyri sind weit zu¬
verlässiger. Aber demgegenüber muß gesagt werden : wir müssen Helck sehr
dankbar sein, daß er einmal als erster die Quellen überhaupt gesammelt und
aus ihnen ein logisch geschlossenes Bild der Verwaltung gegeben hat; die
Diskussion darüber mag in zweiter Linie kommen.
Ekwin Seidl, Köln
Svend Aage Pallis: The Antiquity of Iraq, A Handhook oj Assyriology.
Copenhagen: Munksgaard 1956. XVI, 814 S., 4 Pläne, 8°.
Dieses umfangreiche Werk will nach den einleitenden Worten keine
Enzyklopädie sein, sondern lediglich das darstellen, was dem Vf. wichtig
erseheint und in jedem Fall seine eigene Ansicht wiedergeben. So erklärt es
sieh von vornherein, wenn die einzelnen Abschnitte des Buches mit unter¬
schiedlicher Intensität behandelt sind. Den ausgeprägten wissenschafts-
historisohen Neigungen des Vf., die bei jeder seiner Problemdarlegungen
deutlich werden, entspricht seine besonders eüigehende Darstellung der
Entdeckungs-, Ausgrabungs- und Entzifferungsgeschichte. Große Mülie hat
er vor allem auf die am schwersten zugänglichen frühen Reiseberichte ver¬
wandt, alte Irrtümer korrigiert, reichliche Literatvuhinweise und sogar häufig wörtliche Zitate gegeben. Letzteres trifft auch für die im gleichen Zusammen¬
hang erscheinende Geschichte des niedergehenden Babylon (S. 20—40) zu.
Da hier alle Quellen in der Originalsprache angeführt werden erhebt sich
allerdings die Frage, für welchen Leserkreis dieses „Handbuch der Assy-
riologie" bestimmt sein soll. Verschiedene andere Kapitel ließen darauf schließen, daß auch an den der Keilschriftwissenschaft etwas ferner stehenden
gedacht ist. Hätte man diesem zuliebe nicht die akkadischen Zitate über¬
setzen sollen ?
Die angeführten historischen Abschnitte enthalten ferner ausgezeichnete
Aufstellungen zu verschiedenen Fragenkomplexen, die bei der nieht allzu
übersichtlichen Aufmachung des Werkes dem flüchtigen Leser leicht ent¬
gehen können z.B. : Museen imd Privatsammlungen mit babylonischen
Antiken und Inschriften vor 1847 (S. 65—70), Publikationen der assyrischen
lind babylonischen Keilsehrifttexte vor 1851 (S. 70—87), Publikationen
altpersisoher und susianischer Inschriften bis zur selben Periode (S. 87—-92), Nomenklatur der elamischen Inschriften achaemenidischer Zeit (S. 123—126),
Größe einer Anzahl iräqischer Fundplätze (S. 298) und chronologische Liste
der iraqischen Ausgrabungsorte (S. 341—-384). Gerade bei der klar geordneten und detaillierten Ausgrabungsliste ist die Beschränkung auf das politische
Gebiet des heutigen Iraq besonders bedauerlich. Aber auch in den kultur-
liistorischen Kapiteln erweist sie sich mehrfach als störend (z.B. wenn auf
S. 405 Teil Brak und Chagar Bazar sogar als „extra-Mesopotamian" be¬
zeichnet werden).
Breitere Darlegungen finden wir femer in den Abschnitten über Keil¬
schrift, Sprachen, Chronologie und den Kodex Hammurapi. Auoh die Vor¬
geschichte wird eingehend behandelt, wogegen Geschichte und Themen
veie tägliches Leben, Kult, Kunst, Literatur und Wissenschaften eine be¬
deutend knappere Darstellung finden.
Die Vorgeschichte erstreckt sich naeh Pallis bis Early Dynastie III a
einschließlieh (S. 434) und besteht aus einer genetischen Folge von Keramik¬
stufen (S. 408, 460), wobei Einflüsse nur am Rande mitspielen (S. 445f). So
gehört z.B. die Teil Halaf-Periode zur Hassuna-Kultur und verdankt unter¬
scheidende Merkmale allein ihrer engeren Beziehung zum Westen (S. 411).
Die monochrome Warka-Keramik ist eine Folge des ,, Puritanismus", den
die schwierigeren Lebensbedingungen im Süden bewirkten und demgegen¬
über dann mit der Djamdat Nasr-Ware die altmesopotamische Buntkeramik
-wieder durchbricht (S. 426, 461). Strukturuntersohiede zwischen Samarra-
und Toll Halaf-Ware, sowie enge östliche Verbindungen der vor- und früh¬
geschichtlichen Buntkeramik sind aber doch so tiefgreifend, daß sie unbe¬
dingt berücksichtigt werden müssen, zumal sieh derartige Zusammenhänge
nicht allein auf die Keramik beschränken. Dieser Fragekomplex bedarf nooh
einer genaueren Untersuchung, aber es ist eben unmöglich, die vorderasiati¬
sche Vorgeschichte allein aus iräqischer Perspektive zu betrachten.
Zu der Frage der Tholoi (S. 409) wäre hinzuzufügen, daß sich unter den
beiden Tholoi von Tepe Gaura XVII tatsächlich insgesamt fünf Gräber be¬
fanden (Tobleb, Excavations at Tepe Gawra, Vol. II, 1950, S. 43). Die Eridu-
Ware (S. 413, 422) ist inzwischen als mit der von Haggi Mohammed identisch
erkannt worden (Ch. Zieoleb, Die Keramik von der Qal'a des Haggi Moham¬
med, 1953, S. 54ff.). Auch die verfehlte Uruk-Stratigraphie A. L. Perkins, die der Vf. benutzt (S. 424, 427 f.), ist durch H. J. Lenzen, MDOG 83, S. Iff.
berichtigt worden. Hinzu kommen besonders auf S. 427 f. bezüglich der Bau¬
zusammenhänge von Uruk zahlreiche weitere Versehen, die hier nicht alle
korrigiert werden können. Zu den Tempeln in Eana vgl. H. J. Lenzen,
ZA 49 (NF 15), 1950, S. Iff. Für den Sin-Tempel in Hafadja hat man später
eine neue Zählung (von unten nach oben) eingeführt (S. 434), auch wurde
408 Bücherbesprechungen
das Periodensystem des Diyala-Gebietes nachträghch durch Anhängen einer
Protoimperial period an Early Dynastie Illb erweitert (S. 435). Mit der
„protoelamischen" Schrift zur Akkad-Zeit (S. 435) sind wohl die Striob- inschriften Puzurinsusinaks gemeint.
Die Sumerer sind nach Pallis (S. 462) das Resultat einer Völkermisohung
mit folgender Isolation vom Norden in der Ubaid-Zeit. Er hält sie für den
schöpferischen Faktor des frühen Vorderasien bis tief in die historische Zeit hinein. Erst mit der Isin/Larsa-Zeit wurde das semitische Element herrschend (S. 512). So wird S. 719 die bildende Kunst bis zur Akkad-Zeit in Erfindung
imd Ausführung allein den Sumereren zugeschrieben. Kisch sei nach den Aus¬
grabungsergebnissen eine kulturell rein sumerische Stadt (S. 498). Das läßt sich kaum beweisen, ebensowenig wie eine physiognomische Unterscheidung
der gemischten Bevölkerung Maris gegenüber den Sumerern und derart
bedingte Trachtunterschiede festzustellen sind (S. 509). Sie beruhen allein darauf, daß hier Darstellungen aus verschiedenen Epochen verglichen werden.
Die hervorragenden Denkmäler der Akkad-Zeit — wie die Narämsin-Stele
des Louvre — hält der Vf. für Erzeugnisse sumerischer Künstler (S. 719)
während der bildnerische Niedergang nach Hammurapi auf die endgültige
Installation der Semiten zurückzuführen sei. Somit könnte der eine Weih¬
inschrift für Hammurapi tragende Beter aus Larsa (Encyclopedie photo-
graphique de l'art, Vol. I, S. 261 B) als der ,, Schwanengesang der sumerischen Kimst" gelten. Diese These ist nicht ganz neu. Sie wurde z.B. durch R. Herz¬
feld vertreten (Archäologische Mitteilungen aus Iran V, 1932, S. 42ff.) und ist wohl schon in der Fragestellung verfehlt. Die Erklärung, daß die besten altakkadischen Kunsterzeugnisse — sie waren zahlreicher als man allgemein
annimmt — aus sumerischen Werkstätten bezogen wurden, ist uns schon
deshalb unannehmbar, weil die besondere Eigenart der altakkadischen Bild-
nerei diese ganz deutlich gegenüber der vorhergehenden Epoche abhebt.
Die frühdynastische Kunst endet vielmehr in einer gewissen Stagnation, sie
hatte sieh ausgelebt, bevor neue Impulse zu einem raschen Aufstieg der
andersartigen altakkadischen Bildnerei führten. Aus der Epoche nach
Hammurapi besitzen wir tatsäehlich wenig Bildwerke. Damals begannen
sich bereits die Kassiten durchzusetzen und führten zunächst in der Glyptik zu einem neuen Bildstil. Der Vf. ist der Meinung, Verwaltungsorganisation
und Kriege hätten die Kunstäußerung unter den Herrschern von Agade
gehemmt (S. 717). Angesichts der hohen Qualität und richtungweisenden
Neuerscheinungen auf vielen Gebieten der bildenden Kunst gerade zu ihrer
Zeit kann man dem wohl kaum zustimmen. Außerdem steht die Zahl der
überlieferten Denkmäler zu der der ursprünglich vorhandenen nieht immer
im gleichen Verhältnis. Gerade für die altakkadische Zeit ist es uns sogar
belegt, daß ihre Bildwerke (aus Akkad und Esnuna) weitgehend Opfer der
Elamiten unter Sutruknahhunte wurden. Nur ein Teil der nach Susa ver¬
schleppten Beutestücke konnte dort durch Ausgrabungen wiedergewonnen
werden. Pallis sieht den eigentlichen Fortschritt in der Bildhauerei erst
bei Gudea (S. 718), dem vor allem günstige Überlieferungsbedingungen
einen so unverdient hoben Rang in der Kunstgeschichte eingeräumt haben.
Hier konnten nur einige Grundthesen des Vf. angeführt werden. Eine
Auseinandersetzung mit ihnen ist schon deshalb anregend, weil sie alle ein
einheitliches Gesicht tragen, das in der Persönlichkeit des Autors begründet liegt.
Eva Stbommengeb, Berlin
J0BGEN Laessob : Studies on the Assyrian Ritual and Series bit rimki, Kopen¬
hagen: Ejnar Munksgaard 1955. 112 S. 3 Taf. Dän. Kr. 25,—.
Weit verbreitet in den Religionen der Völker ist der Glaube an die ent¬
sühnende Kraft des Wassers. Nach Analogie der äußeren soll es auch die
innere Reinigung bewirken, Sünde und Schuld abwaschen rmd mit der Sünde
den Zorn der Götter und die verwirkte Strafe tilgen.
In Babylonien hat dieser Glaube seinen Niederschlag in zahlreichen reli¬
giösen Waschungen, speziell in der Waschimg oder dem Bad des bit rimki
gefunden. Schon bei Gudea (Cyl. A 18, 3) ist die Waschung als religiöse
Zeremonie bezeugt, zur Zeit der III. Dynastie von Ur findet sie nach einem
Texte aus Drehem im Tempel Eas statt (CT 32, 12; IV 3f.), in Mari ist sie
irgendwie mit dem esSesu-Fest verbunden (ARM 1, 10), bei den Hethitern
wird sie in einem außerhalb gelegenen Gebäude vollzogen, wie auch in Baby¬
lonien das bit rimki draußen in der Steppe liegt. Daß nicht jede kultische
Waschung bzw. jedes kultische Bad im bit rimki stattfinden mußte, zeigen
Stellen wie CT 23, 3, 15, THmiEAU-DANGiN, Rit. acc. 129, Z. 2, während es
zur Lösung vom Banne doch wohl unerläßlich ist, daß der Mensch dahin
gebracht wird (Surpu 5/6, 36f.). Daß dort Wassergefäße gebraucht wurden,
ist selbstverständlich ; sie werden erwähnt in ADD 964, 9; ein pitnu (Kasten ?)
fiir das bit rimki wurde im 8. Jahre Nabonids gekauft (Strassmaier, In¬
schriften von Nabonidus, Nr. 289).
In neuassyrisoher Zeit ist der Ritus des bit rimki speziell für den König
geordnet und in einer Serie festgelegt und kanonisiert worden. Er vollzog
sich nach den Vorschriften von PBS I, 1 Nr. 15 in der Weise, daß der König
in sieben ,, Häuser" eintrat, die wohl als sieben Stationen im bit rimki zu ver¬
stehen sind. Ob sich die Zeremonien in den 7 ,, Häusern" auf 7 Tage verteilten,
läßt sich nicht sagen, ist aber vielleicht nicht wahrscheinlich, da ein be¬
schleunigter Abschluß des Ritus seinem Zweck, der Abwendimg irgendeines
Unheils, besser entsprechen dürfte als die Ausdehnung auf mehrere Tage.
Beim Eintritt in die „Häuser" wird der König vom maima&u empfangen,
der eine sumerische Beschwörung rezitiert. Der König antwortet mit einer
akkadischen Beschwörung und vollzieht magische Riten, wozu besonders
eine Handwaschung über den Bildern des Hexers oder der Hexe gehört, wie
sie auch aus Maqlü 9, 152ff. bekannt ist; denn das von einer rituellen Wa¬
schung stammende Wasser verhindert schädliche Einwirkung und hält
Zauberei fern (vgl. Maqlü 7, 182ff.). Die im bit rimki zu rezitierenden sume¬
rischen Beschwörungen finden sich zum Teil in dem Text K. 9235 (S. 34ff.)
wieder. Die im 2. „Haus" bei der Handwaschung über dem Bilde des Hexers
zu sprechende akkadische Beschwörung '^Sama& iar äame u ersetim ist aus
mehreren Bruchstücken zusammengesetzt (S. 37 ff.), die Beschwörung des
5. ,, Hauses" ''■Samai dajän äame u ersetim entspricht zum größten Teil
KAB 246.
L. teilt die Texte, die seinen Untersuchungen zugrunde liegen, in Um¬
schrift, Übersetzung und Autographie mit. Leider hat er nicht auch die
Ritualtafel von Zimmern BKBR Nr. 26 in vollem Umfang wiedergegeben.
Man würde es ihm danken, wenn man auoh dieses wichtige Stück zur Hand
hätte und es ohne Mühe vergleichen könnte.
Die Texte verwenden, wie das in den Ritualen üblich ist, reichlich sume¬
rische Ideogramme. Daß diese nach der Intention der Schreiber babylonisch
zu lesen sind, zeigen die phonetischen Komplemente. Es wäre deshalb sinn¬
gemäß, sie auch in der Umsehrift aufzulösen und so umständliche Tran-
410 Bücherbesprechungen
skriptionen zu vermeiden wie ana UGU NTJ iXJ.KA X BAD.ZU S'ü.2-M
LUH-st oder gar ki-i KA GIS.ZU.MES GAB.RI KUR.AS + SuR.KI m
URI .KI usw. in der Tafelunterschrift von K. 9235. Das ließe sich wohl ein¬
facher auf AssjTisch sagen. Folgt man aber konsequent dem Prinzip, so wird
aus ASSur-bän-apli ™A§-f SUR.DÜ.A in der gleichen Unterschrift.
Das sorgfältig gearbeitete Buch mit seinen ins letzte Detail gehenden
Untersuchungen läßt kaum einen Wunsch offen — auf S. 34, Z. 4 möchte
man fiir ZALÄG dan-ni wohl besser sab-tan-ni wie Maqlü 2, 66 lesen — imd
wird maßgebend bleiben, so lange nioht neues Material zur Serie bit rimki
und dem bei der Waschung üblichen Zeremoniell bekannt wird.
Fbiedbich Schmidtke, Münster (Westf.)
Paul Kahle: Opera Minora, Festgabe zum 21. Januar 1956. Leiden: Brill
1956. XVIII, 372 S., 8».
Die Herausgabe gesammelter Abhandlungen ist eine der schönsten Fest¬
gaben, mit denen ein Gelehrter nach langer Forschertätigkeit geehrt wird.
Sie ehren den Jubilar durch die Würdigimg seines eigenen Werkes und machen
dieses leichter zugänglich. Der Paul Kahle zum 80. Geburtstag gewidmete
Band umfaßt 23 Aufsätze aus den wichtigsten Forschungsgebieten dieses
umfassenden Gelehrten. Vorausgehen eine kurze Würdigung der wissen¬
schaftlichen Persönlichkeit Paul Kahles, die gezeichnet ist von den Initia¬
toren der Festgabe Matthew Black, Johannes Fijck, Fedebico Päbez
Castbo, Otto Spies, sowie ein Verzeichnis der Schriften von Paul Kahle.
Der erste Abschnitt des Buches „Hebraica" umfaßt die wichtigsten Auf¬
sätze zur Textgesohichte des Pentateuch und zur Geschichte der Punktation
und Aussprache des Hebräischen, daran anschließend Aufsätze über das
Jüdisch-Aramäische, das Samaritanische sowie über Probleme der bei
Hirbet Qumrän gefundenen Handschriften. Die beiden dem letztgenannten
Thema gewidmeten Aufsätze sind bier in englischer Fassung erschienen,
ihre Erstveröffentlichungen sind jedoch in deutscher Sprache abgefaßt:
T>ie Community of the New Covenant and the Hebrew scrolls (deutsch in
ThLZ 1952) und A leather scroll of the Greek Minor Prophets and the problem
of the Septuagint (deutsch in ThLZ 1954). Während die meisten Artikel un¬
verändert abgedruckt wurden, ist der Aufsatz, Zwei durch Humanisten
besorgte, dem Papst gewidmete Ausgaben der Hebräischen Bibel (aus: Essays
presented to Leo Baeck..., London 1954), vom Verfasser einer Revision
unterzogen worden. Unter „Hebraica" findet man auch einen Aufsatz aus
dem Gebiete der arabischen Philologie, nämlich Moses Maimonides' Apho¬
rismen (Fusül), Einleitung. Die Auswahl der hier abgedruckten Aufsätze
macht eindrucksvoll klar, welch reiohes Material zur Gesehichte des Textes
des AT und der hebräischen Sprache durch Kahles Werk erschlossen wurde.
Es wäre nun auch an der Zeit, daß die linguistische Erforschung des Hebräi¬
schen die nunmehr gebahnten Wege beschreite.
Die Auswahl der im zweiten Abschnitt „Islamica" gesammelten Abhand¬
lungen spiegelt den Umfang der wissenschaftlichen Tätigkeit Paul Kahles
auf diesem Gebiete nioht so vollkommen wie die Auswahl der ,, Hebraica".
Er umfaßt Aufsätze aus den folgenden Gebieten: Futuwwa, historische
Geographie (Kolumbus-Weltkarte, Piri Re'is u. a.), ägyptisches Schatten¬
spiel und chinesisehes Porzellan in islamisohen Ländern. Man vermißt das
Gebiet der neuarabiaehen Volkskunde, auf dem Kahle so fruchtbar tätig
war. Zwei der hier neuveröffenthchten Aufsätze sind wiederum wesenthch
revidiert worden: Die Futuvma-Bündnisse des Kalijen an-Näsir, jetzt eine
neue Übersetzung der Kap. 6 imd 7 des K. al-Futüwa des Ibn al-'Ammär
enthaltend, und China as described by Turkish geographers jrom Iranian
sources (aus: Proceedings ofthe Iran Society, 1940). Die letzte Abhandlung, Chinese porcelain in the lands of Islam, Supplement, stellt die Zusammen¬
fassung zweier Aufsätze dar, von denen der eine in deutscher Sprache in
,, Wissenschaftliche Annalen, 1953", der andere in „Journal of the Pakistan Historical Society I, 1953" erschienen ist. Besonders soll hier noch auf den
Aufsatz A Oypsy woman in Egypt in the thirteenth Century A. D. hin¬
gewiesen werden, da er an einer von Arabisten weniger beachteten Stelle, im
„Journal ofthe Gypsy Lore Society, 1950", erstmals erschienen ist.
Wolfdietrich Fischer, Münster
Annales d't^thiopie. Puhliies par la Section d'Archeologie du Gouvernement Imperial d't^thiopie. T. ler. Ya-Ityopya nsgusa nagast mangdst ya-arke- U'olozi masri^'ä b^et yäsättamaw ya-Ityopyä ya-ämatäwi tärik mashet. Innä inashet^. Paris: Klincksieok-Addis Ababa: Saba 1947 a. m.; 1955 [unserer Ära]. XVIII, 160 S., 23 Taf., 8».
Der Erforschung Äthiopiens sind schon mehrere Zeitschriften ausschlie߬
lich gewidmet worden: der von S. Gbäbaut herausgegebene Aethiops
<Paris 1922—23, 1930—31). 1936, 1938), für kurze Zeit aueh als Aethiopica
erscheinend (1.—3. New York 1933—35), die von C. Conti Rossini 1941
gegründete und hohen Rang beanspruchende Rassegna di Studi etiopici (im
folgenden RSE), von der zuletzt 1959 der 14. Band ersohienen ist. 1953 gab
das Istituto di Studi Etiopici in Asmara den ersten Band seines Bollettino
heraus, vgl. RSE 12. 1953 S. 149f. Im Mai desselben Jahres begann die
Ethnological Society des University College of Addis Ababa ihre Arbeits¬
ergebnisse in einem Bulletin zu veröffentlichen, dessen erste Nummern auf
S. 156 des zu besprechenden Werkes angezeigt werden.
Diesen Zeitschriften tritt seit 1955 das Organ der dm-ch kaiserliche Pro¬
klamation im Februar 1953 gegründeten Sektion für Archäologie zur Seite.
Als Herausgeber des ersten Jahrgangs, der Kaiser Haila Selläsie I. zum sil¬
bernen Thronbesteigungsjubiläum überreieht worden ist, zeichnet Ato
Kabbada Mikael, Generaldirektor beim Kultusministerium Addis Ababa,
unterstützt von Andb]5; Caquot, Paris, und Jean Leclant, Straßburg. Vor¬
nehmste Aufgabe der Zeitsohrift ist die Veröffentlichung von Quellenmaterial
zur Geschichte Äthiopiens. Amharische Rösumös der Beiträge sollen die
Verbreitung unter den einheimischen Gebildeten fördern und zur Zusammen¬
arbeit mit den auswärtigen Forschern ermuntern.
Der erste der vier Abschnitte, in die der Band übersichtlich gegliedert ist,
„Fouilles et reconnaissances. Rapports et 6tudedes monuments" (S.9 —58),
behandelt vor allem die in Makalle (Maqälle), der Hauptstadt der Provinz
Tigre, gesammelten Funde. Mit ihrem Fundort Hawila Assarau im Distrikt
Senate {Sän'afe) an der großen Straße von Adi Caieh {'Addi Qaiyah) nach
1 Die Umschrift des Amharischen folgt Mabcel Cohen, Traiti de langue
amharique (Paris 1936), jedoch mit a für den Vokal der ersten Ordnung. Die
Umschrift des Äthiopischen (Ge'ez) richtet sich nach Enno Littmann in
Handbuch der Orientalistik. 3. Leiden 1954 S. 351 ff.
2 7 ZDMG :09/2
412 Bücherbesprechungen
Adigrat ('Addi Ora[h]t) und üiren altsüdarabischen Inschriften erinnern sie
an die Fluide von Dibdib 9 km südhch Senafe (vgl. BSE 12. 1953 S. 5—28
und Bibliotheca Orientalis. 12. 1955 S. 148) und von Kaskase (RSE 5. 1946
S. 1—6) und erhärten erneut die geschichthche Bedeutung dieses Raumes.
In einer auf einem Thron sitzenden Statue mit altsüdarabischer Inschrift
auf dem tragenden Sockel sehen A. Caquot und A. J. Deewes, Les monu¬
ments recueillis ä Maqalle (S. 16—41), eine stellvertretende Weihgabe, mit
der sieh eine Frau sicher hohen Ranges in Erwartung eines Kindes der Gott¬
heit weiht. Ein Altar mit ,,AfTenkopfarohitektur" als Dekor bezeugt in seiner
altsüdarabischen Inschrift zum erstenmal den südarabischen Gott Almaqah
auf äthioiDisohem Boden. In der Inschrift eines Gegenstandes aus Bronze,
der die Form eines Wurfstooks hat imd vielleicht ein Votivszepter darstellt, wollen die beiden Bearbeiter „le plus ancien monument de la langue geez"
(S. 37) erkennen, auf dessen schriftgeschichtliche Bedeutung Deewes
S. 121 ff. zurückkommt. Der Königsname Odr der Inschrift erscheint in den
Namen Agdür, Za-Gedür und Gedür der aksumitischen Königslisten wieder.
Ob Odr mit Odrt, dem aus CIS IV 308, 11 bekannten König der HbSt, dem
Bundesgenossen des 'Alhän Nahfän (1. Jahrh. n. Chr.^) identisch ist, muß
offenbleiben. Zwei sprachliche Erscheinungen der Inschrift haben die Be¬
arbeiter bewogen, in ihr einen Ge'ez-Text zu sehen : ngSy = nagääiya nach
dem Beispiel der aksumitischen Inschriften, die Genitivkonstrulition mit
1(d) in mzlt Prg wllmq. Das vorweisende Pronominalsuffix an mzlt hätte aller¬
dings -ö zu lauten, nicht -ü (S. 36). Der übrige sprachliche Befund gibt zu
erheblichen Bedenken Anlaß: Das determinierte Akkusativobjekt wird im
Ge'ez anders als hier gewöhnlich durch Suffix am Verbum und la- vor dem
Nomen eingeführt. Th'l bedeutet im Ge'ez nirgendwo „sich bemächtigen", wie auch die Bearbeiter eingestehen. Mit mzlt ist vom Standpunkt des Äthio¬
pischen aus nichts anzufangen, weshalb dem Wort eine arabische Verbal -
wurzel zugrundegelegt wird. Warum wird die Inschrift dann nioht gleich
(süd-)arabisch gelesen ? Die T-Form th'l als Reflexiv des Grundstammes h'l
,, besitzen" wäre nach Höfneb, Altsüdarabische Orammatik S. 85 wohl etwas ungewöhnlich, die Bedeutung „sich in den Besitz setzen" aber gesicherter als im Ge'ez. In mzlt erblicken die Herausgeber ein nomen loci zu zll. Die in
Höfnee, Orammatik S. 25 erwähnte Tatsache häufiger totaler Assimilation
eines n an unmittelbar folgende Konsonanten läßt, mit Vorbehalt natür¬
lich, an urspr. mnzlt denken, arab. manzilat"" ,, Rangstellung, Würde". So ist
die Inschrift schließlich rein arabisch zu deuten : „Odr, König von Aksum.
hat hinsichtlich 'rg^ und Imq eine (durch den Gegenstand ausgedrückte)
Rangstellung in Besitz genommen". Geht es daher auch zu weit, in der In¬
schrift ,,das älteste Denkmal des Ge'ez" zu sehen, bleibt den Bearbeitern
doch das Verdienst, einen historisch bedeutsamen Fund sorgfältig vor¬
geführt zu haben, von dem ich zuerst durch L. Ricci, Bitrovamenti archeologici nel Tigrai (Affrica. 9. Roma 1954 S. 182f.) erfuhr. Berichte über Kleinfunde
aus der Umgebung Aksums sowie über Bruchstücke phänischer Steine aus
dem Sidämö-Gebiet, die in Form von Mensohenköpfen gearbeitet sind und
von afrikanischem Einfluß zeugen, beschließen den ersten Abschnitt.
1 Eine um zwei Jahrhunderte spätere Datierung vertritt J. Doeesse,
L'ithiopie et l'Arabie meridionale aux 3e et 4e siecles A.D. d'apres les ddcou- vertes ricentes. Kush. 5. 1967 S. 49—68.
2 Ort östlich von Aksum.
Der zweite Abschnitt „Textes" (S. 59—116) wird ganz von A. Caquot
bestritten, der sich neben seinen aramäischen Studien — vgl. Syria 1952,
1953, 1955 — damit auch als Kenner des Äthiopischen ausweist. S. 61—88
gibt er dank dem Entgegenkommen eines einheimischen Dabtarä ,,L'homelie
en l'honneur de l'Archange Ouriel (Dersäna Urä'el)" in einer modernen, viel¬
leicht der Zeit Menilek II. angehörenden Ge'ez-Fassung imd in Übersetzung, beschenkt uns also mit einem Text, der bis dahin in den europäischen Biblio¬
theken unbekannt, Enno Littmann nicht erst 1906 in der Zionskirche zu
Aksum, wie Caquot S. 62 Anm. 2 schreibt, sondern schon 1900 im äthio¬
pischen Kloster Der es-Seltän zu Jerusalem^ und dann wieder 1905 im Kloster
Dabra Smä in Eritrea^ aufgefallen war. Zur Gestalt des Erzengels Suriel
(Var. Uriel) hätte noch auf H. J. Polotsky, Suriel der Trompeter (Le Musöon.
49. 1936 S. 231—243) hingewiesen werden müssen, weitere Aufschlüsse wer¬
den von dem bei Otto Harrassowitz, Wiesbaden, für 1959 angekündigten
Buch über die Engellehre der Koptischen Kirche von C. D. G. Müller zu
erwarten sein^. Im ersten Teil der Homilie erklärt der Apostel Johannes in
streng monophysitischer Weise die vollkommene Verschmelzung der gött¬
lichen und menschlichen Natur in der Person Jesu Christi und läßt, um das
Geheimnis der Menschwerdung rational faßbar zu machen, seine Jünger in
einer Vision an Jesu Leiden teilnehmen. Die letzte Episode dieser Vision ist
der Grundstock imserer Homilie. Mit Blutstropfen aus der Seitenwunde
Christi bezeichnet Uriel im voraus die vornehmsten Heiligtümer Äthiopiens,
deren Liste sich von dem in der hagiographisch-historischen Literatur Ge¬
wohnten dadurch abhebt, daß die heiligen Orte des südliehen Schoa, u. a.
Bntotto, Yarar erwähnt, die Klöster des Tänä-Sees und Heiligtümer Go-
dschams übergangen werden. Die Beliebtheit des Textes in Addis Ababa er¬
klärt sich nicht zuletzt daraus. Der Dersän wird pseudepigraphisch einem ge¬
wissen Theodot, vielleicht dem Bischof von Ankyra (5. Jahrh.) zugeschrieben.
Unter seinen Quellen nennt der Verfasser der Homilie auch Bischof Heryäqös von Bobnosä, „der die Messe unserer Herrin Maria verfaßt hat" (S. 78,10),
imzweifelhaft* Cyriakus von al-Bahnasä, einer bei G. Graf, Geschichte der
christlichen arabischen Literatur I 475f. in ihrer literarischen Bedeutimg ge¬
würdigten Persönlichkeit ganz unsicherer Existenz und Lebenszeit, die
frühestens in die erste Hälfte des 6., spätestens ins 11. Jahrb. zu datieren ist.
In der erwähnten Jerusalemer Hs. wird Cyriakus von Behnesä geradezu als
Verfasser bezeichnet, Polotsky a. a. O. S. 239 Anm. 21. Eine Untersuchung der Quellen und Vorbilder des Dersän, der Verwandtschaft zur ,, Geschichte von Dabra Smä" (Guidi, Storia della letteratura etiopica S. 94) zeigt und die
Geschichte der äthiopischen Religiosität beleuchtet, ist für später in Aus¬
sicht genommen. — Der Text ist nicht nach Dillmann orthographisch nor¬
miert, sondern gibt, leider mit zahlreichen Druckversehen, einfach die Vor¬
lage wieder und damit eine Probe des heutigen literarischen Ge'ez. In einer
Form wie y9j(j)essam (S. 69,7) ist das reflexive t wohl in amharisierender Weise assimiliert (Cohen, Traite S. 214ff.). Die Guttural gesetze werden nicht immer berücksichtigt, ta'arrdg (S. 71, 12). Aiküü (S. 73, 25) statt i-ydkslü ist entweder Druckfehler oder aber entspreehend wa-aimässan bei J. Halevy,
1 Zeitschrift für Assyriologie. 16. 1902 S. 109, 118.
2 Ebda 20. 1907 S. 169.
2 Inzwischen erschienen, vgl. besonders S. 54 ff.
* Gegen die Bedenken Caquots S. 64 unten.
27«
414 Bücherbesprechungen
Te'ezdza Sanbat (Paris 1902) S. 85, 13 gebildet, das W. Leslau, FalasJia
Anthology (New Haven 1951) S. 167'^ in i-y9mas(s)9n verbessern möchte, ai
als Negation ist alt, vgl. Deutsche Aksum-Expedition IV S. 81 und besonders
S. 14, wo die Frage ausführlicher erörtert wird. Abrökörös za-Anereges
(S. 66, 29) wird einfach durch Abrokoros d'An. wiedergegeben (S. 79, 27).
Nun ist S. 78, 11 Abrökörös ausdrücklich rad'a Yöhannds ,, Jünger des Jo¬
hannes" genannt. Johannes und Jacobus aber heißen Mareus 3, 17 Boavrjpyfi;
ha'anerges, das dureh daqlqa nagwadgwad ,, Donnersöhne" erklärt wird.
Aner(e)ges ist also Kiuzung für Ba'aner{e)ges. Kama 3nta y^falht nöläwe
ahäga' 3m-atali (S. 69, 21) ,,wie die Ziege, die der Schafhirte von den Ziegen aussondert", kaiun aber ,,car je suis seul, pareil ä, un pasteur söpare de ses chevres" (S. 81, 40). 9m-gabö tasba'tü nasüh za-nai'a dm-dgzVdtdna (S. 76, 11)
wird übertragen ,,du flanc de son Incarnation, (car) elle s'est incarnöe en
Notre-Dame" (S. 86 uit.). Korrekter ist ,,aus der Seite seiner reinen mensch¬
lichen Natur, die er angenommen hatte aus unserer Herrin". Mit madra
'Ärab (S. 77, 18), das durch pays d'Arab (S. 87, 40) übersetzt wird, be¬
zeichnet die Vita des Gabra Manfas Qeddüs den zukünftigen schoanischen, vom Sultanat von Schoa beherrschten Schauplatz des Heiligen, das ,, Araber¬
land", vgl. E. Cebulli, II Sultanato dello Scioa nel secolo XIII .. . (RSE 1.
1941 S. 5—42). König Nä'öd ist nach J. Ludolf, Historia Aethiopica Lib. II
Cap. 6, 9 Bruder des Eskender. Im Text (S. 78, 17) ist daher zwischen
9hühü{ !) und Sskandar die Partikel la einzuschalten, übersetzt ist S. 88, 28 richtig. — Neu für das äthiopische Wörterbuch ist außer tadaqöd{d)aqömü (S. 70, 9) ,,(il) les frappa d'6pouvante" (S. 82, 16), dem Reflexiv eines der amharischen Verbalform nah"'ollala^ vergleichbaren daqöd(d)aqa vor allem
abraha sakana malakötü la-sdlmat (S. 77, 6) ,,la magnificence de la di¬
vinite illumina les t^nebres" (S. 87, 30). Im Supplement von S. Gb^baut
sowenig belegt wie in den Spezialglossaren erinnert sakan, mit dem ein un-
gedeutetes sakanayawi bei S. Stbelcyn, Prieres magiques ithiopiennes^
S. 43r, 15 zu vergleichen ist, sofort an jüdisoh-aram. Skma, eigtl. das Wohnen
sc. Gottes, dann wesentlich nichts anderes als die ursprüngheh im Himmel
verborgene Herrlichkeit Gottes, welche sieh auf die Erde herabläßt^. Th. Nöl¬
dekb verzeichnet sakan in seinen Lehnwörtern in und aus dem Äthiopischen*
nicht, auch E. Ullendobff weist es in seiner umfassenden Studie Hebraic-
Jewish Elements in Abyssinian (Monophysite) Christianity^ nioht nach. So¬
fern äthiop. sakan richtig überliefert ist — das zitierte sakanayawi spricht
vielleicht dafür —, ist Entstellung des aram. Grundwortes anzunehmen oder
aber ist dieses in der arab. Form sakan übernommen, die mit dem koranischen, aus Skina entstandenen sakina begrifflich identifiziert wird (Goldziheb, .46-
handlungen zur arabischen Philologie I S. 178). Geht äthiop. sakan auf ein
arabisches Mittelglied zurück, darf dies in der Frage nach der Herkimft des
Dersän nioht übersehen werden.
Unerwartet und beglückend wie die Veröffentliehung der Homilie auf
Uriel kommt nach dem Hinweis Cohens von 1923 der Aperg,u preliminaire
1 Cohen, Traiti S. 207.
2 Warszawa 1955 (Rocznik orientalistyczny. 18).
3 W. BoussBT, Die Religion des Judentums im späthellenistischen Zeitalter.
3. Aufl. Tübingen 1926 S. 315.
* Neue Beiträge zur semitischen Sprachwissenschaft. Straßburg 1910
S. 3i_66. ^ Journal of Semitic Studies. 1. 1956 S. 216—256.
sur le Mashafa Tejut de Gechen Amba von A. Caquot (S. 89—108). Auf¬
bewahrt in Gosen Amba, dem berühmten fürsthchen Verbannungsort in der
Amhara nördhch Magdala, dessen Vorbild kürzlich C. F. Beckingham^ in
dem von äthiopischen Kriegssklaven beeinflußten nordwestindisohen Beich
von Händes wahrscheinlich gemacht hat, enthält das Buch Tefüt Thora,
Evangelium, Senödös (kanonisches Reeht) mid dann vor einer Reihe könig¬
licher Verordmmgen über die Kirchen von Gesen Amba eine Art historischer
Einleitung, die dem Verfasser bis zum Regienmgsantritt des Lehna Dengel
(1508) bekannt geworden ist. Der Name Tefüt, das ,, kleine Tef-Korn", wio
ich im Anschluß an hypokoristisches Barhänüt^ lieber deuten möchte, soll
die winzige Schrift des Kodex sinnbildlich bezeichnen. Im Auszug übersetzt
schüdert der geschichtliehe Abschnitt nach den üblichen Genealogien von
Adam bis 'Amda Seyön zum einen ausführlicher, wie König Däwit II. (ge¬
meint ist natürlich der erste äthiopische König dieses Namens, 1382—1411) von den ägyptischen Christen für seine Intervention beim Sultan eine Kreuz¬
partikel erhalten habe, imd berichtet zum anderen, wie König Zar'a Yä'qöb
die verlorengegangene Partikel wiederfand und in Gosen Amba verwahren
ließ, dem er eine Menge Lehen übergab. Möglicherweise ist hier genau so gut
wie in den Zar'a Yä'qöb-Schriften Mashafa Barhän und Mashafa Miläd^
authentisches Material aus der Regierungszoit Zar'a Yä'qöbs, dieser ,, in¬
teressantesten Periode der äthiopischen Geschichte"^ erhalten imd dadurch
diesem Teil des Tefüt trotz der legendären Umhüllung eine besondere Be¬
deutung zuzuerkennen.
In seiner Note sur Berber Märyäm (S. 109—116) macht A. Caquot er¬
neut auf die Spuren christlichen Kultes aufmerksam, die im Gebirge Berber
Märyäm am Westufer des Lago Regina Margherita (Abbaye) mitten im
Gebiet heidnischer Sidämös 1894 von dort operierenden äthiopischen Trup¬
pen gefunden wurden. Deren Bericht ist wohl in die kurze Geschichte des
Orts eingegangen, die Verf. im Anhang einer amharischen Chronik (Kodex 3
der Nationalbibl. Addis Ababa) entdeckte und in Text imd Übersetzung
wiedergibt. Die Gründung der Kirche von Berber Märyäm wüd König Lehna
Dengel zugeschrieben, führt also in die Zeit der Eroberungen des Emir
Grän zu Anfang des 16. Jahrh., da die Häupter etwa des von Sidämös be¬
wohnten Landes Bäli christliche Namen hatten*. Diese christliche äthiopische
Kolonisation wurde nach kaum hundertjähriger Dauer 1532 durch den Sieg
der Muslime bis in die Tage Menilek II. unterbrochen.
Im dritten Abschnitt „fitudes" (S. 117—147) prüfen A. Caquot und
J. Leclant, Arabic du Sud et Afrique, Examen d'une hypothese ricente
(S. 119f.), die von C. Rathjens vertretene These*, nach der die südara¬
bischen Staaten infolge der Blockierung ihrer nördlichen Handelsstraßen 1 Ebda. 2. 1957 S. 182—188.
2 RSE 1. 1941 S. 19; dazu M. Cohen, Nouvelles itudes d'ithiopien meri¬
dional. Paris 1939 S. 116.
3 K. Wendt, Das Mashafa Berhän und Mashafa Miläd. Orientalia. N. S. 3.
1934 S. 1—30, 147—173, 259—293. Nachzutragen auch zu S. 101 Anm. 3.
4 C. Conti Rossini in Aevum. 10. 1936 S. 504.
" E. Cerulli, La lingua e la storia dei Sidamo. Roma 1938 S. 29 (Studi etiopici. 2.).
• Kulturelle Einflüsse in Südwest-Arabien .. . Jahrbuch für Kleinasiatische Forschung. 1. 1950/51 S. 1—42.
416 Bücherbesprechimgen
durch vorderasiatische Großreiche sich auf zwei Zugängen einen Ausweg
über Afrika gesucht hätten, auf der Route Aduhs — Aksum und über die
Somahküste — Harar, und kommen aus historischen und allgemeinsachhchen
Gründen zu einer ablehnenden Stellungnahme. Die von ihren Bearbeitern
S. 32 ff. für das älteste Spezimen des Äthiopischen gehaltene Inschrift veran¬
laßt A. J. Dbewes, in Problemes de paUographie ithiopienne (S. 121—126)
erneut die Einführung der Vokalbezeichnung in der äthiopischen Schrift zu
behandeln. Ein neuer Beschreibstoff, wohl das Pergament, habe spätestens
im Laufe des 3. Jahrh. n. Chr. — ein Jahrhundert früher als E. Littmann
im 4. Band der Deutschen Aksum-Expedition annahm — den Anstoß zur Ent¬
wicklung der vokalisierten äthiopischen Schrift gegeben. Ob der Übergang
zu anderem Schreibmaterial sehon solches bewirken kann, wird durch die
Einführung der Vokalbezeichnung in anderen semitischen Schriften in Frage
gestellt. Die Trennung der syrisehen Christenheit und ihr Diasporadasein
unter fremden nichtsemitischen Mächten "led to the need and desire for a
more accurate representation of sounds in Syriac, and, in particular, of
vowel sounds"!. Nach ostsyrischem Vorbild erfanden die jüdischen Gelehrten
Vokalisationssysteme, um die Aussprache des als heilig betrachteten he¬
bräischen Konsonantentextes genauer zu bezeichnen^. Und die aus der
semitischen Pehlevi-Buchschrift abgeleitete vollvokalisierte awestische
Schrift ist nicht das Resultat jahrhundertelanger Entwicklung, sondern er¬
funden worden, um alle Lautnuancen der traditionellen Aussprache des
Awestischen festzuhalten^. Nicht der Übergang zu anderem Schreibmaterial, sondern Sprachgefährdung und Notwendigkeit, heilige Schriften zu fixieren,
haben in diesen Fällen zur Vokalbezeichnung geführt. E. Littmann schreibt
in § 4 seiner leider unvollendeten Äthiopischen Grammatik sicher mit Recht:
,,Die Abessinier schufen aus dem sabäischen Alphabet in den ersten Jahr¬
hunderten unserer Zeitrechnung eine neue eigene Schrift . . . ; aueh diese
Schrift bezeichnete nur Konsonanten, keine Vokale. Im 4. Jahrh. endlich
wurde die bis heute in Abessinien gebräuchliche Schrift geschaffen, wahr¬
scheinlich durch die Missionare, die für ihre Bücher eine genaue Bezeichnung
der Aussprache nötig hatten". Im Anschluß an die Studie von Uoo Mon¬
nebet DE Villabd über die Maiestas Domini in Abessinien* verlangt
J. Leboy, Objectifs des recherches sur la peinture religieuse ithiopienne (S.
127—136) mehr Methode in der Erforschung der gerne als inferior betrachte¬
ten äthiopischen religiösen Kimst. Dringendstes Erfordernis sind nicht viel¬
fältige Detailstudien, sondern möglichst umfassende Reproduktionssamm¬
lungen der ikonographisohen Denkmäler. Das der jüdischen und arabischen
Legende wohlbekannte Motiv der Heilung der Königin von Saba von ihrem
Tierfuß und seine Umformung in der äthiopischen Tradition untersucht
A. Caquot, La Reine de Saba et le bois de la croix selon une tradition dthio-
pienne (S. 137—147). Eine Überlieferung läßt die Heilung durch Berüh¬
rung mit dem von Alexander aus dem Paradies mitgebrachten Lebensbaum,
1 J. B. Segal, The Diacritical Point and the Accents in Syriac. London
1953 S. 24.
2 P. Kahle in Bauer-Leandeb, Hist. Grammatik der Iiebr. Sprache I
(Halle 1922) S. 92 und in The Cairo Geniza (London 1947, 2. Aufl. noch nicht zugänglioh) S. 48 f.
3 W. B. Henning in Handbuch der Orientalistik. 1. Abt. 4.Bd. 1. Abschn.
Leiden 1958 S. 52; vgl. ebda S. 7. « RSE 3. 1943 S. 36—45.
dem späteren Kreuzesholze Christi erfolgen, und nimmt damit ein im mittel¬
alterlichen Abendland beliebtes Motiv aus der Legende der Königin von
Saba auf. Ein Motivaustausch mag über Jerusalempilger erfolgt sein.
Der vierte Abschnitt ,, Comptes rendus bibliographiques" (S. 149 bis
160), den die Herausgeber durch zusammenfassende Berichte auszubauen
hoffen (S. XVIII), bringt nach einem Überblick über amharische Neuerschei¬
nungen des Jahres 1947 (1954/55 ims. Ära) von P. Comba Anzeigen wich¬
tiger Arbeiten wie A. Vööbus, Die Spuren eines älteren äthiopischen Evan¬
gelientextes im Lichte der literarischen Monumente (1951)^, S. Stbelcyn,
Catalogue des mss. Äthiopiens (Colleetion Griaule) IV (1954), und würdigt
ausführlicher O. G. S. Cbawfobd, The Fung Kingdom oj Sennar (1951). Ein
Hinweis auf Mabcel Cohen, Cinquante annies de recherches linguistiques,
ethnographiques . . . (Paris 1955), der Festgabe zu seinem 70. Geburtstage,
beschließt den ungewöhnlich gehaltvollen, auoh in Druck und Ausstattung
hervorragend gelungenen ersten Jahrgang eines Organs, dem gedeihliche
Entwicklung aus vollem Herzen zu wünschen ist. Der 1957 erschienene zweite
Band (für 1956) berechtigt zu den besten Hoffnungen.
Anton Schall, Heidelberg
Wolf Leslau: i^tude descriptive et comparative du Gafat {fithiopien meri¬
dional). (Colleetion linguistique publice par La Sociötö de linguistique de Paris LVII). Paris: C. Klincksieck 1956. XX, 277 S., 2 cartes, 8». Frs. 2200.
Das Gafat ist eine nur mehr von wenigen Personen beherrschte semi¬
tische Sprache Äthiopiens, die heute im Distrikt Womberma, im Südwesten
des Godzam, in der Gegend des Blauen Nils (im Süden des Tana-Sees) zu¬
hause ist. Einstmals war wohl das Gafat die Sprache des gesamten südlichen Godzam; heute ist das Amharische Umgangssprache.
Zum erstenmal wurde das Gafat von Ludolf^ erwähnt. Dem Engländer
James Bruce, der von 1769 bis 1772 in Äthiopien weilte, verdanken wir eine
Übersetzung des Hohen Liedes unter anderm ins Gafat und Charles T. Beke
ein Vokabular von fast 400 Wörtern^.
Der Verfasser hat sich an Hand dieser schwer auszuwertenden Dokumente
bereits dreimal mit dieser Sprache befaßt*. Auf einen Satz in der ,, Ge¬
schichte Äthiopiens" (Yä'ityopya hazb tarik) des abessinisehen Historikers
Aleqa Tayye hin, daß die Einheimischen des Gafat-Landes sich unterein¬
ander noch ihrer angestammten Sprache bedienten, entschloß sich Leslau,
dem während seines Aufenthalts in Abessinien 1946—47 nachzugehen. Es
gelang ihm tatsächlich 4 Sprecher des Idioms aufzuspüren und mit ihnen
insgesamt einige Wochen zu arbeiten. Frucht seiner Initiative ist vorliegendes
1 Das syrische Zitat aus Vööbus ist S. 153 zu transkribieren: neikhih
bmalkütä da-l-'älam. Eine wichtige Ergänzung bietet derselbe Verfasser in
Early Versions oj the New Testament (Stockbohn 1954) S. 243—269.
2 Historia Aethiopica (1681), Buch I, Kap. XV, § 46.
^ On the languages and dialects oj Abyssinia and the countries to the South,
in Proceedings of the Philol. Society, vol. II 97—107, London 1845.
* The position of Gafat in Ethiopic, Language 20 (1944), 56—65; La
position du gafat parmi les langues simitiques de I'^Jthiopie, Comptes rendus
du GLECS 5 (1950), 47—48 und vor allem Oafat Documents, Records of a
South-Ethiopic language. New Haven 1945 (hinfort Oaf. Doc. abgekürzt).
418 B ücherbesprechungen
Werk, dessen Bedeutimg nicht leicht zu überschätzen ist, rettet es doch eino
uns bisher so gut wie unbekannte und bereits ausgestorben geglaubte se¬
mitisohe Sprache vor ihrem endgültigen Verschwinden für die Wissenschaft.
Wäre z. B. eine nordwestsemitische Sprache in gleicher Weise gerettet wor¬
den, hätte man von einer wissenschaftlichen Sensation gesproohen (s. den
Fall des Ugaritischen). Hier nun handelt es sich um eine äthiopische semi¬
tische Sprache, die ausgesprochen altertümliche Züge aufweist, die sie mit dem Geeoz verbinden (cf. p. 269 ,, Analyse du Gafat"). Das sollte man bei der Be¬
wertung der Leistung Leslaus wohl bedenken, denn — und das muß mit
aller Deutlichkeit gesagt werden — bei der rein spraohwissensohaftlichen
Beschäftigung mit semit. Spraohen, vor allem bei etymologischen Studien,
ist eine jede semit. Sprache und jeder Dialekt von gleicher Wichtigkeit und
eine vergessene Mundart in einem abgelegenen Winkel der semitischen Welt
kann uns unter Umständen Aufschlüsse geben, die aus einer der großen Li¬
teratursprachen nicht zu gewinnen sind.
Die nächste Verwandtschaft verbindet das Gafat, wie eine sorgfältige
Feststellung der Hauptcharakteristika und Vergleichung mit den übrigen
äthiopischen Semitensprachen (p. 261-—277) zeigt, mit dem Aymellel (Nord-
Gurage)!.
Durch das ganze Werk hindurch führt Leslau eine sehr erwünschte Ver¬
gleichung der Gafatdata mit denen der anderen äthiopischen Sprachen durch,
die vor allem den Fachgenossen, die sich nieht speziell mit der äthiopischen Gruppe befassen, wohl aber einige Kenntnis des Geeez haben, willkommen sein dürfte.
Zunächst eine kurze Übersicht über den Inhalt des Werkes. In der Ein¬
leitung (p. XIII — XX) berichtet der Verfasser über seine und seiner Vor¬
gänger Arbeiten über das Gafat, seine Forschungsreise von 1946/47, die zur
„Entdeckung" Gafat-sprechender Personen führte und bringt historische
sowie ethnologische Naehrichten über die Heimatprovinz der Sprache. Dann
folgt die Lautlehre (p. 1—30), an die sich die Morphologie (p. 31—165) und
(p. 166^) ein kurzes Resumö einiger syntaktischer Fragen (im übrigen wird
die Syntax mit der Formenlehre zusammen behandelt) anschließen. Der
zweite Teil der Arbeit enthält ein sehr willkommenes Glossar der Gafat-
Wörter (p. 169—251) und einen Index Französisch-Gafat (p. 253—260). Eine
wertvolle „Conclusion" (p. 261—277) faßt die Ergebnisse der Arbeit über¬
sichtlich zusammen, indem sie zuerst die charakteristischen Züge der be¬
handelten Sprache aufzählt und schließlich die Stellung des Gafat im Kreis
der äthiopischen Sprachen festlegt. Zwei Karten, von denen eine das Gebiet
des Gafat zeigt und die andere eine Sprachenkarte Nordostafrikas ist, runden das Werk ab.
Das Gafat unterscheidet sich von allen anderen 8üd-(und nord-)äthio-
pischen Spraohen durch folgende Fakten :
Altes y wird zuweilen zu g, wodurch sich das nominale Pronominalsuffix (sit venia verbo) der 1. P. sg. -ggä (aus -yä) erklärt. — Einem anlautenden
Vokal geht häufig ein y voraus. — Das Phonem k kann schwinden; r ist
1 Vielleicht handelt es sich tatsächlich, wie Conti Rossini (OM 1921
p. 174) meinte, dem Ullendobf {Semitic Languages oj Ethiopia, 1955, p. 25)
anscheinend zustimmt, bei all den südäthiopischen Sprachen um nichts an¬
deres als die weiterentwickelten Mundarten alter Militärkolonien des Reiches
von Aksum. ^ Im Inhaltsverzeichnis auf p. IX irrtümlich p. 167—168.
manchmal da einfach, wo man es geminiert erwarten sollte. Die Labiovelaren
haben im Nomen „morpbonologischen" Wert. Im Vokalsystem ist häufiges
Schwanken zwischen den Phonemen ä und a zu verzeichnen.
Der Artikel bzw. das Determinativsuffix lautet -S^ (§ 31). ■— Das Personal¬
pron, der 1. P. sg. ist anät, anätti^, das der 3. P. pl. alläum, annälläum, das ,, nominale Pronominalsuffix" der 3. P. pl. -lläum^.
Die Ausdrücke für die Gesamtheit zeigen eine dem Gafat eigene Form
yalho (neben ydlalho und afom) < "al-ho mit 2/-Vorschlag (s. o.) < *kall {kull)-hu*.
Es existiert eine Kopula der Vergangenheit daggä „er war" (eigentlich ,,er hat erwartet"^), während die übrigen südäthiopischen Sprachen diese
Funktion mit Hilfe der Wurzel nbr und das Gaeez durch hallä, allä (^hlw)
ausdrücken. — Der Besitz wird durch az-, yaz mit den Pronominalsuffixen bezeichnet (aus der Wurzel für „ergreifen" 'hd)-
Beim Verbum lautet die Endung der 3. P. pl. pf. -i^m, im Impf, yd — i'^m.
Einige Verben des ,,proto-äthiopischen" Typs qomä gehen im Gafat nach
den Mustern räsä, simä (als ob sie alte med. yä' wären). — Das Impf, des
Typs qomä lautet yaq^im und sein Kausativ aq^imä gegenüber dem aqomä
der anderen Spraohen. — Der Jussiv der vierradikaligen Verben der Form
auf tä- lautet yassäräkät.
Wörter, die sich nur im Gafat finden, sind u. a. dbärä „Lüge", anfisä eine Weizenart, balä eine Hirseart, g'nlzä „jungverheirateter Mann" und ,, jung- verheiratete Frau", astabb^ä ,, Onkel", ästim^ätä ,, Tante", gunnä ,,gut", lättämä ,, ankommen", qorräbä ,, schmücken", gäräzä ,, besiegen". Mehrere
dieser Wörter sind möglicherweise Lehnwörter aus den kuschitischen Agau-
Sprachen, doch sind uns die Agau-Etyma unbekannt.
Da es mir wegen Platzmangels \mmöglich ist, auch nur die wichtigsten Züge
der Grammatik wenigstens in groben Zügen zu umreißen, muß ich es mir ge¬
nügen lassen, auf einige wenige Einzelheiten hinzuweisen. •— In der Lautlehre
sind — vom Standpunkt der nichtäthiopischen semit. Sprachen — bemerkens¬
wert die glottalisierten (rekursiven)' Konsonanten p (1 Beleg) t s (= ts') c (aus präpalatalis. s oder t) q g«", sowie die labialisierten gr" fc" q" h^ fc" und
auch die — gegenüber den älteren semit. Sprachen — reicher entwickelte
(Prä-)Palatalreihe: z (1 Beleg) S § ö fl. — Alle Vokale sind mittellanger
Dauer'. — Der Wortakzent ist schwach (er wird vom Verfasser nicht be¬
zeichnet) und weicht dem Satzakzent (über den leider nichts weiteres mit¬
geteilt wird).
Fast alle nicht mit Suff, versehene Nomina (p. 31—52) enden auf -ö (amh.
Lehnwörter ausgenommen), so auch die Adjektiva (§ 32), einige wenige auf
» S. Word 5 (1949) 276f. " Mit dem gleichen t wie in den 3. p.sg.
' S. 19 führt Leslau die Diphthonge äu {äw), aw, äy etc. an. Da er von
keinem Unterschied zwischen äu und äw spricht, nehme ich an, daß beide
Formen gleichwertig sind. Es wäre zweckmäßig gewesen entweder nur äw
etc. zu schreiben oder anlautendes w, y von silbenauslautendem bzw. das
2. Element von Diphthongen bildenden u, % zu unterscheiden.
* Auch yalalho und alam sind wohl von der gleichen Wurzel kll gebildet
(s. p. 71 oben). Unklar ist, warrun ein- und dieselbe Wurzel sich so verschieden entwickelt hat.
* Zum Zusammenhang von ,, attendre" imd ,,etre" verweist Leslau auf Cohen, Le Systeme verbal simitique 131 ff.
» S. Ullendobff, Sem. Lang. 153. ' S. Leslau, p. 19.
420 Bücherbesprechungen
-i und -t. Die beiden Genera, Mask, und Fem., werden am Nomen (und Ad¬
jektiv) nicht mehr unterschieden, von einigen Rudimenten wie alä „Bruder" : aht ,, Schwester" abgesehen. Von den 2 Numeri (Sg. und PL) wird der PI.
durch die Endung -a6 < *-at-i gekennzeichnet. Altertümhche Plurale -an
(masc.) und -at (fem.) finden sich in den Oaf. Doc, wie auch gebrochene Plu¬
rale z. B. gawer ,, Schakale". An die Stelle einer Genitivverbindung tritt eine Konstruktion wie yä- (vermutlich aus der Präpos. lä ,,zu, nach") färäs sg^rä
täsäbbärä ,, dem/des Pferd(es) Fuß ist gebrochen = das Pferd hat sich ..
wo also yä dem Genitiv präfigiert und das Ganze dem Regens voraufgestellt
wird. — Bei den (gleichzeitig Substantiv, und adjektiv.) Demonstrativa be-
-achte man die Opposition a :o für Nähe:Ferne, anna ,, dieser" : anna „jener". — Die Interrogativa lauten man „wer ?" und man < *min ,,was ?" (of. hebr. mi und arab. -dial, min/min ,,wer ?"). ■— Besondere Aufmerksamkeit verdient
Kapitel V (p. 75—84), in dem Kopulae und verbum existentiae behandelt
werden, die z. B. Außerzeitlichkeit, ingressive Aktionsart (tto an Impf,
suffigiert) u. a. ausdrücken. — Beim Verbum ist darauf aufmerksam zu
machen, daß die 3 Grundstämme ABC (gällädä, kimmärä, dakkämä) ent¬
gegen z. B. dem Arab., Aram, und Hebr., nur lexikalische Varianten und
ohne besondere morphologische oder semantische Funktion (etwa Intensiv¬
bildung etc.) sind. Es gibt eine große Anzahl zweiradikaliger Stämme, die aus alten dreiradikaligen (tert. laryng., tert. inf. usw.) entstanden. Die Aufgaben
des alten Intensivstammes (Grundstamm B) wurden vom Frequentativ
(durch Wiederholung des 2. Radikals mit o) übernommen, der eine inten¬
sive oder iterative, aber auch eine abgeschwächte Handlimg ausdrückt
(sibbätä ,, wählen" : säbahbätä. Impf, yasäbahbat). An erweiterten Stämmen
kann gebildet werden ein Reflexiv-Passiv (tä- plus Grundstamm A z. B.
tädäbbätä „wiederholt werden"). Reziprok (tä- -f Grundstamm C oder Fre¬
quentativ z. B. tä-marräqä/tä-märarräqä „einander segnen"), Kausativ
{a- -\- Grundstamm A z. B. a-lättämä „ankonunen maehen" oder at- +
Grundstamm B z. B. at-riggäsä ,, tanzen machen") und ein Kausativ des
Reziproks (at- -f Grundstamm C oder Frequentativ z. B. at-marräqäjat-
märarräqä ,, veranlassen, daß sie einander segnen"). — Als Modi werden Ge¬
rundium, Resultativ, Jussiv, Imperativ und Verbalsubstantiv aufgezählt.
Nach den Belegen möehte ich glauben, daß die beiden ersteren — durch
Perfekt mit -mä bzw. -mä-n gebildet — einfach die Unterordnung (relativer,
temporaler oder kausaler Art) ausdrücken. Beide voneinander zu scheiden
oder einen Terminus der idg. Granunatik (auch wenn er in der Grammatik
des Äthiopischen üblich ist) zu verwenden scheint mir überflüssig"^. — Es werden 2 Aspekte, Perfektiv und Imperfektiv, unterschieden, die von Leslau
parfait/imparfait genannt werden (accompli /inaceompli wäre weit besser ge¬
wesen!) und durch Zeitstufen (passö, present, futur) funktionell definiert
werden, was mir unrichtig erscheint. Leslau nennt die Aspekte im § 59, ver¬
liert aber weiter kein Wort über ihre Form und Funktion. Sollte er etwa mit
aspects die Alctionsarten meinen ? — Jussiv, Imp. und Verbalsubstantiv werden alle mittels ,, Basen" wie -gläd (A), -kämmar (B), -dakam (C) ge-
1 Vielleicht ist dieses mä aus dem Pronomen mä ,,was ?", „das, was" ab¬
zuleiten ; zur Entwicklung vom Pronomen zur Konjunktion vergl. auf ganz
-anderem Sprachgebiet latein. quod ,,was, weil", quam (cum) ,,wonn, als,
seit" (s. Walde-Hofmann, Latein, etymolog. Wörterlmch II 411), ferner en¬
klitisches -que „wenn, als" bei Wackemagel, Kleine Schriften I 257 ff.